Wüsten und Oasen
Dienstag, 08.01.2008Gefahrene Meilen: 136.0 (= 219 km)
Irgendwie war heute morgen erst einmal gar keine Energie zum Aufstehen da. Es wurde mir schmerzhaft bewusst, dass mein Urlaub langsam aber sicher dem Ende zugeht. Aber ich zwang mich zum Aufstehen. Munter war ich nämlich. Und ein kurzer Blick aus dem Fenster machte mich dann hellwach: Draußen färbte sich gerade der Himmel rot über Palmen. Ich beeilte mich mit dem Anziehen und schaffte es tatsächlich noch, die allerletzten rötlichen Flecken am Himmel abzulichten.
Da es im Motel 6 nur Kaffee gibt und ich dessen Qualität kenne (der ist von der Sorte „schmeckt furchtbar, aber es ist etwas Koffein drin, also runter damit“), belud ich gleich das Auto bevor ich auscheckte und dabei einen Becher dieses Gebräus mitnahm. Ich musste sowieso zuerst mal eine Tankstelle suchen und das Auto füttern; da konnte ich mir auch gleich einen Eimer Cappuccino und einen Muffin mitnehmen, den ich dann bei Gelegenheit gefuttert habe.
Und dann ging es auf der Autobahn erst einmal bergauf. Da waren auf einer Strecke von 16 km knapp 500 Höhenmeter zu gewinnen. Und das nicht in Form von Serpentinen, sondern als langgestreckte Gerade. Am Anfang der Steigungsstrecke war ein Schild, dass man zur Vermeidung von Überhitzung die Klimaanlage und Heizung abstellen solle. Und die Laster quälten sich da rauf. Mit meinem leistungsstarken Auto hatte ich da überhaupt keine Probleme, nur der Benzinverbrauch stieg auf dieser Strecke enorm. Die Gegend, durch die ich fuhr, konnte nicht karger sein: Es gab nur nacktes, schroffes Gestein zu sehen. Das war schon ein krasser Unterschied: Unten im Tal Palmen, Felder und Obstplantagen und hier nur noch Felsen.
Dann war die Ausfahrt erreicht, die in der kleinen Parkstraße mündet, die durch den Joshua Tree Nationalpark führt. Zuerst ging es einige Zeit einfach so durch die Landschaft, die bei näherem Hinsehen noch einige Farbtupfer hervorbrachte.
Mein erster Halt war wie üblich beim Visitor Center, hier auch gezwungermaßen, um den Eintritt zu bezahlen bzw. gegen Vorzeigen des Nationalparkpasses eine Karte des Parks und Tipps für kurze Wanderungen zu erhalten. Die von mir ins Auge gefasste Wanderung wurde genauso beschrieben, wie ich befürchtet hatte: Auf einem felsigen Wanderweg geht es steil 100 m hinauf und gleich darauf wieder hinunter – und auf dem Rückweg dasselbe noch einmal. Damit war die Besichtigung der Oase am Ende dieses Weges meiner Erkältung zum Opfer gefallen; das wollte ich mir dann doch nicht zumuten.
Aber es gab eine Alternative: Direkt hinter dem Visitor Center führte eine geteerte Straße bis direkt an eine andere Oase, die dann durch einen kurzen Fußweg erreicht werden konnte. Das war dann zwar nicht dasselbe wie wenn man nach einer Wanderung durch die Felsenwüste plötzlich vor Palmen steht, aber doch ein Ersatz. Und wenn man sich vorstellte, dass man nicht gerade aus dem Auto ausgestiegen und diesen schönen Spazierweg hinuntergegangen war, sondern müde und abgekämpft von einer Wanderung angekommen ist, dann war der Anblick schon faszinierend.
Meine Fantasie reichte aber nicht aus, um die Kühle des Morgens, es war erst 9 Uhr und noch ziemlich frisch, durch Sonnenglut zu ersetzen und so ging ich dann wieder zum Auto, um dessen Wärme zu genießen. Bei der Weiterfahrt sah ich dann plötzlich vor mir eine Bewegung. Anhalten, Fenster herunterfahren, Foto anschalten und abdrücken mußten ganz schnell gehen, aber dann hatte ich den Kojoten nur ganz leicht unscharf fotografiert, bevor er verschwand. Die sind ganz schön schnell, diese Kojoten.
Im Südteil des Joshua Tree Nationalparks, den ich gerade durchfuhr, findet man die Colorado-Wüste, die sehr karg ist und auf deren Geröll hauptsächlich ein paar Sträucher und Chollas wachsen. Und die Chollas traten plötzlich nicht nur mehr vereinzelt auf sondern in großen Mengen, wie in einem Garten. Auch wenn diese Kakteen richtig flauschig aussehen, wird vom Berühren dringend abgeraten, da die Stacheln, die dieses flauschige Aussehen erst ermöglichen, so mit das Fieseste sind was es im Joshua Tree Nationalpark gibt: Die haben Widerhaken, mit denen sie sich so richtig festhaken können in der Haut. Also habe ich sie lieber nicht gestreichelt sondern nur aus sicherer Entfernung fotografiert.
Der Hunger meldete sich jetzt und so habe ich meinen Muffin mit einem Teil des Cappuccinos (heute fasste der Eimer sogar gut 700 ml) im Auto mit Blick auf den Cholla-Garten verspeist. Draußen war es mir noch zu kalt. Bei der Weiterfahrt nach Norden verschwanden die Chollas wieder und dafür tauchten plötzlich riesige Felsbrocken auf. Auch die Vegetation änderte sich; jetzt war ich nicht mehr in der Colorado-Wüste sondern in der Mojave-Wüste mit den für sie typischen Joshua Trees, die dem Park seinen Namen gaben.
Viele Besucher sehen sich nur den Nordteil an oder durchfahren den Park von Norden nach Süden und sind dann von der Kargheit der Colorado-Wüste total enttäuscht. Es ist auch ein sehr großer Unterschied: Im Süden eine Landschaft, bei der die Vegetation nicht sehr hoch wächst und die Chollas schon eine Sensation sind und im Norden die üppigen Joshua Trees, die in Massen auftreten können. Und die Joshua Trees sollten mich jetzt bis zum Verlassen des Parks begleiten.
Zuerst jedoch ging es noch hoch hinauf: Auf einen Aussichtspunkt nämlich, von dem aus man bei klarem Wetter bis fast nach Mexiko sehen kann. Dadurch, dass es sich immer mehr bewölkte, bot sich mir ein unglaublicher Anblick: Im Vordergrund schroffe, steil abfallende Felsen der Colorado-Wüste und im Hintergrund Berggipfel, die gerade so über die sich dort auftürmenden Wolken blitzen. Da musste ich schon zweimal hinsehen, bis ich die dunklen Streifen über den Wolken als Berggipfel erkannte.
Als nächstes kam dann die kleine Wanderung dran, die als Ersatz für die zu anstrengende Wanderung zur Oase dienen sollte. Da führte der Weg zuerst durch eine sehr enge Passage in riesigen Felsblöcken, um dann in einem verborgenen Tal zu münden. In diesem von hohen, schroffen Felsen umgebenen Tal war eine eigene kleine Welt zu finden mit verhältnismäßig üppiger Vegetation, die außer aus Yuccas und Joshua Trees auch noch aus Koniferen und anderen Sträuchern bestand. Und das alles war immer wieder durchsetzt von unglaublich großen Felsbrocken.
Natürlich brauchte ich für die knapp 2 km Rundweg mindestens doppelt so lange wie die anderen Leute. Schließlich musste ich alle paar Schritte stehen bleiben und in alle Himmelsrichtungen schauen, bevor ich weitergehen konnte. Es hätte ja sonst sein können, dass ich eine besonders schöne Pflanze oder eine besonders seltsame Felsformation nicht sehen würde. Aber nach gut einer Stunde (na gut, es waren fast 1 ½ Stunden) war auch ich wieder am Ausgangspunkt der Wanderung angekommen – und um 75 Fotos reicher. Auch ein kleiner Squirrel lugte einmal kurz über einen Felsbrocken, aber bevor ich die Kamera richtig eingestellt hatte, wurde er von sich nähernden Schritten vertrieben.
Die Fahrt Richtung Westeingang ging weiter durch richtige Joshua Tree Wälder. Endlich konnte ich mich mal an Joshua Trees so richtig sattsehen. Außerhalb des Joshua Tree Nationalparks treten diese Riesenyuccas (Joshua Trees sind die größten Yuccas, die es gibt) immer nur einzeln oder in kleinen Gruppen auf und man hat keine Haltebuchten, von denen aus man diesen Anblick so richtig genießen kann.
Aber irgendwann hat jeder Park ein Ende und ich zeigte beim Passieren des Westeingangs dem Parkranger meinen Nationalparkpass. Da man im Süden ja einfach so in den Park fahren kann und quasi freiwillig im Visitor Center den Eintritt bezahlt, werden bei den beiden besetzten Eingängen eben auch aus dem Park fahrende Autos kontrolliert und zur Kasse gebeten. Mein nächstes Ziel war das Visitor Center im Ort Joshua Tree, das zu diesem Eingang gehört. Mann, war das gut versteckt. Die Hinweisschilder waren nur zu sehen, wenn man in Richtung Park fuhr, was ich auch tat. Anhand meiner Parkkarte wusste ich ja ungefähr, wo ich das Visitor Center zu suchen hatte. Aber es bot nichts interessantes.
Jetzt musste ich noch außerhalb des Parks zum Haupt-Visitor Center in Twentynine Palms kommen, das genau so gut versteckt ist wie das andere. Aber es hatte noch eine kleine Überraschung zu bieten, von der ich zwar schon im Internet gelesen, es aber wieder vergessen hatte: Dort gab es auch eine Oase. Und da konnte ich dann den Tag noch mit einem kleinen Spaziergang unter Palmen beenden.
Und irgendwie spiegelt dieser dunkle Abendhimmel meine Stimmung wider: Einerseits dunkel und traurig, dass mein Urlaub fast zu Ende ist, und andererseits auch froh und glücklich, so viel schönes gesehen und erlebt zu haben.
Jetzt bin ich wieder mal in einem Motel 6 ohne Internetzugang und muss auf eine Gelegenheit warten, bis ich meine Berichte und Bilder hochladen kann.
Morgen geht es durch die Mojave-Wüste nach Jean, wo ich mich für die letzten zwei Nächte einquartiert habe.