26.06.2014: Wo man überall Fußball schauen kann...Ich bin noch am Schlafen als Sally um sieben rein kommt. Sie sagt mir, dass sie frühs gleich mit Stephanie und mir zu Ron ins Krankenhaus möchte. Rons Frau kommt, damit jemand auf die Kleinen aufpasst. So kann sie sich auch ein bisschen ablenken. Ich mache mich also fertig und gehe nach unten, wo ich in einen sehr emotionalen und intimen Moment reinplatze. Sally, Stephanie und ihre Mutter saßen am Küchentisch und unterhielten sich. Sally weinte. Ich hielt mich in der Küche eher im Hintergrund und wollte nicht stören. Die Kleinen waren im Wohnzimmer, da habe ich ein bisschen mit ihnen gespielt. Da die Räume aber nicht voneinander getrennt sind konnte ich das Gespräch aber doch grob mit verfolgen. Stephanie erzählt Sally, dass Ron die 10 000$ gespendet hat, was ein wirklicher Schock für Sally ist. Sie hätte nie damit gerechnet. Ron spendete das Geld nur wenige Tage bevor er krank wurde und tat dies in Gedenken an Sallys verstorbenen Sohn Lowell, der 10 Jahre zuvor an Krebs gestorben ist. Wie ihr euch sicher vorstellen könnt war Sally sehr gerührt und wollte sich nun unbedingt auch persönlich bei Ron bedanken. Auch wenn er im Koma lag, wollte sie ihn einfach nur noch umarmen und bei ihm sein.
Wir sind dann also in den Krankenhausbezirk von Houston gefahren. Unterwegs sind wir auch an dem Haus von Ron und seiner Frau vorbei gefahren.
Im Krankenhausbezirk angekommen habe ich wirklich noch nie so viele Krankenhäuser auf einmal gesehen. Zu unserer Stimmung passend ist der Himmel wolkenverhangen und die Hitze und Feuchtigkeit drückt nur so auf uns nieder. Das klimatisierte Krankenhausgebäude ist da wirklich ein Segen. Ich begleite Sally noch bis zum Wartezimmer der Intensivstation wo wir dann eine Zeit ausmachen, wann wir uns wieder hier treffen wollen. Ich gehe aus dem Krankenhaus und spaziere ein wenig durch die Gegend. Sally sagte mir, dass es in der Nähe ein hohes Gebäude gibt, an dem sich ein großer Wasserfall befindet. Nach ca. 10 Minuten bin ich durch die Schwüle klitschnass und fühle mich wie in einer Bio-Sauna bloß mit Klamotten an. Den Wasserfall finde ich schließlich. Sieht schon toll aus:
In der ganzen Gegend begegne ich fast nur Ärzten oder Krankenpflegern und komme mir fast vor, wie auf einem Drehset für Grey´s Anatomy oder Emergency Room.
Nach einer Weile, beschließe ich bald wieder zurück zu gehen. Hm... mal sehen, von wo bin ich nochmal gekommen? Wenn ich hier um die Ecke gehe müsste ich doch wieder wieder auf die große Straße kommen, wo sich Rons Krankenhaus befand. Hier sind auf einmal Straßenbahnschienen, die habe ich vorhin aber nicht gesehen.
Ein Starbucks! Genau das, was ich jetzt brauche. Ich zergehe gleich in diesem Klima. Mit einer eisklaten Starbucks-Limo bewaffnet mache ich mich wieder auf den Weg. Super, dass ich mir zwar gemerkt habe ich welchen Eingang ich gehen muss und welchen Fahrstuhl ich nehme, aber nicht den Namen des Krankenhauses. Wie dumm kann man sein??? Ahhh... Ich könnte Leute nach dem Weg fragen, aber nach was genau soll ich da fragen. Wenn ich nur den Namen wüsste. Also mache ich das Sicherste und gehe genau den gleichen Weg mit allen Kreuzungen, die ich genommen haben, genauso wieder zurück, aber das im Laufschritt, denn sonst wird es etwas knapp mit der Zeit. Mit fällt ein Stein vom Herzen, als ich den Wasserfall wieder finde (nach dem hätte ich eigentlich auch fragen können) und dadurch den Weg zum richtigen Krankenhaus finde.
Im Wartezimmer begegne ich dann auch gleich Sally, die gerne noch länger bleiben würde. Im Wartezimmer ist auch ein kleiner Röhrenfernseher. Sally schlägt vor, dass ich ja hier das Fußballspiel Deutschland gegen die USA schauen könnte, während sie weiter bei Ron bleibt. Gesagt, getan. Wir suchen die Kanäle durch und finden schließlich einen Spanischen. Besser als gar nichts. Also mache ich es mir mit meiner Limo und ein paar Müsli-Riegeln, die wir mitgebracht haben bequem und schaue mir im Wartezimmer einer Houstoner Intensivstation das Fußballspiel der deutschen Nationalmannschaft auf einem kleinen uralt Fernseher mit spanisch aufgebrachten Kommentatoren an, die nur zu gerne in wahren Begeisterungswellen „Schwainssssteigerrrr!“ rufen, wenn dieser am Ball ist.
Ich bin ganz allein im Wartezimmer, nur ab und zu gesellt sich eine Krankenschwester oder ein Arzt, die gerade ihre Pause haben mit einer Tüte Hamburger hinzu und verschwinden dann wortlos wieder. Nicht nur hier, sondern auch draußen merkt man, dass selbst an dem Tag an dem die USA spielt, Fußball hier ein ganz anderer Stellenwert zukommt. Mit anderen Worten - ich sehe niemanden, der sich wirklich dafür interessiert, aber vielleicht ist ein Krankenhaus auch nicht der beste Ort, um dafür eine Untersuchung anzustellen. Als ich aber draußen herum gelaufen bzw. geirrt bin, ist ein junger Mann mit einem Bayern München Trikot an mir vorbei gelaufen. Wir haben uns kurz angeschaut, auf unsere T-Shirts gezeigt (ich hatte mein Dtl.-Trikot an) und den Daumen gehoben. Wenigstens ein Begeisterter.
Als das Spiel aus ist, und Deutschland gewonnen hat, machen Sally und ich uns wieder los. Im Whole Food Market decken wir uns am Buffet - was ich dort übrigens super finde - mit Mittagessen ein, dass wir mit zu Rameys und Stephanies Haus nehmen. Nach dem Mittag spiele ich noch ein wenig mit Jennie. Sally unterhält sich derweil mit Stephanie.
Am Nachmittag packen wir dann unsere Sachen zusammen und verabschieden uns. Denn wir wollen heute weiter nach Waco, wo Sallys Mutter wohnt. Bei meinem ersten Besuch hatte ich Sallys Eltern bereits kennen gelernt. Ihr erinnert euch vielleicht noch an die Geschichte von Sally´s Vater´s Begegnung mit Bonnie und Clyde? Sally´s Vater ist leider letztes Jahr gestorben, also werde ich dieses Mal nur die Freude haben ihre Mutter Dorothy wiederzusehen. Das Wetter unterwegs ist erst weiterhin bewölkt wird zunehmend besser.
Als wir um 8:00 abends ankommen geht gerade die Sonne am Lake Waco unter.
Und auch die Grundstücke in See-Nähe sehen kann niedlich aus. Hier könnte ich es auch aushalten.
Mit Dorothy wohnt nur auch die Haushälterin Doris mit in dem Haus. Sie kümmert sich Tag und Nacht um Sallys Mutter und den Haushalt. Dorothy und auch Doris sind beide super nett zu mir und empfangen mich freudig. In meinem ersten Reisebericht hatte ich glaube auch schon Bilder aus dem Haus gepostet, aber hier nochmal eins vom Wohnzimmer und auch eins von Sallys Porträt als sie 18 war.
Zum Abendbrot gibt es selbstgemachten Shepards Pie, Salat und Cracker, die wir in der putzigen Küche zu uns nehmen.
Abends spielen wir alle zusammen noch Scrabble und Dorothy mit ihren 96 Jahren schlägt uns rigoros. Wirklich unglaublich, wie gut sie geistig noch drauf ist. Der kleine weiße Hund Casper ist auch total süß.
Er ist ganz flauschig und liegt am liebsten in Dorothy´s Schoß. Der Tag neigt sich dem Ende. Ein wahrhaft emotionaler Tag. In meinem Gästezimmer, das mich an eine Puppenstube erinnert, schlafe ich friedlich ein.
Heute ist erst einmal der sechste Tag und ich frage mich, was mich die nächsten knapp drei Wochen noch so erwarten wird.