Zunächst einmal ein Wort zu den Bildern, die ich hier einstelle:
Die Bilder sind Scans von den Originalfotos aus dem Fotoalbum. Das Fotoalbum enthält mehrere hundert Fotos, die ich natürlich nicht alle abscannen konnte. Schon deswegen habe ich mich auf Aufnahmen beschränkt, die wirklich interessantes zeigen.
Zudem sind die Originalbilder von sehr unterschiedlicher Qualität - teilweise super, teilweise schwach. Ich habe mich natürlich beim Abscannen auf die Bilder beschränkt, die so gut waren, dass man sie hier zeigen kann.
Mit der "Hamburg" nach New YorkInsofern ist es ganz normal, dass unsere Reisenden ein Schiff nahmen, als sie am 10.08.1933 ab Cuxhaven in See stachen. Ihr Schiff war der HAPAG-Dampfer „Hamburg“.
Fangen wir mal damit an, zu erklären, was die HAPAG war. Die „Hamburg-Amerikanische Packetfahrt Aktiengesellschaft“ wurde 1847 von Hamburger Kaufleuten gegründet und wurde – hier führt der Name in die Irre – von Anfang an mehr als Passagierlinie, insbesondere für Auswanderer, denn als Frachtlinie betrieben.
Die HAPAG erlebte in den nächsten Jahren eine unterschiedliche Geschäftsentwicklung. Besonders hervorzuheben ist ihre Entwicklung unter Albert Ballin ab den 1890er Jahren. Ballin professionalisierte nicht nur das Auswanderergeschäft mit der Errichtung einer eigenen großräumigen Unterkunft für Auswanderer in Hamburg (der sog. Ballinstadt, heute ein Auswanderermuseum), sondern führte auch in großem Stil große Schnelldampfer für die Linie ein, die ein wirklich menschenwürdiges Reisen auch für ärmere Passagiere ermöglichte. Ganz nebenbei war die HAPAG auch der Erfinder der Kreuzfahrten, also der Schiffsreisen zum Vergnügen.
Als unsere Reisenden 1933 in See gehen, ist die HAPAG, die zum damaligen Zeitpunkt auf diversen Linien in alle Welt über 100 Schiffe betreibt, in einer schweren Krise. Die Weltwirtschaftskrise hatte die Zahl der Passagiere und die Menge der Fracht so reduziert, dass die HAPAG auf staatliche Hilfe angewiesen war. Gleichwohl erholte sich die HAPAG wieder, bis der 2. Weltkrieg sie erneut in Schwierigkeiten brachte. Heute besteht das Unternehmen, inzwischen mit der Fa. Lloyd zu Hapag Lloyd fusioniert und zur TUI-Gruppe gehörig, weiter fort und ist auf den Gebieten Reisebüros, Kreuzfahrten und Flugtourismus tätig.
Die „Hamburg“ (eigentlich „Hamburg II“, da es vorher schon einmal eine erste „Hamburg“ der Linie gegeben hatte), war 1925 von der bekannten Werft Blohm & Voss ausgeliefert wurde. Mit 21.455 Bruttoregistertonnen war sie genauso groß wie ihre Schwesterschiffe „Albert Ballin“ und „Deutschland“. Wie diese hatte sie eine Länge von 191,26 m und einer Breite von 22,2 m. Insgesamt konnte sie 1551 Passagiere beherbergen (251 in der 1. Klasse, 340 in der 2. Klasse und 960 in der 3. Klasse). Damit konnte sie sich auch nach heutigen Maßstäben durchaus sehen lassen.
So sah sie aus:
Ein wesentliches Merkmal dieser neuen Schiffe war die Abmilderung der unterschiedlichen Klassen. Zuvor gab es auf den Schiffen eine starke Unterscheidung in die wohlhabenden Passagiere der I. und II. Klasse und dem „Pöbel“ der III. Klasse. Es gab nicht nur eine klare räumliche Trennung der verschiedenen Passagiergruppen (Oberdecke für die Oberklasse, Unterdecke für die Unterklasse), auch die Unterbringung war sehr unterschiedlich. I. und II. Klasse reiste in Kabinen, während die III. Klasse in großen Schlafsälen (teilweise angeblich in der Einteilung „Männer“, „Frauen“ und „Israeliten“) unterkam.
In der nun neuen Generation der Schiffe war der Prunk der I. Klasse deutlich abgemildert. Und die III. Klasse hatte nicht nur kleine Kammern, sondern sogar einen eigenen Speisesaal und eigene Gesellschaftsräume.
Unsere Reisenden haben ein Pauschalangebot der HAPAG zur Weltausstellung nach Chicago gebucht. Dafür spricht die Bezeichnung auf dem folgenden Foto, auf dem die ca. 50 Personen als „Reisegesellschaft nach Chicago“ bezeichnet werden.
Hier sehen wir auch Heinz und Daniela zum ersten Mal.
In der mittleren Reihe steht fast genau in der Mitte eine weiß gewandete Dame. Heinz steht auf dem Bild rechts von ihr, und Daniela noch einmal rechts neben Heinz. Man beachte bitte die gute Kleidung der Reisenden.
Preislich waren diese Reisen übrigens relativ günstig. Die Weltwirtschaftskrise hatte zum einen die Nachfrage deutlich nach unten gedrückt und zum anderen den Wert des Dollars gegenüber der Reichsmark geschwächt. Friedrich Just hält hierzu fest:
„Große Vergünstigungen in Amerika, der Tiefstand des Dollars, die deutsche Registermark. Eine bescheidene Reise kostet nicht viel mehr als ein längerer Aufenthalt in einem Kurort. Also auf nach Amerika!“ (Just, S. 3)
Die "Registermark" war - wenn ich das richtig verstanden habe - eine Möglichkeit, Reichsmark in Devisen umzutauschen (das war ja wegen der Wirtschaftskrise keineswegs unproblematisch, weil natürlich jedes Land strikte Devisenpolitik betrieb).
Auch Just entscheidet sich für die Hapag und berichtet hierüber und die Reisevorbereitungen:
„Ich will mich einer Studienreise der Hapag anschließen. Da braucht man sich nicht mit zeitraubenden Überlegungen und Verhandlungen wegen Unterkunft, Verpflegung, Trinkgeld usw. zu mühen, hat sachkundige Führung in deutscher Sprache und kann in kürzester Zeit das Wichtigste sehen. Nicht ganz so leicht ist es, die Einreisegenehmigung nach den USA zu bekommen. Zwar ist der amerikanische Konsul in Warschau von vorbildlicher Liebenswürdigkeit, aber man muss die verschiedensten Papiere vorlegen und ein peinliches Verhör überstehen, dass man ja nicht goldenen Neuen Welt bleiben wolle, dass man genügend Geld habe, um in Amerika sich während des Aufenthalts dort unterhalten zu können usw.“ (Just, S. 3)
Dazu kommt ein Fragebogen mit 37 Fragen, die zu beantworten sind und die ziemlich den heutigen Fragen entsprechen. Also solche Fragen, ob man Anarchist oder Polygamist ist. Aber ehrlich antworten!
Ach ja,
hier gibt es ein Foto und einen Lebenslauf von Friedrich Just
An Bord der Hamburg befanden sich auch deutsche Teilnehmer für die Weltausstellung. Die Bitterfelder Ballonfahrer Schütze und Dr. Körner waren ebenfalls auf dem Schiff, um am 3. September in Chicago an einer Ballon-Wettfahrt teilzunehmen (bei der sie dann den 4. Platz belegten).
8-9 Tage dauerte eine solche Fahrt, was durchaus eine akzeptable Zeit ist. Selbst die schnellsten Schiffe brauchten gut 6 Tage.
Just berichtet über seine Überfahrt:
„Die Schiffskapelle spielt 'Muß i denn, muß ich denn zum Städtle hinaus', das Schiff fährt ab. Wer zum ersten Mal ein Überseeschiff betritt, kommt aus dem Staunen über die vielen Treppen und Gänge hinauf und hinab, die Speisesäle, Gesellschaftszimmer, Bäder usw. nicht heraus.“ (Just, S.6)
Für ein umfassendes Unterhaltungsprogramm ist gesorgt. Täglich gibt es ein Teekonzert, außerdem je nach Tag Tanz, Kino, Begrüßungsabend, Waldfest, Bockbierfest, Abschiedessen mit Ball, Decksport und „Pferderennen“ (nicht mit echten Pferden, sondern eine Art Gesellschaftsspiel). Und jeden Tag ein national unterschiedlich ausgerichtetes „Gabelfrühstück“ (Luncheon), nämlich russisch, französisch, caribisch, malaiisch, schwedisch oder amerikanisch.
Hier gibt es drei Bilder von Heinz und Daniela von der Überfahrt:
Beim Shuffleboard-Spielen (bzw. "Schuffelbord", wie Heinz notierte):
Daniela beim Ausruhen in einem Liegestuhl:
Und Daniela mit der Dogge eines anderen Passagiers:
Wieder Just:
„Langeweile kommt aber auf dem Schiff nicht auf. Ein Trompetensignal mahnt zum Aufstehen und zu den Mahlzeiten. An drei Vormittagen sind Besichtigungen des Schiffes, der Wirtschafts- und Maschinenräume und der Kommandobrücke. Da staunt man über die Küchen, Proviant- und Kühlräume; alles so sauber und blitzblank. Da steigt man in das Gerassel des Maschinenraums hinab, schaut durch ein Schutzglas in die Ölfeuerung, hört die Umdrehungszahlen der Turbinen und geht an der 35 Meter langen Schiffswelle entlang und bis zum Steuerrad. Da bestaunt man oben auf der Kommandobrücke die Selbststeuerung des Schiffs durch einen Kreiselkompaß. Der Kapitän erzählt von seinen Weltreisen gar interessante und amüsante Stücklein. Außer den Besichtigungen ist Gelegenheit zu Bordspielen, außerdem Abends Kinovorführungen und Konzerte, für Tanzbeflissene Bockbierfest, Kostümball usw." Werner berichtet noch über eine andere Art des Zeitvertreibs. Passagiere finden sich spontan zusammen, um für die Dauer der Überfahrt eine Art Gesangverein für zünftiges deutsches Liedgut zu bilden.
Das erinnert mich etwas an einen aktuellen Fall, als ein deutsches Gericht den Fall zu entscheiden hatte, ob eine Kreuzfahrt auf einem Schiff, das zum weit überwiegenden Teil mit Schweizern belegt war, die Jodelvereinen angehörten und dies ausgiebigst auf dem Schiff ausübten, eine Minderung des Reisepreises gestattet.....