Es ist alles ein bissel Irrational
USA
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ZÜRICH, 5. September. Das Papier war noch nicht trocken, auf dem Devisenmarkt-Prognostiker der Banken noch bis Anfang September eine "weitere Stärkung des Euro" und analog dazu eine Abschwächung des Dollar für den Rest des Jahres vorausgesagt hatten. An Argumenten fehlte es nicht: schlechte Konjunktur in Amerika, wackelnde Aktienkurse an der Wall Street und rückläufige Geld- und Kapitalmarktrenditen in Dollar als Folge großzügiger Geldpolitik des Federal Reserve Boards. Ein Grund für die Erholung
des Euros waren außerdem die jetzt begonnenen Halbjahres-Dispositionen japanischer Finanzhäuser. Sie tauschen Dollar gegen Yen, was indirekt am Devisenmarkt dem Euro zugute kam. Aber plötzlich hat sich der Wind wieder gedreht. Der Dollar steigt, und der Euro fällt. Es genügten ein paar beruhigende Konjunkturnachrichten aus Amerika, um die spekulative Nachfrage nach Euro am Devisenmarkt brüsk zu stoppen. Im Gänsemarsch laufen die Devisenmarkt-Prognostiker der veränderten Tendenz hinterher und prophezeien jetzt plötzlich wieder einen Euro "unter 85 Dollar-Cent bis zum Jahresende".
Kein Wunder: Die Verwirrung auch auf der Seite der Kapitalanleger ist komplett. Wohl dem, der Warten gelernt und sich in den Sommerwochen nicht zu vorzeitigen spekulativen Käufen in Euro-Bonds hinreißen ließ. Die Anleihekurse in Euro wackeln jetzt. Die Rendite von Dollar-Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit ist nach dem amerikanischen Feiertag zum Wochenbeginn blitzartig von 4,84 auf 4,96 Prozent geklettert. Es gibt wieder einen kleinen Renditevorsprung gegenüber zehnjährigen deutschen Bundesanleihen, die in Euro nur mit 4,75 Prozent bis zur Wochenmitte rentierten. Sollte sich die Stimmung am amerikanischen Atienmarkt auch nur geringfügig verbessern, so würde spekulatives Geld wohl ziemlich sicher eher wieder nach New York "abschwimmen" - zu Lasten der europäischen Märkte. Natürlich kann eine einzige Hiobsbotschaft am amerikanischen oder japanischen Finanzmarkt über Nacht auch wieder eine Kehrtwende im Devisenhandel verursachen. Auch für die international orientierten Anleihesparer ist das alles nervenbelastend. Von der Angebotsseite her droht dem Euro-Anleihemarkt eine erhebliche Belastung. Die Finanzminister der Eurozone haben jetzt fast alle Löcher in ihren Budgets wegen der verschlechterten Konjunktur. Sie müssen schnell neue Schulden machen. Im laufenden Monat - so schätzen die Emissionshäuser - werden allein 20 Milliarden Euro zehnjähriger Staatspapiere von Mitgliedsländern der Eurozone offeriert werden, dazu mindestens 10 Milliarden Eurozweijähriger Titel. Obendrein sind auch Schatzwechsel mit Laufzeiten von einigen Monaten schon im Markt, in der Größenordnung von mehr als 10 Milliarden Euro. Wenn diese Rechnung stimmt, drängen also neue Staatsschuldtitel von rund 40 Milliarden Euro an den Markt. Das würde - noch in alter Währung - einem Emissionsvolumen von 80 Milliarden DM entsprechen. Nicht zu vergessen ist, daß auch viele Unternehmen jetzt im Herbst auf Kapitalsuche sind. Angesichts dieses massiven Bonds-Angebots werden Spekulationen über das Verhalten der Zentralbanken etwas in den Hintergrund gedrängt. In Amerika könnten die Leitzinsen nochmals am 2. Oktober gesenkt werden, die EZB würde wohl dann bald folgen. Ziemlich sicher ist, daß die Schweizerische Nationalbank am 20. September ihre schon sehr niedrigen Leitzinsen um weitere 0,5 Prozent zurücknehmen wird. Sie kann sich "fast japanische Konditionen" leisten, ohne zu befürchten, dass Geld aus dem Frankenraum abfließt. Vertrauen ist eben stärker als der Zins. Konkurrenz für den Euro gibt's am Emissionsmarkt auch von den vielen Nebenwährungen, in denen zweistellige Renditen geboten
werden, die der Anleger freilich "nur mit Angst" genießen kann. Diese Woche ist eine Anleihe auf südafrikanischen Rand mit einem Kupon von 10,75 Prozent auf 6 Jahre zu haben. Emittent ist der Daimler-Chrysler-Konzern. Um die arg gebeutelten Argentinien-Anleihen in Euro ist es ruhiger geworden. Sorgen bereiten in Amsterdam Anleihen des niederländischen KPN-Konzerns, die weit unter pari gefallen sind und rechnerische Renditen von fast 15 Prozent bringen. Der Schuldner hat offensichtlich Liquiditätsprobleme. Ein trauriges Kapitel am Anleihemarkt wird mit der großen Zahl der in Deutschland und in der Schweiz aufgelegten Aktien-Anleihen geschrieben. Diese Bonds sind mit verlockend hohen Kupons ausgestattet, vereinzelt bis zu 17 Prozent. Sie haben alle nur eine kurze Laufzeit. Die Rückzahlung ist aber nicht in bar zu pari garantiert, sondern kann - bei schlechter Börse - auch in Aktien erfolgen, wenn ein bestimmtes Aktienkursniveau unterschritten werden sollte. Das ist jetzt vereinzelt schon der Fall. Die Käufer müssen nun Verluste bis über 50 Prozent hinnehmen, wenn sie bei Fälligkeit mit Aktien abgefunden werden. Sie sitzen dann "in guter Hoffnung" auf ihrem zurückgezahlten Kapital. Für das Image der Bondsmärkte sind die Aktien-Anleihen kein Gewinn.
(Diese Nachricht wurde am 06.09.01 um 10:33 von Kalle geändert.)