Mal abgesehen davon, dass es die Amerikaner eigentlich nicht gibt, und ich deshalb den Begriff durch viele Amerikaner
ersetzen würde: Vorurteile sind immer so eine Sache, weil sie einerseits leicht den Blick auf die Realität verstellen, andererseits aber
einen Kern von Wahrheit enthalten.
So mag z.B. die viel zitierte Oberflächlichkeit nicht grundsätzlich zutreffen – aber wenn man sich den Spaß (?) macht, sich das amerikanische Fernsehen
anzuschauen, dann stellt man leider fest, dass (man hält es eigentlich nicht für möglich) selbst das deutsche Privatfernsehen dagegen eine
höhere Bildungsanstalt ist.
Konservativ und religiös: ansich keine prinzipiell negativen Eigenschaften für viele Menschen, aber der Anteil der erzrektionären oder fanatisch religiösen
Menschen ist in den USA schon signifikant hoch. Ein Präsident, der seine Eingebungen angeblich direkt von Gott empfängt macht mich schon etwas nervös...
Und die Anzahl der Haßprediger christlichen Glaubens, denen vom US-TV eine breite Plattform gegeben wird, ist erschreckend.
Auch die Haltung vieler Amerikaner zu Sex und zu Gewalt ist sehr zwiespältig. Ein Land, in dem jeder White-Trash-Hillbilly-Redneck mit einer Waffe rumläuft, darf sich nicht
über die Höhe der Kriminalitätsraten wundern. Und zum Thema Prüderie: versuch mal, an einem öffentlichen Strand unter Deinem Badetuch die Badehose zu wechseln –
Du hast gute Chancen, das örtliche Gefängnis kennen zu lernen. Dass Du als 20-Jähriger zwar in den Krieg ziehen darfst, aber kein Bier in einer Bar bekommst, ist für
mich auch ein Ausdruck einer idiotisch bigotten Haltung.
Natürlich sind die negativen Seiten auch nicht allgegenwärtig, sondern abhängig von der Bildung, dem Alter und der Herkunft des Einzelnen:
Los Angeles oder New York, Santa Fé oder San Francisco sind da eher auf der weltoffenen Seite, während einem in einem kleinen Nest in Alabama
schon mal etwas bang werden kann.
Klingt alles relativ negativ. Aber: wenn Du drüben unterwegs bist, wirst Du davon kaum etwas bemerken. Was Du bemerken wirst, ist eine ausgesprochen wohltuende
Freundlichkeit im täglichen Umgang, eine überraschende Offenheit, sich mit Dir als Wildfremden auf Gespräche einzulassen (auch durchaus über den Austausch von
Oberflächlichkeiten hinaus gehend) und eine extreme Hilfsbereitschaft.
Ich kenne und mag dieses Land seit 20 Jahren und für mich überwiegen bei allen Problemen die positiven Seiten.
Deshalb reise ich immer wieder dort hin. Und Du hast gute Chancen, dass es Dir ähnlich gehen wird.