Bevor wir in die USA zogen, hatten wir die USA ca. 5 Mal jeweils mehrere Wochen bereist und dachten, wir kennen es. Dort leben ist aber eine andere Geschichte. Als Kulturschock würde ich es aber nicht bezeichnen, da es klar war, dass es anders sein würde als zu Hause und wir viel zu lernen hätten. Trotzdem steht man anfangs wie der Esel am Berg, da man einfach nicht auf die eigene Erfahrung zurückgreifen kann. Vieles was man kennt und weiss, gilt nicht. Diese Erfahrung war hart.
Hier bilden sich dann zwei Gruppen. Die einen die nach 20 Jahren noch nicht richtig englisch können und keine Ahnung haben wie man sich in einer amerikanischen Gesellschaft benimmt und in jedes Fettnäpfchen treten. Die bilden ihre eigenen Kreis und schimpfen über die Amerikaner. Nach Hause gehen sie aber nicht, weil sie den Lebensstandart in Europa nicht halten könnten.
Die andere Gruppe versucht hinter den Kulissen zu schauen und zu verstehen, warum etwas ganz anders gehandhabt wird als zu Hause. Diesbezüglich wurde ich ganz nett an die Hand genommen. Aber es war nicht einseitig, es wurde auch an meiner Lebens- und Denkweise Interesse gezeigt. Wir haben herzlich über die Missverständnisse gelacht. Ich habe es sehr geschätzt, da nicht verlangt wurde meine Identität aufzugeben. Denn auch die Amerikaner sind zweigeteilt. Sie sind zwar amerikanische Bürger und schwören auf die Flagge als Zeichen der Einheit. Aber gleichzeitig ehren sie ihre Herkunft und bezeichnen sich im Herzen als German, Irish, Italian, Polish usw. Das fand ich schon interessant.
Umgekehrt war es anders. Wir dachten wir gehen dahin zurück wo wir uns auskennen, schliesslich sind wir da aufgewachsen. Mit einem Kulturschock haben wir nicht gerechnet. Dieser Schlag traf uns ganz unerwartet.
Wir freuten uns sehr auf Freunde und Familie, auf die Städte, die Landschaft und die Berge, auf lokale Spezialitäten und kulturellen Anlässe. Wie die Kinder Augen machen würden usw. Dieser Bereich hat sich auch bewahrheitet und wir haben es sehr genossen.
Anders hingegen war der Alltag und der Umgang mit Fremden. Wir waren in einem Land voller Rüpel gelandet. Es wird gedrängt und geschubst. Ein- und Aussteigen sind ein Alptraum. Die Leute rücken sehr Nahe heran und scheinen die einfachsten Anstandsregeln nicht zu kennen. Wer geduldig wartet bis man ans Regal kann, wird einfach überrannt. Veranstaltungen für Familien gibt es nur wenige. Kinder sind eher unerwünscht.
Wir hatten unbewusst die amerikanischen Verhaltensweisen übernommen. Zu Hause mussten wir wieder lernen die Ellbogen zu benützen.
Positiv war, dass alles in Gehdistanz ist, da ich in einem Dorf lebe. Man kennt und grüsst sich, auch die Verkäuferinnen im Geschäft. Wenn man ein Anliegen hat, versuchen sie es auch zu lösen. Hier muss man aber aufpassen, die Verkäeuferinnen nicht in Bedrägnis zu bringen. Einen korrekten Dienstweg scheint es oft nicht zu geben. Die Chefs sitzen im Büro und die Leute an der Front getrauen sie nicht, sich an eine höhere Stelle zu wenden. Man gilt sehr schnell als unfähig, wie mir auch von Verkäuferinnen anvertraut wurde. Einmalig sind natürlich auch die öffentlichen Verkehrsmittel in der Schweiz.
Da gibt es schon einige Mentalitätsunterschiede.
Irgendwann hatten wir uns auch wieder eingelebt und ich könnte gar nicht sagen, wo es mir besser gefällt. Jetzt ist es so, dass ich mich ohne gross darüber nachzudenken automatisch umstellen kann. Bin ich hier, verhalte ich mich schweizerisch, in den USA wechsle ich auf amerikanisch. Mein Mann macht das auch so.
In der Schweiz kommt es vor, dass eine Party gegen Abend politisch wird und Streithähne aufeinander verbal losgehen. In den USA weiss ich, dass ich damit eine Party gegenüber den Gastgebern ruinieren würde. Politik wird am Küchentisch bei einem Mug Kaffee innerhalb des inneren Zirkels besprochen und nicht in einer Gesellschaft. In der Schweiz darf man ruhig über Religion reden, in den USA ist das ein faux pas. Wenigstens ausserhalb des Bible Belts, wird man nicht nach der eigenen Religion befragt.
Es gibt viele kulturelle Unterschiede, an die ich mich aber gewöhnt habe. Darum erleide ich nach ein paar Wochen Urlaub keinen Kulturschock mehr.