Dienstag, 15. NovemberHeute morgen ist mal wieder die Standard-Weckzeit um halb sieben angesagt, und kaum bin ich aus dem Bett, da fange ich schon verzweifelt an, meine Eintages-Kontaktlinsen zu suchen. Die hatte ich in Hanoi noch in der Hand, aber jetzt sind sie nicht mehr aufzutreiben, und ich brauche sie, weil ich keine Ahnung habe, ob ich ohne weiteres meine Brille auflassen kann. Heute fliege ich nämlich das erste mal mit einem Ultraleicht-Flieger. Die Firma habe ich bei Tripadvisor aufgegabelt, und die Kommentare haben sich so gut angehört, dass ich beschlossen habe, 120 Dollar in dieses Vergnügen zu investieren.
Um 8.30 Uhr soll mein 45minütiger Flug stattfinden, und pünktlich um acht holt mich der von der Firma vermittelte Tuk-Tuk-Fahrer ab. Wir fahren durch Siem Reap hindurch und kommen schließlich zu einem Flugplatz, der letztlich aus einer Hütte und einer Schotterpiste besteht. Hm, und hier soll ein Flugzeug starten?
Aber da landet gerade der Micro-Flyer, und nachdem ich noch unterschrieben habe, dass ich niemanden verklagen werde, wenn etwas schief geht, geht es auch schon los. Ich klettere in das Fluggerät, werde festgeschnallt, bekomme meine Kamera wieder umgehängt und Kopfhörer und Helm auf den Kopf, dann steigt der Pilot in den Sitz vor mir, und innerhalb von ein paar Sekunden sind wir auch schon auf der Piste und heben ab. Das Flugzeug fliegt ca. 100 – 120 km/h schnell, erklärt mir der Pilot, während wir zuerst zum Tonle-Sap-See fliegen. Ich erfahre auch, dass der See derzeit doppelt so stark angestiegen ist wie sonst nach der Regenzeit und dass hier – ähnlich wie in Thailand – die schlimmsten Überflutungen der letzten Jahrzehnte stattgefunden haben. Auch viele Reisfelder stehen komplett unter Wasser und die Pflanzen sind abgestorben.
Am See fliegen wir über eine Siedlung. Ich denke zuerst, dass es sich um ein Floating Village, ein schwimmendes Dorf, handelt, aber der Pilot erklärt mir, dass es sich eigentlich um Stelzenhäuser handelt, dass das Wasser aber so hoch steht, dass es die Häuser fast erreicht hat.
Dann drehen wir ab und überfliegen einige Tempel.
Und schließlich kommen wir als krönenden Abschluss auch zu Angkor Wat.
Ich knipse jeweils wild darauf los und hoffe, dass wenigstens einige der Fotos auch die jeweiligen Tempel zeigen und nicht bloß Bäume oder Teile des Flugzeugs. Und dann nähern wir uns auch schon wieder dem Flugplatz und landen. Schade, dass die Zeit schon vorüber ist. Ich bin froh, dass ich nicht nur die 30minütige Tour gebucht habe. Und der Frau, die schon am Rande der Piste auf ihren Einsatz wartet und die mich ängstlich fragt, wie es war, kann ich nur versichern, dass es großartig war.
Als der Tuk-Tuk-Fahrer mich nach einem dringend erforderlichen Zwischenstopp an einem Geldautomaten wieder zum Hotel zurückbringt und mich fragt, was ich morgen unternehmen würde, engagiere ich ihn spontan, mich morgen zu den Tempeln auf dem „Grand Circuit“ zu bringen.
Dann buche ich am Tour Desk in der Hotel-Lobby einen Ausflug für heute nachmittag: Eine Fahrt zum Tonle-Sap-See, Besuch der schwimmenden Dörfer, Sonnenuntergang auf dem See, danach Abendessen in Siem Reap mit Vorführung von Apsara-Tänzen. Der Preis von 36 Dollar kommt mir zwar ziemlich hoch vor, aber ich hatte auch gestern noch einen Prospekt einer Apsara-Tanzshow in der Hand, bei der die Tickets zwischen 40 und 50 Dollar gekostet haben. Also gehe ich mal davon aus, dass mir nach dem Ausflug zum See etwas ähnliches in „abgespeckter“ Form geboten wird.
Die nächsten Stunden verbringe ich damit, am Pool in der Sonne zu liegen, im Pool zu schwimmen, Cocktails zu schlürfen und zu lesen. Als ich schließlich kurz vor halb vier in der Lobby erscheine, um den Ausflug anzutreten, werde ich schon vom Guide erwartet. Ich frage mich noch kurz, wo denn die anderen Teilnehmer des Ausflugs sind, dann sitze ich schon alleine mit dem Guide in einem Kleinbus. Okay, dann ist das hier einfach nur der Hotel-Pickup, und wir fahren jetzt zum See, wo wir auf den Rest der Gruppe treffen, denke ich noch. Bis mir dann langsam klar wird, dass ich die Gruppe bin, der Guide nur für mich da ist und die 36 Dollar vermutlich nicht für eine teure Tanzshow draufgehen werden, sondern für meine Privatbespaßung.
Der Ausflug selbst erinnert mich dann ein wenig an einen Loriot-Sketch. Ich will eigentlich bloß im Auto sitzen und später auf dem Boot sitzen und aus dem Fenster bzw. aufs Wasser schauen. Der Guide glaubt, erkunden zu müssen, was ich so denke und redet fast pausenlos auf mich ein. Zuerst erzählt er mir von den vielen anderen tollen Ausflügen, die ich bei seiner Firma noch buchen könne, obwohl ich ihm mehrfach erkläre, dass ich keine Zeit für weitere Ausflüge habe. Irgendwann erklärt er mir dann mehrfach, ich würde ja heute zahlen, also sei ich sein Boss. Ich habe keine Lust, Boss zu sein, ich will ja einfach nur hier sitzen. Außerdem entpuppt sich das ganze Tourprogramm nicht gerade als touristische Offenbarung, da würde es auch nichts nützen, wenn ich anfangen würde, das Kommando zu übernehmen.
Die Fahrt bis zum See führt über unglaublich schlechte Straßen und dauert fast eine Stunde, dann steigen wir in ein ca. 20sitziges Boot um, dass der Guide und ich für uns alleine haben. Die Fahrt durch das schwimmende Dorf ist kurz, dann halten wir an der versprochenen Krokodilfarm, die sich aber als schwimmendes Souvenirgeschäft entpuppt, in dem ein paar Krokodile gehalten werden und wo schätzungsweise fünfjährige Kinder mit Würgeschlangen herumlaufen, um sich gegen einen Dollar fotografieren zu lassen. Ich kaufe mir weder Krokodilleder, noch gebe ich irgendeinem Kind Geld. Ein Schlangenbild mache ich zwar, aber beim Betrachten des Fotos in höchster Auflösung sehe ich dann links und rechts am Maul der Schlange rosa Schnüre wegstehen, was vermutlich bedeutet, dass man der armen Schlange das Maul zugenäht hat.
Aber immerhin gelingen dann noch ein paar nette Fotos von den schwimmenden Häusern und dem Sonnenuntergang überm See.
Danach bringt uns das Boot wieder zurück an Land, und weil es merkwürdigerweise nicht dort angelegt, wo es abgelegt hat, habe ich die Wahl, zwanzig Minuten im Dunkeln auf den Guide und das Auto zu warten oder mit ihm zum Auto zurückzugehen. Der Guide hätte gerne, dass ich warte, ich laufe aber lieber, und schließlich bin ich ja der Boss. Dann steigen wir wieder ins Auto und fahren eine Stunde lang zurück nach Siem Reap. Das Abendessen mit Tanz-Show ist dann natürlich auch nicht das, was ich mir so vorgestellt habe. Das Essen in Büffet-Form ist so ziemlich das schlechteste, das ich in den letzten zwei Wochen gegessen habe, und ich finde in ausnahmslos jedem Gericht, das ich probiere, Knochen. Igitt. Und die Tänze haben kaum etwas mit den in den Tempel dargestellten Apsara-Tänzen zu tun. Nur einmal wird zumindest etwas ähnliches geboten.
Als mir der Kellner dann um kurz nach acht eine für Siem Reap unglaublich hohe Rechnung über 3,50 Dollar für das bestellte Bier präsentiert, obwohl in der Tourbeschreibung davon die Rede war, Essen und Getränke seien im Preis enthalten, mag ich nicht mehr, greife meinen Rucksack und teile meinem draußen wartenden Guide mit, dass ich doch sehr überrascht gewesen sei, dass ich mein Getränk zahlen musste. Immerhin erklärt er mir dann sofort, dass er das Geld vom Tourpreis abziehen würde, und so bezahle ich dann bei der Ankunft am Hotel noch 32 Dollar.
Letztlich waren dieser Ausflug und der über das Hotel in Hanoi gebuchte Ausflug zur Parfüm-Pagode die schlechtesten Ausflüge, die ich bisher im Urlaub erlebt habe, und ich schwöre mir, künftig nie mehr unreflektiert irgendetwas zu buchen, bloß weil man es so bequem direkt im Hotel angeboten bekommt.
Aber ich habe nicht vor, mich zu ärgern. Seit dem Flug heute morgen bin ich sowieso in guter Stimmung und irgendwie hatte die Tour auch etwas unfreiwillig komisches an sich. Außerdem warten morgen wieder die Tempel auf mich. Also stelle ich mir den Wecker – ausnahmsweise mal erst für sieben Uhr, man will im Urlaub ja auch mal ausschlafen – und freue mich auf meinen letzten vollen Urlaubstag.
Gute Nacht!