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Autor Thema: an jeder Ecke ein Stück Geschichte - Japan zur Kirschblütenzeit  (Gelesen 12006 mal)

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Scooby Doo

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Re: an jeder Ecke ein Stück Geschichte - Japan zur Kirschblütenzeit
« Antwort #15 am: 30.11.2008, 16:05 Uhr »
17.03. Kyoto: Kaiserpalast, Kinkakuji (Goldener Pavillon), Ryoanji Tempel, Ninjaji Tempel

Wie nicht anders zu erwarten ist, beginnen die Probleme des Tages im Badezimmer. Man war zwar so nett, in der Dusche eine Brause mit Schlauch aufzuhängen, nur was nützt das, wenn der Schlauch einfach viel zu kurz ist, dass ein normal großer Mensch sich die Brause überm Kopf halten kann?

Mehr mitgedacht hat man da immerhin beim Frühstücksbuffet. Hier ist wenigstens für jeden Gaumen etwas dabei. Die Tabletts werden einem sogar von den Kellnern mit einer Verbeugung überreicht. Oberste Regel bei Begrüßungen, man streckt seinem Gegenüber nicht die rechte Hand entgegen, sondern man verbeugt sich, wobei dabei nicht die Hände wie beim Beten gefaltet werden. Dies sieht man immer wieder, wenn Europäer die Verbeugung nachahmen wollen, aber der Japaner behält, sofern die Hände frei sind, diese parallel neben dem Körper. Und auch die Tiefe der Verbeugung hat eine Bedeutung. Je höher der Rang der gegenüberstehenden Person, desto tiefer wird sich verbeugt. Daraus ist praktisch eine kleine Wissenschaft für sich entstanden.


Garten vor dem kaiserlichen Palast
in Kyoto

Im Hotel sind die Gäste ranghöher als das Personal, ebenso in Geschäften. Endlich mal ein Land, wo man als Kunde noch König ist und das Personal einem zu Füßen liegt.

Nach einem reichhaltigen (westlichen) Frühstück trifft sich nun die ganze Gruppe in der Lobby, um den Schlachtplan für heute zu besprechen. Zuerst werden wir rüber in den kaiserlichen Palast laufen, denn unser Hotel befindet sich direkt gegenüber dem Palast. Danach werden wir uns mit Linienbussen und zu Fuß durch Kyoto bewegen und insgesamt dreimal ein Unesco-Weltkulturerbe sehen. „Drei Weltkulturerben an einem Tag! Wo haben sie so etwas schon? Kyoto hat insgesamt 17 Unesco-Weltkulturerben und sie sehen heute schon drei Stück!“ Man könnte annehmen, Roland wäre von der Unesco, so sehr wie er immer wieder darauf herumreitet.


Kaiserliche Palast in Kyoto von
außen

Vor dem Eingang des Palastes heißt es dann wie in der Grundschule, in Zweierreihen aufstellen, damit wir vom Wachpersonal durchgezählt werden können. Kein Scherz, die Leute sind hier nicht in der Lage, eine einfache Menschenschlange durchzuzählen und es wird immer wieder von vorne begonnen, bis endlich alle in Zweierreihen stehen.


Eingangstor zum Kaiserlichen Palast
in Kyoto

Japaner sind äußerst fleißige Menschen. Sie lieben die Perfektion. Auch Service wird sehr groß geschrieben, nur wenn etwas aus der gewohnten Bahn läuft, wenn irgendetwas nicht der Routine entspricht, bekommen sie Probleme. Diese Menschen funktionieren praktisch wie ein Uhrwerk, doch bei Fehlern wissen sie plötzlich nicht mehr weiter. Und Europäer machen gerne Fehler, daher hat man es als Europäer nicht ganz so leicht in Japan. Man bleibt uns gegenüber auf Distanz, um nicht in die peinliche Situation zu kommen, mit uns nicht umgehen zu können. Beruhigt ist es da wirklich, dass wir Michaela dabei haben. Sie hat jahrelang in Japan studiert, hier gelebt, spricht fließend Japanisch und kann so so manches Eis brechen.

Im Innern der Palastmauern heißt es für Roland und Michaela, die Regie an die Japanischen „Kollegen“ abzugeben, denn im Kaiserlichen Palast dürfen ausländische Führer nicht herumführen. Und so traben wir hinter Hunderten (!) von Japanern her und bewegen uns im Eiltempo von Gebäude zu Gebäude, immer dem Mann mit dem Mikro hinterher. Was ein Irrsinn. Die Gruppe muss zwar zusammen bleiben, damit das Wachpersonal nur eine große Herde beaufsichtigen muss und nicht soundso viele einzelne Personen, also haben wir uns dem enormen Tempo anzupassen, aber dass Roland offiziell nichts erklären darf, ist etwas blöd, weil der Mann mit dem Mikro nur Japanisch redet. Über 90% der Touristen innerhalb Japans sind halt Japaner. Sie bereisen nicht nur die Welt, sondern hauptsächlich auch ihr eigenes Land. Ausländische Touristen machen einen verschwindend kleinen Teil aus. Daher macht man sich auch nicht groß die Mühe, Englisch zu reden. Als Ausländer kann man wirklich froh sein, wenn irgendwo überhaupt etwas in lateinischer Umschrift geschrieben steht.


Kaiserliche Palast in Kyoto

Zurück zum Palast. So langsam haben wir eine gute Taktik entwickelt, mit dieser Situation umzugehen. Wir lassen uns leicht zurückfallen, so dass wir alles fotografieren können, ohne die Riesengruppe ständig im Bild zu haben. Der Palast an sich kann nicht betreten werden, auch nicht der Innenhof. Aber wenigstens sind die Türen der scheußlich orange gestrichenen inneren Tore geöffnet und geben den Blick auf den sehr schlicht gehaltenen Palast frei. Die Farbe Orange wurde bewusst gewählt, um aufzufallen und böse Geister abzuschrecken.


empfangsräume im kaiserlichen
Palast in Kyoto

 Kyoto war von 794 bis 1868 Hauptstadt Japans und Sitz des kaiserlichen Hofes. Durch die angrenzenden Berge, die die Stadt wie ein Hufeisen umschlingen und nach Süden öffnen, ist die Stadt weitgehend vor Taifunen geschützt und bildete somit eine ideale Lage für eine Hauptstadt.


Garten im kaiserlichen Palast in
Kyoto

Im Laufe der Geschichte änderte sich auch die Machtposition des Tennos, dem japanischen Kaiser. Im 19 Jahrhundert war die meiste Macht praktisch an die Shogune verloren worden. Erst 1868 unterlag Japan einer gewaltigen Veränderung. Man öffnete sich dem westlichen Handel, sprach dem Tenno wieder mehr politische Macht zu und reformierte das Land grundlegend. Man spricht von der so genannten Meiji-Restauration. Da japanische Epochen gerne nach den aktuellen Hauptstädten benannt werden, änderte man auch diese im Jahre 1868, um den Wandel auch nach außen zu symbolisieren. So wurde 1868 Tokyo Hauptstadt und blieb es auch bis heute.

Als wir wieder vor den Toren der Palastanlage stehen, kehren wir zu einer „normalen“ Reisegeschwindigkeit zurück. Wir laufen quer durch die Stadt zur Nishijin Fabrik, eine Näherei und Stöberladen für allen möglichen Kitsch, wo uns eine kleine Kimono-Modenshow präsentiert wird. Untermalt mit fernöstlicher Musik, tauchen wir ein in eine farbenfrohe klassische Welt.


Kimono-Modenschau in der Nishijin
Fabrik

Es geht auf Mittag zu und man gönnt der Gruppe eine Mittagspause. Melanie und ich bedienen uns an importierten Knabbereien aus dem Rucksack und nutzen die Gelegenheit, lieber auf eigene Faust ein wenig durch die fremde Stadt zu streifen. Zwischen den Hochhäusern finden wir eine verträumte kleine Tempelanlage. Der Zweck der verschiedenen Gebäude erschließt uns noch nicht so ganz, wird aber bis zum Ende der Reise in Routine übergehen, soviel sei schon mal verraten.


kleinere Tempelanlage an einer
Hauptstraße in Kyoto

Das einzige, was man zweifelsfrei erkennen kann, ist der heilige Bereich, der mal wieder nicht mit Straßenschuhen betreten werden darf. Dafür steht ein Haufen Pantoffel bereit, direkt so ausgerichtet, dass man als Ankommender bequem hineinschlüpfen kann. Die Straßenschuhe stellt man in ein Regal oder verstaut sie in kleinen Plastiktütchen. Vermeiden sollte man es, sie achtlos im Wege herumliegen zu lassen.
Und ganz wichtig: Die Pantoffel sind wiederum nur für den Gang über die hölzernen Wege vorgesehen. Sobald man in Innenräumen auf Tatami-Matten stößt, heißt es barfuß weiter marschieren.

Wir treffen wieder die Gruppe und fahren im überfüllten Linienbus ans Ende der Stadt, zum Kinkakuji Tempel. Eigentlich bedeutet die letzte Silbe „Ji“ schon Tempel, aber zur Verdeutlichung werde ich die Namen in diesem Bericht stets so doppelt nennen, damit für die deutschsprachige Leserwelt leichter verständlich wird, ob man nun einen Tempel, einen Schrein, eine Burg oder sonst etwas besucht.


japanischer Friedhof

Der Kinkakuji Tempel besitzt – wie alle anderen Tempelanlagen auch – typische Gebäude und Einrichtungen. Mehrere Tore werden passiert, bis man im Innersten, dem Allerheiligsten vorgedrungen ist, wobei die allerletzten Türen nur den Mönchen oder sogar nur den in den Tempeln wohnenden Geistern vorbehalten sind.

Als erstes passiert man einen Brunnen, wo man sich früher von Kopf bis Fuß gewaschen hat, um den Tempel als reiner Mensch zu betreten. Heute wird dies nur noch symbolisch eingedeutet, indem der Mund ausgespült wird oder eine Kelle Wasser über den Kopf gegossen wird. Man denkt praktischer, außerdem hat man als Japaner ja auch nicht so viel Zeit.


Brunnen am Kinkakuji

Der Kinkakuji steht auf der Liste der Unesco-Weltkulturerben und sein Aushängeschild ist der goldene Pavillon, malerisch an einem See gelegen. Der goldene Pavillon wurde leider schon mehrfach durch Feuer zerstört, teils durch Blitzschlag, teils durch Brandstiftung eines Mönches, der die Schönheit nicht ertragen konnte, so dass wir heute nur noch eine Nachbildung aus dem Jahre 1955 sehen.


Kinkakuji - der Goldene Pavillon

Ringsherum gibt es allerlei „Souvenirgeschäfte“, wo man sich praktisch das Glück kaufen kann. Seien es Beutelchen mit Glücksbotschaften. Orakel am Tempel und das gezielte Werfen einer Münze in eine kleine entfernt stehende Schale – für Geld ist hier alles käuflich, ob Glück oder Gesundheit. Man muss nur fest daran glauben.
Noch eine kleine Besonderheit der Orakel, denn hier wird nicht nur Glück, sondern manchmal auch Pech vorhergesagt. Diese Orakel werden dann nicht mit nach Hause genommen, sondern an eine Art Wäscheleine im Tempelbereich aufgehängt, sozusagen das Pech wird symbolisch hier zurück gelassen und man geht als glücklicher Mensch nach Hause. Eine nette Idee.

Wie schon am Morgen angekündigt, stehen noch weitere Unesco-Weltkulturerben auf dem Tagesprogramm. Locker flockig laufen wir herüber zum Ryoanji Tempel (Tempel des zur Ruhe gekommenen Drachen) mit seinem berühmten Zen-Garten.


Zen-Garten in der
Ryoanji-Tempel-Anlage

Zen-Gärten erkennt der Europäer am gehakten Kies, doch das besondere an diesem ist die Reduzierung auf wesentliche Grundelemente: Kies, Steine und Moos. Keine Bäume, keine Pflanzen. Außerdem besitzt das Muster im Kies keinen Anfang und kein Ende und von keinem Betrachtungswinkel kann man alle 15 im Garten platzierten Steine gleichzeitig sehen. Weitere Besonderheit ist die den Garten umgebende Mauer, aus ölgetränkten Mörtel errichtet. Das Öl ist an vielen Stellen aus der Wand herausgetreten und bildet, wenn man genügend Phantasie besitzt, die Schatten der hinter der Mauer stehenden Bäume. Man spricht hier von der geborgten Landschaft. Der Garten besteht wie gesagt nur aus den drei oben genannten Elementen, aber durch die geborgte Landschaft wird er wieder mit der realen Welt verknüpft.

Als letzte Sehenswürdigkeit des Tages besuchen wir den Ninjaji Tempel. Wie überall üblich, muss am großen Eingangstor eine Holzschwelle überschritten werden, die nicht mit Schuhen betreten werden darf. Das kann man aber europäischen Touristen 1000 Mal erzählen, sie tun es trotzdem. Bei den Japanern ist dagegen zu beobachten, dass selbst alte und gebrechliche teilweise irrsinnige Verrenkungen anstellen, nur, um die 20cm hohe Stufe nicht zu betreten, dabei haben wir es doch ungleich leichter mit unseren langen Beinen.


5-stöckige Pagode des Ninjaji

Wir passieren die fünfstöckige Pagode, wo gerade eine Hand voll Männer sich gegenüberstehen und sich irgendwelche Schlachtrufe zu schreien. Muss wohl eine Art militärischer Drill sein. Michaela geht der Sache auf den Grund und kopfschüttelnd zurück. Es handelt sich um Taxifahrer, die hier auf ihren neuen Beruf vorbereitet werden. Zu gerne wüssten wir, was sie sich hier zu schreien. „Und immer nett zu den Fahrgästen sein, sie niemals ausnehmen, niemals unnötige Umwege fahren, ihnen immer die Türe aufhalten“ wäre sehr wünschenswert, aber es hört sich eher an wie die Wiederholung eines einzigen Schlachtrufes. Man beachte dazu auch mein Video auf » Youtube. Leider habe ich den Fehler gemacht und es hochkant gefilmt, aber Hauptsache, die Stimmung kommt herüber.

Als wir den eigentlichen Tempel erreichen, hören wir die Taxifahrer noch immer aus der Ferne den immer gleichen Schlachtruf. So langsam nervt es. Ich hoffe, sie reagieren sich hier einfach nur ab, um später im Verkehr nicht wie uns die Rowdies abzugeben.


Mönche singen Sutren am
Ninjaji-Tempel

Schöner klingt da doch der Gesang der Mönche, wenn sie vor den einzelnen Gebäuden ihre Sutren zum Besten geben und der Klang ihrer seltsamen Holzpantoffel beim gehen. Ich hätte da ja immer das Gefühl, vorne über zu kippen.

Zurück in die Stadt fahren wir wieder mit dem Linienbus. Durch unsere Gruppe und einer weiteren japanischen Gruppe ist der Bus erstmal restlos voll, aber andererseits, für ein paar kleine Japaner wird sich sicher noch ein Eckchen finden lassen. In Kyoto wird in den Bus stets hinten eingestiegen und beim Verlassen vorne beim Fahrer bezahlt und ausgestiegen. Wie umständlich und vor allem auch Zeit raubend. Bis alle im Gedränge ihr Kleingeld gefunden haben und sich bis zum Fahrer durchgeschlagen haben, kann an einigen Haltestellen schon eine Ewigkeit dauern. Und dann wird man zwischen den Stationen von der Bandansage in höchst näselnden Tönen doppelt und dreifach über Haltestellen, Anschlüsse und Sehenswürdigkeiten unterrichtet. Ein Glück, dass der Verkehr so dicht ist, dass es von Station zu Station eine gewisse Zeit braucht, sonst würde die Dame ja gar nicht alles erzählt bekommen.


"Wildschwein"-Tempel in
Kyoto

An diesem Abend gibt es dann auch kein Zurück und wir bekommen unsere erste japanische Mahlzeit. Ich will nicht sagen, typische japanische Mahlzeit, denn die japanische Küche ist auch sehr abwechslungsreich und vieles ist „typisch“. Jeder Bissen kostet erstmal eine kleine Überwindung. Schmeckt es süß? Sauer? Bitter? Scharf? Herzhaft? Anhand der Farbe und Konsistenz nicht immer sofort abschätzbar, richtig ungewohnt und voller Überraschungen. Ein Glück nur, dass ich hier nicht als Tellerwäscher anfangen muss, denn statt alles auf einen großen Teller zu servieren, bekommen wir eine Unmenge von Schälchen. 10 Schalen auf dem Tisch zu haben ist nicht ungewöhnlich. Zu trinken gibt es kostenlos Wasser und grüner Tee dazu.


erstes Abendessen in Japan -
hübsch angerichtet

Da wir nun alle mal zusammen sitzen, stellt sich jeder mal kurz vor mit Namen, Beweggründen, warum nach Japan gekommen und Wünschen, was er/sie auf dieser Reise gerne noch abseits des Programms erleben möchte. Wer mich kennt, weiß, was mein Wunsch ist, so viel wie möglich mit japanischen Zügen unterwegs sein und darüber hinaus noch, wenn’s geht, Japanische Gärten besuchen.
Die Wünsche werden alle von Roland notiert. Bleibt nur zu hoffen, dass sie auch bis zum Ende der Reise erfüllt werden.

Der offizielle Teil ist damit nun beendet und der Abend steht zur freien Verfügung. Irgendwie hat aber ein Großteil der Gruppe noch keine Lust ins Bett zu gehen. Es kommt der Gedanke auf, noch irgendwo etwas trinken zu gehen. Der erste „richtige“ Reisetag soll auch entsprechend abgerundet werden.
Wir finden ein kleines Restaurant in der Stadtmitte, das sich in der vierten Etage befindet. Wieder eine Kuriosität. Ein Restaurant in der vierten Etage könnte in Deutschland nicht überleben, wenn es nicht weit und breit bekannt wäre. Wer kommt schon auf die Idee, einem kleinen Werbeschild in den vierten Stock zu folgen? Wer macht sich die Mühe, da oben nachzusehen, ob noch was frei ist? In Japan allerdings allgemein üblich.

Verlässt man den Aufzug, steht man nicht etwa im Flur, sondern praktisch schon mitten im Lokal. Und hier heißt es wieder Schuhe ausziehen und rein in die Pantoffel. Fürs stille Örtchen gibt es wieder Extrapantoffel, die beim Verlassen immer so hingestellt werden, dass der nächste bequem darin einsteigen kann.


japanische Kneipe

Wir hätten gerne was zu trinken, aber darauf ist man hier nicht eingerichtet. Dies ist ein Restaurant und wir müssten auch was essen. Also bestellen wir das billigste Gericht, um möglichst effizient an Getränke zu kommen. Doch auf die Größe unsere Teilgruppe, etwa 10 Leute stark, ist das Restaurant nicht vorbereitet. Es dauert eine Ewigkeit, bis die Bestellung über Michaela (Dolmetscherin) aufgegeben ist, denn eine Speise nach der anderen ist auf einmal nicht mehr verfügbar. Dennoch ein vergnüglicher Abend, auf den wir mehrfach anstoßen: Campai!

„Campari?“ „Nein, Campai, das heißt Prost auf Japanisch.“ „Ach so, dass ist ja wie Campari mit Ei.“
Und mit dieser Eselsbrücke haben wir auch schon wieder unseren japanischen Wortschatz um einen Begriff erweitert.

Lustig wird auch wieder der Aufbruch aus dem Restaurant. Wenn man im Treppenhaus merkt, man trägt noch Pantoffel, dann stimmt irgendetwas nicht, aber an die ganzen Schuhumzieherei werden wir uns noch gewöhnen. Immerhin tragen Europäer ausgefallene auffallende Schuhmodelle und nicht einheitlich schwarz wie die Japaner, so dass Verwechslungen eher selten sind. Bei den Japanern würde es mich nicht wundern, wenn mal wer in den Schuhen anderer abhauen – und es aufgrund der Hektik nicht mal merken würden.

Übernachtung: The Palace Side Hotel - Kyoto

Bewertung: Gut!

Kommentar: geräumige Zimmer, großes Frühstücksbuffet, zentral gelegen







Viele Grüße, Markus

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Angie

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Re: an jeder Ecke ein Stück Geschichte - Japan zur Kirschblütenzeit
« Antwort #16 am: 30.11.2008, 16:28 Uhr »

Das ist in der Tat ein Eintauchen in eine völlig andere Kultur. Hochinteressant und ausgezeichnet geschrieben! Hut ab, Markus!

BTW. Dein YouTube-Video funktioniert leider nicht, kannst du bitte mal kontrollieren?
Viele Grüße,
Angie

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Sammy06

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Re: an jeder Ecke ein Stück Geschichte - Japan zur Kirschblütenzeit
« Antwort #17 am: 30.11.2008, 17:42 Uhr »
Hallo Markus,
ich bin auch noch zugestiegen. Sehr interessanter Bericht. Sehr schöne Bilder.

War das alles an Essen, sieht ausgesprochen mickrig aus.
War man davon satt?

Ja das Youtube geht nicht, ich lande bei usa-reise de. wenn ich es anklicke.
Viele Grüße Renate

Mel on Tour

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Re: an jeder Ecke ein Stück Geschichte - Japan zur Kirschblütenzeit
« Antwort #18 am: 30.11.2008, 20:02 Uhr »
Ohhhh, Du bist mit dem Japan-Bericht gestartet. Da hüpfe ich doch sofort mit in den Shinkansen.  :D Bin im Gedanken gleich wieder zur Reise zurückversetzt. Bitte lockerflockig weiterschreiben.  :lol: :lol:
Ich such mal, ob ich irgendwo auch ein Video von den Taxifahrern habe...
Viele Grüße, Mel

GreyWolf

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Re: an jeder Ecke ein Stück Geschichte - Japan zur Kirschblütenzeit
« Antwort #19 am: 30.11.2008, 20:16 Uhr »
Der Bericht fängt ja schon sehr interessant an. Was macht man denn als Vegetarier bei dem Essen? Ich meine, wenn man gar nicht weiß, was da so drin ist?

Es ist spannend, von den verschiedenen "Kuriositäten" des japanischen Alltags zu lesen. "Kuriositäten" in Anführungszeichen, da es ja für die Japaner ganz normal ist, was für uns seltsam wirkt. Ich würde gerne mal einen japanischen Reisebericht über Deutschland lesen. Ob die dabei ebenso viele "Kuriositäten" finden?
Wer schon immer mal wissen wollte, wie man früher gereist ist: Alte Reiseberichte

Mel on Tour

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Re: an jeder Ecke ein Stück Geschichte - Japan zur Kirschblütenzeit
« Antwort #20 am: 30.11.2008, 20:29 Uhr »
Ich hab noch ein Video zu den Taxifahrern gefunden und hochgeladen, allerdings in schlechter Qualität. klick
Viele Grüße, Mel

Scooby Doo

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Re: an jeder Ecke ein Stück Geschichte - Japan zur Kirschblütenzeit
« Antwort #21 am: 30.11.2008, 20:31 Uhr »
Das ist in der Tat ein Eintauchen in eine völlig andere Kultur. Hochinteressant und ausgezeichnet geschrieben! Hut ab, Markus!

Danke für das Kompliment. Hatte nur die Befürchtung, es wäre etwas lang geworden, aber am ersten Tag fällt einem halt sehr viel auf und in diesem Bericht möchte ich - anders als die anderen - nicht nur unterhalten, sondern auch etwas informieren, weil es halt so ganz anders ist als bei uns.

BTW. Dein YouTube-Video funktioniert leider nicht, kannst du bitte mal kontrollieren?

Mal wieder zu viel Technik. Den Bericht habe ich auf meine Seite hochgeladen und die Bilder auch dort eingebaut und ein Script geschrieben, was meine Seite ausliest und dann den Text für das Forum-Posting umbaut, so dass ich noch nicht mal mehr da Hand anlegen muss. Nur hat das Skript den Link falsch umgebaut, nämlich gar nicht. Hier der richtige:
http://www.mk-urlaub.de/reisen/japan/2008/videogalerie.php

War das alles an Essen, sieht ausgesprochen mickrig aus.
War man davon satt?

Um ehrlich zu sein, von dem Essen alleine bin ich nicht wirklich satt geworden und habe mir noch eine Portion Reis nachbestellt. An anderen Tagen hatten wir aber auch andere Gerichte, davon konnte man dann auch satt werden.

Bitte lockerflockig weiterschreiben.  :lol: :lol:

Zu Befehl, soll ja schließlich ein ganzheitliches Erlebnis werden.

BTW: Wie schreibt man eigentlich "Schapu Schapu?"

Der Bericht fängt ja schon sehr interessant an. Was macht man denn als Vegetarier bei dem Essen? Ich meine, wenn man gar nicht weiß, was da so drin ist?

Bei der geführten Tour kein Problem, da konnte man Michaela fragen und selbst, wenn sie es nicht wusste, konnte sie noch die Kellner fragen. Mir als Fleischfresser stellte sich dieses Problem dann natürlich nicht.

Ich würde gerne mal einen japanischen Reisebericht über Deutschland lesen. Ob die dabei ebenso viele "Kuriositäten" finden?

Definitiv. Die würden auch so einiges an unserer Kultur sehr merkwürdig finden. Aber ich habe ja noch mehr Kuriositäten die nächsten Tage auf Lager.
Viele Grüße, Markus

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Re: an jeder Ecke ein Stück Geschichte - Japan zur Kirschblütenzeit
« Antwort #22 am: 30.11.2008, 20:35 Uhr »
BTW: Wie schreibt man eigentlich "Schapu Schapu?"
Shabu-Shabu  :wink:
Viele Grüße, Mel

Angie

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Re: an jeder Ecke ein Stück Geschichte - Japan zur Kirschblütenzeit
« Antwort #23 am: 30.11.2008, 21:03 Uhr »

Hatte nur die Befürchtung, es wäre etwas lang geworden, aber am ersten Tag fällt einem halt sehr viel auf und in diesem Bericht möchte ich - anders als die anderen - nicht nur unterhalten, sondern auch etwas informieren, weil es halt so ganz anders ist als bei uns.

Genau das - das Informieren - ist es, was ich so schätze. Ich habe überhaupt nichts gegen einen unterhaltsamen Reisebericht, aber wenn ich von etwas - in diesem Fall Japan - nur äußerst spärlich Ahnung habe, freue ich mich über jede noch so kleine Information.

BTW. Dein YouTube-Video funktioniert leider nicht, kannst du bitte mal kontrollieren?

Mal wieder zu viel Technik. Den Bericht habe ich auf meine Seite hochgeladen und die Bilder auch dort eingebaut und ein Script geschrieben, was meine Seite ausliest und dann den Text für das Forum-Posting umbaut, so dass ich noch nicht mal mehr da Hand anlegen muss. Nur hat das Skript den Link falsch umgebaut, nämlich gar nicht. Hier der richtige:
http://www.mk-urlaub.de/reisen/japan/2008/videogalerie.php

Danke, jetzt funktionieren deine Videos. Ich habe vorhin das Menschengewühl in Tokyo und das mit den zukünftigen Taxifahrern angesehen. Letzteres ist auch wieder so etwas Außergewöhnliches.

Ich bin gespannt, was du noch alles zu erzählen hast.
Viele Grüße,
Angie

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Re: an jeder Ecke ein Stück Geschichte - Japan zur Kirschblütenzeit
« Antwort #24 am: 01.12.2008, 08:54 Uhr »
Das ist in der Tat ein Eintauchen in eine völlig andere Kultur. Hochinteressant und ausgezeichnet geschrieben! Hut ab, Markus!

Danke für das Kompliment. Hatte nur die Befürchtung, es wäre etwas lang geworden, aber am ersten Tag fällt einem halt sehr viel auf und in diesem Bericht möchte ich - anders als die anderen - nicht nur unterhalten, sondern auch etwas informieren, weil es halt so ganz anders ist als bei uns.
Nur weiter so, Markus. Das macht Deinen Bericht so interessant. Ich bleibe gern dabei, egal wie (oder sogar eher gerade weil) ausführlich Du schreibst.
Viele Grüße,
Andreas
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Re: an jeder Ecke ein Stück Geschichte - Japan zur Kirschblütenzeit
« Antwort #25 am: 01.12.2008, 09:50 Uhr »
Hi,

danke Markus. Toller Bericht! :D  Bitte weiter so!

Mal was ganz anderes.
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Elsupremo

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Re: an jeder Ecke ein Stück Geschichte - Japan zur Kirschblütenzeit
« Antwort #26 am: 01.12.2008, 10:59 Uhr »
Da schließ ich mich an , super Bericht und schöne Bilder. Und je informativer, desto besser.

Zurück in die Stadt fahren wir wieder mit dem Linienbus. Durch unsere Gruppe und einer weiteren japanischen Gruppe ist der Bus erstmal restlos voll, aber andererseits, für ein paar kleine Japaner wird sich sicher noch ein Eckchen finden lassen.

Würde man es auch als Individualtourist schaffen, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ( Linienbus) die ganzen Gärten und Tempel in Kyoto zu erreichen und sich wenigstens halbwegs zurecht zu finden? Wie ist dein Eindruck?

Grüße,
Frank

Scooby Doo

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Re: an jeder Ecke ein Stück Geschichte - Japan zur Kirschblütenzeit
« Antwort #27 am: 02.12.2008, 02:00 Uhr »
18.03. Kyoto: Nijo-Jo Schloss, Gion-Viertel, Chion-in Tempel, Kiyomizu-dera Tempel

Auch am zweiten „richtigen“ Urlaubstag in Japan erwarten uns wieder eine Reihe neuer Eindrücke, allen voran zwei Besichtungen von Unesco-Weltkulturerben. Roland schenkt seinen Steckpferden bei der Vorstellung des heutigen Tagesprogramms wieder große Aufmerksamkeit.
Dann heißt es auch schon locker flockig zur U-Bahn rüber gehen. Und da war es schon wieder: Locker flockig. Diesen Ausdruck benutzte er schon gestern laufend. Und seine Ausdrucksweise, seine Körperhaltung – irgendwie erinnert er mich stark an Thomas Hermanns. Den Rest darf sich jeder selber denken.

Kyoto ist schachbrettartig angelegt, was die Orientierung enorm vereinfacht, denn in Japan sind Straßennamen unüblich. Mehrere Straßenblocks werden zu Quadranten zusammengefasst und durchnummeriert. Der erste Quadrant heißt „Ichijo“ (Ichi = eins, Jo = Planquadrat), der zweite „Nijo“ (Ni = zwei) usw.


Wassergraben am Nijo Schloss in
Kyoto

Der zweite Quadrant ist aber auch schon etwas Besonderes, denn hier sind nicht mehrere Straßenblocks zusammengefasst, sondern hier befindet sich die Schlossanlage des dritten Reichseiniger Tokugawa leyasu.
Da Schloss ebenfalls „Jo“ heißt, besuchen wir also „Nijo-Jo“.

Erbaut wurde das Schloss samt Wassergraben und Festungsmauer 1601 und war seither Sitz der Shogune, die dem Kaiser nach und nach seine Macht streitig machten. Erbaut zu einer Zeit, wo keiner Keinem vertraute, musste auch diese Anlage gegen Feinde geschützt werden und zwar von außen (Wassergraben) wie auch von innen.

Von innen? Ganz genau. Man traute seinen eigenen Leuten nicht. Daher besitzt das Schloss einen so genannten „Nachtigalboden“. Der Boden ist durchsetzt mit Hohlräumen, so dass beim Betreten der Holzbohlen es bei jedem Schritt verräterisch quietscht. So konnte in der nächtlichen Ruhe sich niemand heimlich anschleichen, wenn alles mucksmäuschenstill war.


Eingangstor zur Nijo Schloss in
Kyoto

Wie hat man sich ein japanisches Schloss vorzustellen? Zuerst einmal ist es umringt von einem Wassergraben, so wie man es auch von europäischen Modellen gewohnt ist. Hinter dem Graben dann eine hohe Mauer und im Innern weitere Mauern und verzierte Tore. Es gilt das Prinzip, je näher man dem Shogun kam, desto prunkvoller wurde alles.

Das Schloss selbst wirkt von außen eher schlicht. Es ist eingeschossig und in typischer japanischer Bauweise errichtet. Die Zimmer in der Mitte ohne Fenster und rund herum, durch herausnehmbaren Papiertüren abgetrennt, der Flur, mit weiteren verschiebbaren oder herausnehmbaren Holztüren zum Garten. So konnte man bei Bedarf gut durchlüften oder im Zimmer meditierend in den Garten hinausblicken, aber andererseits auch die Innenräume vor direkter Sonneneinstrahlung im Sommer oder der Kälte im Winter schützen. Und vor letzterem muss man sich unheimlich schützen. Es ist üblich, dass man über die Holzflure nur in Pantoffeln läuft, doch die Leihschlappen sind mir natürlich wieder zu klein, so dass ich auf Socken durch die Gänge husche. Wenn ich das nur nicht bereue, denn der Boden ist eiskalt.

Der Zimmerschmuck beschränkte sich meist auf die Wände und darin unterschieden sich die 5 Haupträume maßgeblich. Wie schon eben erwähnt, wird es schöner und prunkvoller, je näher man dem Shogun kommt. Die Wandzeichnungen im ersten Raum sind noch sehr grob, dagegen die Malereien auf Papierbahnen im vierten Raum schon echt beeindruckend und detailliert, ganz anders als im Kaiserpalast werden hier Statussymbole geschaffen. Und jeder erwartet nun, dass Raum Nummer 5 der schönste von allen wäre, aber ganz im Gegenteil. Im Raum 1 wurden einfache Leute empfangen, in Nummer 2 schon eher die VIP-Gäste. Raum 3 bekamen nur engere Vertraute zu sehen, Raum 4 nur dem Shogun nächststehende Personen. Und Raum 5 schließlich war dem Shogun selbst vorbehalten, also warum darin protzen, wenn es eh niemand sieht?

Leider ist Fotografieren in den Räumlichkeiten verboten, daher gibt es nur Außenansichten.


Garten neben dem Nijo Schloss in
Kyoto

Im Garten des Schloss-Geländes finden wir die erste Ansammlung blühender Bäume. In Weiß erstrahlen die Kirschbäume und die Pflaumenbäume setzen farblich lila Akzente. Aber die Farbenpracht soll noch viel schöner werden.

Wir quetschen uns mal wieder in einen Linienbus und fahren rüber ins Gion-Viertel, ein hoffnungslos überlaufenes Amüsierviertel, sozusagen die Touristenfalle von Kyoto. Zu meiner Verwunderung laufen wir auch direkt am großen orange-farbenden Eingangstor des Yasaka-Schreins vorbei und steigen eine schmale Treppe durch einen kleinen Urwald empor. Wohin geht die Reise denn jetzt?


Theater in Kyoto

Wir betreten ein japanisches Haus, zur Abwechslung im Eingangsbereich mal mit Steinplatten ausgelegt und hübsch dekoriert. Dann heißt es wieder Schuhe ausziehen und an den beiden etwa 40cm hohen Tischen Platz nehmen. Bald schon knien Kellner neben uns, stellen die Tabletts mit Essen neben unseren Schweißfüßen ab und servieren nach und nach vom Bode aus das Essen. Bis alle versorgt sind, werden Tablett für Tablett mit vielen Schüsseln herein getragen, und jedes Mal ab auf die Knie, auf dem Boden herumkrabbeln und wieder rauf. Ziemlich unpraktisch in unseren Augen und auch nicht sehr gesund in unseren Ohren, denn beim Hinknien knacken da so einige Gelenke.


Mittagessen in einem traditionellen
japanischen Restaurant

Aber es ist halt üblich, zu Tisch zu knien und mit dem Hinterteil auf die Füße. Die Japaner haben die Haltung von Kind auf gelernt, doch für Europäer höchst unbequem auf Dauer. Daher gestattet man es uns auch, im Schneidersitz zu sitzen und ich gehe auch ab und an einen Schritt weiter und strecke unterm Tisch meine Füße aus.

Was dagegen von Tag zu Tag besser klappt ist das Essen mit Stäbchen. Es gibt in Japan zwar auch eine verbreitete Art und Weise, wie man die Stäbchen üblicherweise hält, aber da hat wohl auch jeder Asiat seine eigene Technik entwickelt, so auch ich. Und ich habe herausgefunden, dass ich mit runden Stäbchen besser essen kann als mit eckigen.


Mittagessen in einem traditionellen
japanischen Restaurant

Der Speiseraum ist schlicht gehalten, doch irgendwie ist das Design hier ansprechend und nicht so ganz leblos wie im Schloss vorhin. Ein paar warme Farben an den Wänden, ein schönes Blumengesteck am Ende des Zimmers und schon ist der Raum wohnlich. Insgesamt ein schönes, ganzheitliches Erlebnis, denn auf einmal ist der Trubel und Lärm des Gion-Viertels verstummt. Wir sind die einzigen Gäste in diesem Restaurant und haben die Chance, wie in einem japanischen Hause zu speisen.

Zum Abschluss gibt es eine Süßspeise, ein glibberiger grüner Klumpen mit zäher bräunlicher Masse darunter. Irgendwie kann ich mit japanischen Süßspeisen nichts anfangen, aber das eigentliche Essen war lecker.
Beim Verlassen des Restaurants dürfen wir noch einen Blick in den Aufenthaltsraum des Personals werfen. Wie gemein, ihr Tisch ist zwar genauso niedrig wie unsere, jedoch hat der im Fußboden darunter eine Aussparung, wo man seine Füße abwinkeln kann. Gemein, und wir mussten Folterleiden erknien.

Nun geht es, wie nicht anders zu erwarten war, durch das große Tor hinein zum Yasaka-Schrein. Sagte ich gestern noch, man könne sich sein Glück kaufen, so kann man hier noch mehr erstehen. Nicht nur strategisch günstig an den Fußgängerampeln, wo viele Menschen automatisch anhalten müssen, sondern auch entlang des ganzen Weges zum Schrein stehen Jahrmarktsstände, so dass das Gesamtbild eher nach Bazar als an eine heilige Stätte erinnert.


Eingangstor zum Yasaka Schrein in
Kyoto

Vor dem eigentlichen Schrein hängen große Seile von der Decke herab. Hat man einen Wunsch, so tritt man heran, wirft einen kleinen Obolus in eine Art Schatzkiste und läutet mit dem Seil an den am Dach aufgehängten Schellen, um die Geister des Schreins anzurufen. Danach spricht man seinen Wunsch, natürlich mit zahlreichen ehrfürchtigen Verbeugungen gespickt und klatscht zum Abschluss in die Hände, einem Pendant zu unserem „Amen“. Der Schrein ist allerdings so gut besucht, ob da die Geister zwischen den verschiedenen Anrufen überhaupt ruhen können?


Yasaka Schrein in Kyoto

Hoch über der Stadt finden wir dann das mächtige Tor zum Chion-in Tempelkomplex. Dieser Tempel, wo wir uns neben den Japanern niederlassen, um ebenfalls ein wenig zu meditieren oder unsere Gedanken schweifen zu lassen und das bereits erlebte zu verinnerlichen, wartet gleich mit zwei Superlativen auf: Dem höchsten Tempeltor und der schwersten Tempelglocke Japans.


mächtiges Eingangstor des
Chion-In Tempel

 Das Tor ist 24 Meter hoch und mehrgeschossig. Von da an geht es nochmals viele Treppen empor, was nicht nur wegen der hügeligen Umgebung erforderlich ist, sondern symbolisch auch den Weg zum Tempel erschweren soll. Man soll leiden und wird zur Belohnung von seinen Leiden erlöst.


Chion-In Tempel in Kyoto

Die Tempelglocke ist 74 Tonnen schwer, braucht aber selbst nicht bewegt zu werden wie unsere Glocken, denn sie besitzt keinen Klöppel, sondern wird von außen per Holzbalken angeschlagen. Allerdings werden um die 17 Mönche dazu benötigt, um sie beim japanischen Neujahrsfest erklingen zu lassen. Ich schaue mich gerade mal so in der Gruppe um – ja, wir wären eigentlich genügend Leute. Let’s Rock and Roll.


schwerste Glocke Japans am Chion-In
Tempels in Kyoto

Wie geht es weiter? Roland und Michaela besprechen die Lage, denn es gibt kein in Stein gemeißeltes Programm, sondern es wird durchaus den Gegebenheiten angepasst. Melanie und ich stehen gerade zufällig in ihrer Nähe und damit etwas abseits der Gruppe, um einfach Fotos ohne Massen von Leuten schießen zu können. Roland kommentiert dies etwas abwertend „Sie sind bei unseren Besprechungen wohl immer dabei.“

Wie meint er das denn nun? Haben die beiden etwa so große Geheimnisse? Und nach zwei Tagen schon von „immer“ zu sprechen, ist das nicht etwas sehr vermessen?

Jedenfalls sieht der Plan so aus, dass wir vom gerade erklommenen Berg locker flockig heruntersteigen, durch den Maruyama Park, vorbei an Kunstskulpturen und einem See mit echten Schildkröten und einem Reiher, runter zur Hauptstraße, zwei Haltestellen mit dem Bus fahren und dann den Berg durch eine ziemlich enge Einkaufsstraße wieder nach oben. Toll, wären wir einfach oben quer am Berg entlang gelaufen, hätten wir sicher Zeit und Anstrengung gespart. Und so jemand will uns weiß machen, in Kyoto schon alle Wege vorbereitend abgelaufen zu sein, um zu testen, ob die Passagen zumutbar seien.

Zurück zur Einkaufsstraße. Sie ist eng, laut, unübersichtlich, und man verliert sich leicht aus den Augen. Solche Straßen bin ich eher von italienischen Touristenorten gewohnt. Hätte ich jedenfalls nicht in Japan erwartet. Am Ende der Straße erwartet uns dann der Kiyomizu-dera Tempel (Tempel des reinen Wassers), den man auf Stelzen an den Hang gebaut hat und von wo man eine schöne Aussicht auf Kyoto hat.


Eingangstor zum Kiomizudera-Tempel
in Kyoto

Roland zählt die Gruppe durch: „fünfzehn, sechzehn, ok, alle da. Also weiter“ Und genau in diesem Moment kommen auch noch die Nachzügler den Berg hinauf. Das mit dem Zählen üben wir aber auch noch mal.

Das Ablesen aus dem mitgebrachten Schnellhefter geht da schon etwas flüssiger von der Hand, denn, man darf dreimal raten, hierbei handelt es sich mal wieder um ein Unesco-Weltkulturerbe.


Balkon des Kiomizudera Tempel in
Kyoto

Der Tempelkomplex umfasst nicht nur die Haupthalle mit besagter großer Terrasse, sondern auch mehrere Schreine, unter anderem dem Jishu-jinja, der dem Gott der Liebe gewidmet ist. Hier befinden sich zwei Steine im Abstand von 18m und schafft man es, blindlings vom einen geradewegs auf den anderen zuzulaufen, so sagt man, wird man bald die große Liebe finden.
Außerdem befindet sich unterhalb der großen Terrasse die Quelle, aus der das Namensgebende reine Wasser fließt, dem man heilende Kräfte zuspricht. Um einen Schluck davon zu trinken, muss man zuerst längere Zeit anstehen und dann mit langen Kellen das Wasser schöpfen. Ein Teil unserer Gruppe lässt sich diese rezeptfreie Heilmethode nicht entgehen. Roland schaut schon etwas ungeduldig, denn wir müssen in ein paar Minuten im Theater sein, doch weil sich auch Michaela anstellt, macht er gute Miene zum bösen Spiel.


Liebessteine am Jishu-jinja Schrein
in Kyoto

Brunnen am Kiomizudera Tempel

Runter zur Hauptstraße wollen wir uns jetzt daher ein wenig beeilen, werden aber von zwei Geishas abgelenkt. Geishas (Personen der Künste sind Unterhaltungskünstlerinnen, die nach langer, harter Ausbildung neben Gastgeberrolle besonders die japanischen Traditionen beherrschen müssen: Kalligrafie - Schönschreiben, Ikebana - Blumensteckkunst, Gesang, Tanz, Musikinstrument spielen und das Abhalten einer Teezeremonie.

Doch nun wieder runter zur Hauptstraße und in den erstbesten Bus. Zum Glück ist der auch nicht so voll. Doch kaum hat man es sich bequem gemacht, Kommando Bus wieder verlassen. Dies ist eine Expresslinie und zu teuer für uns. Ach, daher war der auch so leer. Japaner geben alles Geld für Glück aus und können sich dann keine teuren Busse mehr leisten.
Nach zwei Stationen steigen wir auch wieder aus den „normalen“ Bussen aus und stehen wieder vor dem Yasaka-Schrein. Roland schaut auf die Uhr. Wenn wir es noch rechtzeitig schaffen wollen, können wir uns nicht mehr auf die Busse verlassen, also ruft er uns 5 Taxen herbei. Da aber nur Michaela japanisch spricht, muss sie nun jedem Taxifahrer erklären, wo wir hin wollen, da es in Japan keine Straßennamen oder Adressen gibt. Ich komme im letzten Taxi unter und ab geht’s durch die Mitte.

Am Gion Corner Theater angekommen, ist von den anderen Taxen keine Spur zu sehen und von der Gruppe noch weniger. Na toll, Herr Reiseführer. Der Bus war Ihnen zu kompliziert, weil man hätte sich verlieren können. Das Taxi mit Michaela wird sicher auch noch ankommen, denn sie kennt sich in Kyoto aus, und was ist mit den anderen drei? Bange Minuten verstreichen, dann fahren nach und nach auch die zuerst gestarteten Taxen als letztes an den verschiedensten Eingängen des Theaters vor. Und wäre man vom Kiyomizu-dera komplett gelaufen, hätte man nicht nur Zeit, sondern auch viel Geld gespart, denn mit Bus und Taxi sind wir einen enormen Umweg gefahren.


Geishas

Im Gion Corner Theater bekommen wir einen Einblick in die schon angesprochenen japanischen Künste. Vor unseren Augen werden kunstvoll Blumen gesteckt, eine kleine Kampfszene inszeniert sowie ein Geisha-Puppentanz aufgeführt. Aber so ein Theaterbesuch kann auch nachteilig wirken. Am zweiten Tag nach einer langen Reise Richtung Osten, ein ganzer Tag auf den Beinen, nun ein ruhiger, abgedunkelter Saal, und ich bekomme vom Geisha-Tanz nur noch etwa die Hälfte mit…

Übernachtung: The Palace Side Hotel - Kyoto

Bewertung: Gut!

Kommentar: geräumige Zimmer, großes Frühstücksbuffet, zentral gelegen







Viele Grüße, Markus

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Re: an jeder Ecke ein Stück Geschichte - Japan zur Kirschblütenzeit
« Antwort #28 am: 02.12.2008, 02:07 Uhr »
Danke, jetzt funktionieren deine Videos. Ich habe vorhin das Menschengewühl in Tokyo und das mit den zukünftigen Taxifahrern angesehen. Letzteres ist auch wieder so etwas Außergewöhnliches.

Wenn du in eine fremde Kultur eintauchst, hast du ständig Dinge, die dich erstmal verwundern, für die Einheimischen wohl aber das Normalste der Welt ist.
Japan ist ziemlich voll, die Sehenswürdigkeiten total überlaufen, also das komplette Gegenteil von den abgelegenen Dirt Roads des Südwesten, aber diese komplett andere Mentalität, komplett andere Lebensweise, Denkweise, Einstellung, ist ja gerade das Faszinierende.

Würde man es auch als Individualtourist schaffen, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ( Linienbus) die ganzen Gärten und Tempel in Kyoto zu erreichen und sich wenigstens halbwegs zurecht zu finden? Wie ist dein Eindruck?

Ich war ja anfangs auch noch etwas skeptisch, wiell es immer hieß, auf dem Land spricht man kein Englisch und auch die Beschriftung wäre nur noch auf Japanisch. Teilweise haben sich diese Mythen bewahrheiten, doch mit der entsprechenden Vorplanungen (Landkarten besorgen, U-Bahn/Busplan mit lateinischer Umschrift) und einer kleinen Eingewöhnungszeit sollte es machbar sein.

Wirst du die nächsten Tage auch am Bericht sehen. Teilweise endete der offizielle Teil nicht am Hotel, sondern irgendwo mitten in einer Stadt, dann wurde gesagt, wie man nach Hause kommt, doch Mel und ich sind teilweise querfeldein gefahren und immer angekommen, wo wir hinwollten.
Daraus haben wir zum Schluss sogar eine Art Volkssport gemacht.

Also es ist möglich, aber da hätte man an den ersten beiden Tagen wohl nicht so viele Temepl besichtigen können, weil man sich ja erstmal in die fremden Systeme reindenken muss.
Viele Grüße, Markus

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Doreen & Andreas

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Re: an jeder Ecke ein Stück Geschichte - Japan zur Kirschblütenzeit
« Antwort #29 am: 02.12.2008, 08:32 Uhr »
Wieder ein sehr interessanter Tag, Markus.
Du bringst diese völlig andere Luktur ziemlich gut rüber und bei Deinem Schreibstil macht das Mitlesen echt Spaß.

Die eingedeutschte Schreibweise einiger Sehenswürdigkeiten ist aber offensichtlich nicht so eindeutig festgelegt, oder?

18.03. Kyoto: Nijo-Jo Schloss, Gion-Viertel, Chion-in Tempel, Kiyomizu-dera Tempel


Balkon des Kiomizudera Tempel in Kyoto


Brunnen am Kiomizudera Tempel

Und wäre man vom Kiyomizu-dera komplett gelaufen, hätte man nicht nur Zeit, sondern auch viel Geld gespart, denn mit Bus und Taxi sind wir einen enormen Umweg gefahren.

 :wink: :lol:
Viele Grüße,
Andreas
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