Guten morgen allerseits,
bitte alle einsteigen, es geht weiter. Heute fahren wir weiter nach Süden und wieder zurück nach Chile, wo wir den mit Abstand bekanntesten Nationalpark in der Gegend ansteuern.
13.11.2011: El Calafate - Paine Grande LodgeDirekt nach dem Aufstehen genießen wir noch ein wenig die Morgenstimmung und den schönen Blick auf den Lago Argentino. Es sind viele Vögel, Schafe und durch die Wiese hoppelnde Hasen unterwegs. Das Wetter ist, wie es während den vergangenen Tagen war: Heiter mit vereinzelten Wolken. Im Gegensatz zu gestern gibt es heute ein Frühstück und zwar ein sehr gutes. Nachdem wir dieses verputzt haben, verabschieden wir uns von der Besitzerin der Hosteria und brechen auf. Zunächst fahren wir zurück nach El Calafate. Dort stocken wir in einem Supermarkt unsere Getränkevorräte massiv auf - denn es stehen mehrere Tage Trekking auf unserem Programm. Weiter geht es Richtung Osten. Bis zur 30 Kilometer vor El Calafate befindlichen Kreuzung der Ruta 11 mit der Ruta 40 kennen wir die Strecke ja schon von vor zwei Tagen, der weitere Verlauf der Ruta 40 nach Süden ist dagegen neu für uns.
Weiter geht es auf der Ruta 40 nach Süden. Dieser Verlauf gestaltet sich ziemlich interessant und anders als wir uns das in dieser Steppe bzw. Halbwüste vorgestellt hätten: Im Anstieg zum Cuesta de Miguez gewinnt die Straße über einige Kilometer über mehrere ansteigende Kehren steil an Höhe. Zu unserer Linken bietet sich uns ein faszinierender Blick auf die unter uns liegende Ebene mit dem Rio Santa Cruz - das ist der Ausfluss vom Lago Argentino - dem Lago Argentino selber und den hinter dem See stehenden Bergen. Wir erwarten hinter dem steilen Anstieg eigentlich einen ebenso steilen Abhang, sehen uns aber getäuscht. Die Ruta 40 führt uns auf eine baumlose Hochebene. Nach einigen Kilometern, die Straße führt hier ganz leicht wellig bergauf und bergab, kommen wir zur einer Abzweigung: Die Ruta 5 führt asphaltiert weiter nach Südosten direkt Richtung Rio Gallegos, an der Atlantikküste gelegen. Die Ruta 40 knickt nach Südwesten ab, verläuft als Schotterstraße Richtung chilenischer Grenze und führt von dort in einem großen Bogen auch nach Rio Gallegos.
Blick vom Cuesta de Miguez. Die kommenden 70 Kilometer auf der Ruta 40 sind sehr gut zu befahren. Zum Teil fahren wir auf einer hervorragenden Gravelautobahn, zum Teil ist es leicht wellig oder ruppig. Wir sehen auf bzw. neben der Straße jede Menge Tiere wie Guanacos oder Schafe. Fast jedes ausgewachsene Schaf wird von einem oder mehreren winzigen Lämmern begleitet. An einem kleinen See sehen wir auch Vögel, am auffälligsten darunter sind natürlich die pinkfarbigen Flamingos. Als wir gerade unsere Köpfe drehen, um ein junges Lamm zu beobachten, sehen wir aus dem Augenwinkel, wie ein recht klein wirkendes Tier vor uns die Straße überquert. Ein Fuchs? Als wir näher kommen, sehen wir, dass der vermeintliche Fuchs nur zwei Beine aber dafür ein Federkleid besitzt. Wir haben tatsächlich unseren ersten Nandu gefunden. Diese Laufvögel sind für Südamerika typisch und ähneln auf den ersten Blick den Straßen Afrikas oder den Emus Australiens. Nandus sind allerdings deutlich kleiner als Strauße oder Emus. Auffälligstes Unterscheidungsmerkmal ist die Farbe, denn Nandus sind komplett grau gefärbt. Unser Nandu ist etwas schüchtern, wirft sich vor uns nur ganz kurz in Pose und rennt dann davon. Nur wenige Kilometer hinter diesem Erlebnis hat uns der Asphalt wieder.
Vorsicht, querende Schafe! Um hierher zu gelangen, hätten wir an der Kreuzung von Ruta 40 und Ruta 5 auch nach links abbiegen können und dann nach 65 Kilometern auf die direkt nach Westen verlaufende Ruta 7. Dieser Streckenverlauf wäre etwa 70 Kilometer länger gewesen, dafür aber komplett asphaltiert. Wir rollen weiter Richtung Grenze bei Cerro Castillo. Hier merken wir deutlich, dass die Ruta 40 auch bei Bikern sehr beliebt ist. Wir werden von riesigen Gruppen von Motorrädern überholt - und das obwohl wir selber schon etwas schneller als erlaubt unterwegs sind. Um zum Grenzübergang nach Chile am Paso Guillermo zu gelangen, müssen wir die Ruta 40 verlassen. Wir können ganz grob abschätzen, nach welcher Entfernung es soweit sein müsste. Dennoch übersehen wir die winzige und schlecht ausgeschilderte Abzweigung zunächst. Nach einigen Minuten drehen wir um, schauen etwas intensiver und finden tatsächlich die abgehende Straße, die auf den ersten paar Metern eher an einen Feldweg als an die Strecke zu einem wichtigen Grenzübergang erinnert. Nun fahren wir direkt in Richtung Westen. Direkt vor uns sehen wir eine weiße Wand aus Wolken bzw. Hochnebel am ansonsten inzwischen makellos blauen Himmel. Das ist genau die Richtung in die wir wollen. Sollte uns unser Wetterglück etwa verlassen?
Die Straße verläuft lustig über Schotter und durch Hügel in Richtung Paso Don Guillermo. An der argentinischen Grenzstation sind wir nahezu alleine und haben die Ausreiseprozedur in wenigen Minuten erledigt - inzwischen haben wir ja auch Übung darin, den unterschiedlichen Beamten in der korrekten Reihenfolge die benötigten Dokumente vorzuzeigen. Ein paar Kilometer weiter, am chilenischen Grenzposten dann der Schock: Es stehen mehrere Reisebusse herum und das kleine Häuschen der Grenzstation quillt über vor Menschen. Letztendlich geht es aber überraschend schnell, zumindest im direkten Vergleich mit unserer Erfahrung an der ebenfalls völlig überlaufenen Grenzstation am Lanin vor zwei Wochen. Als Individualreisende dürfen wir sogar auf die ziemlich zeitraubende Gepäckkontrolle per Metalldetektor verzichten. Während die Businsassen jedes kleine Gepäckstück und jede Handtasche durch den Detektor schieben dürfen, begleitet uns ein Zollbeamter nach draußen und schaut sich kurz unser Auto an. Der Beamte macht ein wenig große Augen, als er die Batterie Getränkeflaschen sieht, die wir für die Wanderungen der kommenden Tage gekauft haben, hat ansonsten aber nichts auszusetzen.
Unterwegs auf der Ruta 9 in Richtung Parque Nacional Torres del Paine. Unser heutiges Ziel, der Parque Nacional Torres del Paine, liegt etwa 50 Kilometer entfernt in nördlicher Richtung. Wir nehmen für den Weg dorthin die Ruta 9, zunächst noch im Gegensatz zur Aussage aller uns vorliegenden Straßenkarten asphaltiert aber sehr schmal. Nach einigen Kilometern endet der Asphaltbelag und wir sind auf gutem Ripio unterwegs. Die Landschaft hier ist ebenso karg wie die Steppe auf der argentinischen Seite, allerdings deutlich grüner. Rechts und links von uns befinden sich langgezogene Hügelketten. Was sich direkt vor uns befindet, können wir leider nicht so recht erkennen, denn wir befinden uns inzwischen mitten in der Wolkenbank, die wir schon von Argentinien aus gesehen haben. Es lässt sich zwar erahnen, dass sich vor uns die Basis eines massiven Gebirgsstocks befindet, die charakteristischen Türme de Torres del Paine-Massivs verstecken sich aber komplett.
Ein Nandu. In einem weiten Tal sehen wir an der Seite der Straße einen weißen Touristenbus stehen und davor mehrere Leute, die intensiv mit ihren Kameras hantieren. Der Bus hat offensichtlich kein technisches Problem, sondern es gibt etwas zu sehen. Wir halten ebenfalls, in etwas Entfernung, und schauen uns um: Rechts und links neben der Straße stehen in der Wiese einige Nandus, deutlich näher und auch unstressiger als derjenige, den wir heute Früh gesehen haben. Im weiteren Verlauf der Strecke zum Parque Nacional Torres del Paine sehen wir noch mehrfach weitere Nandus. Und die Anzahl der Guanacos, an denen wir vorbeikommen erreicht ungeahnte Ausmaße. Hier in der Nähe des Nationalparks sind diese kamelartigen Tiere wesentlich gelassener als ihre Artgenossen weiter nördlich und sie laufen nicht gleich vor jedem vorbeifahrenden Auto panisch davon. An der Parkeingangsstation, wo wir den fälligen Eintritt für die kommenden Tage bezahlen stehen zwei Guanacos sogar direkt neben der Straße im Garten und lassen sich durch nichts und niemanden stören.
Ein Guanaco. Der Parque Nacional Torres del Paine ist neben seinen markanten Bergen berühmt für die vielen schönen Seen. Wir kommen zunächst am langgezogenen Lago Sarmiento vorbei. Hier ist neben der dunkelblauen Farbe des Wassers vor allem das weiße Band beeindruckend, das sich im Uferbereich einmal um den ganzen See zieht. Zum Zustandekommen dieses Bandes gibt es verschiedene Theorien. Eine besagt, dass durch geothermische Aktivitäten stark kalziumhaltiges Wasser durch das Gestein des Uferbereicht gedrückt wurde. Ähnlich wie bei einer heißen Quelle setzte sich der Kalk dort ab und sorgte so für die weiße Färbung. Eine am Ufer aufgestellte Informationstafel vertritt dagegen die These, dass die Kalkschicht von Cyanobakterien abgelagert wurde.
Der Lago Sarmiento. Zum kurz hinter dem Parkeingang möglichen Abstecher zur Cascade Rio Paine verzichten wir aufgrund des nicht wirklich guten Wetters und auch aufgrund der schon etwas fortgeschrittenen Uhrzeit. Die Straße ist nun sehr schmal und windet sich durch grüne Hügel lustig bergauf und bergab. Wir kommen vorbei an einem schönen Aussichtspunkt auf den Lago Nordenskjöld. Die Farbe dieses Sees - ein milchiges Türkisgrün - unterscheidet sich komplett von derjenigen des Lago Sarmiento, was darauf hindeutet, dass das Wasser hier zu einem nicht unerheblichen Anteil aus geschmolzenem Gletschereis besteht.
Straße im Parque Nacional Torres del Paine. Nach einigem weiteren Bergauf und Begab, vorbei an kleineren Seen, erreichen wir das Ostende des Lago Pehoe. Von hier aus müssen wir das Boot nehmen, um unsere für die kommenden beiden Nächte vorgebuchte Unterkunft zu erreichen. Das Schiff fährt nur zwei Mal täglich und uns bleibt noch etwas Zeit. Diese nutzen wir dazu, um uns zuerst den nur wenige hundert Meter entfernten Salto Grande anzuschauen. Über diesen hübschen Wasserfall mit schön türkisfarbenem Gletscherwasser fließt der Lago Nordenskjöld in den Lago Pehoe. Es sind auffällig viele andere Touristen unterwegs, vor allem Reisegruppen.
Dieses Gefährt wird uns über den Lago Pehoe bringen. Der Salto Grande im Parque Nacional Torres del Paine. Vom Parkplatz am Salto Grande lässt sich über einen kurzen Fußmarsch auch der Mirador Cuernos erreichen, von dem aus sich bei gutem Wetter ein toller Blick über den Lago Nordenskjöld auf das Torres del Paine-Massiv bietet, insbesondere auf die Cuernos, charakteristische spitze Felstürmchen. Wir entscheiden uns, dass die Zeit reichen müsste und marschieren los. Der Weg führt durch eine Hügellandschaft, über und über mit niedrigen grünen Sträuchern bewachsen. Im Hintergrund immer einer der türkisgrünen Seen und mindestens ein intensiv rot blühender Notro-Baum. Phantastische Farbkontraste.
Cuernos und Notro-Busch. Die Gegend an und für sich entspricht in etwa dem Bild, das wir uns von Island machen und es stört uns nur unwesentlich, dass die Berge nur sehr schemenhaft durch die Wolken zu erkennen sind. Immerhin können wir am eigentlichen Aussichtspunkt die Form der Cuernos, der Hörner, im weißen Dunst erahnen.
Lago Nordenskjöld mit leicht in Wolken hängenden Cuernos. Wir fahren unseren Pick Up zum Parkplatz am Schiffsanleger und tragen unsere Rucksäcke zum schon am Anlegesteg vertäuten Katamaran. Das restliche Gepäck bleibt im Auto unter einer abschließbaren Klappe, die die Pritsche des Wagens komplett abdeckt. Dirk hat zu Beginn unserer Reise das falsch montierte Schloss dieser Klappe komplett auseinandergenommen und um 90 Grad verdreht wieder eingesetzt. Nun rastet der Schließmechanismus nicht mehr ein, wenn es möglich ist, die Klappe zu öffnen, sondern wenn der Riegel ein Öffnen verhindert. Der Katamaran überquert in knapp 30 Minuten den Lago Pehoe. Dabei bietet sich ein schöner Blick auf die Salto Grande aber die Berge zeigen sich weiterhin äußerst schüchtern und in Wolken gehüllt. Als wir am Nordufer des Lago Pehoe ankommen, fällt uns zunächst die lange Schlange an Leuten auf, die am Anlegesteg auf die Rückfahrt des Katamarans wartet. Passen so viele Leute überhaupt auf das Schiff? Kurz hinter dem Anlegesteg befindet sich die Paine Grande Lodge. Wir checken ein, beziehen unser Zimmer und schauen uns um. Grande an dieser Lodge ist hauptsächlich der Preis, die Lage und die Gestaltung des Eingangsbereichs. Der Rest erreicht vielleicht gerade mal Jugendherbergsniveau: Enge Zimmer mit Stockbetten sind wir ja von Berghütten gewöhnt, aber auf Berghütten ist zumeist die Qualität des Essens deutlich höher anzusiedeln als diejenige des wässrigen Zeugs, welches hier als Abendessen serviert wird. Wir wollen aber nicht klagen, denn was das Wetter angeht scheinen wir großes Glück zu haben: Wir bekommen von anderen Wanderern erzählt, dass es die letzten zwei Tage mehr oder weniger durchgehend geregnet hat. Aber ab morgen soll das Wetter deutlich besser werden. Na das sind ja mal richtig gute Aussichten...
Übermorgen geht es weiter...
Schöne Grüße,
Dirk