Guten Morgen, zusammen!
Heute bin ich noch mal euer Aushilfsreiseführer. Wir werden den Parque Nacional Torres del Paine heute verlassen und erreichen das Südende des amerikanischen Kontinents, wo wir einige Frackträger besuchen werden.
18.11.2011: Hotel Las Torres - Punta ArenasWir nehmen unser letztes Frühstück im Parque Nacional Torres del Paine zu uns, packen zusammen, checken aus dem Hotel aus und fahren los. Zunächst geht es über die 7.5 Kilometer lange Hotelzufahrt zurück in Richtung des Parkeingangs an der Laguna Amarga. Dieses Mal bekommen wir unser Auto über die schmale Brücke am Rio Paine, ohne dass einer der Außenspiegel Bekanntschaft mit der Stahlkonstruktion der Brücke macht. Wir verlassen den Park und biegen nach nur sehr kurzer Strecke am Refugio Laguna Amarga wieder von der Hauptstraße ab. Wir wollen zum Abschluss unseres Besuchs in diesem Nationalpark noch die Cascada Paine anschauen - wofür vor fünf Tagen ja keine Zeit geblieben war. Die Straße zu diesem Wasserfall überquert nach ein paar hundert Metern wieder die Nationalparkgrenze. Direkt am Zaun, der Privatbesitz vom Nationalpark trennt steht eine größere Schafherde mit sehr vielen kleinen Lämmern. Zur Hälfte auf der einen Seite des Zauns und zur anderen Hälfte auf der anderen Seite. Dadurch, dass wir mit unserem Auto vorsichtig durch das Tor fahren, treiben wir noch einige Schafe mehr auf das Gelände des Nationalparks. Hoffentlich ist das in Ordnung so.
Torres del Paine im Nebel. Schafe beim Betreten des Nationalparks. Das Wetter ist heute um einiges schlechter als in den vergangenen Tagen - der Himmel ist komplett zugezogen. Von der Straße aus auf der wir unterwegs sind müssten wir eigentlich die drei Türme der Torres del Paine klar erkennen können, in der Realität sehen wir nur Schemen durch eine dichte Schicht Wolken bzw. Hochnebel. Die Cascada Paine entpuppt sich als nicht gerade hoher aber dennoch ziemlich beeindruckender Wasserfall. Beeindruckend deswegen, weil die Abbruchkante des Wasserfalls nicht senkrecht zur Fließrichtung des Flusses steht, sondern schräg dazu. Als Folge ist der Wasserfall um einiges größer als er an dieser Stelle des Flusses eigentlich sein müsste. Nach einigen Minuten reißen wir uns los und brechen auf. Kurz bevor wir wieder losfahren trifft ein sehr interessantes Gefährt ein und zwar ein expeditionstauglicher Reisebus mit dem laut Beschriftung Touren in ganz Südamerika durchgeführt werden. Und das ganze mit einem Kennzeichen aus Holland. Auch wenn wir das im Rahmen einer kurzen Begrüßung schlecht definitiv beurteilen können, sind die Fahrgäste wohl auch Holländer.
Rio Paine und Cascada Paine. Die Cascada Paine. Wir fahren zurück zur Abzweigung am Parkeingang und biegen dort nach Osten, Richtung Puerto Natales ab. Wieder sehen wir viele Guanacos. Die Straße führt entlang der schön blauen Laguna Amarga und wir treffen bald auf die Straße auf der wir vor fünf Tagen in den Park gefahren sind. Somit kennen wir die Strecke bis Cerro Castillo schon von der Hinfahrt. Wieder sehen wir einige Nandus, dieses Mal aber nur ganz aus der Ferne.
Schotterstraße im Parque Nacional Torres del Paine. Wir erreichen den asphaltierten Abschnitt der Straße. Hier fällt uns am Straßenrand ein seltsames Denkmal auf, welches aus einem an einer niedrigen Backsteinmauer befestigtem halben Ruderboot besteht. In dem Boot ist eine Stange mit einer kleinen chilenischen Flagge aufgestellt. Ein Boot, hier in der Steppe? Der Sinn des Ganzen ist uns nicht klar, wir vermuten ein militärisches Denkmal im Zusammenhang mit den Grenzstreitigkeiten zwischen Argentinien und Chile, die 1978 beinahe zu einem Krieg geführt hätten.
Patagonische Landschaft. Hinter Cerro Castillo führt die Straße durch eine viel grüner und mitteleuropäischer aussehende Hügellandschaft als wir das erwartet hätten. Was allerdings nicht so ganz nach Mitteleuropa passen würde, sind die an einigen Stellen am Straßenrand stehenden Schilder, die vor Minenfeldern warnen. Diese Minenfelder sind ein Überbleibsel des schon erwähnten Grenzkonflikts zwischen Argentinien und Chile. Als 1881 die Grenze zwischen diesen beiden Ländern vertraglich geregelt wurde, war man bei der Definition des Grenzverlaufs nicht an allen Stellen ausreichend exakt. Das war zum Beispiel in Patagonien auch nicht wirklich nötig, da dieses nahezu unbewohnte Land niemanden so recht interessierte. Viel später dann kamen Diskussionen und Streit um die Grenze auf, ein Zankapfel waren die Inseln südlich des Beaglekanal, einer wichtige Wasserstraße im Süden von Feuerland. Ein internationales Schiedsgericht entschied 1977, dass diese Inseln weiterhin zu Chile gehören sollen. Logischerweise war die argentinische Militärjunta mit dieser Entscheidung nicht glücklich und begann mit Kriegsvorbereitungen. Die militärisch deutlich schwächeren Chilenen bereiteten sich auf die Verteidigung ihres Landes vor, unter anderem durch das Anlegen der Minenfelder an denen wir vorbei fahren. Letztendlich konnte der drohende Krieg durch Intervention von Johannes Paul II abgewendet werden. Die argentinische Junta suchte sich ein paar Jahre später mit den Falklandinseln ein neues Ziel um ihren Herrschaftsbereich auszudehnen, mit bekanntem Ausgang.
Vorsicht Minen! Wir kommen an einen Berg vorbei, über dem zwei Kondore majestätisch ihre Kreise ziehen. Einige Kilometer vor Puerto Natales erreichen wir die Abzweigung zur Cueva del Milodon, einer Höhle in der unter anderem die Überreste eines prähistorischen südamerikanischen Riesenfaultieres, auch bekannt als Mylodon, gefunden wurden. Diese Höhle zählt zwar nicht unbedingt zum Pflichtprogramm eines Patagonien-Reisenden. Aber nachdem wir zur Vorbereitung unserer Reise unter anderem den Reisebericht "In Patagonien" von Bruce Chatwin gelesen haben, müssen wir sie uns trotzdem anschauen. Die folgende rund acht Kilometer lange rumpelige Schotterstraße besteht aus einer einzigen großen Baustelle. Wird hier nur hergerichtet und gegradet oder zum asphaltieren vorbereitet? Wir kommen zu einer kleinen Ansammlung von Gebäuden, stellen unser Auto ab und bezahlen den Eintritt für das Monumento Natural Cueva del Milodon. Es gibt eine kleine Ausstellung zur Geschichte der Tierwelt hier in der Gegend und zur Entstehungsgeschichte der Höhle. Zur Höhle selber führt ein 350 Meter langer Trail und vor der Höhle steht ein lebensgroß nachgebautes Mylodon.
Lebensgroß nachgebautes Mylodon. In der Höhle geben zahlreiche Schautafeln weiterführende Informationen. Alles nicht allzu weltbewegend. Gerade die breite, karge und nicht sonderlich tief in den Berg hineinragende Höhle wäre für sich alleine genommen nicht sonderlich spektakulär. In der Summe aber dennoch ein interessanter Abstecher. Ein weiterer, etwas längerer, Trail führt zu einem Aussichtspunkt oberhalb der Höhle, von dem aus wir eine schöne Aussicht auf den nördlich von Puerto Natales gelegenen Fjord Ultima Esperanza sowie die Berge der hinter dem Fjord liegenden Inseln haben. Da sich der Himmel inzwischen komplett zugezogen hat, ergibt sich ein äußerst wilder und dramatischer Anblick. Da sich die Wolken zudem gerade jetzt dazu entschließen, einen Regenguss loszulassen, verläuft der Abstieg vom Aussichtspunkt zurück zum Auto wesentlich schneller als der Aufstieg vor ein paar Minuten.
Wir fahren weiter nach Puerto Natales. Hier endet die berühmte von Puerto Montt ausgehende Navimag-Fährverbindung. Irgendwie schließt sich hier auch für uns ein Kreis, denn diese Fährfahrt war in der frühen Planungsphase auch für unsere Reise vorgesehen. Den Ausschlag, darauf zu verzichten gaben dann ein unschlagbares Angebot für eine Einwegmiete von Puerto Montt nach Punta Arenas und die deutlich interessantere Streckenführung im Landesinneren. Puerto Natales sieht nach einem sehr netten kleinen Hafenstädtchen aus. Wir legen dennoch nur einen kurzen Tankstop ein und fahren dann auf der Ruta 9 weiter in Richtung Punta Arenas. Ein paar Kilometer außerhalb der Stadt kommen wir an einem kleinen Schrein am Straßenrand vorbei. Neben dem Schrein befindet sich etwas, das auf den ersten Blick nach einem riesigen Haufen nicht fachgerecht entsorgter PET-Flaschen aussieht. Es handelt sich aber keineswegs um illegale Müllentsorgung, sondern der Schrein ist ein der Difunta Correa gewidmetes Heiligtum. Difunta Correa hieß eigentlich María Antonia Deolinda y Correa und war eine argentinische Mutter. 1841 wurde ihr Mann von Soldaten zum Militärdienst gezwungen und verschleppt. In ihrer Verzweiflung folgte sie mitsamt dem Säugling ihrem verschleppten Mann durch die Wüste - ohne ausreichende Wasservorräte. Ein paar Tage später wurde sie tot in der Wüste aufgefunden. Das Kind hatte von der Muttermilch getrunken und wie durch ein Wunder überlebt. Die Difunta Correa ist in Argentinien und Chile eine inoffizielle Heilige und gilt als Schutzpatronin der Reisenden. Zu ihrem Grab bei Vallecito in Argentinien werden ausgedehnte Wallfahren veranstaltet. Und überall entlang der Straßen gibt es Schreine, an denen vor allem Fernfahrer volle Wasserflaschen für die Difunta Correa ablegen.
Schrein für die Difunta Correa. Ab hier wird die Landschaft richtig eintönig aber dadurch auch wieder richtig interessant. Die Gegend ist zunächst relativ hügelig und von erstaunlich vielen Bäumen bestanden. Hier sehen wir zweimal Gauchos, südamerikanische Viehhirten, die ihre Herden vom Pferd aus direkt an der Straße entlang treiben. Später nimmt die Anzahl der Bäume entlang der Straße ab und die Landschaft wird flacher und steppenartiger. Links und rechts der Straße befindet sich ein dichter Teppich von gelben Frühlingsblumen. Die einzige nennenswerte Ortschaft auf diesem Abschnitt ist Villa Tehuelches - mit 151 Einwohnern die wichtigste Metropole und Hauptstadt im Verwaltungsbezirk Laguna Blanca. Ein paar Kilometer südlich von Villa Tehuelches steht direkt an der Straße eine sehr interessante Installation, bei der auf vier Stahlpfosten Windschaufeln geschraubt wurden. Das Ganze soll ein Denkmal für den Wind sein. So etwas passt auf jeden Fall hier in die Gegend. Gerade jetzt ist die Stärke des über die Steppe tobenden Winds nicht gerade gering, was Dirk am Steuer unseres Pick Ups zu stetiger Konzentration und zum andauernden Gegenlenken zwingt. Wir kommen auch an einigen Lagunen vorbei, kleineren Seen, beeindruckend tief blau in der Farbe. Hier sehen wir viele Wasservögel, darunter auch Flamingos. Dann ist endlich die Kreuzung der Ruta 9 mit der nach Osten führenden Ruta 255 erreicht und damit der weitere Einzugsbereich von Punta Arenas, der mit 120000 Einwohnern bei weitem größten Stadt im Süden Patagoniens. Zu unserer linken Seite sehen wir zunächst das Wasser der großen Laguna Cabeza del Mar und etwa später tatsächlich das Meer, die legendäre Magellanstraße.
Denkmal für den Wind südlich von Villa Tehuelches. Unser letztes Ziel für heute soll die nördlich von Punta Arenas gelegene Pinguinkolonie am Seño Otway sein. Leider zeigen alle unsere Karten völlig unterschiedliche Verläufe der Anfahrtsstraße an. Gerade als wir dabei sind, unsere Diskussion darüber zu vertiefen, ob wir die Abzweigung verpasst haben und umkehren sollen sehen wir glücklicherweise einen Wegweiser, der nach rechts in Richtung "Pinguinera" zeigt - einige Kilometer weiter südlich als wir das erwartet hatten. Die Pinguinkolonie ist über eine 38 Kilometer lange relativ gute Schotterpiste zu erreichen. Im Verlauf der Fahrt sehen wir, wie nahe manchmal Umweltschutz und Nutzung bzw. Zerstörung der Umwelt beieinander liegen können: Wir fahren über weite Strecken direkt am Gelände der riesigen Mina Peckett entlang. In dieser Mine wird im Tagebauverfahren nach Kohle gegraben und es wurden direkt nördlich vom Seño Otway, nur ein paar hundert Meter von der Pinguinkolonie große Teile der direkt hinter der Küste befindlichen Landschaft weggebuddelt.
Eintritt müssen wir zweimal bezahlen: Für das letzte Stück der Straße zur Pinguinkolonie und dann für die Kolonie selber. Der Wind hat inzwischen eine Stärke erreicht, die sich als brutal bezeichnen lässt - das kann durchaus ein begrenzender Faktor für die Besuchszeit bei den Pinguinen sein - viele andere Besucher hetzen auffällig schnell durch. Bei den Pinguinen handelt es sich um Magellanpinguine. Diese lassen sich von ihren weiter nördlich lebenden Verwandten, den Humboldtpinguinen, leicht dadurch unterscheiden, dass die Zeichnung des Gefieders ein zusätzliches schwarzes Band quer über den Hals aufweist. Durch die Pinguinkolonie führt ein Rundweg, entlang dem es eine Aussichtsplattform auf einen von Pinguinen belagerten Strand sowie zwei Aussichtstürme gibt. Der absolute Höhepunkt ist der sich gleich zu Beginn des Rundwegs befindende Strand. Denn gerade im Moment kehren die Tiere zurück, die den Tag auf dem Meer verbracht und dort nach Nahrung gesucht haben. Hier ist richtig was los - wir sehen jede Menge unherwatschelnde oder auch faul herumliegende Pinguine. Ein tolles Schauspiel. Viele der Tiere sind auch auf dem Weg zu ihren im Landesinneren gelegenen Höhlen. Einer der Pinguine muss dazu sogar den für die menschlichen Besucher angelegten Weg überqueren. Sehr zur Freude der anwesenden Touristen. Ein Teil der Strecke zu den Pinguinhöhlen verläuft auf etwas vertieften Wegen, was zur Folge hat, dass wir von den watschelnden Pinguinen oft nur den Kopf sehen können. Aufgrund der Tageszeit sind an den anderen Aussichtspunkten deutlich weniger Pinguine zu sehen. Wir schließen den Rundweg ab, schauen noch kurz in den winzigen Andenkenladen und brechen dann wieder auf.
Magellanpinguine an Seño Otway. Magellanpinguin an Seño Otway. Im Verlauf der verbleibenden Kilometer nach Punta Arenas stellen wir fest, dass die für teures Geld gekaufte Chile-Karte von TomTom im südlichen Teil des Landes völlig unbrauchbar ist: Aufgrund einer missglückten Koordinatentransformation oder etwas ähnlichem sind alle Straße so weit gegenüber der Realität verschoben, dass die Korrekturmechanismen unseres Navigationsgeräts die Flinte ins Korn werfen und als Konsequenz unsere Route irgendwo in den Acker verlegen. Dennoch finden wir mit Hilfe einer altmodischen Landkarte unser kleines Hotel mitten in Punta Arenas. Zum Abendessen spazieren wir die kurze Strecke in die Innenstadt, schauen dort die Plaza und die Kathedrale an und suchen uns dann ein Restaurant. Die Stadt macht einen sehr netten Eindruck - weitere Besichtigungen müssen wir dennoch auf das Ende der Reise in sechs Tagen verschieben. Denn vorher wird uns unsere Reiseroute noch bis ans Ende der Welt führen.