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Autor Thema: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien  (Gelesen 67120 mal)

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wuender

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #135 am: 02.11.2012, 07:17 Uhr »
Hallo allerseits,

und weiter gehts...

11.11.2011: El Chalten - El Calafate
Nach dem leckeren Frühstück packen wir zusammen und werden herzlich von Guillermo und Cristina verabschiedet. Die Abfahrt wird noch ein wenig von der flauschigen hauseigenen Katze verzögert, die es sich unter unserem Auto bequem gemacht hat. Einige Streicheleinheiten später lässt sich dazu überreden, einen Ortswechsel vorzunehmen und wir können aufbrechen. Das Wetter ist zwar nicht ganz so toll wie gestern Abend, aber immer noch recht gut: Bewölkung und blauer Himmel halten sich mehr oder weniger die Waage. Unser erstes Ziel für heute ist der Chorrillo del Salto, der Wasserfall, an dem wir vorgestern die Löwenzahn futternden Papageien beobachtet haben. Wir stellen also wieder unseren Pick Up auf dem Parkplatz ab und laufen den kurzen Trail zum Wasserfall. Nun liegt dieser nicht im Schatten und es ergibt sich auch ein hübscher Regenbogen in der aufgewirbelten Gischt. Das war ein lohnenswerter Abstecher.


Am Chorrillo del Salto.

Weiter geht es nach El Chalten, wo wir einige organisatorische Dinge erledigen: Zum einen müssen wir den im Verlauf der vergangenen Tage angesammelten Müll - vor allem leere Getränkeflaschen entsorgen. Dazu bieten sich die in der Stadt aufgestellten Recyclingstationen an, an denen der Müll sogar nach Sorten getrennt wird. Dann suchen und finden wir die in einer Nebenstraße gelegene Post und kaufen Briefmarken für die Postkarten, die wir im Lauf der vergangenen Abende an unsere daheimgebliebenen Freunde und Verwandte geschrieben haben. Pro Postkarte werden 9.50 Pesos fällig. Dafür erhalten wir je eine große dreieckige Marke im Wert von 8 Pesos und eine fast ebenso große 1.50 Pesos-Marke. In der Folge sind wir einige Zeit damit beschäftigt, die Marken aus der Perforation zu lösen und irgendwie auf die verbleibende freie Fläche oben rechts auf den Karten zu verteilen, ohne Adresse oder Text allzu sehr zuzukleben. Wie sich übrigens nach der Reise herausstellen wird, waren all diese Mühen vergebens: Die in El Chalten eingeworfenen Karten sind nie in Deutschland angekommen, ein fast am Ende unserer Reise eingeworfener zweiter Stoß Karten dagegen schon. Zuletzt besuchen wir einen Geldautomaten und holen uns frische Pesos.

Wir verlassen El Chalten auf der Ruta 23 Richtung Osten, zurück zur Kreuzung, wo wir vor vier Tagen die Ruta 40 verlassen haben. Schnell fallen die Südbuchenwälder rund um El Chalten hinter uns zurück und wir fahren wieder durch die karge Halbwüste. Wir fahren immer knapp am Ufer des Lago Viedma entlang und genießen sowohl den schönen Blick auf den See als auch denjenigen in den Rückspiegel. Dort können wir letzte Blicke auf Cerro Torre und Cerro Fitz Roy werfen.


Rückblick auf den Fitz Roy.

Nach knapp 90 Kilometern kommen wir an der Ruta 40 an und biegen nach Süden ab. Die Straße führt hier schön bergauf und bergab durch eine Landschaft, die ein wenig an den Westen der USA erinnert. Hinter dem hübschen Hotel La Leona, welches malerisch am türkisfarbenen Rio la Leona liegt, dem Ausfluss des Lago Viedma, kommen wir beispielsweise an sehr interessanten Hügelstrukturen vorbei, die uns verdächtig an die Badlands in South Dakota erinnern.


Vorsicht Wind!


Das Hotel La Leona.

Etwas weiter südlich erreichen wir den großen Lago Argentino, wie auch der Lago Viedma ein großes türkisfarbenes Juwel in der recht farblosen Halbwüste. Wir halten an einen Viewpoint auf den See und entdecken ein Detail, das sich mit unseren Assoziationen mit dem Westen der USA nicht so ganz verträgt: In einiger Entfernung zum Ufer schwimmt im Wasser des Sees ein größerer helltürkisfarbiger Eisberg. Und das bei frühlingshaft sehr warmen Temperaturen. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes cool.


Unterwegs auf der Ruta 40 durch die patagonische Steppe.


Lago Argentino mit Eisberg.

Einige Kilometer weiter verlassen wir die Ruta 40 wieder und folgen der Ruta 11 nach Westen bis nach El Calafate, malerisch am Südufer des Lago Argentino gelegen. Diese Ortschaft ist um einiges älter als El Chalten und mit 18000 Einwohnern auch viel größer. El Calafate ist das Tor zum südlichen Teil des Parque Nacional los Glaciares. Dementsprechend viel ist hier auch los. El Calafate ist stark touristisch geprägt, gefällt uns trotzdem recht gut. Wir schauen uns um und stocken unsere Getränkevorräte etwas auf. Morgen wollen wir eine Bootsfahrt auf dem Lago Argentino machen - leider ist die Agentur, zu der wir nach einigen Herumfragen geschickt werden geschlossen und macht erst um 16:00 Uhr wieder auf. Also fahren wir zunächst zur Hosteria El Galpon del Glaciar, knapp 20 Kilometer hinter El Calafate sehr schön direkt am Lago Argentino gelegen. Hier wollen wir die kommenden beiden Nächte verbringen. Wir checken ein, tragen unser Gepäck ins Zimmer und brechen sofort wieder auf, zum südlichen Teil des Parque Nacional los Glaciares. Zunächst führt die Straße knapp 19 Kilometer mehr oder weniger schnurgerade durch die Steppenlandschaft nach Westen. Dann erreichen wir die Peninsula Magellanes, eine große und grob kreisförmige Halbinsel im Lago Argentino. Diese Halbinsel ist fast komplett mit Bergen bedeckt. Daher zweigt sich die Straße hier auch auf: Die Ruta 8 führt noch etwas mehr als acht Kilometer nach Norden und endet dort bei Puerto Bandera, das ist der Hafen von dem aus die Bootsfahrten auf dem Lago Argentino starten. Die Ruta 11 dagegen knickt um 90 Grad nach Süden ab, verläuft bis zum südlichen Rand der Peninsula Magellanes und dort um diese herum bis an die Westseite der Halbinsel.

Wir folgen der Ruta 11 nach Süden und erreichen nach einigen Minuten den Eingang zum Nationalpark. Hier werden an einer kleinen Rangerstation für ausländische Gäste pro Person 100 Pesos fällig. Im weiteren Verlauf liegt immer links von uns der Brazo Rico, ein Seitenarm des Lago Argentino. Auf der rechten Seite schmiegt sich die Straße an die steilen Südhänge der Sierra Buenos Aires, eine der Bergketten der Peninsula Magellanes. Diese Berge sind dicht mit Bäumen bewachsen und dieser Wald beherbergt jede Mange Selbstmörderhasen: Mehrfach springen diese Viecher ohne Vorwarnung direkt vor unser Auto. Oder rennen kurz neben dem Auto her und schlagen dann urplötzlich einen Haken direkt vor die Front des Autos. Mehreren dieser Hasen können wir trotz gedrosselter Geschwindigkeit nur mit Müh und Not ausweichen. Dann gerät schließlich einer der Hasen unter unser Auto, allerdings glücklicherweise nicht unter einen Reifen. Dirk sieht das Tier im Rückspiegel unter dem Auto hervorkommen. Es sieht aus der Entfernung noch ganz OK aus und bewegt sich auch noch. Wir hoffen stark, dass es den Vorfall ohne bleibende körperliche und seelische Schäden überstanden hat.

Irgendwann sehen wir ihn dann zum ersten Mal: Den Glaciar Perito Moreno, unser heutiges Etappenziel. Dieser mächtige Gletscher wird vom südpatagonischen Eisfeld gespeist und fließt direkt in den Lago Argentino. Dabei ergibt sich eine Besonderheit, wegen der dieser Gletscher weltberühmt ist: Er fließt genau an der Engstelle zwischen dem Canal de los Tempanos und dem Brazo Rico in den See. Der Gletscher wächst jedes Jahr um einige Meter in den See hinein und verstopft irgendwann die Engstelle komplett. Somit hat der Brazo Rico keinen Ausfluss mehr und wird aufgestaut. Das führt zu einem starken Anwachsen des Wasserdrucks auf den Gletscher. Bei einer bestimmten Stärke des Wasserdrucks kann der Gletscher diesem nicht mehr standhalten und bricht mit viel Getöse auseinander. Dieses Spektakel findet in sehr unregelmäßigen Abständen alle paar Jahre statt, das letzte Mal im Juli 2008. Und wenn der Gletscher auseinander gebrochen ist, beginnt das ganze Spiel wieder von vorne...


Erster Blick auf den Glaciar Perito Moreno.

Wir halten an mehreren Viewpoints an und bewundern aus der Ferne die immer neuen Ausblicke auf die riesige türkisfarbige Fläche des Gletschers. Als sich die Straße nach einiger Zeit wild gekurvt ihrem Ende nähert, können wir nicht direkt bis zum recht kleinen Hauptparkplatz direkt am Gletscher fahren, sondern werden statt dessen zu einem größeren und etwas weiter entfernten Überlaufparkplatz umgeleitet. Eine interessante Erfahrung, schließlich sind wir ja in der Nebensaison unterwegs und waren zu Beginn unserer Reise oft alleine auf Wanderwegen oder an Sehenswürdigkeiten unterwegs. Wenn hier jetzt schon der Hauptparkplatz voll ist, möchten wir nicht sehen, wie es in der Hochsaison zugeht. Vom Überlaufparkplatz fahren Shuttlebusse die kurze Strecke zum Gletscher. Wir müssen nicht lange warten, bis eines dieser kleinen Fahrzeuge vorbei kommt. Als wir nach kurzer Fahrt aussteigen, befinden wir uns vor einem Visitor Center mit Cafeteria, das genau so auch irgendwo in den USA stehen könnte. Das Ganze liegt in einem lichten Laubwald. Wir drehen uns nach Westen und sehen durch die Bäume die unnatürlich wirkende riesige Fläche des Gletschers schimmern. In diese Richtung und hinab bis nur wenige Meter oberhalb der Oberfläche des Sees führt ein dichtes und zu Beginn etwas verwirrendes Netz an Boardwalks. Auf diesen befinden sich zahlreiche Aussichtsplattformen mit Sitzgelegenheiten. Der Gletscher hat schon unsere Seite des Sees erreicht, wir kommen also richtig nahe heran. Da der See schon fast vollständig verstopft ist, kann auch der nächste Abbruch nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen.


Unterwegs auf den Boardwalks am Glaciar Perito Moreno.

Die verschiedenen Aussichtsplattformen erlauben viele unterschiedliche Blickwinkel auf den Gletscher: Von oben rechts oder links auf die Oberfläche des Gletschers und seine Front oder aber auch von relativ weit unten direkt auf die riesige türkisfarbene Eisfront. Langweilig wird das nicht. Wir probieren fast alle Aussichtspunkt aus - an einer Stelle halten wir uns mehr als eine Stunde auf, um den ächzenden Geräuschen zuzuhören, die der Gletscher ab und zu von sich gibt.


Nördliche Eisfront des Glaciar Perito Moreno.

Alle paar Minuten brechen Teile der über 70 Meter hohen Gletscherfront ab und fallen mit riesigem Getöse und Platschen ins Wasser. Was für ein Lärm muss es erst sein, wenn der komplette Gletscher abbricht? Wir befinden uns zunächst auf der nördlichen Seite der Gletscherfront und laufen dann langsam über die Boardwalks zur Südseite hinüber. Hier liegen die Aussichtspunkte noch etwas näher an der Wasseroberfläche und man meint fast, das Eis berühren zu können. Ein tolles Erlebnis.


Platsch!


Eisfront des Glaciar Perito Moreno.

Am Ende unseres Besuchs schauen wir uns noch kurz im Giftshop um, ehe wir einen der letzten Shuttlebusse zurück zum Parkplatz nehmen wo wir unseren Pick Up abgestellt haben. Wir fahren ohne an unserer Hosteria anzuhalten durch bis nach El Calafate, wo wir endlich mit Erfolg Tickets für unsere morgige Bootsfahrt auf dem Lago Argentino besorgen. Danach gibt es ein leckeres Abendessen in einer netten kleinen Creperia. Auch unser Auto darf zum ersten Mal seit längerer Zeit seinen Durst auf Diesel stillen. Zurück an unserer Hosteria genießen wir noch ein wenig die Abendstimmung über dem Lago Argentino und gehen dann ins Bett.


Eine neugierige Morgenammer.

Schöne Grüße,
Dirk

Saguaro

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #136 am: 02.11.2012, 08:27 Uhr »
Muss das beeindruckend sein, dem Gletscher auf dem Boardwalk so nah zu sein  :applaus:.

LG,

Ilona
Liebe Grüße

Ilona

"Man muss viel laufen. Da man, was man nicht mit dem Kleingeld von Schritten bezahlt hat, nicht gesehen hat." (Erich Kästner)


Anti

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #137 am: 02.11.2012, 08:29 Uhr »
Ich versuche mir gerade die Gletscher-Geräusche vorzustellen. Aber irgendwie wird nur ein Geräusch wie knarrendes Holz im Wind draus...  :wink: Echt beeindruckend deine Bilder!

wuender

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #138 am: 02.11.2012, 11:22 Uhr »
Muss das beeindruckend sein, dem Gletscher auf dem Boardwalk so nah zu sein  :applaus:.

Wir hatten dabei auch das Glück, dass das Eis zum Zeitpunkt unseres Besuchs besonders nah am Ufer und damit auch den Boardwalks war: Im Februar 2012, also gerade einmal drei Monate nachdem wir dort waren, hat der Gletscher endgültig das Ufer erreicht und damit den Brazo Rico quasi zugestöpselt. Und am 2. März 2012 ist der Gletscher mit viel Getöse auseinandergebrochen. So etwas würde ich sehr gerne mal live miterleben - alleine die Videos in YouTube dazu sind sehr beeindruckend ...

Ich versuche mir gerade die Gletscher-Geräusche vorzustellen. Aber irgendwie wird nur ein Geräusch wie knarrendes Holz im Wind draus...  :wink: Echt beeindruckend deine Bilder!

Der Vergleich mit dem knarrenden Holz ist nicht schlecht. Das Ganze dann noch lauter und irgendwie von der Tonhöhe her tiefer und durchdringender, dann passt es.

Aber noch viel beeindruckender als das Knarren und Ächzen war so oder so das Krachen und das darauf folgende Platschen, wenn Stücke von Gletscher abgebrochen und ins Wasser gefallen sind...

Schöne Grüße,
Dirk

wuender

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #139 am: 04.11.2012, 08:44 Uhr »
Guten Morgen allerseits,

weiter geht es...

12.11.2011: El Calafate
Heute steht die Bootsfahrt auf dem Programm, für die wir gestern Abend in El Calafate die Tickets gekauft haben. Wir haben uns für die "Rios del Hielo"-Tour entschieden, im Verlauf derer die verschiedenen Gletscher am Nordteil des Lago Argentino angefahren werden. Für 155 Pesos pro Person mehr hätten wir eine andere Tour buchen können, die mit einem schnelleren Schiff bei identischer Abfahrts- und Ankunftszeit exakt die gleiche Route nimmt, aber zusätzlich noch den Glaciar Perito Moreno besucht. Aber da waren wir ja gestern schon. Angeblich sollte es an unserer Hosteria ab sieben Uhr Frühstück geben - es ist uns allerdings gestern Abend zu spät aufgefallen, dass wir beim Einchecken nicht gefragt worden sind, wann wir genau frühstücken wollen. Dass wir in der Folge aber auch jetzt um viertel nach sieben vor verschlossenen Türen stehen, scheint nicht ganz normal zu sein. Der Mensch von der Hosteria, der nach ein paar Minuten auftaucht ist nämlich auch etwas verwundert und beginnt hektisch zu telefonieren. Wie er uns erklärt, müsste eigentlich jemand von der Küche hier sein und wir sollen doch noch ein wenig warten. Leider können wir das nicht, da wir mit etwas zeitlichem Sicherheitsabstand vor der Abfahrt unseres Bootes am Puerto Bandera sein müssen bzw. wollen. Daher lassen wir das Frühstück heute mal komplett ausfallen.


Unterwegs auf der Ruta 11 nach Puerto Bandera.

Nach ein paar Minuten Fahrt, zunächst auf der selben Route wie gestern während der Fahrt zum Glaciar Perito Moreno, ab der Straßengabelung an der Peninsula Magellanes auf der nach Norden führenden Ruta 8 erreichen wir das am Südufer des Lago Argentino gelegene Puerto Bandera. Es ist noch deutlich vor der Abfahrtszeit der Schiffe und wir sind erstaunt ob der riesigen Menge an Reisebussen und auch Menschen, die hier rumstehen. Wie sich herausstellen wird, hat allerdings ein großer Teil der anderen Touristen die längere Schifffahrt gebucht, die parallel von zwei sehr vollen Schiffen ausgeführt wird, während unser Boot zu maximal einem Drittel gefüllt ist. Aber der Reihe nach: Zunächst stellen wir unseren Pick Up auf dem kleinen Parkplatz des Hafens ab. Beim Aussteigen fällt uns ein kleines, offensichtlich verletztes Tier auf, das leicht humpelnd durch die dem Parkplatz angrenzende Wiese flüchtet. Ein patagonisches Stinktier. Diese Art Stinktiere unterscheidet sich von ihren bekannteren nordamerikanischen Verwandten vor allen durch das leicht rötlichbraune Fell.


Ein patagonisches Stinktier.

Die Tickets für die Bootsfahrt haben wir gestern schon bezahlt aber da uns die Route des Boots bis in den Bereich des Parque Nacional los Glaciares führen wird, ist natürlich auch hierfür Eintritt fällig - noch mal wie gestern während unserer Fahrt zum Glaciar Perito Moreno 100 Pesos pro Person. Nach kurzer Wartezeit bezahlen wir diese fällige Gebühr an einem Häuschen der Nationalparkverwaltung. Wir müssen erneut ein wenig warten und um viertel nach acht beginnt das Boarden der Schiffe. Unser Schiff besitzt eine große und verglaste Panoramakabine, in der wir zunächst Platz nehmen müssen. Im weitern Verlauf der Fahrt werden dann sukzessive auch das um dieses Panoramadeck herum führende Außendeck und das eine Stockwerk höher befindliche Aussichtsdeck freigegeben. Um neun Uhr geht es endlich los, zunächst nach Norden. Nach ein paar Minuten biegt das Boot scharf nach Westen ab, in Richtung Boca del Diablo, der mit etwa 800 Metern Breite engsten Stelle des Lago Argentino.


Rückblick auf den Boca del Diablo.

Der Arm des Sees, in dem wir hinter dem Boca del Diablo zunächst unterwegs sind, heißt Brazo Norte. Hier befinden sich auf beiden Seiten des Sees mehr oder weniger hohe Berge. Es schwimmen auch schon die ersten Eisberge im See, interessant türkisgrün schimmernd. Das Wetter ist wieder sehr gut. In einem blauen Himmel hängen vereinzelte Wolken, vor allem an den Gipfeln der Berge. Auf dem See macht sich der für Patagonien so typische heftige Wind besonders stark bemerkbar. Das Boot muss teilweise schon sehr stark kämpfen, um gegen die heftigen Wellen voran zu kommen. Und beim Aufenthalt auf den äußeren Decks müssen sich die Passagiere manchmal sehr bemühen, um von den heftigen Böen nicht einfach weggeweht zu werden. Die vom Bug des Boots aufgeworfene Gischt wird teilweise in großen Wasserwolken bis auf das obere Aussichtsdeck getragen. Das führt zu hektischen Ausweichmanövern vor allem bei den Besitzern von Kameras. Und wenn das Ausweichmanöver nicht erfolgreich war, folgt ein ebenso hektisches Putzen des Kameraobjektivs.


Unterwegs auf dem Lago Argentino.


Am Ende des Brazo Norte sollte die Fahrt eigentlich in den Brazo Upsala führen, den Arm des Sees, in den der riesige Glaciar Upsala fließt. Von diesem Gletscher ist allerdings vor einigen Jahren ein größeres Stück Eis abgebrochen, dessen Einzelteile sich als unüberwindbare Barriere an den Eingang des Brazo Upsala geschoben haben. Somit können wir weder zum Glaciar Upsala noch zum benachbarten Glaciar Onelli fahren. Das ist zwar sehr schade, aber halt einfach nicht zu ändern. Auf diese Einschränkung wurden wir auch mehrfach sehr deutlich beim Kauf der Tickets hingewiesen. Immerhin steuert der Kapitän das Boot so nah es geht an die aus vielen großen türkisfarbenen Eisbergen bestehende Barriere heran. Hinter dieser Barriere lässt sich in einiger Entfernung die riesige Eisfläche des Glaciar Upsala erahnen.


Diese Eisbarriere macht die Fahrt zu Glaciar Upsala und Glaciar Onelli unmöglich.

Wir biegen in den fjordartigen Canal Spengazzini ab, in dessen südlichen Ende der Glaciar Spengazzini mündet. Auf der Fahrt durch diesen Seitenarm des Lago Argentino kommen wir am rechts von uns liegenden Glaciar Seco vorbei, einem durch ein relativ schmales Tal fließenden Seitenarm des Glaciar Spengazzini.


Der relativ kleine Glaciar Seco.

Direkt danach folgt, auch auf der rechten Seite, der Cerro Peineta, ein 2450 Meter hoher schroffer und komplett vergletscherter Gipfel. Dieser Gletscher geht über in die Flanke des aus dem südpatagonischen Eisfeldes gespeisten Glaciar Spegazzini, der nun direkt vor uns liegt.


Die vergletscherte Kuppe des Cerro Peineta.

Dieser Gletscher ist zwar um einiges kleiner als der Glaciar Upsala aber dennoch sehr beeindruckend. Ähnlich dem Glaciar Perito Moreno handelt es sich um einen relativ flachen und breiten Eisfluss, der sich direkt in den See ergießt. Wie gestern sind wir begeistert von der sauberen weißen bzw. türkisgefärbten Farbe des Gletschers und dessen Wildheit. Im Gegensatz zur relativ flachen und zahmen Oberfläche vieler Gletscher in den Alpen, vor allem den Ostalpen, besteht die Oberfläche hier ausschließlich aus Rissen, Eisbrocken und einzeln stehenden Seracs, Türmen aus Eis, die durch vollständige Zersplitterung des umgebenden Eises entstanden sind.



Glaciar Spegazzini mit zwei anderen Schiffen (die kleinen weißen Punkte links).


Wir fahren näher an den Glaciar Spegazzini heran.

Beeindruckend ist auch die hohe Gletscherfront. Praktischerweise sind die beiden schnelleren Boote schon da, so dass sie sich schon aus einiger Entfernung als Maßstab für die gewaltige Größe dieses Naturschauspiels verwenden lassen. Der Kapitän steuert das Boot so nah es geht an den Gletscher heran. Dabei bieten sich immer wieder neue und beeindruckende Blicke auf das Eis.


Eisfront des Glaciar Spegazzini.

Was uns besonders fasziniert, ist der starke Kontrast zwischen dem unwirtlichen Gletschereis und dem linkerhand davon befindlichen grün mit Gras und Bäumen bewachsenen Berghang. Wir haben ein paar Minuten Aufenthalt und dann geht es wieder zurück. Während der Rückfahrt ist es erheblich weniger windig als im Verlauf der Hinfahrt. Wir sehen wieder jede Menge Eisberge.


Auf der Rückfahrt nach Puerto Bandera.

Am Hafen von Puerto Bandera kommen - wie angekündigt - alle drei Boote gleichzeitig wieder an. Wieder gibt es eine große Ansammlung von Reisebussen, in die ein Großteil der Bootspassagiere strömt. Wir haben es nicht eilig, freunden uns vor der Abfahrt kurz noch mit der Hafenkatze an und fahren dann zurück zu unserer Hosteria. Als wir dort wegen dem heutigen Abendessen und auch dem morgigen Frühstück nachfragen bekommen wir - ohne das Thema von uns aus anzusprechen - eine deutliche Entschuldigung wegen des ausgefallenen Frühstücks, inklusive der Zusage, als Entschädigung auf das heutige Abendessen einen Rabatt von 50 % zu bekommen. So heftig wäre das nicht nötig gewesen, aber wir wehren uns natürlich auch nicht dagegen. Vor dem Abendessen schauen wir uns noch etwas das Gelände der Estancia an. Es gibt einen schöne Rosen- und Kräutergarten und dahinter einen Zugang zum Strand des Lago Argentino. Während des Spaziergangs dorthin werden wir von den beiden sehr anhänglichen Hunden des Anwesens begleitet. Wir haben unsere liebe Mühe, die Hunde beim Ziel unserer kleinen Runde wieder loszuwerden: Direkt auf dem Gelände der Hosteria befindet sich ein kleiner Teich, an dem ein Vogelhaus angelegt wurde. Dabei handelt es sich um einen kleinen Holzverschlag, in den man sich setzen kann, um die Vögel auf dem Teich zu beobachten. Das machen wir und sehen einen Schwarzhalsschwan, diverse Entensorten, jede Menge Blesshühner, Ibisse, Gänse, Möwen und noch jede Menge anderes Getier. Wir bleiben fast eine Stunde und können während dieser Zeit nicht nur die Vögel beobachten. In einiger Entfernung auf der anderen Seite des Teichs bekommen einige Tagesbesucher der Estancia gerade gezeigt, wie Schafe zusammengetrieben werden. Auch ein interessanter Anblick.


Schwarzhalsschwan auf dem Teich unserer Hosteria.

Auf dem Rückweg zur Hosteria treffen wir noch ein direkt durch den Garten laufendes sehr junges Lamm und sind froh, kein Lammfleisch vorbestellt zu heben. Das Abendessen findet im schön eingerichteten Restaurantbereich der Hosteria statt und ist sehr lecker. Die Tagesgäste sind auch da und für diese wird wieder volles Programm abgezogen. Somit kommen auch wir in den Genuss einer recht netten Tangovorführung.

Übermorgen geht es weiter...

Schöne Grüße,
Dirk

Anti

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #140 am: 04.11.2012, 10:08 Uhr »
Ein Tag nach meinem Geschmack! Wahnsinn, diese Gletscherwand!

Saguaro

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #141 am: 04.11.2012, 11:39 Uhr »
Die Gletscherwelt ist so faszinierend  :applaus:. Ich bin auch froh, dass ihr kein Lamm vorbestellt habt  :socool:.

LG,

Ilona
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Ilona

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wuender

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #142 am: 04.11.2012, 14:39 Uhr »
Ich bin auch froh, dass ihr kein Lamm vorbestellt habt  :socool:.

Wir sind sogar noch einen Schritt weiter gegangen: Nachdem dort auf der Abendkarte weder Meerschweinchen, noch kleine Clownfische oder Rehkitze auftauchten, ist unser Abendessen fast komplett vegetarisch geblieben: sehr leckere Sorrentini mit Pilzsoße (das "fast" habe ich dazu geschrieben, weil die Sorrentini ja auch mit irgend etwas gefüllt gewesen sein müssen...) :wink:

Schön, dass Euch die Gletscherwelt im Parque Nacional Los Glaciares auch so gut gefällt wie uns. Wir haben es nie bereut, dort relativ viel Zeit eingeplant zu haben. Am nächsten Tag der Reise verlassen wir diesen schönen Park trotzdem wieder und besuchen seinen viel berühmteren Kollegen auf der chilenischen Seite. Der Bericht dazu kommt übermorgen...

Schöne Grüße,
Dirk

Katja

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #143 am: 04.11.2012, 16:52 Uhr »
Die Gletscherwelt von Patagonien fanden wir auch sehr beeindruckend.
Auf unserer Bootsfahrt war es zum Glück fast windstill, so dass man sich auch gut draußen aufhalten konnte. Damals hieß die Tour noch "Todos Glaciares", also "alle Gletscher". Aber eure Flüsse-aus-Eis-Tour war sicher auch toll, vor allem bei dem schönen Wetter. Die Fahrt zum Perito Moreno wurde 2009 meines Wissens nur als separate Bootstour angeboten. Denn wir waren auch so schon den ganzen Tag unterwegs. Zum Upsala-Gletscher konnten wir allerdings auch nicht mehr fahren, aber noch zur Laguna Onelli, wo man einen kleinen Spaziergang machen konnte. Den Glaciar Spegazzini fanden wir auf der Fahrt aber am beeindruckendsten. Und natürlich die tollen Eisberge!
Viele Grüße
Katja

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wuender

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #144 am: 04.11.2012, 20:27 Uhr »
Damals hieß die Tour noch "Todos Glaciares", also "alle Gletscher". Aber eure Flüsse-aus-Eis-Tour war sicher auch toll, vor allem bei dem schönen Wetter. Die Fahrt zum Perito Moreno wurde 2009 meines Wissens nur als separate Bootstour angeboten. Denn wir waren auch so schon den ganzen Tag unterwegs. Zum Upsala-Gletscher konnten wir allerdings auch nicht mehr fahren, aber noch zur Laguna Onelli, wo man einen kleinen Spaziergang machen konnte. Den Glaciar Spegazzini fanden wir auf der Fahrt aber am beeindruckendsten. Und natürlich die tollen Eisberge!

Das ist ja wirklich interessant - die Namensgebung der Touren scheint den jeweils aktuellen Gegebenheiten angepasst zu werden. Denn als wir dort waren war die "Todos Glaciares"-Tour die im Bericht erwähnte Fahrt auf unserer Route plus zum Glaciar Perito Moreno. Im Grunde müsste diese Tour also - wenn man mögliche Mißverständnise vermeiden will - eher "Todos Glaciares accesibles" heißen :wink:

Um den Spaziergang an der Laguna Onelli beneide ich Euch ein bisschen - dort muss es echt schön sein.

Schöne Grüße,
Dirk

wuender

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #145 am: 06.11.2012, 07:43 Uhr »
Guten morgen allerseits,

bitte alle einsteigen, es geht weiter. Heute fahren wir weiter nach Süden und wieder zurück nach Chile, wo wir den mit Abstand bekanntesten Nationalpark in der Gegend ansteuern.

13.11.2011: El Calafate - Paine Grande Lodge
Direkt nach dem Aufstehen genießen wir noch ein wenig die Morgenstimmung und den schönen Blick auf den Lago Argentino. Es sind viele Vögel, Schafe und durch die Wiese hoppelnde Hasen unterwegs. Das Wetter ist, wie es während den vergangenen Tagen war: Heiter mit vereinzelten Wolken. Im Gegensatz zu gestern gibt es heute ein Frühstück und zwar ein sehr gutes. Nachdem wir dieses verputzt haben, verabschieden wir uns von der Besitzerin der Hosteria und brechen auf. Zunächst fahren wir zurück nach El Calafate. Dort stocken wir in einem Supermarkt unsere Getränkevorräte massiv auf - denn es stehen mehrere Tage Trekking auf unserem Programm. Weiter geht es Richtung Osten. Bis zur 30 Kilometer vor El Calafate befindlichen Kreuzung der Ruta 11 mit der Ruta 40 kennen wir die Strecke ja schon von vor zwei Tagen, der weitere Verlauf der Ruta 40 nach Süden ist dagegen neu für uns.


Weiter geht es auf der Ruta 40 nach Süden.

Dieser Verlauf gestaltet sich ziemlich interessant und anders als wir uns das in dieser Steppe bzw. Halbwüste vorgestellt hätten: Im Anstieg zum Cuesta de Miguez gewinnt die Straße über einige Kilometer über mehrere ansteigende Kehren steil an Höhe. Zu unserer Linken bietet sich uns ein faszinierender Blick auf die unter uns liegende Ebene mit dem Rio Santa Cruz - das ist der Ausfluss vom Lago Argentino - dem Lago Argentino selber und den hinter dem See stehenden Bergen. Wir erwarten hinter dem steilen Anstieg eigentlich einen ebenso steilen Abhang, sehen uns aber getäuscht. Die Ruta 40 führt uns auf eine baumlose Hochebene. Nach einigen Kilometern, die Straße führt hier ganz leicht wellig bergauf und bergab, kommen wir zur einer Abzweigung: Die Ruta 5 führt asphaltiert weiter nach Südosten direkt Richtung Rio Gallegos, an der Atlantikküste gelegen. Die Ruta 40 knickt nach Südwesten ab, verläuft als Schotterstraße Richtung chilenischer Grenze und führt von dort in einem großen Bogen auch nach Rio Gallegos.


Blick vom Cuesta de Miguez.

Die kommenden 70 Kilometer auf der Ruta 40 sind sehr gut zu befahren. Zum Teil fahren wir auf einer hervorragenden Gravelautobahn, zum Teil ist es leicht wellig oder ruppig. Wir sehen auf bzw. neben der Straße jede Menge Tiere wie Guanacos oder Schafe. Fast jedes ausgewachsene Schaf wird von einem oder mehreren winzigen Lämmern begleitet. An einem kleinen See sehen wir auch Vögel, am auffälligsten darunter sind natürlich die pinkfarbigen Flamingos. Als wir gerade unsere Köpfe drehen, um ein junges Lamm zu beobachten, sehen wir aus dem Augenwinkel, wie ein recht klein wirkendes Tier vor uns die Straße überquert. Ein Fuchs? Als wir näher kommen, sehen wir, dass der vermeintliche Fuchs nur zwei Beine aber dafür ein Federkleid besitzt. Wir haben tatsächlich unseren ersten Nandu gefunden. Diese Laufvögel sind für Südamerika typisch und ähneln auf den ersten Blick den Straßen Afrikas oder den Emus Australiens. Nandus sind allerdings deutlich kleiner als Strauße oder Emus. Auffälligstes Unterscheidungsmerkmal ist die Farbe, denn Nandus sind komplett grau gefärbt. Unser Nandu ist etwas schüchtern, wirft sich vor uns nur ganz kurz in Pose und rennt dann davon. Nur wenige Kilometer hinter diesem Erlebnis hat uns der Asphalt wieder.


Vorsicht, querende Schafe!

Um hierher zu gelangen, hätten wir an der Kreuzung von Ruta 40 und Ruta 5 auch nach links abbiegen können und dann nach 65 Kilometern auf die direkt nach Westen verlaufende Ruta 7. Dieser Streckenverlauf wäre etwa 70 Kilometer länger gewesen, dafür aber komplett asphaltiert. Wir rollen weiter Richtung Grenze bei Cerro Castillo. Hier merken wir deutlich, dass die Ruta 40 auch bei Bikern sehr beliebt ist. Wir werden von riesigen Gruppen von Motorrädern überholt - und das obwohl wir selber schon etwas schneller als erlaubt unterwegs sind. Um zum Grenzübergang nach Chile am Paso Guillermo zu gelangen, müssen wir die Ruta 40 verlassen. Wir können ganz grob abschätzen, nach welcher Entfernung es soweit sein müsste. Dennoch übersehen wir die winzige und schlecht ausgeschilderte Abzweigung zunächst. Nach einigen Minuten drehen wir um, schauen etwas intensiver und finden tatsächlich die abgehende Straße, die auf den ersten paar Metern eher an einen Feldweg als an die Strecke zu einem wichtigen Grenzübergang erinnert. Nun fahren wir direkt in Richtung Westen. Direkt vor uns sehen wir eine weiße Wand aus Wolken bzw. Hochnebel am ansonsten inzwischen makellos blauen Himmel. Das ist genau die Richtung in die wir wollen. Sollte uns unser Wetterglück etwa verlassen?

Die Straße verläuft lustig über Schotter und durch Hügel in Richtung Paso Don Guillermo. An der argentinischen Grenzstation sind wir nahezu alleine und haben die Ausreiseprozedur in wenigen Minuten erledigt - inzwischen haben wir ja auch Übung darin, den unterschiedlichen Beamten in der korrekten Reihenfolge die benötigten Dokumente vorzuzeigen. Ein paar Kilometer weiter, am chilenischen Grenzposten dann der Schock: Es stehen mehrere Reisebusse herum und das kleine Häuschen der Grenzstation quillt über vor Menschen. Letztendlich geht es aber überraschend schnell, zumindest im direkten Vergleich mit unserer Erfahrung an der ebenfalls völlig überlaufenen Grenzstation am Lanin vor zwei Wochen. Als Individualreisende dürfen wir sogar auf die ziemlich zeitraubende Gepäckkontrolle per Metalldetektor verzichten. Während die Businsassen jedes kleine Gepäckstück und jede Handtasche durch den Detektor schieben dürfen, begleitet uns ein Zollbeamter nach draußen und schaut sich kurz unser Auto an. Der Beamte macht ein wenig große Augen, als er die Batterie Getränkeflaschen sieht, die wir für die Wanderungen der kommenden Tage gekauft haben, hat ansonsten aber nichts auszusetzen.


Unterwegs auf der Ruta 9 in Richtung Parque Nacional Torres del Paine.

Unser heutiges Ziel, der Parque Nacional Torres del Paine, liegt etwa 50 Kilometer entfernt in nördlicher Richtung. Wir nehmen für den Weg dorthin die Ruta 9, zunächst noch im Gegensatz zur Aussage aller uns vorliegenden Straßenkarten asphaltiert aber sehr schmal. Nach einigen Kilometern endet der Asphaltbelag und wir sind auf gutem Ripio unterwegs. Die Landschaft hier ist ebenso karg wie die Steppe auf der argentinischen Seite, allerdings deutlich grüner. Rechts und links von uns befinden sich langgezogene Hügelketten. Was sich direkt vor uns befindet, können wir leider nicht so recht erkennen, denn wir befinden uns inzwischen mitten in der Wolkenbank, die wir schon von Argentinien aus gesehen haben. Es lässt sich zwar erahnen, dass sich vor uns die Basis eines massiven Gebirgsstocks befindet, die charakteristischen Türme de Torres del Paine-Massivs verstecken sich aber komplett.


Ein Nandu.

In einem weiten Tal sehen wir an der Seite der Straße einen weißen Touristenbus stehen und davor mehrere Leute, die intensiv mit ihren Kameras hantieren. Der Bus hat offensichtlich kein technisches Problem, sondern es gibt etwas zu sehen. Wir halten ebenfalls, in etwas Entfernung, und schauen uns um: Rechts und links neben der Straße stehen in der Wiese einige Nandus, deutlich näher und auch unstressiger als derjenige, den wir heute Früh gesehen haben. Im weiteren Verlauf der Strecke zum Parque Nacional Torres del Paine sehen wir noch mehrfach weitere Nandus. Und die Anzahl der Guanacos, an denen wir vorbeikommen erreicht ungeahnte Ausmaße. Hier in der Nähe des Nationalparks sind diese kamelartigen Tiere wesentlich gelassener als ihre Artgenossen weiter nördlich und sie laufen nicht gleich vor jedem vorbeifahrenden Auto panisch davon. An der Parkeingangsstation, wo wir den fälligen Eintritt für die kommenden Tage bezahlen stehen zwei Guanacos sogar direkt neben der Straße im Garten und lassen sich durch nichts und niemanden stören.


Ein Guanaco.

Der Parque Nacional Torres del Paine ist neben seinen markanten Bergen berühmt für die vielen schönen Seen. Wir kommen zunächst am langgezogenen Lago Sarmiento vorbei. Hier ist neben der dunkelblauen Farbe des Wassers vor allem das weiße Band beeindruckend, das sich im Uferbereich einmal um den ganzen See zieht. Zum Zustandekommen dieses Bandes gibt es verschiedene Theorien. Eine besagt, dass durch geothermische Aktivitäten stark kalziumhaltiges Wasser durch das Gestein des Uferbereicht gedrückt wurde. Ähnlich wie bei einer heißen Quelle setzte sich der Kalk dort ab und sorgte so für die weiße Färbung. Eine am Ufer aufgestellte Informationstafel vertritt dagegen die These, dass die Kalkschicht von Cyanobakterien abgelagert wurde.


Der Lago Sarmiento.

Zum kurz hinter dem Parkeingang möglichen Abstecher zur Cascade Rio Paine verzichten wir aufgrund des nicht wirklich guten Wetters und auch aufgrund der schon etwas fortgeschrittenen Uhrzeit. Die Straße ist nun sehr schmal und windet sich durch grüne Hügel lustig bergauf und bergab. Wir kommen vorbei an einem schönen Aussichtspunkt auf den Lago Nordenskjöld. Die Farbe dieses Sees - ein milchiges Türkisgrün - unterscheidet sich komplett von derjenigen des Lago Sarmiento, was darauf hindeutet, dass das Wasser hier zu einem nicht unerheblichen Anteil aus geschmolzenem Gletschereis besteht.


Straße im Parque Nacional Torres del Paine.

Nach einigem weiteren Bergauf und Begab, vorbei an kleineren Seen, erreichen wir das Ostende des Lago Pehoe. Von hier aus müssen wir das Boot nehmen, um unsere für die kommenden beiden Nächte vorgebuchte Unterkunft zu erreichen. Das Schiff fährt nur zwei Mal täglich und uns bleibt noch etwas Zeit. Diese nutzen wir dazu, um uns zuerst den nur wenige hundert Meter entfernten Salto Grande anzuschauen. Über diesen hübschen Wasserfall mit schön türkisfarbenem Gletscherwasser fließt der Lago Nordenskjöld in den Lago Pehoe. Es sind auffällig viele andere Touristen unterwegs, vor allem Reisegruppen.


Dieses Gefährt wird uns über den Lago Pehoe bringen.


Der Salto Grande im Parque Nacional Torres del Paine.

Vom Parkplatz am Salto Grande lässt sich über einen kurzen Fußmarsch auch der Mirador Cuernos erreichen, von dem aus sich bei gutem Wetter ein toller Blick über den Lago Nordenskjöld auf das Torres del Paine-Massiv bietet, insbesondere auf die Cuernos, charakteristische spitze Felstürmchen. Wir entscheiden uns, dass die Zeit reichen müsste und marschieren los. Der Weg führt durch eine Hügellandschaft, über und über mit niedrigen grünen Sträuchern bewachsen. Im Hintergrund immer einer der türkisgrünen Seen und mindestens ein intensiv rot blühender Notro-Baum. Phantastische Farbkontraste.


Cuernos und Notro-Busch.

Die Gegend an und für sich entspricht in etwa dem Bild, das wir uns von Island machen und es stört uns nur unwesentlich, dass die Berge nur sehr schemenhaft durch die Wolken zu erkennen sind. Immerhin können wir am eigentlichen Aussichtspunkt die Form der Cuernos, der Hörner, im weißen Dunst erahnen.


Lago Nordenskjöld mit leicht in Wolken hängenden Cuernos.

Wir fahren unseren Pick Up zum Parkplatz am Schiffsanleger und tragen unsere Rucksäcke zum schon am Anlegesteg vertäuten Katamaran. Das restliche Gepäck bleibt im Auto unter einer abschließbaren Klappe, die die Pritsche des Wagens komplett abdeckt. Dirk hat zu Beginn unserer Reise das falsch montierte Schloss dieser Klappe komplett auseinandergenommen und um 90 Grad verdreht wieder eingesetzt. Nun rastet der Schließmechanismus nicht mehr ein, wenn es möglich ist, die Klappe zu öffnen, sondern wenn der Riegel ein Öffnen verhindert. Der Katamaran überquert in knapp 30 Minuten den Lago Pehoe. Dabei bietet sich ein schöner Blick auf die Salto Grande aber die Berge zeigen sich weiterhin äußerst schüchtern und in Wolken gehüllt. Als wir am Nordufer des Lago Pehoe ankommen, fällt uns zunächst die lange Schlange an Leuten auf, die am Anlegesteg auf die Rückfahrt des Katamarans wartet. Passen so viele Leute überhaupt auf das Schiff? Kurz hinter dem Anlegesteg befindet sich die Paine Grande Lodge. Wir checken ein, beziehen unser Zimmer und schauen uns um. Grande an dieser Lodge ist hauptsächlich der Preis, die Lage und die Gestaltung des Eingangsbereichs. Der Rest erreicht vielleicht gerade mal Jugendherbergsniveau: Enge Zimmer mit Stockbetten sind wir ja von Berghütten gewöhnt, aber auf Berghütten ist zumeist die Qualität des Essens deutlich höher anzusiedeln als diejenige des wässrigen Zeugs, welches hier als Abendessen serviert wird. Wir wollen aber nicht klagen, denn was das Wetter angeht scheinen wir großes Glück zu haben: Wir bekommen von anderen Wanderern erzählt, dass es die letzten zwei Tage mehr oder weniger durchgehend geregnet hat. Aber ab morgen soll das Wetter deutlich besser werden. Na das sind ja mal richtig gute Aussichten...

Übermorgen geht es weiter...

Schöne Grüße,
Dirk

Saguaro

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #146 am: 06.11.2012, 08:26 Uhr »
Na denn, wenn die Wetteraussichten gut sind, dann kann man an der Unterkunft auch mal Abstriche machen  :wink:. Aber nur dann :D.

LG,

Ilona
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Ilona

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unterwegsontour

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #147 am: 06.11.2012, 10:29 Uhr »


Die Gletscher, die Pampa ...   :)   eine wirklich traumhaft schöne Gegend - wenn denn das Wetter mitspielt...   :|  ich drück die Daumen, das es so bleibt.

"The sky above, the earth below and dreams dance in your head."

wuender

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #148 am: 06.11.2012, 11:25 Uhr »
Na denn, wenn die Wetteraussichten gut sind, dann kann man an der Unterkunft auch mal Abstriche machen  :wink:. Aber nur dann :D.

Ich bin mal gespannt ob Du Diese Meinung beibehälst, wenn Du vom Frühstück liest, welches wir am kommenden Morgen bekommen haben...  :| :lachen07:

Die Gletscher, die Pampa ...   :)   eine wirklich traumhaft schöne Gegend - wenn denn das Wetter mitspielt...   :|  ich drück die Daumen, das es so bleibt.

Schön, dass es Dir gefällt. 8)

Achja, eine kleine Bitte habe ich: Kannst Du bitte mit dem Daumendrücken bis zum nächsten Tag der Reise weitermachen? Da brauchen wir nämlich in der Tat ganz dringend ein bisschen Wetterglück :wink: :D

Schöne Grüße,
Dirk

Katja

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #149 am: 07.11.2012, 20:33 Uhr »
Schade, dass euch der Torres del Paine wolkenverhangen empfangen hat. Die Bilder sehen trotzdem schön aus.
Das Refugio Paine Grande hat eine schöne Lage. Wir waren zwei Nächte im Refugio Torres. Das Essen dort war eigentlich ganz OK.
Jetzt bin ich mal gespannt, wie sich das Wetter die nächsten Tage entwickelt. :)
Viele Grüße
Katja
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