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Autor Thema: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien  (Gelesen 67896 mal)

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wuender

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #150 am: 08.11.2012, 07:43 Uhr »
Das Refugio Paine Grande hat eine schöne Lage. Wir waren zwei Nächte im Refugio Torres. Das Essen dort war eigentlich ganz OK.
Jetzt bin ich mal gespannt, wie sich das Wetter die nächsten Tage entwickelt. :)

Das Refugio Torres steht in direkter Nähe vom Hotel las Torres, oder? Ein schöner Aussichtspunkt für die östliche Hälfte des Circutio oder des "W". Dieses Refugio hatte ich bei der Reisplanung irgendwie übersehen, mit der Folge, dass uns die letzten beiden Übernachtungen in diesem Nationalpark ziemlich teuer geraten sind (weil wir eben in das Hotel gegangen sind).

Wie sich das Wetter entwickelt hat verrate ich sofort - im nächten Tagesbericht...

Schöne Grüße,
Dirk

wuender

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #151 am: 08.11.2012, 07:50 Uhr »
Guten Morgen allerseits,

heute gehen wir wieder wandern...

14.11.2011: Paine Grande Lodge
Wir können erstaunlich gut schlafen und stehen um sieben Uhr auf. Die restlichen Bewohner unseres Sechsmannzimmers schlafen alle noch. Auch in den Waschräumen setzt erst so langsam Betrieb ein und im Frühstücksraum sind wir fast völlig alleine. Zum Frühstück essen wir unter anderem ein Rührei, welches grob geschätzt zu vielleicht 10 % aus Ei besteht - der Rest ist Wasser. Danach ziehen wir unsere Bergschuhe an, setzen die Rucksäcke auf und los geht's. Der Himmel ist mehr oder weniger komplett mit Wolken bedeckt. Aber immerhin ist es trocken. Trotzdem entscheiden wir uns, heute nicht in die Berge zu gehen, sondern die flachere der beiden möglichen Wanderungen zu machen. Die Tour die daher auf dem Programm steht, führt zuerst von Lago Pehoe zum westlich davon gelegenen Lago Grey und an dessen östlicher Seite nach Norden zum Refugio Grey, einer kleinen Hütte mit Übernachtungsmöglichkeit. Auf ungefähr halber Strecke zwischen der Paine Grande Lodge und dem Refugio Grey gibt es einen erhöht gelegenen Aussichtspunkt auf den Glaciar Grey, der in das Nordende des Lago Grey fließt. Vom Refugio Grey aus wollen wir soweit in Richtung Gletscher laufen wie es die Zeit zulässt, am besten bis zum Campamento los Guardas. Das wären dann 13 Kilometer one way. Diese Strecke ist ein Teil des berühmten Circuito, einer Mehrtageswanderung, die um das komplette Torres del Paine-Massiv herumführt. Für den Wanderer mit weniger Zeit gibt es als Alternative zum Circuito noch das nicht weniger berühmte "W", in dessen Verlauf die schönsten Punkte von der Südseite der Berge aus angelaufen werden. Unsere heutige Route entspricht dem linken vertikalen Strich des (etwas eckig geschriebenen) "W".


Beginn des Trails von der Paine Grande Lodge in Richtung Refugio Grey.

Der Weg führt zunächst durch niedriges Buschwerk, vorbei an einem kleinen Gebäude der Parkverwaltung und knickt dann nach Nordwesten ab. Jetzt laufen wir in Richtung eines schmalen Durchlasses in den felsigen Hügeln, die die flache Gegend rund um die Paine Grande Lodge komplett umschließen. Überall um uns herum blühen die knallroten Notro-Bäume. Hinter dem Durchlass geht es bergauf und durch ein Dickicht von niedrigen Südbuchen. Die Bäume werden höher und nach einiger Zeit kommt die Laguna los Patos in Sicht, ein kleiner See, der sich aus uns unerfindlichen Gründen hier oben auf der Hochebene halten kann.


Die Laguna los Patos.

Es ist sehr windig und die Oberfläche der Laguna wird von den Böen ziemlich heftig aufgewirbelt. Im munteren Bergauf und Bergab kommen wir zum Aussichtspunkt auf den Glaciar Grey, welcher zu beiden Seiten der baumbestandenen Isla Nunatak in den See fließt. Trotz des recht düsteren Wetters kommt die Türkisfarbe des Gletschers toll zur Wirkung.


Erster Blick auf den Glaciar Grey.

 Aufgrund des stürmischen Winds brechen wir nach nur kurzer Zeit vom Aussichtspunkt wieder auf und laufen weiter in Richtung Refugio Grey. Der Weg führt zunächst steil bergab und in einen dichten Südbuchenwald. Hier kommen wir nach einiger Zeit zur Baustelle einer größeren Lodge, welche offensichtlich in Kürze das rustikale Refugio Grey als Übernachtungsmöglichkeit ersetzen soll. Im Stile der Paine Grande Lodge sollen mehr Wanderer bequemer untergebracht werden. Ein Trend der sich fortsetzen wird? Werden solche Lodges in ein paar Jahren entlang des gesamten Circuito oder zumindest entlang des gesamten "W" stehen? Laut Baustellenschild hätte die Eröffnung im Oktober 2011 stattfinden sollen. Das Gebäude schaut schon recht fertig aus, es sind allerdings noch ein paar letzte Arbeiten zu erledigen. Als wir vorbei gehen, sind gerade ein paar Arbeiter dabei, ein Wasserrohr zu verlegen.


Eisberge auf dem Lago Grey.

Nur wenige Minuten hinter der neuen Lodge kommen wir zur Abzweigung, an der es nach links zur alten Refugio Grey geht und geradeaus Richtung Campamento los Guardas. Laut Parkplan ist dieser Campground zwei Stunden entfernt, laut dem hier stehenden Schild 1.5 Stunden und laut unserem Wanderführer eine Stunde. Was stimmt denn nun? Wir laufen geradeaus weiter, zunächst durch lichten Laubwald. Ab und an können wir durch die Bäume einen Blick auf den vor uns liegenden Gletscher erhaschen. Leider hat es inzwischen angefangen zu regnen, und zwar relativ stark. Als wir knapp 30 Minuten hinter der Abzweigung zum Refugio Grey zu einem schönen Aussichtspunkt auf den Gletscher kommen, entscheiden wir uns umzudrehen. Im weitern Verlauf verlässt der Weg nämlich für eine Weile den Wald und eine Erfahrung wie die vor zwölf Tagen buchstäblich ins Wasser gefallene Wanderung zum Glaciar Yelcho an der Carretera Austral pro Urlaub ist mehr als genug. Wir wollen zum Refugio Grey zurück laufen und dort etwas abwarten. Während des Wegs zurück bestätigt es sich, dass unsere Entscheidung die richtige war, denn die Stärke des Regens nimmt noch deutlich zu. Eine Stunde, nachdem wir das erste Mal dort vorbei marschiert sind, erreichen wir wieder das Refugio Grey und setzen uns in die gemütliche Gaststube. Die Hütte liegt direkt am Seeufer und entspricht viel mehr dem Bild einer Berghütte, wie sie auch in den europäischen Bergen stehen könnte, als die große und lärmende Paine Grande Lodge. Es sind jede Menge andere Wanderer hier, zumeist haben diese hier in der Hütte oder im benachbarten Campground übernachtet. Nach einiger Zeit hellt sich der Himmel draußen deutlich auf. Der patagonische Wind hat die dunklen Wolken zumindest zeitweise vertrieben und über uns prangt am Himmel ein mehr oder weniger großes blaues Loch in den Wolken.


Refugio Grey.

Wir halten Kriegsrat und entscheiden uns nach längerer Diskussion, einen zweiten Versuch zu unternehmen, den Campamento los Guardas zu erreichen. Da wir ja sehr früh losgelaufen sind, müsste sich das auch zeitlich mit dem Beginn des Abendessens in unserer Lodge locker ausgehen. Den ersten Teil des Weges kennen wir ja schon. Hinter dem Mirador, an dem wir beim ersten Versuch umgedreht sind, wird der Weg deutlich interessanter weil alpiner. So müssen wir zum Beispiel mehrere tief ausgewaschene Bachbetten überqueren. Im Verlauf des Weges hören wir einmal ein sehr lautes Grummeln und Scheppern. Da hat sich scheinbar ein größeres Stück Eis vom Gletscher gelöst und ist in den See gefallen. Zu unserer großen Überraschung erreichen wir nach nur gut 45 Minuten den Campground. Dieser liegt etwas langweilig aber recht idyllisch mitten im Wald. Ein paar Meter entfernt finden wir einen tollen Aussichtspunkt auf Lago Grey und Glaciar Grey. Der Blick auf den Gletscher ist vor allem deswegen atemberaubend, da wir uns im Gegensatz zu unseren Gletschererlebnissen im Parque Nacional los Glaciares nicht auf selber Höhe mit dem Gletscher oder nur leicht erhöht befinden. Stattdessen schauen wir aus gut 150 Metern Höhe auf die riesige zerklüftete Oberfläche des Gletschers hinab. Dieser wird - ebenso wie der Luftlinie nur etwa 55 Kilometer entfernte Glaciar Perito Moreno - aus dem südpatagonischen Eisfeld gespeist. Wir können den Verlauf des Eises in Richtung Eisfeld für ein gutes Stück verfolgen, bis uns die immer noch vorhandenen Wolken den Blick versperren. Ein phantastischer Anblick. Eine frische dunkeltürkisfarbene Wunde an der helltürkisfarbenen Gletscherfront zeigt uns, wo der Eisabbruch stattfand, den wir vor ein paar Minuten gehört haben. Wir genießen den Ausblick ausgiebig und kehren denn um.


Glaciar Grey vom Campamento los Guardas aus gesehen.


Frischer Eisbruch am Glaciar Grey.

Der Rückweg verläuft komplett entlang unserer Anmarschroute. Bis kurz hinter dem Refugio Grey wechseln sich blauer Himmel und ganz leichte Regenschauer immer wieder ab. Wir befürchten noch, dass der Regen den Kampf um die Vorherrschaft über das Wetter gewinnt. Dann allerdings zeigt sich Patagonien völlig unerwartet von seiner schönsten Seite: Die Wolken verschwinden Stück für Stück und die schon tief stehenden Sonne taucht die Landschaft in ein phantastisches Licht. Die türkisgrüne Farbe des Gletscherwassers im Lago Grey kommt perfekt zur Geltung. Ungefähr auf halber Strecke zwischen Refugio Grey und der Paine Grande Lodge sehen wir in kurzem Abstand zwei Kondore, die über uns in sehr niedriger Flughöhe ihre Kreise ziehen.


Blick auf den Lago Grey mit Kondor.


Ein Kondor.


Interessante Gesteinsstrukturen.

Die direkt links neben uns befindlichen über 3000 Meter hohen Gipfel des Cerro Paine Grande sind noch in Wolken gehüllt, aber als wir uns um 18:00 Uhr wieder unserer Lodge nähern, erwartet uns eine besondere Überraschung: In nördlicher und nordöstlicher Richtung, wo gestern Abend und heute morgen nur eine Wolkenküche zu sehen war, steht komplett wolkenfrei der östliche Teil des Torres del Paine-Massivs, komplett mit den berühmten Cuernos. Super.


Erster Blick auf den Lago Pehoe während dem Rückmarsch zur Paine Grande Lodge.


Abendlicher Blick auf die wolkenfreien Cuernos.

Das Abendessen bestätigt unsere gestern gemachten Erfahrungen. Der Nachtisch besteht beispielsweise nicht - wie angekündigt - aus einer Vanillemousse, sondern aus Wasser, welches irgendwie in eine feste Form gebracht und mit einem ganz leichten Vanillegeschmack versehen wurde. Nach dem Essen spannen wir aus und gehen früh ins Bett. Hoffentlich bleibt das Wetter bis morgen gut.

Übermorgen geht es weiter...

Schöne Grüße,
Dirk

Saguaro

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #152 am: 08.11.2012, 10:05 Uhr »
Auch wenn das Essen in der Logde zum war, die Wanderung und der türkisblaue Gletscher haben den Tag doch gerettet  :applaus:.

LG,

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Anti

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #153 am: 08.11.2012, 17:17 Uhr »
DEN Wetterumschwung hattet ihr euch nun aber auch verdient! Gut, dass ihr die Wanderung doch noch fortgesetzt habt! Diese türkisen Gletscher... ich bin immer wieder fasziniert.

Katja

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #154 am: 08.11.2012, 22:10 Uhr »
Dass ihr die Wanderung als die flachere der beiden möglichen Wanderungen bezeichnet! :shock: Das Auf und Ab hatte es ganz schön in sich!

Diese Wanderung haben wir als Tagestour einschließlich der Bootsfahrt hin und zurück gemacht, allerdings nur bis zum Aussichtspunkt hinter dem Refugio Grey. Von der neuen Lodge war noch nichts zu sehen.
Gut dass ihr noch ein wenig abgewartet habt und doch noch bis zum Campamento los Guardas weitergelaufen seid. Die Aussicht von dort hat sich auf jeden Fall gelohnt!
Viele Grüße
Katja

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wuender

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #155 am: 09.11.2012, 18:13 Uhr »
Auch wenn das Essen in der Logde zum war, die Wanderung und der türkisblaue Gletscher haben den Tag doch gerettet  :applaus:.

Hier muss ich noch den kurzen Einschub bringen, dass diese Wanderung (und viele andere) heute nicht mehr ganz so toll sein werden. Denn im Dezember 2011, etwas mehr als einen Monat nachdem wir dort waren, hat ein Feuer große Teile des Parks verwüstet. Unter anderem auch den Wald entlang grob geschätzt etwa drei Vierteln der Route unserer Wanderung zum Campamento los Guardas. Die Paine Grande Lodge hat überlebt, aber die schönen grünen Wiesen rund um die Lodge sind weg. In ersten Meldungen hieß es, ein Tourist aus Israel wollte im Wald Klopapierrollen verbrennen und habe dabei das Feuer entfacht - später wurde allerdings die Unschuld dieses Touristen nachgewiesen.

DEN Wetterumschwung hattet ihr euch nun aber auch verdient! Gut, dass ihr die Wanderung doch noch fortgesetzt habt! Diese türkisen Gletscher... ich bin immer wieder fasziniert.

Faszinierend an diesen Gletschern ist auch, dass alle Gletscher, an denen wir im Verlauf der vergangenen Tage (seit El Chalten) vorbeigekommen sind, im Grunde nur kleine Ausflüsse von ein und demselben Riesengletscher sind, dem südpatagonischen Eisfeld. Dieses ist mit 16800 qkm größer als Thüringen. Von El Chalten aus kann man im Rahmen einer geführten Mehrtagestour das Massiv von Fitz Roy und Cerro Torre umrunden und kommt an deren Rückseite auf das Eisfeld - so eine Tour würde mich schon sehr reizen...

Dass ihr die Wanderung als die flachere der beiden möglichen Wanderungen bezeichnet! :shock: Das Auf und Ab hatte es ganz schön in sich!

Tja, und morgen kommt die steilere Wanderung,für diese brauchen wir Kletterausrüstung und Seil  8) :wink:

Nein, Spaß beiseite - ich weiß, was Du meinst. Zum Aussichtspunkt auf den Gletscher sind es 350 Höhenmeter (die man beim Hin- und Rückweg überwinden muss, da das Rigugio Grey auf fast derselben Höhe liegt wie die Paine Grande Lodge), dazu kommen noch jede Menge Gegenanstiege - sicher nicht das, wass sich ein ungeübter Geher als flach vorstellt. Am kommenden Tag der Reise haben wir übrigens versucht, die "weniger flache" Tour zu machen. Diese führt mitten in das Torres del Paine-Massiv (uns war das am aktuellen Tag wegen dem drohendem Regen einfach zu gefährlich).

Allgemein liegt der Schwerpunkt die kommenden Tage auf Wanderungen - und morgen früh geht es weiter...

Schöne Grüße,
Dirk

wuender

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #156 am: 10.11.2012, 08:49 Uhr »
Noch alle da? Dan bitte die Wanderstiefel schnüren, denn es geht weiter.

15.11.2011: Paine Grande Lodge - Hosteria Pehoe
Wir stehen wieder um sieben Uhr auf und sind um halb acht beim Frühstück. Da wir lernfähig sind, lehnen wir heute das zum Frühstück angebotenen Rührei dankend ab. Wir packen unser Gepäck komplett zusammen und machen uns wanderfertig. Heute müssen wir um spätestens 18:30 Uhr wieder zurück an der Lodge sein, denn wir wechseln die Unterkunft und müssen daher den Katamaran über den Lago Pehoe erwischen. Dadurch, dass wir uns gestern für die Tour zum Glaciar Grey entschieden haben, steht heute eine Wanderung auf dem Programm, die laut den auf der Parkkarte angegebenen offiziellen Gehzeiten kaum zu schaffen ist. Aber was von den auf dieser Karte angegebenen Zeiten zu halten ist, haben wir ja gestern auf dem Teilstück zwischen Refugio Grey und Campamento los Guardas mitbekommen. Wir wollen den linken horizontalen Strich und dazu den vertikalen Strich in der Mitte der "W"-Tour laufen, bis zum Campamento Britannico. Dieses liegt in etwa 700 Meter Höhe im Valle del Frances zwischen den mächtigen Gipfelkämmen des Cerro Paine Grande und dem östlichen Teil des Torres del Paine-Massivs, in dem sich unter anderem die bekannten Cuernos und die namensgebenden Torres befinden. Die Wegstrecke beträgt etwa 14 Kilometer one way.

Das Wetter entspricht ungefähr dem von gestern Vormittag: Im Süden hängen letzte blaue Wolkenlücken, ansonsten ist der Himmel komplett zugezogen. Vor dem Frühstück konnten wir im Nordosten noch kurz die Cuernos erahnen, nun sind allerdings auch diese verschwunden. Unser erstes Etappenziel ist das Campamento Italiano, nordöstlich von der Paine Grande Lodge am Eingang zum Valle Frances gelegen. Wie gestern laufen wir zunächst ein ganz kurzes Stück über das die Paine Grande Lodge umgebende Flachland mit niedrigem Buschwerk und vorbei an dem kleinen Gebäude der Parkverwaltung. Dann weiter nach Nordosten, zunächst immer parallel zum Nordufer vom Lago Pehoe und am Rand der flachen Ebene bergauf auf die umgebenden Hügel. Die helle Türkisfärbung des Sees wirkt fast irreal. Ein paar Minuten später führt der Weg wieder ein Stück bergab und durch ein breites und flaches Tal. Auch dieses Tal ist dicht mit niedrigem Buschwerk bewachsen. Sehr auffällig sind wieder die feuerroten Blüten des Notro. Wir kommen zu einer Brücke über einen kleinen Bergbach und danach führt der Weg wieder bergauf auf eine kleine Hochebene. Die Cuernos sind immer noch kaum zu erkennen und es weht ein unangenehm stürmischer Wind. Irgendwie ist das genau das Wetter, wie man es sich für Patagonien vorstellt.


Lago Skottsberg. Im Hintergrund müssten die Cuernos zu sehen sein.

Am Ende der Hochebene öffnet sich der Blick auf den unter uns liegenden Lago Skottsberg, viel kleiner als Lago Pehoe samt Konsorten und in der Farbe intensiv dunkelblau. Der starke Wind peitscht die Oberfläche des Sees ziemlich stark auf und erzeugt sogar ab und zu eine veritable Wasserhose. Der Weg führt hier recht steil bergab in die Nähe des Ufers und verläuft ab hier in einem niedrigen Wald von Südbuchen. Im stetigen Bergauf und Bergab, die flachen Stücke verlaufen hier auf längeren Strecken über Boardwalks - erreichen wir schließlich den Rio des Frances, der aus dem gleichnamigen Tal fließt. Wir folgen diesen Fluss ein Stück flussaufwärts, bis wir mit Hilfe einer fest gezimmerten Holzbrücke und einer großen, wackeligen und äußerst abenteuerlichen Hängebrücke zwei Arme des Flusses überqueren können. Direkt hinter der Hängebrücke stehen wir direkt im Campamento Italiano, malerisch mitten im Wald gelegen. Es ist noch nicht wirklich viel los und die wenigen Camper schlafen entweder noch oder sind beim Frühstück.


Wasserhose auf dem Lago Skottsberg.

Der weitere Weg in Richtung Valle del Frances verläuft direkt nach Norden und verändert recht schnell seinen Charakter komplett: Wir hüpfen über grobes Blockwerk - hier erinnert das Ganze von der Wegführung und der Art des Gesteins her ein wenig an Bergtouren in den Zentralalpen. Wir treffen auf einen Japaner, der auf der Suche nach dem Weg ist. Obwohl die grobe Richtung ja klar ist, suchen wir gemeinsam mit dem Japaner nach der nächsten auf einen Felsbocken angebrachten Wegmarkierung. Es folgt ein kurzes recht steiles Stück auf einem sehr sandigen und kiesigen Weg. Dann erreichen wir den Ausläufer einer Seitenmoräne, die im Laufe der Jahre nach dem Rückzug des Gletschers fast vollständig mit Südbuchen zugewachsen ist. Das Wetter hat sich bis jetzt nicht wirklich verbessert: Wir erkennen zwar sowohl die Cuernos de la Paine auf unserer rechten Seite als auch das Massiv des Cerro Paine Grande links. Letzteres ist besonders beeindruckend, da an seinen Flanken große Gletscher hängen. Allerdings hängen an all diesen Bergen dicke Regenwolken und wir bekommen ab und zu mal kürzere aber nicht allzu heftige Regenschauer ab.


Unterwegs im Valle del Frances.

Zum Glück weht gleichzeitig ein heftiger patagonischer Wind, der uns immer wieder zeitnah trocken pustet. Das letzte Stück Weg zum Campamento Britannicao führt mehr oder weniger eben durch Wald, dabei müssen wir immer wieder von der Seite kommenden Schuttreißen durchqueren und aufpassen, dabei nicht komplett vom Weg abzukommen. Am Campground angekommen halten wir erstmal Kriegsrat: Weitergehen oder nicht? Ein paar hundert Meter weiter befindet sich ein schöner Aussichtspunkt auf die umgebenden Berge. Andererseits macht es auch keinen Sinn, bei Regen auf einem Aussichtspunkt zu stehen und die umgebenden Wolken anzuschauen. Andererseits hat sich ja gestern zur ungefähr gleichen Uhrzeit das Wetter nahezu plötzlich rapide verbessert - und da im Osten: Ist dort nicht etwa ein kleines Stück blauer Himmel zu erkennen?


Der Rio des Frances.

Wie gestern entscheiden wir uns, weiterzugehen, denn wir können damit ja nicht wirklich etwas verlieren. Wir laufen also weiter Richtung Norden und kommen dabei nach ein paar Minuten an einem auffälligen großen Felsen mitten im Wald vorbei. Von hier aus führt der Weg noch ein kurzes Stück durch den Wald und dann in ein kleines V-förmiges Tal hinein. Ab hier ist die genaue Wegführung nicht mehr durchgehend zu erkennen, denn in dem Tal liegen einige größere Schneefelder. Neben uns sind auch noch ein französisches und ein japanisches Pärchen hier. Gemeinsam wird über den weiteren Wegverlauf beraten. Wir entscheiden uns, den frontalen Weg zu wählen - entlang des Taleinschnitts nach oben. Die beiden anderen Pärchen bleiben zurück. Die von uns gewählte Route entpuppt sich als korrekt, nach nur kurzer Zeit stoßen wir auf Pfadspuren, die sich in Serpentinen den hier aus Schotter bestehenden Berghang hochziehen. Ab und an ist der Weg auch durch Steinmännchen markiert. Zu unserer großen Überraschung erfüllt uns das Wetter unsere kühnsten Erwartungen und bessert sich langsam aber deutlich. Der Himmel erhält immer mehr blaue Flecken. Unser Weg führt uns in die Felsregion und ist immer noch mit Steinmännchen markiert. Der Blick auf die umgebenden Berge ist nun, bei besserem Wetter, einfach atemberaubend.


Und und auf einmal sind die Wolken weg...


Cerro Mascara und Cuerno Norte.

Nach einiger Zeit und auch einige Höhenmeter weiter oben entscheiden wir uns allerdings, dass der auf der Parkkarte eingezeichnete offizielle Aussichtspunkt nicht mehr kommt. Da wir ja heute Abend noch unser Schiff erreichen müssen, kehren wir nach einer kurzen Pause um. In Nachhinein, bei genauerem Studium der uns vorliegenden Karten, wird sich übrigens herausstellen, dass wohl schon der große Findling im Wald der offizielle Aussichtspunkt war. Der weitere von uns gelaufene Weg ist zumindest in den einfachen Wanderkarten des Nationalparks nicht mehr eingezeichnet. Wir sind ein gutes Stück in Richtung einer Scharte gelaufen, über die sich das Valle del Silencio erreichen lässt, in dem das Campamento Japones liegt. Hätten wir womöglich nur ein paar Minuten weiter laufen müssen, um von dieser Scharte aus einen tollen Blick ins Tal zu erhalten? Wir werden es wohl nie erfahren.


Blick aus dem Valle del Frances auf den Lago Nordenskjöld.

Der Abstieg in Richtung Campamento Britannico verläuft zunächst sehr schnell, denn wir können über die Schneefelder hüpfen bzw. abfahren und so sehr schnell viele Höhenmeter verlieren. Auf dem Wegstück zwischen Campamento Britannico und Campamento Italiano legen wir noch eine längere Pause ein um den am Cerro Paine Grande hängenden Glaciar Frances zu beobachten. Dieser hat sich nämlich dazu entschlossen, genau in diesem Moment mit viel Getöse riesige Mengen Schnee und Eis in Form gewaltiger Lawinen ins Tal zu schicken. Es ist faszinierend, wie der aufgewirbelte Schnee das halbe Seitental in einen weißen Schleier hüllt.


Glaciar Frances und Lawine.

Nachdem dieses Spektakel vorbei ist marschieren wir weiter zurück entlang der Aufstiegsroute zum Campamento Italiano und von dort aus zur Paine Grande Lodge. Dort treffen wir ungefähr 50 Minuten vor der Abfahrt unseres Katamarans über den Lago Pehoe ein - genug Zeit, um sich im Shop der Lodge noch etwas Kühles zum Trinken zu kaufen. An der Schiffsanlegestelle bildet sich schnell eine große Warteschlange und es wird auch an Bord deutlich voller als im Verlauf der Hinfahrt. Während der Fahrt unterhalten wir uns mit zwei deutschen Backpackerinnen, die für mehrere Monate in Südamerika unterwegs sind. Die beiden lassen sich einfach treiben und haben nicht fest vorgeplant, wo es als nächstes hingehen soll. Sie erzählen uns, dass sie gerade ihr Studium abgeschlossen haben - ja, das ist eine der wenigen Gelegenheiten im Leben, an der man wirklich Zeit für solche Unternehmungen hat.


Die Cuernos im Parque Nacional Torres del Paine.


Rückweg zur Paine Grande Lodge.


Lago Skottsberg mit den Cuernos.

Unser Auto steht noch auf dem Parkplatz am Bootsanleger an der Ostseite des Lago Pehoe. Wir müssen nach dem anstrengenden Tag zum Glück nicht mehr allzu weit fahren: Nur wenige Kilometer weiter südlich steht auf einer kleinen Insel und über einen Holzsteg mit dem Festland verbunden die Hosteria Pehoe. Ein nettes kleines Hotel mit auffällig vielen polnischen und holländischen Gästen. Während sich diese allerdings ruhig und zivilisiert verhalten, schießt ein Kollege aus den USA den Vogel ab: Die Tische für das Abendessen sind nach Zimmernummern zugeordnet und der Amerikaner findet seinen Tisch nicht. Anstatt ruhig weiterzusuchen oder um Hilfe zu fragen, rennt er bestimmt fünf Minuten einem Kellner hinterher und ruft in voller Lautstärke auf englisch , dass seine Zimmernummer ja die 12 wäre und wo denn sein Tisch ist. Keine höfliche Anrede, kein Bitte, nichts. Wir sind uns nicht ganz sicher, ob der Keller kein Englisch versteht oder ob er es in diesem Moment einfach nicht verstehen will. Wir freuen uns, zum ersten Mal in drei Tagen wieder ein gescheites Abendessen zu bekommen und genießen den genialen Blick aus dem Speisesaal auf das Torres del Paine-Massiv, welches nun wieder relativ wolkenfrei in seiner ganzen Pracht zu erkennen ist.


Hosteria Pehoe, Lago Pehoe und das Torres del Paine-Massiv.

Übermorgen geht es weiter...

Schöne Grüße,
Dirk

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #157 am: 10.11.2012, 12:11 Uhr »
Toll, dass sich das Wetter noch erheblich gebessert hat. Das sind tolle Aussichten. Die Lage der Hosteria Pehoe ist wirklich genial.
Viele Grüße
Katja

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Saguaro

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #158 am: 10.11.2012, 14:08 Uhr »
Jetzt löst ihr auch noch eine Lawine aus  :zwinker:, Gut, dass das weit weg war. Irgendwie sieht's da ein bisschen aus wie in den Dolomiten - nur alles viiieeel größer  :daumen:.

LG,

Ilona
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wuender

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #159 am: 10.11.2012, 16:47 Uhr »
Toll, dass sich das Wetter noch erheblich gebessert hat. Das sind tolle Aussichten. Die Lage der Hosteria Pehoe ist wirklich genial.

An diese spontanen Wetterverbesserungen habe ich mich bis übrigens zum Ende der Reise so gewöhnt, dass ich auf Feuerland fast darauf bestanden hätte, bei Regen die Tour auf den Cerro Guanaco zu starten. Zum Glück hat der gesunde Menschenverstand dann doch gesiegt (als am nächsten Morgen die Wolken weg waren, war der Gipfel mit Neuschnee gezuckert).

Stimmt - die Lage der Hosteria Pehoe auf der kleinen Insel ist super - noch dazu kam bei uns die Freude, nach den beiden Tagen in der Paine Grade Lodge mal wieder wieder gescheites Essen serviert zu bekommen.

Die Kombination aus beiden hat dafür gesorgt, dass diese Hosteria einen Platz ganz weit oben in meiner privaten Urlaubs-Unterkunfts-Rangliste bekommen hat.

Jetzt löst ihr auch noch eine Lawine aus  :zwinker:, Gut, dass das weit weg war. Irgendwie sieht's da ein bisschen aus wie in den Dolomiten - nur alles viiieeel größer  :daumen:.

Für die Lawine schämen wir uns auch ganz doll :wink:

Was den Vergleich der Dolomiten angeht, muss ich wieder mal einen Cliffhanger anbringen (falls ich darf...): Am übernächsten Tag der Reise besuchen wir zum Abschluß unseres Besuchs im Parque Nacional Torres del Paine eine Ansammlung von Berggipfeln, welche wirklich mehr oder weniger identisch in Südtirol nachgebaut worden sind (so etwa im Maßstab 1:2) :lol:

Schöne Grüße,
Dirk

unterwegsontour

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #160 am: 10.11.2012, 20:38 Uhr »

ich finde das Bild mit dem augepeitschten See zeigt so richtig den Wind ... auch wenn du bisher immer geschrieben hast wie windig es war, ich finde das Foto zeigt es am besten .... wie sagt man so schön:  ein Bild sagt mehr als tausend Worte   :)


"The sky above, the earth below and dreams dance in your head."

Anti

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #161 am: 10.11.2012, 22:36 Uhr »
Zitat
Noch alle da?

Also ich bin noch dabei und genieße noch immer! Beeindruckend, was ihr da unter die Füße nehmt!

wuender

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #162 am: 11.11.2012, 09:29 Uhr »
ich finde das Bild mit dem augepeitschten See zeigt so richtig den Wind ... auch wenn du bisher immer geschrieben hast wie windig es war, ich finde das Foto zeigt es am besten .... wie sagt man so schön:  ein Bild sagt mehr als tausend Worte   :)

Dass dieses Bild die gewünschte Wirkung erzielt, freut mich ganz besonders. Ich muss nämlich zugeben, dass ich während der Reisevorbereitung beim Schmökern von Reiseberichten öfters vom patagionischen Wind gelesen habe - allerdings nicht so recht daran geglaubt habe, dass dieser etwas besonderes sein soll. Das hat sich dann im Verlauf der Reise schnell geändert - vor allem während der vor einigen Tagen im Bericht beschriebenen Bootsfahrt auf dem Lago Argentino

Also ich bin noch dabei und genieße noch immer! Beeindruckend, was ihr da unter die Füße nehmt!

Ja, die Wanderungen... Sowohl der Parque Nacional los Glaciares als auch der Torres del Paine sind Nationalparks, zu denen man sicherlich hinfahren kann, sich kurz die Berge anschaut und dann wieder wegfährt - das wird ja in vielen vorgeplanten Reisen aus dem Reisebüro auch so gemacht. Wir fanden es dann wahnsinnig faszinierend, wie viele und immer unterschiedliche Einblicke man in diese Parks erhält, wenn man auch ein paar Tage zum Wandern dort bleibt.

Ein weiterer Grund aus dem wir uns entschieden haben länger dort zu bleiben ist, dass bei einem längeren Aufenthalt dort einfach die Wahrscheinlichkeit steigt, einmal kurz schönes Wetter zu haben. Das ist kein Scherz - es gibt Leute, die vier Tage im Parque Nacional Torres del Paine waren und kein einziges Mal die Berge zu Gesicht bekommen haben.

Schöne Grüße,
Dirk

wuender

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #163 am: 12.11.2012, 07:42 Uhr »
Hallo allerseits,

heute wechseln wir wieder das Hotel, bleiben aber im Parque Nacional Torres del Paine. Es stehen einige kleinere Wanderungen auf dem Programm:

16.11.2011: Hosteria Pehoe - Hotel Las Torres
Auch in dieser Lodge gibt es Frühstück um halb acht - hier aber ist ein ausgesprochen leckeres und vor allem nicht flüssiges Rührei mit dabei. Der Himmel zeigt sich zum Großteil recht grau und wolkenbedeckt mit vereinzelten blauen Flecken. Letztere ermöglichen uns einen schönen Blick aus dem großen Panoramafenster des Speisesaals auf das Torres del Paine-Massiv mit den schönen Cuernos. Nachdem wir im Verlauf der vergangenen beiden Tage direkt an diesem Bergstock unterwegs gewesen sind, wollen wir uns heute einigen Trails in anderen Bereichen des Nationalparks widmen. Dazu fahren wir zunächst die gewundene Parkstraße bis zu ihrem westlichen Ende am Hotel Lago Grey. Diese Straße verläuft zuerst entlang der Ostseite des Lago Pehoe, dann am recht breiten Rio Paine nach Süden. Der Rio Paine wird mit Hilfe einer einspurigen Holzbrücke überquert. Ein deutlich moderneres und auch breiteres Bauwerk aus Beton und Stahl wird momentan direkt neben der alten Brücke errichtet. Kurz danach, insgesamt etwa 12 Kilometer südlich der Hosteria Pehoe, führt die Straße an den Gebäuden der Parkverwaltung vorbei und knickt nach Nordwesten ab, durch ein langgezogenes Tal. Hier soll es Huemuls geben, wir sehen aber leider wieder keinen dieser seltenen Andenhirsche. Schließlich kommen wir zum Hotel Lago Grey, am Südufer des gleichnamigen Sees gelegen. Nur einige Meter weiter kommen wir am Ende der Straße zu einem großen Parkplatz. Hier befindet sich der Trailhead von zwei Wanderungen, die wir beide laufen wollen.

Die erste Tour führt uns relativ eben zum Lago Grey. Dazu wird zunächst der kleine Rio Pingo mit Hilfe einer hölzernen Hängebrücke überquert, dann verläuft der Weg ein Stück lang durch einen Laubwald. Nach einigen Metern hören wir ein klopfendes Geräusch und schauen uns um, woher dieses Geräusch stammt. Wir staunen nicht schlecht, als wir direkt am Weg, nur ein paar Meter von uns entfernt, einen Magellanspecht entdecken, der sich gerade sein Frühstück erjagt. Es ist ein Weibchen, mit schwarzem Schopf und rot eingefärbten Schnabelansatz. Das Tier hackt derart energisch in die Baumrinde, dass im wahrsten Sinne des Wortes die Fetzen fliegen. Und dabei handelt es sich durchaus um größere Stücke Borke und Rinde, die fröhlich in der Gegend herumfliegen. Alle paar Minuten wechselt der Specht den Baum, fliegt einen oder zwei Bäume weiter und hackt dort weiter. Toll.


Ein weiblicher Magellanspecht.

Wir laufen weiter und kommen zu einem breiten Strand mit sehr grobem Kies. Das ist das südliche Ufer des Lago Grey. Vor zwei Tagen hatten wir ja den Gletscher besucht, der in den nördlichen Teil des Sees fließt. Die Eisberge, die dort vom Gletscher abbrechen, werden durch Strömung und Wind nach Süden getrieben und sammeln sich in der Gegend des Strandes an, auf dem wir jetzt stehen. Wir sehen jede Menge größere und kleinere Eisbrocken, teilweise fast zum Greifen nah. Allen dieser Brocken gemeinsam ist die satte türkisgrüne Farbe des Eises.


Südufer des Lago Grey mit Eisbergen.


Eisberge im Lago Grey.

Am Ende des Strandes befindet sich eine kleine baumbestandene Halbinsel, um die ein schöner Wanderweg herumführt. Auf halber Strecke kommen wir zu einem Aussichtspunkt, von dem aus wir noch viel mehr Eisberge und am anderen Ende des Sees den Glaciar Gray und die ihn umgebenden Berge sehen. Nach Umrunden der Halbinsel laufen wir über den Strand und durch den Wald und sind nach insgesamt etwas mehr als fünf Kilometern wieder zurück am Auto. Dort erfrischen wir uns etwas, legen wir eine kurze Pause ein und schon geht es los zur zweiten Wanderung. Diese führt uns an die Hänge des mächtigen Cerro Ferrier zum auf 700 Metern Höhe gelegenen Mirador Ferrier, von wo aus wir uns einen schönen Blick auf den Lago Grey erwarten. Der Weg beginnt links neben einem kleinen Gebäude der Parkverwaltung. Zunächst geht es nur ein kleines Stück bergauf und dann durch eine mit Gras und vereinzelten Büschen bewachsene Ebene. Hier kommen wir nach einigen Minuten zu einer Art zweitem Trailhead, zu erkennen an einem kleinen Holzschild mit einem Comicbiber, der dem Wanderer anzeigt, wie viele Höhenmeter noch vor ihm liegen. Diese Schilder werden wir im weiteren Verlauf des Trails noch mehrfach sehen, jedes Mal mit einem unterschiedlichen Kommentar des Bibers. Eine nette Idee, wie wir finden. Wir verstehen allerdings nicht so ganz, wieso ein Biber als Symboltier für einen Wanderweg in Patagonien gewählt wurde, denn Biber sind hier nicht heimisch. Einige Exemplare wurden nach Feuerland eingeschleppt und gelten dort heute als Plage.

Der Weg führt von nun an stetig bergauf, mal mehr und mal weniger steil durch niedriges Buschwerk und vorbei an größeren Bäumen. Während wir langsam an Höhe gewinnen, wird die Aussicht immer spektakulärer. Etwa hundert Höhenmeter unterhalb des Aussichtspunktes (zumindest laut Aussage der Biber-Schilder) kommen wir über eine Felskante und bald darauf in einen kleinen Talkessel mit einem wunderschönen dunklen und stillen Wald. Auch hier zieht sich der Weg steil nach oben, stellenweise ziemlich schlammig. Vor noch nicht allzu langer Zeit wäre hier kein Durchkommen gewesen und auch jetzt liegen rechts und links des Trails Überreste von Schneefeldern. Hinter dem Wald geht es in einer Rechtskurve hinaus auf eine Hochebene aus Geröll, noch einen letzten Anstieg hinauf und wir sind da. Es ist mal wieder extrem windig. Im Gegensatz zu einigen anderen Wanderungen im Verlauf unserer Reise ist hier der Aussichtspunkt tatsächlich mit einem Schild markiert - das ist doch mal etwas. Die Aussicht auf den Lago Grey mit seinen Gletschern ist grandios und am Ende des Sees erstrahlt der helle und scheinbar endlos reichende Glaciar Grey. Hinter dem Lago Grey sehen wir Lago Pehoe und Lago Nordenskjöld, im Südosten die Laguna Margarita, Laguna Marco Antonio sowie recht weit entfernt den großen Lago del Toro. Einzig der absolute Superstar dieses Nationalparks, nämlich das namensgebende Bergmassiv ist zwar gut sichtbar, kommt aber aufgrund der dort rumhängenden dichten Bewölkung nicht wirklich gut zur Geltung.


Blick vom Mirador Ferrier auf Lago Grey und Lago Pehoe.


Glaciar Grey.

Der Weg bergab verläuft auf derselben Route, die wir auch hoch gelaufen sind. Schon ganz unten, auf der grasbewachsenen Ebene in direkter Nähe des Parkplatzes beobachten und fotografieren wir ausgiebig einen schönen Schmetterling. Als wir damit fertig sind und den Weg um die nächste Kurve folgen, hocken mitten auf dem Weg zwei winzige Mäuse und schauen uns mit großen Knopfaugen an. Das sind lustige Tiere, von der Form am ehesten als Fellkugeln mit Schwanz und Augen zu beschreiben. Die beiden Mäuse lassen sich ohne größere Scheu einige Zeit lang beobachten, verstecken sich nach ein paar Minuten dann aber doch im dichten Gras.


Fellkugel mit Schwanz und Augen.

Wieder am Auto angelangt fahren wir auf der Parkstraße zurück nach Osten. Unser nächster Stopp ist am edlen Explora-Hotel, am Ufer des Rio Paine oberhalb des Wasserfalls Salto Chico gelegen. Um zu diesem Wasserfall zu gelangen, müssen wir vom Parkplatz über einen langen Boardwalk laufen und dann um den großen Hotelkomplex herum, an dessen Küchenbereich vorbei. Der Wasserfall selber ist ganz nett aber auch kein absolutes Top-Highlight, zumal eine zum Explora-Hotel gehörende Pumpenstation oder Generatorhäuschen oder irgendetwas Ähnliches mitten in den Wasserfall gebaut wurde. Beim Rückweg zum Auto fällt uns auf, dass das Titelfoto des von Klaus Bednarz geschriebenen Buchs "Am Ende der Welt" vom Gelände des Explora aus aufgenommen wurde. Wir fanden den Patagonienteil (im Gegensatz zum viel besser gelungenen Kapitel über Feuerland) dieses Reiseberichts seltsam uninspiriert. Vor allem die gewählte Route repräsentiert so gar nicht die Vielfalt an Landschaft, Natur und Kultur, die Patagonien zu bieten hat und die wir zum Teil im Verlauf unserer Reise erleben durften. Aber Hauptsache, man kann GEZ-Einnahmen dafür verwenden, mit seinem Filmteam im mit Abstand teuersten Hotel (ein Einzelzimmer kostet mal locker 750 Euro pro Nacht) des Nationalparks abzusteigen...


Holzbrücke über den Rio Paine.


Blick auf die Cuernos vom Gelände des Explora-Hotels aus.

Weniger als einen Kilometer weiter kommen wir zum schön am Seeufer gelegenen Pehoe-Campground. Hier müsste sich rechterhand der Straße der Parkplatz am Trailhead unserer nächsten Wanderung befinden. Wir biegen zunächst etwas zu früh ab und landen an einer Hütte, aus der heraus uns ein uniformierter Mensch neugierig anschaut. Es ist uns nicht ganz klar, ob dieser Mensch zum Campground, zum Nationalpark oder zu etwas anderem gehört. Immerhin reichen aber inzwischen auch Dirks Spanischkenntnisse aus, um nach dem Weg zu unserem Parkplatz zu fragen. Zwei Minuten später steht unser Pick Up an der korrekten Stelle und wir brechen auf. Dieser Trail wird uns auf den Mirador Condor führen, einem kleinen Berggipfel mit Blick direkt auf den Lago Pehoe und das Torres del Paine-Massiv. Die nette Wanderung führt zuerst ein Stückchen durch einen Wald, dann durch eine faszinierende Hochlandschaft, die dicht mit irgendwelchen fast künstlich aussehenden hellgrünen Pflanzen bewachsen ist. Aus dieser Landschaft erheben sich zwei Berggipfel aus braunem Sedimentgestein und der nördlichere dieser beiden Gipfel ist der Mirador Condor. Der Weg dorthin schlängelt sich zwischen den Gipfeln durch und dann nach oben. Auch hier weht ein fast unangenehm heftiger Wind. Der Weg ist steil, sandig und rutschig. Doch der Blick von oben ist alle Mühen wert - zumal wie schon gestern und vorgestern sich das Wetter im Lauf des frühen Nachmittags deutlich verbessert hat. Der Blick auf das wild zerklüftete Torres del Paine-Massiv ist unbeschreiblich und unter uns breiten sich wie ein Flickenteppich die unterschiedlichen Seen des Nationalparks aus. Wir erkennen das Explora-Hotel, sowie die Hosteria Pehoe, in der wir die vergangene Nacht verbracht haben.


Blick vom Mirador Condor auf Lago Pehoe mit dem Pehoe-Campground und dem Explora-Hotel.


Blick vom Mirador Condor auf Lago Pehoe und das Torres del Paine-Massiv.

Als wir wieder wohlbehalten am Auto angelangt sind machen wir uns auf den Weg zu unserer Unterkunft für die kommenden beiden Nächte. Für diese haben wir uns das im Ostteil des Parks gelegene Hotel las Torres gegönnt. Das ist die teuerste Übernachtungsstätte unserer bisherigen Reisehistorie - selbst das "The View" im Monument Valley war zu unserer damaligen Reisezeit günstiger. Wir fahren über Schotter zunächst ein Stück nach Osten. Hinter dem Lago Pehoe ist die Straße nagelneu gegradet worden - nach all der bisherigen Rumpelei auch mal ganz schön. Wir fahren am Lago Nordenskjöld vorbei und biegen einige Kilometer vor dem Parkausgang nach links ab. Hier kommen wir durch eine mit Gras bewachsene Hügellandschaft, in der sehr viele Guanacos grasen. Der absolute Höhepunkt ist eine Familie bestehend aus einem Muttertier und zwei Jungen. Die Mutter nimmt gerade ein Sandbad und wälzt sich daher ziemlich artistisch auf dem Boden herum. Und die beiden Jungtiere schauen zu. Süß.


Sandbadendes Guanaco.

Unsere Straße führt über einige Serpentinen steil herab ins Tal des Rio Paine. Direkt am dortigen Parkeingang biegen wir nach links auf die Zufahrt zum Hotel las Torres ab. Diese führt zunächst über eine alte und extrem schmale Hängebrücke. Katharina steigt aus und dirigiert. Dirk hat in Reiseberichten gelesen, dass man hier die Spiegel des Autos umklappen sollte. Da unsere Spiegel nicht in Wagenfarbe lackiert sind, probieren wir ob es auch so geht. Nein, tut es nicht und die Reiseberichte hatten recht: Auf halber Strecke berührt unser rechter Außenspiegel die Verstrebung der Brücke und klappt dabei von selber um.


Enge Hängebrücke auf der Zufahrtsstraße zum Hotel las Torres.

Nach sieben weiteren Kilometern kommen wir zu unserem Hotel. Im Straßenverlauf dorthin sehen wir viele Wanderer, die noch den nächsten Campground am Circutio oder am "W"-Trek erreichen wollen. Das Hotel selber ist sehr edel mit schönen Zimmern. Es sind viele Tiere unterwegs, unter anderem Pferde und auch einige Füchse, die wohl mehr oder weniger zum Hotelinventar gehören. Zum Abendessen gönnen wir uns das ziemlich teure Buffetmenü im hoteleigenen Restaurant. Recht lecker und auch sehr reichlich. Auf dem Weg zurück zu unserem Zimmer treffen wir noch einen sich putzenden Fuchs. Das Tier ist wohl ebenso müde wie wir, das schließen wir jedenfalls aus seinem wiederholten Gähnen.

Schöne Grüße,
Dirk

Saguaro

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Re: Bis-ans-Ende-der-Welt-Tour 2011: Vier Wochen durch Patagonien
« Antwort #164 am: 12.11.2012, 10:50 Uhr »
Die Landschaft ist so schön, dass sie schon wieder unwirklich wirkt. Bei euren Bildern meine ich, immer wieder ein Kalenderblatt umzuschlagen  :applaus: :applaus: :applaus:.

LG,

Ilona
Liebe Grüße

Ilona

"Man muss viel laufen. Da man, was man nicht mit dem Kleingeld von Schritten bezahlt hat, nicht gesehen hat." (Erich Kästner)