Guten Morgen allerseits,
heute kommen wir - leider bei nicht gerade idealem Wetter - am Ende der Welt an. Viel Spaß beim Lesen!
20.11.2011: Tolhuin - UshuaiaNach dem Frühstück verabschieden wir uns von der Hosteria Kaiken und fahren weiter auf der Ruta 3 nach Westen. Die Straße verläuft durch dichten Wald parallel zum Südufer des Lago Fagnano. Ab und zu ergeben sich Blicke auf diesen langgezogenen See. Das Wetter ist nicht wirklich berauschend - der Himmel präsentiert sich grau in grau und es sieht nach Regen aus. Nach knapp 30 Kilometern biegt die Straße leicht nach Südwesten ab und entfernt sich dabei vom Lago Fagnano. Von hier an geht es stetig bergauf und am schönen kleinen Lago Escondido, eingezwängt zwischen im Westen, Süden und Osten stehenden hohen Bergen sieht es kurzzeitig so aus, als würde die Straße nicht mehr weiter führen. Hier beginnt die Straße sich an der östlichen und südlichen Seite des Tals in die Berge zu schrauben und dabei steil an Höhe zu gewinnen. Der Ausblick auf den immer tiefer unter uns zwischen den dicht grün bewachsenen Bergflanken gelegenen Lago Escondido ist grandios. Den höchsten Punkt der Straße stellt der Paso Garibaldi dar, den wir kurz darauf erreichen. Dieser 450 Meter hohe Pass ist die einzige Stelle, an der auf Feuerland eine Straße die hier in Ost-West-Richtung verlaufende Andenkette überquert. Wie schwierig es war, eine passende Stelle für diese Überquerung zu finden und dort eine Straße zu bauen, wird anhand der Tatsache deutlich, dass erst knapp 64 Jahre nach der Gründung der Stadt Ushuaia mit dem Bau der Straße über den Paso Garibaldi begonnen wurde. 1956 wurde der Bau abgeschlossen und erst seitdem ist vom südlichen Streifen von Feuerland aus der Rest der Insel einfach und schnell auf dem Landweg zu erreichen.
Blick vom Paso Garibaldi auf den Lago Escondido. Hinter dem Pass führt die Straße wieder steil bergab. Nach einer letzten Spitzkehre erreichen wir nach ein paar Kilometern das breite Valle Tierra Mayor. Ab hier verläuft die Ruta 3 entlang des Tals direkt in westliche Richtung. Hier kann man im Winter sogar Skifahren - zu Fuß des 1057 Meter hohen Cerro Castor sehen wir eine größere Gebäudeansammlung und eine die Straße kreuzende Seilbahn, welche sich so ähnlich auch in den Alpen befinden könnten.
Unterwegs im Valle Tierra Mayor. Einige Kilometer später knickt die Straße wieder nach Süden ab, verliert noch etwas an Höhe und wir erreichen den Ortseingang von Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt. Diese liegt von Bergen eingerahmt am Nordende einer großen Bucht, der Bahia Ushuaia. Von der Straße aus haben wir einen guten Blick auf die Stadt, die von hier aus noch ein Stückchen unterhalb von uns liegt. Ushuaia wirkt um einiges größer als wir erwartet hatten - aber immerhin wohnen hier ja auch etwa 80000 Menschen. Was uns besonders auffällt, sind der rege Schiffsverkehr im Hafen und der Baustil der Häuser. Sonderlich einheitlich ist letzterer nicht - es herrscht eine wilde Mischung verschiedener Farben und Formen - dabei stehen sehr ärmlich und sehr wohlhabend aussehende Gebäude quer durcheinander. Wir legen einen kurzen Stopp im Zentrum der Stadt ein, wo wir uns am touristischen Teil des Hafens Tickets für eine für morgen geplante Schifffahrt kaufen wollen. Der Innenstadtbereich von Ushuaia ist streng schachbrettförmig angeordnet. Die Steigung der senkrecht zum Ufer verlaufenden Straßen ist teilweise ganz schön heftig. Ein wenig schwierig wird das Autofahren in diesem Raster durch die nicht immer ganz logische Anordnung von Einbahnstraßen.
Möwe am Hafen in Ushuaia. Man beachte die sensible Abstimmung zwischen Farbe von Schnabel und Lack des Autos. Wir stellen unser Auto auf einem großen Parkplatz direkt an der Mole ab und schauen uns kurz am Hafen um. Hier gibt es ein schönes Holzschild mit einer historischen Darstellung des Hafens und der Beschriftung "Ushuaia - Fin del Mundo". Ja, jetzt sind wir in der Tat fast am Ende der Welt angekommen. Nachdem wir uns für einen der zahlreichen Anbieter entschieden und dort die Tickets für morgen erstanden haben, schauen wir noch nach einem Restaurant für unser Abendessen und fahren dann weiter.
Wir sind am Ende der Welt angelangt. Wir verlassen die Stadt nach Westen, und kurz hinter dem Ortsausgang wird die Straße zu einer guten Dirtroad. Inzwischen hat es angefangen zu regnen. Kurz hinter der Stadt kommen wir am Bahnhof des Tren Fin del Mundo vorbei, wörtlich übersetzt ist das der Zug am Ende der Welt. Diese Bahnstrecke verlief ursprünglich bis ins Stadtgebiet von Ushuaia und wurde von den Insassen des dortigen Gefängnisses für den Materialtransport angelegt. Nachdem das Gefängnis geschlossen und Teile der Bahnstrecke durch ein Erdbeben zerstört worden waren, wurde die Strecke 1952 stillgelegt. Die heutige Bahn wurde erst 1994 wieder in Betrieb genommen und transportiert Touristen bis in den Parque Nacional Tierra del Fuego. Wir wollen keine Bahnfahrt unternehmen, vor allem nicht bei diesem Wetter und schauen uns nur kurz den Bahnhof sowie die dort rumstehenden Züge an. Besonders faszinierend finden wir die mit 500 mm äußerst geringe Spurweite der Gleise.
Der Tren Fin del Mundo. Ab hier ist die Ruta 3 von recht dichtem Wald umgeben und wird ein klein wenig rumpeliger. Am Eingang zum Parque Nacional Tierra del Fuego finden wir ein kleines Häuschen, wo wir den fälligen Eintritt bezahlen. Dieser Nationalpark schützt die Natur hier am Ende der Andenkette. Neben den dichten Südbuchenwäldern gibt es hier auch seltene Tiere wie den Andenhirsch Huemul. Sehr stolz sind die Feuerländer auch auf die Peat Bogs, die es hier im Nationalpark gibt. Soweit wir das verstehen, handelt es sich hierbei um Ansammlungen von langsam verrottenden feuchten abgestorbenen Pflanzenmaterial, sprich: Schlicht und einfach um Moor. Besonders präsent sind auch Biber, welche allerdings als eingeschleppte und nicht heimische Tiere nicht geschützt werden. Mitte des 20. Jahrhunderts wurden Biber zur Pelzzucht nach Feuerland gebracht und es kam wie es kommen musste: Einige Exemplare entkamen. Da die Biber auf Feuerland keine natürlichen Feinde haben, vermehrten sie sich explosionsartig. Durch ihre Baue bzw. das dadurch aufgestaute Wasser zerstören sie enorme Flächen Wald. Die Anzahl der Biber wird im Nationalpark streng kontrolliert und überzählige Tiere werden abgeschossen.
Unterwegs im Parque Nacional Tierra del Fuego. Wir fahren die durch den Park führende Straße bis an ihr Ende an der Bahia Lapatia. Und hier geht es nun endgültig nicht mehr weiter: Ein großes Holzschild informiert, dass dies hier das Ende der Ruta 3 ist, 3079 Kilometer von Buenos Aires und 17848 Kilometer von Alaska entfernt. Auch wenn wir nur einen kurzen Teil der Ruta 3 gefahren sind - auf der Carretera Austral und Ruta 40 war es sowieso viel interessanter als auf dieser fast durchgehend asphaltierten Straße entlang der argentinischen Atlantikküste - kommt in uns ein leicht wehmütiges Gefühl auf. Am Ende der Straße angekommen - so haben wir uns zuletzt 2007 gefühlt, als wir in Santa Monica am Ende der Route 66 standen.
Hier geht die Straße nun definitiv nicht mehr weiter... Trotz des Regens laufen wir einen kurzen Boardwalk entlang der Bahia Lapatia ab. Das Wetter zaubert eine schön mystische Lichtstimmung auf die Bucht und die umgebenden Berge. Neben uns sind hauptsächlich französische Touristen unterwegs, die in einem großen Reisebus hierher gekarrt wurden. Als wir wieder zum Auto zurück gehen, fällt uns auf, dass die anderen Gäste sehr intensiv die hier herumlaufenden Gänse fotografieren - dabei handelt es sich um Magellangänse. Diese scheinen etwas Besonderes zu sein, sie sind sogar auf dem Nationalparklogo verewigt. So ganz nachvollziehen können wir das nicht, denn genau diese Gänse haben wir während den vergangenen Wochen in großer Anzahl entlang der Straßen in Patagonien gesehen.
Die Bahia Lapatia. Ein weiterer kurzer Trail, den wir laufen, ist der Castorea, der uns zu einem noch bewohnten Biberbau führt. Der Bau ist recht imposant, die von den Bibern zu einem Damm aufgeschichteten Äste sorgen dafür, dass eine große Fläche Land überflutet ist, und in diesem See steht auch eine große Menge abgestorbener Bäume herum
Biberdamm im Parque Nacional Tierra del Fuego. Als nächstes fahren wir zum Lago Roca, einem langgezogenen Bergsee, entlang dessen Ufer wir bis zur chilenischen Grenze wandern könnten. Eigentlich hatten wir ja vor, die ebenfalls hier startende Wanderung auf den Gipfel des 973 Meter hohen Cerro Guanaco durchzuführen, von wo aus sich bei schönen Wetter ein atemberaubender Blick auf Ushuaia, den Parque Nacional Tierra del Fuego inklusive der Bahia Lapatia sowie den Beaglekanal und die südlich des Kanals gelegenen Inseln bietet. Allerdings ist vom Gipfel momentan nichts zu sehen außer den dicken grauen Regenwolken, die davor hängen. Wir verbringen einige Zeit am wirklich schönen Ufer des Lago Roca und reagieren hoffnungsfroh auf jede etwas hellere Stelle am Horizont. Und wir überlegen: Einerseits haben wir bisher im Urlaub immer Glück gehabt, wenn wir bei nicht ganz so gutem Wetter losgelaufen sind. Andererseits schauen die Wolken hier nicht wirklich so aus, als würden sie uns den Gefallen tun und sich so schnell auflösen wie diejenigen im Parque Nacional Torres del Paine. Und auf dem Gipfel eines alleinstehenden Berges gibt es für den Notfall so gut wie keine Möglichkeit, sich unterzustellen. Daher verzichten wir schweren Herzens und suchen uns als Ersatz die kurze Wanderung zum Mirador Pampa Alta raus. Diese Wanderung führt zunächst durch Wald und dann über äußerst sumpfige Wiesen auf einen flachen Hügel, von wo aus wir auch einen kleinen Teil des Beaglekanals überblicken können. Der 315 Meter hohe Aussichtspunkt befindet sich direkt unterhalb des Cerro Guanaco. Dieser ist immer noch dick in Regenwolken eingehüllt und wir bekommen beim Rückweg zum Auto auch ein paar Tropfen ab.
Blick vom Mirador Pampa Alta auf den Beaglekanal. Nachdem das Wetter sämtliche weiterführenden Wanderaktivitäten im Nationalpark sabotiert, fahren wir wieder zurück nach Ushuaia und suchen unser Hotel. Dieses ist zwar etwas weit ab vom Schuss gelegen und liegt in einer etwas seltsamen Gegend, das Hotel selber ist aber dennoch sehr schön. Nachdem wir eingecheckt haben, fahren wir wieder in die Innenstadt, um dort etwas Sightseeing zu betreiben. Zuerst versuchen wir, das in verschiedenen Reiseführern beschriebene Aquarium zu finden - ohne Erfolg. Während der Reiseplanung konnten wir auch nicht auf die offizielle Homepage des Aquariums zugreifen - vermutlich ist es vor einiger Zeit eingegangen. Als zweites versuchen wir es beim Museo Fin del Mundo - dieses hat allerdings sonntags zu. Also weiter zum Museum im Presidio, dem ehemaligen Hochsicherheitsgefängnis von Ushuaia - welches glücklicherweise auch heute geöffnet ist. 1896 - zwölf Jahre nach der Stadtgründung, wurde in Ushuaia ein Gefängnis eingerichtet. Aufgrund der abgelegenen Lage wurden hier hauptsächlich Schwerkriminelle sowie politische Gefangene inhaftiert. Eine Flucht von hier war nahezu unmöglich. Irgendwie erinnert das Ganze ein wenig an die Geschichte von Australien. Das mächtige Gebäude des Presidio wurde von 1902 bis 1920 errichtet. 1947 wurde das Gefängnis aufgelöst und das Gebäude wurde ein Teil der örtlichen Marinebasis. In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde dann das Museum eingerichtet.
Statue eines Gefangenen vor dem Museum im Presidio in Ushuaia. Das Museum besteht aus einem Teil, der sich ausführlich mit der Geschichte des Gefängnisses beschäftigt und einer Abteilung über Marinegeschichte. Letztere setzt ihren Schwerpunkt natürlich auf Patagonien und Feuerland. Beginnend mit den Kanus der Ureinwohner, weiter mit der Erforschung dieser Gegend, der Magellanstraße und des Beaglekanals durch die Weißen führt uns die Ausstellung bis in die moderne Zeit. Es gibt aber auch eine interessante Abteilung über Forschungsreisen in die Antarktis. Wir sind fasziniert, wie viele Expeditionen zu diesem unwirtlichen Kontinent es gab, von denen wir noch nie etwas gehört haben. Die Reisen von Cook, Bellinghaus, Shackleton, Scott und Amundsen sind uns ein Begriff, aber von Nordenskjölds Reisen oder der gefährlichen Fahrt des Schiffs Belgica, welches von 1897 bis 1899 zwei Winter lang im Packeis eingeschlossen war, haben wir noch nie etwas gehört. Wir bleiben bis kurz vor der Schließung im Museum und laufen dann zurück in die Innenstadt. Dort gönnen wir uns zum Abendessen ein einigermaßen leckeres Büffet und fahren dann zurück in unser Hotel.
Eine Zelle im Presidio in Ushuaia. Hinweis: Der Gefangene ist nicht echt. Übermorgen geht es weiter...
Schöne Grüße,
Dirk