Sonntag, 7. OktoberMein Plan, heute mal lange auszuschlafen, scheitert kläglich, denn um halb sieben wache ich von alleine auf. Also schnappe ich mir das inzwischen angeschaffte Näh-Kit und meine kaputte Wanderhose, kuschele mich wieder unter die Decke und versuche, das Loch in Kniehöhe möglichst professionell zuzunähen. Das Resultat würde vermutlich jeden halbwegs erfahrenen Handarbeitskünstler die Hände überm Kopf zusammenschlagen lassen, aber das Loch ist zu und ich bin zufrieden.
Um viertel nach acht mache ich mich auf dem Captain Cook Highway auf den Weg nach Norden, zum Daintree River, um an einer Bootsfahrt teilzunehmen und Krokodile aufzuspüren. Am Stand des Touranbieters treffe ich auf zwei Holländer, die schon auf die Abfahrt warten. Sie erzählen mir, dass sie die Tour gestern schon gemacht haben, dass das Wetter aber schrecklich war und sie nur ein einziges winziges Krokodil gesehen haben. Ich denke mir, dass es vielleicht gar nicht schlecht war, dass ich den Ausflug zum Riff nicht auf heute verlegen konnte, denn mein Alternativprogramm für gestern wäre auch die Bootsfahrt gewesen.
Um halb zehn startet die eineinviertelstündige Tour auf einem leisen Elektroboot. Unser Skipper stellt uns erst mal auf einem kleinen Bildschirm die Krokodile vor, die hier „wohnen“, während wir langsam am Ufer vorbeischippern. Schon bald finden wir ein kleines Krokodil, das am Ufer auf einem Ast liegt.
Im Schlamm am Ufer sind kleine Krabben, und wenn ich es richtig verstehe, werden die von den Krokodilen durchaus nicht verschmäht.
Als wir weiterfahren, schiebt sich am Ufer plötzlich ein größeres Krokodil an Land. Es ist „Scooter“, er ist 14 Jahre alt und hat an diesem Flussabschnitt sein Zuhause. Der Skipper erklärt uns, dass Scooters Revier noch relativ klein ist und er deshalb ziemlich zuverlässig hier zu finden ist.
Später biegen wir in seinen Seitenarm ab, in dem „Elizabeth“ wohnt. Leider bekommen wir sie nicht zu Gesicht, dafür aber zwei ihrer Jungen, um die sie sich seit dem Schlüpfen kümmert. Vermutlich ist sie in der Nähe, aber der Skipper erklärt, dass große Krokodile zwei bis drei Stunden unter Wasser bleiben können, ohne Luft zu holen, so dass sie möglicherweise einfach irgendwo am Grund des Flusses liegt.
Dafür findet sich hier eine Schlange, die zusammengerollt über einem Ast liegt. Wer genau hinschaut, kann rechts das blau leuchtende Auge erkennen.
Als wir schließlich wieder auf den breiten Fluss biegen und ich eigentlich nicht erwarte, dass wir noch ein weiteres Krokodil sehen werden, treffen wir dann auf den Schrecken des Flusses: Scarface, ein ausgewachsenes Männchen. Er hat ein großes Revier und viele Weibchen, so dass er jetzt in der Breeding Season ziemlich beschäftigt ist. Entsprechend kann er natürlich nicht auf der faulen Haut liegen und sich begaffen lassen, sondern taucht langsam ab, während wir uns nähern.
Während Scarface sich langsam durchs Wasser schiebt, erzählt uns der Skipper fröhlich, mit welchen Tieren im Maul er Scarface schon angetroffen hat, unter anderem mit einem halben Kalb und einem kleinen Terrier. Hm, so richtig sympatisch ist mir Scarface nicht.
Nach der Bootsfahrt überlege ich noch, ob ich die Autofähre über den Daintree River nehmen und hoch bis zum Cape Tribulation fahren soll, wo der Regenwald auf den Strand trifft, aber inzwischen ist es wieder dicht bewölkt, und außerdem habe ich ja in Port Douglas den Four Mile Beach direkt vor der Haustür. Bevor ich zurückfahre, stoße ich am Flussufer noch auf dieses Warnschild und frage mich, warum die Warnung ausgerechnet auf deutsch drauf steht. Gibt es hier einfach besonders viele Deutsche? Oder sind die Deutschen nur besonders dämlich und müssen deshalb eigens in ihrer Landessprache ermahnt werden, nicht in einem krokodilversuchten Fluss zu schwimmen?
Da sich leider weit und breit kein Deutscher findet, der bereit wäre, mir bei einem Bad im Daintree River als Fotomotiv zu dienen, fahre ich zurück nach Port Douglas, wo netterweise immer noch die Sonne scheint und erklimme erst mal den Flagstaff Hill, von dem aus man auf den Four Mile Beach schauen kann.
In Port Douglas ist heute ein kleiner Markt. Ich schlendere am Ufer entlang und an den Ständen vorbei und setze mich schließlich zum Mittagessen an eins der vielen Restaurants.
Danach ist erst mal eine kleine Siesta und Kofferpacken angesagt, denn morgen werde ich ins Rote Zentrum fliegen. Und während ich so im Hotelzimmer sitze, Sachen sortiere und mir schon mal eine Liste der Dinge mache, die ich auf die Tour in Alice Springs mitnehmen will, schleicht sich langsam der Katzenjammer an. Es nützt nichts, dass ich mir ständig sage, dass morgen nur ein Abschnitt meiner Reise zu Ende geht und ich erst in zehn Tagen wieder nach Hause fliege. Das Gefühl des Abschied-Nehmens bleibt und verfolgt mich noch den Rest des Tages.
Erst einmal versuche ich die trüben Gedanken aber beiseite zu schieben und gehe noch für zwei Stunden an den Strand. Es ist herrlich hier, das Wasser ist 26 Grad warm, ich schwimme und hüpfe am überwachten Strand in den Wellen, lasse mich zwischendurch trocknen und laufe wieder ins Meer. Gegen fünf Uhr packte der Rettungsschwimmer dann seine Sachen zusammen und ich spaziere noch eine Weile am Strand entlang, während es langsam dämmert.
Später am Abend gehe ich dann nochmal ins Zentrum, trinke ein Abschieds-Bier und esse ein Abschieds-Eis – Schoko und Macadamia mit vielen Nussstückchen. Absolut lecker, vor allem das cremige nussige Macadamia-Eis.
Gegen zehn Uhr liege ich schließlich im Bett. Der Koffer ist gepackt, alle Akkus sind aufgeladen, alles bisher gemachten Fotos auf dem Netbook. Und obwohl ich zuerst dachte, dass ich heute nur schlecht einschlafen kann, fällt mir der Reiseführer schon nach ein paar Seiten aus der Hand.
Gute Nacht!