Surprise, Surprise!
Statt morgen geht es nun doch schon heute abend weiter. Es wird ein langer Tag, aber wir werden auch viel sehen:
Donnerstag, 27. SeptemberFünf Uhr vierzig! Ich habe Urlaub! Ich will nicht aufstehen!
Aber ich will Kängurus sehen!
Also wuchte ich mich aus dem Bett, versuche den Schlaf abzuschütteln und ziehe schnell meine Klamotten über. Mit gezückter Kamera verlasse ich die Beach Hut und marschiere die wenigen Meter zum Strand. Dort versammeln sich, wenn man dem Internetauftritt des Cape Hillsborough Resorts glaubt, zum Sonnenaufgang oft ein paar Kängurus, und ich will heute morgen mein Glück versuchen. Während ich mir noch überlege, ob ich mich nachher nochmal für zwei Stündchen ins Bett legen soll, marschiere ich durch den tieferen Sand nach vorne Richtung Wasser. Ups, was sehe ich denn da auf mich zuhüpfen? Gerade kann ich noch die Kamera hochreißen, und schon verschwindet das hüpfende Tier in den Mangroven.
Ein Känguruh!
Und nicht nur eins. Hundert Meter weiter hüpft gemächlich eine kleine Herde von drei Tieren über den Strand. Außer mir hat es noch eine Handvoll Urlauber aus den Betten geschafft, und vorsichtig schieben wir uns an die Kängurus heran. Ich bin froh, dass ich vorhin noch an den frisch aufgeladenen Akku gedacht habe, denn ich kann gar nicht aufhören, Bilder zu machen.
Schließlich hüpfen die Kängurus quer über den Strand an uns vorbei und verschwinden zwischen den Palmen. Es ist gerade einmal sechs Uhr, und wenn ich jetzt an den Strand gekommen wäre, hätte ich nichts gesehen. Da hat sich das frühe Aufstehen doch gelohnt.
Bevor ich zurückgehe, mache ich noch ein paar Fotos von den Palmen und Felsen, die von der Morgensonne angeleuchtet werden.
Danach lohnt es sich nicht mehr, wieder ins Bett zu gehen. Ich lese noch ein wenig, packe meine Sachen ins Auto und fahre nach vorne an die Rezeption, um auszuchecken, denn heute abend will ich schon im Eungella National Park übernachten
Vorher erkunde ich aber noch das Cape auf einer zweistündigen Wanderung zum Andrews Point und genieße den Blick vom Twin Beach Lookout und vom Turtle Lookout.
Auf dem Weg zum Andrews Point Lookout, bin ich dann zu unaufmerksam, rutsche mit dem rechten Fuß weg, falle aufs linke Knie und habe neben einem klaffenden Loch in meiner langen Wanderhose auch eine hübsche Schürfwunde unter der Kniescheibe. Erschrocken hinke ich ein paar Schritte weiter und merke dann erleichtert, dass offenbar nichts schlimmes passiert ist. Das hätte gerade noch gefehlt! So nehme ich es als Warnung, künftig vorsichtiger zu sein. Und mache mir auf dem Rückweg Gedanken, ob ich meine einzige lange Wanderhose, die ich dabei habe, noch retten kann und warum ich ausgerechnet bei diesem Urlaub das kleine Notfall-Nähkit zwar auf meine Packliste gesetzt, aber im letzten Augenblick wieder gestrichen habe.
Wieder am Resort angekommen, unternehme ich einen letzten Strandspaziergang.
Schließlich verabschiede ich mich für die nächsten beiden Tage vom Meer und klettere in meinen kleinen Micra, mit dem ich zunächst noch den Parkplatz am kurzen Boardwalk in der Nähe ansteuere. Dann programmiere ich das Navi und mache mich auf den Weg zum Eungella Nationalpark. Auf dem Weg dorthin komme ich durch üppige Zuckerrohrfelder, sehe zumindest eine der Loks, die die Wagen mit der Ernte in die Sugar Mills bringen und halte schließlich auf Anraten meines Lonely Planet Reiseführers zu einem Mittagessen am Pinnacle Hotel an.
Gesättigt und mit neuen Kräften geht die Fahrt weiter, und zwar hinauf in die Berge. Die Schilder warnen vor einer very steep road – zurecht!
Als ich gegen halb drei am Broken River Mountain Resort aus dem Auto klettere, ist es merklich kühler als unten im Pioneer Valley. Ich checke ein, bekomme auch den Schlüssel für die angemietete „Platypus Lodge“, muss aber noch fünfzehn Minuten warten, bis mein Zimmer fertig ist. Kein Problem, ich will mich sowieso erst mal umsehen. Ganz in der Nähe, nur etwa 100 Meter von der Anlage entfernt, fließt der Broken River, in dem man Platypusse, also Schnabeltiere, sehen kann. Normalerweise kommen sie zur Dämmerung aus ihrem Bau, so dass ich nicht damit rechne, sie zu sehen, als ich mich auf den Weg mache.
Aber ich habe schon wieder Glück: Als ich an der Plattform ankomme, von der aus man einen guten Blick auf den Fluß hat, merke ich schon, dass es hier etwas zu sehen gibt: Etwa 10 Leute stehen hier, aber außer einem gedämpften Gemurmel hört man nur das Klicken von Kameras. Die Schnabeltiere sind da!
Es sind zwei junge Schnabeltiere, erklärt mir eine andere Urlauberin, die schon ein paar Tage hier ist. Die Eltern sind wahrscheinlich im Bau, aber die Jungen plantschen vergnügt im Fluß. Immer wieder tauchen sie auf, schwimmen ein paar Meter und verschwinden wieder zum Grund des Flussbetts. Dann sieht man minutenlang nur ein paar Luftbläschen und Schlamm, der an die Oberfläche steigt, bis sie schließlich wieder nach oben kommen.
Natürlich kann ich den Finger mal wieder nicht vom Auslöser nehmen, zumal es außer den Schnabeltieren auch noch Schildkröten und Fische zu sehen gibt. Nach etwa 20 Minuten ist die Show vorbei, und die beiden Wanderer, die gerade erst gekommen sind, warten vergeblich, dass sich die Schnabeltiere wieder zeigen. Ich spaziere fröhlich zurück zur Lodge und verfrachte erst mal mein Gepäck im Zimmer, bevor ich eine Rast einlege. Es ist halb vier, ich bin seit zehn Stunden auf den Beinen, und eins dieser Beine ist auch noch verwundet, und die Schnabeltiere, die der Hauptgrund dafür waren, dass ich hierher gefahren bin, sind auf Speicherkarte gebannt. Also beschließe ich, bis zu der einstündigen Ranger-Nachttour, die um acht Uhr beginnen wird, einfach mal auszuruhen. Vom Bett aus kann man durch die Fliegengitter vor der Tür und dem Fenster gut nach draußen sehen.
Als dann aber eine Stunde später die Rezeptionistin an den Lodges vorbeiläuft und den Leuten zuruft, dass unten neben dem BBQ eine Python im Baum hängt, bin ich natürlich wieder innerhalb von zwei Minuten in den Schuhen und aus dem Zimmer. Und tatsächlich, da ist sie. Nicht träge zusammengerollt irgendwo oben über einem Ast hängend, sondern in wenigen Metern Entfernung auf dem Weg durch die Büsche:
Was mich etwas beunruhigt ist allerdings die Tatsache, dass es hier vermutlich nicht nur eine einzige Python gibt, sondern vermutlich ein ganzes Rudel. Ich verlasse also mit etwas gemischten Gefühlen kurz vor acht mein Zimmer und gehe zum Treffpunkt für die Spotlight-Tour. Dort findet sich nach und nach eine kleine Schar von schlangentrotzenden Besuchern ein, die schließlich dem Ranger eine Stunde lang über die Wege rund um die Lodge folgen. Dabei sucht der Ranger immer wieder mit einer starken Lampe die Bäume und den Fluss ab, und tatsächlich wird er einige male fündig. Das scheint bei den Fundobjekten aber nicht unbedingt auf große Begeisterung zu stoßen.
Als ich schließlich gegen halb zehn im Bett liege und mich unter die Decke kuschele, kann ich kaum glaube, dass ich gestern morgen erst in Sydney abgeflogen bin. Auch die Kängurus von heute morgen scheinen schon weit weg zu sein.
Gute Nacht!