Dienstag, 16. OktoberEs ist mein letzter Tag in Australien, und das ist mir heute irgendwie ständig bewusst. Mein letzter Kakao beim Starbucks gegenüber, der letzte Spaziergang durch Chinatown, das letzte mal zum Darling Harbour.
Dort komme ich gegen viertel nach zehn am Maritime Museum an und kaufe mir ein Ticket für die Museumsschiffe, die draußen am Kai liegen. Die nette Mitarbeiterin raunt mir verschwörerisch zu, dass vor der Museumstür schon drei Schulklassen warten und dass ich am besten ganz ganz schnell raus zu den Schiffen gehe, bevor die Kinder hier einfallen. Das tue ich dann auch und spaziere hinüber zu dem einen Schiff, das ich heute besuchen will: Zum Nachbau der Endeavour.
Mit der richtigen Endeavour war Captain Cook – der damals noch kein Captain war – 1769 zu der Reise aufgebrochen, die ihn 1770 auch nach Australien geführt hat. Das Schiff, das am Kai liegt, ist ein Nachbau der Endeavour und hat die Orte, die die richtige Endeavour besucht hat, auch schon auf einer ausgedehnten Weltumseglung angelaufen.
Auf dem Schiff werde ich schon von enthusiastischen Freiwilligen empfangen, die mir das Schiff und das Leben an Bord erklären. Ich unterhalte mit ihnen, spaziere herum, mache Fotos und muss ständig aufpassen, mir nicht den Kopf zu stoßen, denn teilweise kann man nur gebückt gehen. Der Aufenthaltsbereich der Crew und die Kabinen der Offiziere sind liebevoll rekonstruiert, und es macht richtig Spaß, sich alles anzuschauen. (Und wer sich schon immer gefragt hat, wie man auf einem alten Segelschiff aufs Klo geht: Zumindest auf der Endeavour konnte man dafür nur das runde Loch vorne am Bug nutzen, das man auf dem ersten Foto sieht).
Nach dem Besuch der Endeavour schaue ich mich noch kurz am Kai und im Museum um und besuche dann auf dem Rückweg zum Hotel noch den wunderschön angelegten Chinesischen Freundschaftsgarten, wo ich mir dann auch gleich ein kleines Mittagessen genehmige.
Nach einer kurzen Rast im Hotel schaue ich mir dann noch die viktorianischen Bauten und Konsumtempel in und in der Nähe der George Street an.
Vor allem die Strand Arcade hat es mir angetan. Alles wirkt nostalgisch britisch wie in einer heilen Harry-Potter-Welt.
Und im Queen Victoria Building, in dem heute eine luxuriöse Einkaufspassage untergebracht ist, gönne ich mir dann im Wiener Kaffeehaus noch ein Stück Sachertorte. Es ist kaum zu glauben, dass man sich hier irgendwo am südlichen Ende der Welt befindet, Tausende von Kilometern von London und Wien entfernt.
Bei meinem Bummel durch die Geschäfte ist die Zeit verflogen. Ich gehe nur kurz zum Hotel zurück, tausche die kleine Tasche gegen den Rucksack und mache mich ein letztes mal auf den Weg zum Circular Quay. Es ist kurz nach fünf, Rush Hour, und trotz der Sonderspur für Busse kommen wir nur langsam vorwärts. Trotzdem erreiche ich noch rechtzeitig die Cumberland Street an der Harbour Bridge: Für heute um kurz nach sechs habe ich zum Abschluss meiner Australien-Reise einen Bridge-Climb gebucht. Gebucht hatte ich von unterwegs aus, als ich am letzten Abend in Port Douglas so von Abschiedsschmerz gebeutelt war, dass ich beschlossen hatte, mir für den letzten Abend in Sydney ein „Beschäftigungsprogramm“ zu verschaffen, um nicht an der Oper zu sitzen und bittere Tränen ins Hafenwasser zu vergießen.
Ich melde mich an, bekomme mein Ticket und spaziere noch eine Viertelstunde durch den Shop, in dem unter anderem auch Bilder der Promis gezeigt werden, die den Bridge Climb schon gemacht haben. Darunter sind Schauspieler wie Pierce Brosnan, Sänger wie Kylie Minogue, Show-Promis wie Oprah Winfrey und auch der inzwischen verstorbene Crocodile Hunter Steve Irwin.
Um kurz nach sechs werden wir von einer Mitarbeiterin begrüßt, und dann folgt eine knappe Stunde des Einkleidens, Anlegens der Ausrüstung und des Übens an einem Treppenstück. Schließlich um kurz vor sieben haken wir uns dann alle an dem Sicherungsdraht an und folgen unserem Guide hinaus auf die Harbour Bridge. Zuerst führt der Weg noch unter der Fahrbahn entlang, dann sind ein paar steile Treppen zu erklimmen und wir stehen schließlich am unteren Ende des Brückenbogens. Die Treppen waren der schwierigste Teil. Von hier aus und den Brückenbogen hinauf führen relativ flache Stufen, und man kann während des Aufstiegs immer wieder hinunter zur Oper und zurück zum Circular Quay schauen.
Ich habe einen guten Tag und eine gute Zeit für den Bridge Climb erwischt. Am Anfang geht gerade erst die Sonne unter, und man kann noch relativ weit sehen, und während des Climbs wird es langsam dunkel, so dass die Lichter des Opernhauses und der Stadt erstrahlen. Das Wetter ist perfekt: Heute war es sehr warm in Sydney, und oben auf der Brücke sind es immer noch über 20 Grad. Es weht ein lauer Wind, und über uns fliegen die Möwen, die geisterhaft im Licht der Harbour Bridge leuchten.
Nach knapp zwei Stunden erreichen wir schließlich wieder festen Boden und legen unsere Ausrüstung ab. Inzwischen ist es halb zehn, und als ich schließlich die Harbour Bridge verlasse und hinunter zum Hafen gehe, kommt langsam auch die Zeit des Abschiednehmens. Das letzte mal hole ich die Spiegelreflexkamera aus dem Fotorucksack und suche mir einen geeigneten Fotostandort, um noch ein Bild des Opernhauses zu machen. Dort habe ich den ersten Abend in Sydney verbracht, und irgendwie ist es passend, dass es das Motiv vom Abschiedsfoto in Sydney ist.
Mit dem Zug fahre ich schließlich zur Central Station, gehe zurück zum Hotel und hole mir auf dem Weg dorthin noch bei einem malaysischen Take away gebackenes Hühnchen mit Reis. Während ich esse und die letzten Sachen packe, Unterlagen wegwerfe, die Akkus des Netbooks und des Handys auflade, vergeht die Zeit, und ich liege schließlich erst um halb eins im Bett.
Der Wecker ist gestellt, der Reisepass ist aus dem Safe geholt und ich lege mich schlafen. Morgen früh beginnt die Heimreise.
Gute Nacht!