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Autor Thema: "Eisberg voraus!" - Mit dem Schiff ins Nordpolarmeer & nach Grönland Sommer 2010  (Gelesen 29036 mal)

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RedZed

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Wirklich sehr beeindruckender Bericht mit ganz faszinierenden Bildern!
97 Never as good as the first time
99 California Love
01 Big Apple, South & Sunshine
04 Memorials & Legends
05 Best of SouthWest
06 Into the great wide open
07 Forces of nature & Winter Sunshine
10 Rough Road Rookies on the move
12 & 13 FL
14 CCC

SusanW

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Nette kleine Spritztour mit dem Zodiac  :lol:
Die Gletscher sind faszinierend, tolle Bilder!
Liebe Grüße 
Susan

Angie

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Antarktis, das könnte ich mir auch vorstellen... die Alexander-von-Humboldt fährt da übrigens auch hin und an Bord waren etliche Passagiere, die dort schon waren 8). Darf ich fragen, wieso Du denkst, dass Du nicht mehr in die Antarktis kommst?

Klar darfst du fragen. Michael will nicht, es ist ihm viel zu kalt.
Zwar bin ich auch ein Kind der Sonne und Wärme, aber für einen Urlaub würde ich auch zur Abwechslung Kälte in Kauf nehmen, man kann sich ja entsprechend anziehen.

So bleibt mir nur der Traum, das könnte unter "Angie's Dreams" laufen :wink: Von PolarQuest lasse ich mir aber noch Aktuelles zu senden, ich kann es einfach nicht lassen. Es gäbe sogar einen Flug direkt zum Südpol mit 6-tägigem Aufenthalt, das wäre überhaupt das non-plus-ultra, kostet schlappe € 30.000,- pro Person, nicht gerechnet der Flug von Europa weg. Ist aber gut, dass der Flug zum Südpol so teuer ist, sonst würde jeder Zweite hinfliegen und die Antarktis würde noch mehr geschädigt, als sie ohnehin schon ist.

Und jetzt schweife ich wieder in die Arktis, muss aber erst deinen neuesten Reiseberichttag lesen :D
Viele Grüße,
Angie

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Angie

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Toll, einfach nur toll!!!

Übrigens habe ich im Nachbar-Reisebericht von nordlicht gelernt, dass, wenn etwas von einem Gletscher abbricht, man dies "der Gletscher kalbt" nennt.

Wenn ihr Eisbären zu Gesicht bekommen hättet, wäre das das I-Tüpfelchen am heutigen Tag gewesen, der aber auch ohne Eisbären faszinierend genug war, allein, wenn ich an die Gletscher denke - fantastisch :D


LG, Angie
Viele Grüße,
Angie

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Rattus

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Klar darfst du fragen. Michael will nicht, es ist ihm viel zu kalt.

Ob die Arktis dann so eine gute Alternative ist? Warm ist jedenfalls etwas anderes... :lol:

Rattus

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11. Tag, 30.07.2010
Ny-Ålesund und Magdalenenbucht / Spitzbergen


Für heute steht Ny-Ålesund auf dem Programm. Der Ort hat wohl erst recht kurze Zeit eine Anlegestelle, sodass wir auf eine Zodiacfahrt verzichten müssen, was ich sehr bedauere, da das wirklich Spass macht. Auch Ny-Ålesund ist ursprünglich eine Bergarbeitersiedlung gewesen und sollte eigentlich nach Beendigung des Kohleabbaus aufgegeben werden. Schnell kamen allerdings Pläne auf, aus Ny-Ålesund eine Polarforschungsstation zu machen und so leben hier je nach Jahreszeit zwischen 30 und 120 Personen, hauptsächlich Forscher und deren Studenten. Ny-Ålesund liegt auf 78° 55' N und gilt als eine der nördlichsten Siedlungen weltweit.

Der Spaziergang durch den Ort ist wie eine kleine Reise durch die Forschungsstationen der verschiedenen Länder. Das hier ist z.B. das norwegische Polarinstitut...


... und das hier sieht zwar eher aus wie ein heruntergekommenes China-Restaurant, ist aber die chinesische Station mit dem offiziellen Namen Polar Research Institute of China.


Auch Deutschland hat eine Station in Ny-Ålesund, ein unscheinbares kleines blaues Häuschen, das Alfred-Wegener-Institut. Selbst außerhalb der Ortschaft stehen überall Messgeräte und dergleichen für die Forschung. Leider hat sich das Wetter verschlechtert und die Sonne scheint kaum noch, aber immerhin ist es trocken und nicht komplett nebelig wie bei der Bäreninsel neulich nachts.


In dem kleinen Ort gibt es sogar ein Hotel mit dem treffenden Namen Nordpol...


... außerdem befindet sich hier das nördlichste Postamt der Welt.


Im Gegensatz zu Longyearbyen gibt es keine asphaltierten Straßen in Ny-Ålesund, dementsprechend geländegängig sind die Autos.


Noch ein paar Überreste aus den vergangenen Zeiten des Kohleabbaus sind zu finden. So steht z.B. ein kleiner Zug herum, der schlicht beim Abtransport der restlichen Utensilien vergessen wurde und deswegen heute als Museumsstück dient. Im Ort gibt es sogar Polarfüchse, einer davon soll seinen Bau unter diesem Haus haben, leider lässt er sich nicht blicken.


In Ny-Ålesund halten die Menschen gleich ein ganzes Rudel von Schlittenhunden. Ein großer Zwinger steht im Ort und außen hängt als Hundefutter Robbenfleisch zum Trocknen. Genau dieses Fleisch lockt wohl immer mal Eisbären her, wie uns eine Infotafel verrät. Der letzte Eisbärenbesuch ist zur Freude der hier lebenden Menschen aber schon etwas über ein Jahr her. Die Hunde in ihren Zwingern sind größtenteils am Dösen und machen einen recht gelangweilten, aber ausgeglichenen Eindruck. Jeder Hund hat eine kleine Holzhütte, die auch auf Stelzen steht.








Ein kleines Stück außerhalb der Ortschaft steht ein unscheinbarer Mast, der allerdings große geschichtliche Bedeutung hat. Roald Amundsen, ein norwegischer Polarforscher, der 1926 mit einem Luftschiff von Ny-Ålesund aus zu einer Nordpolexpedition aufbrach, hat diesen Mast als Ankermast für seinen Zeppelin benutzt. Seine damalige Expedition gilt als die erste erfolgreiche und belegte Fahrt von Menschen zum Nordpol in der Geschichte. Der Ankermast steht noch heute.


Bei einem Blick ins Umland entdecken wir zwei Spitzbergen-Rentiere grasen, diesmal sind es echte Wildtiere. Das Spitzbergen-Ren ist eine Unterart des Rentieres und hat sich räumlich isoliert von den Rentieren auf dem Festland entwickelt. Man erkennt äußerlich einen deutlichen Unterschied zu den Rentieren am Nordkap; das Spitzbergen-Ren ist viel kleiner und kurzbeiniger, der Körper ist stämmiger und wirkt robuster. Kein Wunder, die Tiere müssen auch mit viel extremeren Witterungsverhältnissen klar kommen.


Im ganzen Ort sind überall Weißwangengänse zu sehen, teilweise mit Nachwuchs. Im Gänsemarsch watschelt eine Gänsefamilie über die Schotterstraße.




Weitere interessante Vögel sind die Küstenseeschwalben. Ich bin total fasziniert von diesen Tieren; unglaublicherweise verbringen sie den Sommer in der Arktis und fliegen im Winter eine Strecke von bis zu 30.000 Kilometern bis in die Antarktis, um den dortigen Sommer ebenfalls auszunutzen. Die fliegen quasi von Sommer zu Sommer und erleben so kaum Dunkelheit, da in Arktis und Antarktis jeweils im Sommer die Sonne nicht untergeht. Das traut man diesem winzigen, unscheinbaren Vögelchen gar nicht zu.

Und noch etwas traut man ihnen nicht zu, wovor man uns vor dem Landgang sogar gewarnt hatte. Diese Vögel werden schnell aggressiv und scheuen auch nicht davor zurück, Menschen anzugreifen. Dazu haben sie ihre ganz eigene Abwehrmethode entwickelt, denn wenn sie sich bedroht fühlen, entleeren sie ihren Mageninhalt, der nicht gerade nach Rosen duftet, über ihrem vermeintlichen Feind, um diesen so in die Flucht zu schlagen. Tatsächlich sehen wir doch einen Mitreisenden, dessen Jacke mit einer unappetitlichen Masse eingesaut ist und der beteuert, von den Warnungen nichts mitbekommen zu haben. Na ja, kann auch nicht jeder von sich sagen, dass er mal von einer Küstenseeschwalbe angekotzt wurde. Ob man das wohl beim Waschen rausbekommt? :lol:


An den Ortsausgängen stehen auch hier überall Schilder, die darauf aufmerksam machen, dass man außerhalb der Ortschaft wegen der Eisbären eine Waffe mit sich führen muss.


Nachdem wir wieder zurück auf dem Schiff sind sehen wir auf der Weiterfahrt - wie immer - eine ganze Reihe von Gletschern.


Unser Ziel ist die Magdalenenbucht. Wir ankern und das erste Zodiac mit den Eisbärwächtern wird zu Wasser gelassen. Als diese sich an Land positioniert haben, fahren auch wir mit dem Schlauchboot hinüber. Das Meer ist wesentlich ruhiger und das Einsteigen in das Zodiac ein Kinderspiel im Vergleich zu gestern.


An Land angekommen sehen wir, dass der ganze Strand voll ist mit angeschwemmten, teilweise mannshohen Gletscherstücken. Das Eis hat teils bizarre Formen mit Löchern und ähnlichem.








Endlich können wir einen Gletscher mal von Nahem betrachten. Die im Eis eingeschlossene Luft muss Millionen von Jahre alt sein. Jedes Mal, wenn durch das Schmelzen des Eises ein Luftbläschen freigesetzt wird, gibt es ein knackendes Geräusch. Beim Spazieren gehen am Strand erleben wir das reinste Knisterkonzert. Spannend, einen Gletscher schmelzen zu hören.


Wir begegnen einer einsamen Gryllteiste, eine Vogelart aus der Familie der Alkenvögel, die sich rein gar nicht von uns stören lässt. Ab und zu taucht sie mal unter, um Nahrung zu suchen.


Uns besuchen zwei polnische Forscher mit ihrem Schlauchboot, die in der Magdalenenbucht ihr Zelt aufgeschlagen haben. Auch die haben wegen der Eisbären vorschriftsmäßig ihr Gewehr dabei und ihr Vorratszelt weit weg von ihrem Schlafzelt aufgeschlagen. Sie scheinen über ein paar neue Gesichter und etwas Abwechslung in dieser Einsamkeit erfreut zu sein.

Als die Alexander-von-Humboldt im letzten Jahr fast dieselbe Strecke gefahren ist und in der Magdalenenbucht vor Anker war, hatten die Leute mehr Glück was Eisbärsichtungen angeht. Damals lag ein angeschwemmter toter Wal in der Bucht, an dem sich ein Eisbär zu schaffen gemacht hatte. Dieses Jahr ist weder ein Wal noch ein Eisbär weit und breit in Sicht. Schade. Da wir heute noch Spitzbergen verlassen und die Chance, in Grönland Eisbären zu sehen, noch geringer ist, verabschiede ich mich langsam von dem ohnehin unwahrscheinlichen Gedanken, einen Eisbären zu Gesicht zu bekommen.

Zurück an Bord lassen sich noch ein paar schöne Aufnahmen vom gewaltigen Waggonway-Gletscher schießen, der sich am Ende der Magdalenenbucht befindet. Auch seine Abbruchkante ist viele, viele Meter hoch.




Wir verlassen Spitzbergen und nehmen Kurs auf Grönland.

Gruß
Rattus

Angie

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Ob die Arktis dann so eine gute Alternative ist? Warm ist jedenfalls etwas anderes... :lol:

Nein, es ist keine Alternative und da ich nie dorthin kommen werde, genieße ich deinen Reisebericht umso mehr :D

Die Gletscherfotos beeindrucken mich ungemein, hast du das Knistern auf Video, falls du überhaupt eines gemacht hast?

Auch Deutschland hat eine Station in Ny-Ålesund, ein unscheinbares kleines blaues Häuschen, das Alfred-Wegener-Institut.

Ich erinnere mich gerade, als ich mit 14 Jahren "Alfred Wegeners letzte Fahrt" regelrecht verschlungen habe und nicht nur ein Mal. Das hat mich damals schon fasziniert.


LG, Angie
Viele Grüße,
Angie

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Rattus

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Die Gletscherfotos beeindrucken mich ungemein, hast du das Knistern auf Video, falls du überhaupt eines gemacht hast?

Bitte schön. :wink:


usa2008

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Hallo,
hab´ euch gerade wieder eingeholt. Absolut faszinierende Reise und tolle
Bilder. Wenn ich nicht zur Seekrankheit neigen würde, würde das mein
nächstes Ziel. Landschaften zu sehen und zu betreten, die kaum ein Mensch
bisher betreten hat, finde ich einfach faszinierend.
Allerdings hätte ich gerne noch eine Sonnenscheingarantie. :zwinker:
paar Wolken sind erlaubt, aber kein Dauerregen.

Wie sieht´s denn eigentlich mit Mücken aus bei den Landgängen?

Gaby

Rattus

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Allerdings hätte ich gerne noch eine Sonnenscheingarantie. :zwinker:
paar Wolken sind erlaubt, aber kein Dauerregen.

Ja, ich muss auch sagen, es steht und fällt dort viel mit dem Wetter. Neben Regen/Schnee und Nebel gibt es in dieser Gegend für Schiffe allerdings noch ein weiteres wetterbedingtes Problem, wie wir noch schmerzlich zu spüren bekommen werden.

Zitat
Wie sieht´s denn eigentlich mit Mücken aus bei den Landgängen?

Kann mich nicht erinnern, dass da Mücken waren. Bei den zig Minusgraden, die dort den ganzen Winter über sind, haben Mücken wenig Chancen, denke ich.

Rattus

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12. Tag, 31.07.2010
Tag auf See


Kurz nachdem wir uns heute Nacht endgültig von Spitzbergen verabschieden, erreichen wir unseren nördlichsten Punkt auf dieser Reise: 79° 34' 27'' N. Von hier aus sind es nur noch 1.159 Kilometer bis zum Nordpol. Übertragt man diesen Breitengrad auf die Südhalbkugel, würden wir uns schon inmitten des antarktischen Festlandes befinden.


Leider hat unser Expeditionsleiter heute sehr schlechte Nachrichten für uns. An der grönländischen Küste entlang schiebt sich ein riesiges Packeisfeld Richtung Süden und zwar direkt uns in den Weg. Die Alexander-von-Humboldt hat leider nur Eisklasse 1C, ist also gerade mal für leichte Eisverhältnisse geeignet und auch das wäre risikoreich. Für das Packeisfeld vor Grönland ist das Schiff definitiv nicht gebaut, dafür bräuchte man schon einen Eisbrecher und selbst für die wäre so ein Eisfeld nicht ganz ohne.

Eigentlich wäre für morgen eine Anlandung auf der Sabine Insel im Nordost-Grönland-Nationalpark geplant, dem größten Nationalpark der Welt. Er hat eine Fläche von 972.000 km² auf denen nur rund 30 Menschen dauerhaft wohnen.

Als unser Expeditionsleiter uns über die Eisverhältnisse aufklärt und den Satz "Die Sabine Insel können Sie vergessen..." ausspricht, ist der Tag für mich gelaufen. Es kommt sogar noch schlimmer, denn auch unser übermorgiges zweites Ziel in Grönland, der Kaiser-Franz-Joseph-Fjord, steht auf der Kippe. Selbst wenn es gut läuft, müssen wir schon jetzt fast bis zu unserem nächsten Ziel, Ittoqqortoormiit, nach Süden fahren, um dann um das Eisfeld herum wieder zig Seemeilen nach Norden bis zum Fjord hoch zu fahren. Auch wenn das gelingen sollte, stellt sich die Frage, ob wir überhaupt in den Fjord einfahren können, denn dieser ist häufig gefüllt mit sehr großen Eisbergen. Wenn von denen einer unglücklich liegt und den Weg versperrt, war ohnehin alles umsonst und wir können direkt wieder umdrehen.

Die Crew lässt sich fast stündlich mit den neusten Eiskarten vom Danish Meteorological Institute versorgen, die die Wanderung und aktuelle Position des Treibeises darstellen. Ein paar der Karten hängen mit einer eingezeichneten möglichen Route der Alexander-von-Humboldt aus. Von der Sabine Insel kann in der Tat keine Rede mehr sein und auch der Kaiser-Franz-Joseph-Fjord ist lediglich mit Fragezeichen eingezeichnet. Die verschiedenen Farben stellen die unterschiedliche Dicke und Dichte des Eises dar.






Meine Laune ist jedenfalls im Keller. Groß zu sehen gibt es draußen heute auch nichts abgesehen von Wasser. Nicht mal Wale lassen sich blicken. Ich bin ohnehin nicht in Fotografier-Laune. Ich trauere der Sabine Insel ungemein nach, obwohl im Katalog natürlich mehrfach darauf hingewiesen wurde, dass alle Anlandungen vorbehaltlich der Wettersituation und der Kapitänsentscheidung sind, aber wirklich damit rechnen, dass ganze Landgänge buchstäblich ins Wasser fallen, tut man dann doch nicht oder will es nicht. Nicht auszudenken, wenn sich das Eis am Ende noch bis Ittoqqortoormiit vorschiebt, dann hätten wir eine Reise nach Grönland gemacht und wären am Ende nie dort angekommen...

Tja, uns wird einmal mehr klar, dass das Nordpolarmeer halt doch eine Spur abenteuerlicher und unberechenbarer ist als man denkt. Damit muss man wohl klar kommen, ansonsten ist man im Mittelmeer vermutlich besser aufgehoben. :(

Beim Schlafengehen nach diesem unerfreulichen Tag hoffe ich, dass wir morgen wenigstens die Nachricht bekommen, dass der Kaiser-Franz-Joseph-Fjord klappt.

Gruß
Rattus

Rattus

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13. Tag, 01.08.2010
Sabine Insel / Grönland
Tag auf See


Insgeheim habe ich ein wenig gehofft, dass sich das Packeis über Nacht spontan aufgelöst hat und wir doch zur Sabine Insel fahren können, aber das ist natürlich nicht der Fall. Wir sind mit voller Fahrt auf dem Weg nach Süden zum Ende des Packeisfeldes, damit wir unseren Zeitplan trotz des großen Umweges noch einhalten können. Den Kaiser-Franz-Joseph-Fjord will der Kapitän wohl auf jeden Fall versuchen anzusteuern, ob wir dann einfahren können und wie weit ist noch offen und wird sich auch erst vor Ort entscheiden.

Viel zu sehen gibt es auf hoher See auch heute nicht, teilweise ist es leicht nebelig, aber die meiste Zeit scheint die Sonne. Das Meer ist spiegelglatt, obwohl ich eigentlich auf der Strecke zwischen Spitzbergen und Grönland mit den höchsten Wellen gerechnet habe. Mir kommt das sehr gelegen, denn ich bin auch nicht ganz unempfindlich gegen Seekrankheit. Wir verbringen viel Zeit an Deck und hin und wieder taucht mal ein Wal auf. Leider lässt sich kein gutes Foto schießen; entweder sind sie zu weit weg oder so nah am Schiff, dass sie nur für einen Sekundenbruchteil zu sehen sind und dann abtauchen.

Am frühen Abend sind wir erneut kurz auf dem Oberdeck als wir völlig unerwartet unseren ersten Eisberg entdecken. Er taucht mystisch aus dem Nebel auf und treibt kaum merkbar an uns vorbei. Wäre der Nebel nur ein klein wenig dichter, hätte ihn gar niemand bemerkt, abgesehen natürlich von den Leuten auf der Brücke, die ihn bestimmt schon lange auf dem Radar im Blick haben. Ich kann das schlecht schätzen, aber 10 Meter wird er bestimmt hoch sein.




Wir sind jetzt kurz vor dem unteren "Zipfel" des Packeisfeldes und tatsächlich kommt auf der Steuerbordseite Eis in Sicht. Der Kapitän hält respektvollen Abstand. Kurze Zeit später drehen wir wieder Richtung Norden ab und fahren um das Eis herum. Falls sich jemand bei der Karte in meinem Anfangsposting über den scheinbar unerklärlichen Knick in der Route mitten auf dem Meer kurz vor Grönland gewundert hat, das ist also die Auflösung; das Packeis war der Grund dafür.


Nach dem Abendessen gehen wir noch mal kurz an Deck und haben wieder Glück mit Walen. Bisher haben wir hauptsächlich Buckelwale gesehen, heute Abend ist auch ein Wal dabei mit einer riesigen Rückenflossen, sodass ich vermute, dass es fast nur ein Orca gewesen sein kann. Bis ich allerdings meine Kamera in Position habe, ist er schon längst weg und ich kriege gerade noch das durch das Abtauchen aufgewirbelte Wasser auf das Bild. Leider taucht er auf der anderen Seite es Schiffs auch nicht wieder auf.


Als wir später dann eigentlich schon bettfertig sind, sehen wir in unserer Kabine auf dem Bildschirm, der aktuelle Bilder von der vorderen Außenkamera überträgt, dass die Sonne gerade wunderschön tief steht - von Sonnenuntergang kann man ja nicht reden, denn schließlich geht die Sonne hier zurzeit nicht unter - und irgendetwas auf uns zu kommt, wahrscheinlich ein Schiff. Wir können nicht widerstehen und gehen um 0:30 Uhr noch mal an Deck. Oben angekommen blicken wir auf eine wunderschön tief stehende Sonne, die den Himmel in kräftigem Orange und Rot leuchten lässt. Das, was wir als Schiff auf dem Bildschirm interpretiert haben, entpuppt sich als Eisberg, der sich direkt vor der tiefstehenden Sonne entlang schiebt. Wie im Bilderbuch...






So stehen wir mitten in der Nacht eine ganze Weile an Deck und warten, bis der Eisberg auf unserer Höhe ist. Jetzt erkennen wir lauter kleine schwarze Punkte auf dem Eis. Offensichtlich hat der Eisberg einige Mitfahrer, denn er ist bevölkert mit lauter Vögeln. Aus der Entfernung lässt sich nicht sagen, was es für welche sind, aber ich tippe mal auf irgendeine Lummenart. Anhand der winzig erscheinenden Vögel lässt sich auch ein klein wenig erahnen, wie hoch der Eisberg ist.


Als der Eisberg vorbei ist, reißen wir uns endlich los und verschwinden in die Koje.

Gruß
Rattus

stephan65

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Klasse Ausblick! Ich hätte es auch zuerst als Schiff gesehen.

SusanW

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Wirklich sehr abenteuerlich diese Schiffsreise   8)

Hätte auch mit mehr Seegang auf der Strecke gerechnet - passt aber vielleicht nicht zu Packeis? Drücke die daumen, dass wir doch noch was von Grönland sehen
Liebe Grüße 
Susan

Angie

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Die Gletscherfotos beeindrucken mich ungemein, hast du das Knistern auf Video, falls du überhaupt eines gemacht hast?

Bitte schön. :wink:

Danke, habe ich soeben geguckt :D

Dein Bedauern, dass ihr nicht nach Plan fahren konntet, kann ich voll und ganz verstehen. Genau wie du schreibst: Man weiß zwar, dass es wetterbedingt zu Änderungen kommen kann, aber man glaubt nicht wirklich daran und wenn es dann doch eintritt, ist man maßlos enttäuscht.

Umso mehr bin ich gespannt, ob es doch noch gelingt, in den Kaiser-Franz-Joseph-Fjord zu fahren.

Die nicht-Sonnenuntergangsfotos :wink: sind dafür traumhaft schön!


LG, Angie

Viele Grüße,
Angie

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