Hoffe, es wird wenigstens wieder alles besser in den darauffolgenden Tagen!
Und wie! Auf den schlechtesten Tag der Reise folgt nun nämlich der beste
Haltet Eure Magneten unter Kontrolle!
Dienstag, den 18. Januar - El Chalten (schon wieder) Um 4.30 Uhr klingelt der Wecker im Hostal „Nothofagus“ in El Chalten. Ein Blick aus dem Fenster zeigt, es regnet. Beim zweiten Anlauf um 6 Uhr ist das Wetter schon viel besser. Gleich gehen wir ins Internet, um die Lage zu checken. Als aktuellste Quelle erweisen sich hierbei Reiseblogs von in Chile Gestrandeten. Oh Mann, wir haben es hier wirklich besser. Die Situation ist aber unverändert, die Verhandlungen laufen noch. Wir erhalten eine Email von Jürgen, der uns gleich noch eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes mitschickt. Er schreibt, dass in Deutschland nicht über den Generalstreik berichtet wird. Naja wir sind ja hier in Sicherheit und genießen die zwei Tage unter Argentiniens Sonne. Heute wollen wir zum Viedma Gletscher. Nach dem etwas kargen Frühstück machen wir uns auf den Weg nach Bahia Tunel. Dort soll um 8:45 Uhr die Tour starten. Es ist so warm geworden, dass wir noch schnell die Winterjacke gegen eine Wetterjacke tauschen.
Die Tour beginnt mit einer 50-minütigen Fahrt über den türkisblauen Lago Viedma zur Abbruchkante des Viedma Gletschers. Im Sonnenschein ist schon diese Fahrt ein Erlebnis. Am Gletscher sind fast keine Eisberge zu sehen und an der Abbruchkante ist am rechten und linken Rand sehr viel klares dunkelblaues Eis zu sehen, welches schon aus der Distanz wahnsinnig gut aussieht. Doch wie es scheint, hat der Kapitän vor die Gletscherkantenfahrt unsere körperliche Aktivität gesetzt, denn wir landen auf den Felsen links neben dem Gletscher. Das Gestein ist rötlich und erinnert uns an den Sandstein im Südwesten der USA. Es ist auch genauso griffig und so macht das Laufen darauf Spaß. Rund 20 Minuten steigen wir immer höher. Noch vor zwanzig Jahren sollen diese Felsen mit Eis bedeckt gewesen sein und heute ist der Gletscher von hier aus nicht einmal zu sehen. Unglaublich. Dafür sieht man im Fels die Spuren des Eises. Lange Rinnen wurden durch das Eis und seine Verschiebungen in den Stein gekerbt.
Dann endlich erreichen wir den Rand des Gletschers. Jeder bekommt Crampons in der passenden Größe und die Guides befestigen sie an unseren Füßen. Am Übergang von Fels zu Eis haben sich unter dem Eis kleine blauschimmernde Höhlen gebildet. Das sieht toll aus. Dann geht es los. Die ersten Schritte mit dem ungewohnten Fußwerk sind die schwierigsten, denn sie sind noch auf Stein. Nach ein paar Metern auf dem Eis erhalten wir eine genaue Einweisung, wie wir zu gehen haben. Breitbeinig, damit sich die Spikes nicht mit den Hosenbeinen verhaken, kurze feste Schritte, Gleichgewichtsverlagerung beim Bergauf- und bergabgehen. Gleich das erste Stück ist recht steil und wir alle müssen erst lernen, zu den Spikes das gleiche Zutrauen zu entwickeln wie für unsere Vibramsohlen auf Sandstein. Nein, wir rutschen nicht, die Spikes halten uns zuverlässig auch bei steileren Abschnitten.
Während die erste Wegstrecke noch auf einer schmutzigen, fast schwarzen Gletscheroberfläche verläuft, wird die Umgebung immer heller. Kleine blaue Spalten sind zu sehen und die Sonne scheint wie verrückt. Nach der Enttäuschung mit Torres del Paine gestern ist nun schon alles halb so schlimm. Wir sind auf einem Gletscher
Die Guides sind sehr aufmerksam und sichern uns an steileren Stücken gut ab. Es gibt viele Fotostopps und meine Kamera läuft heiß. Es ist wunderschön. Rund 90 Minuten verbringen wir hier im Eisskulpturenwunderland und zum Abschluss gibt es einen Baileys auf Gletschereis, bevor wir den Abstieg über Eis und Fels zum Boot beginnen.
Nach einer Lunchpause im Sonnenschein wollen wir uns nun die Abbruchkante vom Wasser her genauer ansehen. Schon während unserer Wanderung hörten wir es mehrfach laut krachen und einmal flogen sogar Eisbrocken in hohem Bogen durch die Luft. Wir sind gespannt. Während die meisten Ausflügler erst einmal unter Deck gehen, um die Fotos der zur Tour gehörenden Fotografin anzusehen, bleiben wir mit einem amerikanischen Pärchen an Deck und erzählen ihnen gerade über die Naturschönheiten ihres Landes
als es plötzlich wieder laut knallt. So schnell können wir gar nicht gucken, wie nun Eisberg für Eisberg von der schönen dunkelblauen rechten Seite des Gletschers mit hohen Wasserfontänen in den See stürzt.
DAS ist nun wirklich beeindruckend und nur wir vier haben es wirklich gesehen. Schon Sekunden später hält das Boot mit gebührender Vorsicht auf dieses Spektakel zu und plötzlich sind auch alle anderen wieder auf dem Oberdeck. Auf dem Wasser schwimmen unzählige riesige dunkelblaue Eisberge. Der Anblick ist überwältigend und langsam kreuzen wir vor dem Gletscher. Immer dichter und dichter geht es, bis plötzlich einer dieser blauen Riesen vor uns ins Schwanken gerät. Er schwankt und schaukelt und plötzlich beginnt er, sich zu drehen. Unser Boot gibt Vollgas im Rückwärtsgang, denn wir sind sehr dicht dran und niemand weiß, wie sich diese Bewegung weiter entwickelt.
Das Boot schaukelt, der Eisberg rollt und wir starren gebannt auf das, was da zum Vorschein kommt. Ein völlig anderes Gebilde aber genauso schön blau wie die nun unter Wasser liegende Seite. Wir schauen uns nur an, strahlen und schütteln mit dem Kopf. Unglaublich, dass wir so etwas erleben durften und das Timing für uns so perfekt war. Irgendwann ist dann Schluss und das Boot macht sich auf den Rückweg. Mittlerweile haben die Wolken zugenommen und im Schatten wird es kühl. Also verbringen wir den Rest der Fahrt mit dem Betrachten der geschossenen Fotos und dem Staunen über das, was wir erlebt haben.
Nachdem sich die Massen etwas verzogen haben machen wir uns auch auf den Rückweg. Die Schotterpiste ist sehr schotterig und wir fahren langsam, um das Auto zu schonen. Bei jeder Bodenwelle macht es „plong“… wahrscheinlich die Stoßdämpfer? Tiere gibt es heute nicht an der Straße, dafür aber wunderschöne Wolken, die uns zu weiteren Fotos verleiten. In El Chalten steuern wir zuerst die Wafeleria an. Wir haben Kaffeedurst und wollen auch eine Waffel mit Calafate Marmelade probieren.
Danach fahren wir wieder zum Telefonladen, immer noch bestens gelaunt. Heute ist es nicht so voll und wir kommen bald dran. Wenige Minuten später verlassen wir strahlend den Laden. Der Generalstreik ist seit heute Morgen zu Ende. Wir können also am 20. Januar aus Argentinien ausreisen. Wie schön! Nun ist die Welt wieder in Ordnung. Leider haben dadurch den chilenischen Nationalpark „Torres del Paine“ nicht besuchen können. Schnell holen wir uns noch ein Stück Brot aus dem Supermarkt, dann geht es zur Lodge, wo wir den Abend im Aufenthaltsraum verbringen, eine Flasche Rotwein trinken und am Reisebericht schreiben.