Donnerstag, der 17. Januar 2013Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden (Mark Twain)Und schon wieder ist um 5 Uhr die Nacht zu Ende. Wir wollen heute Vormittag eine Bootsfahrt auf dem Lago Grey machen und dafür müssen wir bereits um 7 Uhr an der Grey Lodge sein. Bis dorthin fährt man jedoch mindestens 45 Minuten und so machen wir uns um 6 Uhr auf den Weg. Gerade, als wir das Haus verlassen, beginnt draußen die Sonnenaufgangsshow. Sozusagen im Vorbeigehen, ohne Stativ und Vorbereitung, bekommen wir heute das große Leuchten geboten. Um die Bergspitzen gibt es jede Menge Wolken und diese werden von der gerade aufgegangenen Sonne angestrahlt. Toll. Die Zeit für dieses Schauspiel nehmen wir uns und nach wenigen Minuten ist auch schon alles vorbei. Es gab anscheinend nur eine kleine Wolkenlücke am Horizont, denn jetzt ist alles wieder grau. Hoffentlich haben wir uns mit unserer Tagesplanung nicht verkalkuliert, denn ohne Sonne ist der Gletscher bestimmt nur halb so schön.
Pünktlich kommen wir am Lago Grey an, bezahlen unsere Tour und warten darauf, dass es los geht. Mit uns warten noch ein paar andere Leute, u.a. eine allein reisende junge Frau aus Deutschland, die schon ein paar Wochen in Chile unterwegs ist. Mit einem Shuttle werden wir zum Parkplatz gebracht und nun müssen wir erst einmal wandern. Über eine wackelige Hängebrücke, die nur sechs Personen gleichzeitig trägt, über einen Hügel voll mit grünen Bäumen, der uns erst einmal bewusst macht, was das Feuer weiter nördlich angerichtet hat und über einen langen Kiesstrand. Dann kommen wir zu einem Bootsanleger, wo schon mehrere Menschen warten, die alle Schwimmwesten tragen. Unser Boot liegt nicht am Steg, sondern weiter draußen und die Passagiere werden wohl mit Zodiacs an Bord gebracht. Na dass ist ja lustig, eine schöne Einstimmung auf die Antarktis. Nachdem es auch Sandra geschafft hat, die Schwimmweste richtig herum anzuziehen, steigen wir alle in das schwankende Boot. Bei der Fahrt zum Schiff wird uns klar, warum man bei den Zodiac Fahrten wasserfeste Kleidung tragen soll. Das Spritzwasser macht nämlich nass…
Währenddessen hat die junge Frau aus Deutschland einen unserer Mitreisenden als Dirk Steffens aus dem Fernsehen identifiziert. Wir kennen ihn nicht. Erst als er am Gletscher mit einer kompletten Filmcrew, drei Kajaks und zwei Tonnen Kamera-Ausrüstung an Land gebracht wird, schauen wir mal etwas genauer hin. Mit den Kajaks durch die Eisberge im Sonnenschein zu fahren, würde auch uns gefallen. Aber noch scheint die Sonne nicht und die Fahrt bis hierher war recht ereignislos. Draußen war es zu nass durch das Spritzwasser und die einzelnen Eisberge, an denen wir vorbei fahren, sind zu weit weg. Aber nun nähern wir uns dem Gletscher und auf der Eisfläche sind bereits vereinzelte Sonnenlichter zu sehen. Alle sind gespannt und als wir still an der ersten Abbruchkante des Gletschers vorbei gleiten, tut uns die Sonne den Gefallen und beleuchtet die Szene für uns. So geht es nun weiter. Zwischendurch wird uns ein Pisco Sour oder Whiskey auf Gletschereis serviert und vor der zweiten Gletscherfront machen wir halt vor einem riesigen Eisberg.
Spätestens hier sind alle fasziniert von den Farben und Formen des Eises. Insgesamt drei Gletscherfronten sehen wir uns aus der Nähe an und immer wieder kommt zwischendurch die Sonne hervor, die das Eis zum Leuchten bringt. Auch die Rückfahrt erfolgt nun im Sonnenschein und über dem See hat sich eine ganze Armada von Linsenwolken gebildet. Wie große Raumschiffe hängen sie riesig groß am Himmel über dem türkisfarbenen See.
Das Übersetzen mit dem kleinen Boot zurück zum Ufer geht dann schon besser und als wir zurück an der Lodge sind, findet Sandra sogar noch einen Schwarm grüner Papageien, die hier wohl zu Hause sind. Sie sind nicht sehr scheu und so können wir sie eine Weile beobachten. Kaum zu glauben, dass diese lustigen Gesellen so weit südlich wohnen.
Nach einem Imbiss im Auto fahren wir langsam wieder in Richtung Hotel. Dieses hier ist wohl die zweitschlechteste Straße des ganzen Parks und so quälen wir uns von Schlagloch zu Schlagloch. Unser armes Auto. Es wäre kein Wunder, wenn es vor Altersschwäche und Überanstrengung zusammenbrechen würde, doch bisher schlägt sich Don Pedro sehr gut. Kein Quietschen, Knarren oder Stöhnen. Regelmäßig bekommt er von uns ein paar Liter Diesel spendiert, damit die Kanister auf der Ladefläche endlich alle werden. Mittlerweile wissen wir, dass ein Kanister durchaus gereicht hätte aber zumindest hatten wir so überhaupt keine Tanksorgen.
Als wir gegen 14 Uhr zurück am Hotel sind, brauchen wir beide einen Mittagschlaf. Irgendwann reichen fünf Stunden Schlaf pro Nacht nicht mehr aus. Das Aufstehen um 16 Uhr fällt schwer, doch draußen scheint immer noch die Sonne und so schön der Ausblick aus dem Zimmer auch ist, wollen wir doch nicht den ganzen Nachmittag drinnen verbringen. Also was tun? Angesehen haben wir alles, so geht Sandra mit einer Flasche Wein ins Restaurant und bittet darum, sie zu öffnen. Mit zwei Gläsern setzen wir uns auf die Brücke, tanken Sonne, schauen auf den See und die Berge, trinken ein Schlückchen Wein und genießen diesen schönen Tag.
Gegen 19 Uhr macht sich Sandra noch einmal auf zum Aussichtspunkt an der Straße, während Sigrid früh ins Bett geht, um ihre wieder aufkeimende Erkältung auszukurieren. Der Sonnenuntergang kann leider mit dem Aufgang von heute Morgen überhaupt nicht konkurrieren und so herrscht um 22.30 Uhr Ruhe im Zimmer 37.