DI, 21.5. Wind um die Nase...Zum Frühstück ließ ich mir zur Vorsicht Ei mit Lachs statt eines Omeletts servieren. Sehr lecker! Noch ein bisschen Toast. Warum heute nicht mal mit Nutella? Merkwürdig klein die Nutellapäckchen. Ach, upps, ist doch kein Nutella. Komisch, ich wusste gar nicht, dass es Rübenkraut in England gibt. Aber gerne, auch das hatte ich schon ewig nicht gegessen... Begeistert biss ich in den Toast und konnte mich gerade noch beherrschen, den Bissen nicht in hohem Bogen über den schön gedeckten Tisch zu spucken. Was war das denn? Maggi? Aß ich etwa gerade einen Toast mit Maggi??? Buääääääähhh, brrrrrr spotz spei! "Oh, you tried the mermite." Diskret ließ die Wirtin das corpus delicti verschwinden. Immerhin hatte ich es insofern richtig gemacht, als das Zeug wohl tatsächlich auf Brot und nicht über's Rührei gehörte, aber DAS passiert mir definitiv NIE WIEDER!
In einer großzügigen Schleife über den Norden Cornwalls geht es heute ins eigentlich gar nicht so weit entfernte Falmouth. Eigentlich hätte ich an der Nordküste zwei Nächte noch bleiben wollen, aber zum einen ist alles relativ nah beieinander, zum anderen mahnten alle möglichen Reiseführer und Internetseiten, dass es dort in St. Ives, das ich eigentlich ins Auge gefasst hatte, völlig überlaufen sein soll. Und sowieso sei die Südküste lieblicher und milder...
So fuhr ich also in Richtung Padstow. Hier war es tatsächlich nicht ganz so idyllisch wie in den in Buchten gekuschelten Fischerdörfern an der Südküste, dafür war die Küste rauer, windiger, wilder. Vor Padstow lagen bei Ebbe große Sandbänke trocken und luden zum Spaziergang ein. Warum bin ich nicht hier geblieben? Zumal auch Shopping in einem günstigen Schuhgeschäft, bei Fat Face, Weird Fish, White Stuff und Seasalt Spaß macht, nicht zuletzt hat auch irgendein britischer Starkoch hier sein Restaurant, über das ich allerdings nicht gestolpert bin.
Durch die Einkäufe in kleinen Dosen hier und da ergab sich übrigens spätestens heute ein gewohnter Anblick des Kofferraums bei "Birgit unterwegs"
Ich weiß nicht, irgendwie klemmt es ein bisschen bei mir bei der Urlaubsplanung. Muss wohl irgendeine naive Vorstellung vom idealen Meer sein: Das muss ruhig und glatt und kristallklar sein. Erst wenn ich an einem wilden Meer stehe und es mir die Haare ins Gesicht weht, dann merke ich, dass ich klares ruhiges Meer langweilig finde, dass es zwar gut aussieht, aber nicht spürbar ist, dass ich eigentlich das andere Meer will, das nicht gefällig und verhalten plätschert, sondern sich ranschmeißt und daran erinnert, dass man Respekt vor dem Wasser haben sollte. Erinnert mich bitte daran, wenn ich wieder mal bei eine Urlaubsplanung der Meinung bin, dass die Küste A im Vergleich zu Küste B doch sicher schöner ist, weil ruhig und glasklar.
So konnte ich mich von den Bedruthan Steps zwischen Padstow und Newquay kaum losreißen. Der Wind wehte einen fast von der Klippe, an der wieder mal kein Schild stand, dass man doch runterstürzen könnte, die Wellen klatschten an Land und übertönten fast den Wind. Bunte Blumen an den Mauern und Hecken versüßten das Raue durch Farbkleckse.
Ich lief fast 1,5 Stunden hier herum, in jede Richtung ein Stück, und zu guter Letzt zeigten die Bedruthan Steps sich auch noch im bisher ersten sichtbaren Sonnenstrahl.
Newquay hingegen finde ich hässlich. Zwar ist es wohl das lokale Surfermekka, aber ansonsten ein wenig malerischer und eher billig wirkender Ort. Spielhallen und alles, was mit Surfen zu tun hat, dominierten das Stadtbild in der Innenstadt.
Aber merkwürdige britische Spiele spielte man hier - ist das Bowling?
Lustig hier: Möwen gehen hier auf Essensjagd, indem sie unschuldigen deutschen Touristinnen das Pasty aus der Hand zu reißen versuchen. War ganz schön erschrocken über den Angriff eines weißen Etwas von rechts oben hinten... naughty!
Nun ging es in einem Rutsch durch nach Falmouth, eine etwas größere Stadt. Hier waren Anflüge von Bäderarchitektur zu erkennen und eine Bilderbuchburg ist zu besichtigen. Hier möcht ich Burgfräulein sein - obwohl: Zugig ist es hier schon sehr!
Zunächst checkte ich aber im in der Nähe des Meeres gelegenen "The Lerryn" ein, wieder nett, sauber, fürsorglich, persönlich geführt, ein kleines aber feines und frisch renoviertes Zimmer war meins für die kommenden zwei Nächte.
Gefällt mir Falmouth? Ich weiß nicht genau. Cornwall ist keine Gegend aus einem Zeichentrickfilm, in der rosa Ponys singen und von lila und hellblauen Schmetterlingen geneckt werden, sondern eine Ecke von England, in der es gute und schlechte Phasen gibt und gab. Zumindest die Innenstadt hier gibt Anzeichen dafür, dass es derzeit hier nicht so gut läuft. Irgendwie hat vieles geschlossen, Obdachlose sind unterwegs, zum ersten Mal habe ich den Eindruck, dass man in England doch verhungern kann, wenn man kein Fastfood und keine Fish and Chips will oder wenn man keinen Job hat um selbiges zu zahlen.
Dass die Pubs auffordern sein Essen mitzubringen, finde ich irgendwie witzig, aber ich würde mich jetzt lieber in einen setzen und etwas Gutes bestellen als meine restlichen Kekse auszupacken. Aber ist nicht im Grunde das wahre Cornwall das, das sich nicht schminkt und zurecht macht für die begeistert aufjuchzenden Touris um dann vom Herbst bis Ostern im Winterschlaf zu versinken?
Nun ja, so habe ich nun eine echte Stadt kennengelernt, die ist authentisch und nicht für die Touris rausgeputzt. Nur wundert mich irgendwie, dass der Reiseführer diese als kosmopolitische und quicklebendige junge und aufgeschlossene Studentenstadt bezeichnete. Aber wer weiß, vielleicht war ich zur falschen Zeit oder am falschen Ort unterwegs.
Ich entscheide mich spontan für das Falsche und esse schlecht (unverkennbar ein Fertiggericht mit der gleichen Knorr-Saucenmischung, die ich zu Hause auch manchmal verwende), immerhin günstig inklusive schlechter Vorsuppe und zwei Kugeln Vanilleeis zum Nachtisch als Early Bird Special beim Chinesen aus Mangel an Alternativen. Den üblichen Inder gibt es zwar, aber der scheint verwaist, obwohl mich ein paar indische Augen aus dem Hinterhof durch Zigarettenqualm hindurch anstarren, als ich die Speisekarte studiere. Offenbar der Koch des Etablissements. Nein danke!
Ich finde meinen Frieden mit Falmouth, als ich beim Verlassen der Lokalität erstaunt bemerkte, dass die den ganzen Tag dichte Bewölkung sich gelockert hat. Plötzlich ist das Meer blau, der Himmel auch, die Stimmung ist entspannt, die Häuser und die Menschen strahlen, es ist plötzlich nicht mehr 10 Grad kalt, sondern gefühlte 18 Grad warm.
Ich entschließe mich noch ein Stück den Coastpath zu gehen, schließlich ist es erst kurz nach 19 Uhr und es ist noch deutlich länger als 2 Stunden hell. Ich laufe los, immer der Nase nach, stoppe am Stadtstrand von Falmouth, laufe wieder mal an einem Golfplatz vorbei, habe die ganze Zeit atemberaubenden Blick nach links und komme nach einer Stunde in Maenporth an, gucke ein bisschen aufs Wasser, drehe um und bin gegen 21 Uhr wieder am Hotel.
Hier sitze ich nun in der Lounge des Hotels, freue mich über das Vertrauen der Engländer in ihre Mitmenschen, denn auch hier gibt es eine Bar des Vertrauens in der "Lounge", in der ein lesbisches schwäbisches Pärchen die nächsten Reisetage plant. Mein Gruß wird nicht erwidert, also teile ich auch nicht mit, dass der Plan nach Plymouth weiter zu fahren, kein guter Plan ist. Überhaupt ist die eine der beiden nicht sympathisch, sie lässt sich bedienen und hat immer Recht, ist aber irgendwie wohl der kreative Part in der Beziehung und lässt sich für die Bastelarbeiten aus ausgeschnittenen Postkartenmotiven für das Reisetagebuch hemmungslos bewundern vom patenten Part der Beziehung, der inzwischen den nächsten Tag plant und offenbar auch Chauffeurin ist.
Morgen habe ich viel vor, Urlaubszeit fehlt mir wohl an allen Ecken und Enden, da heißt es früh aufzustehen. Bin gespannt, ob ich es schaffe und muss auch noch nachsehen, ab wann es denn hier Frühstück gibt. Einen Zettel im Zimmer gab es diesmal jedenfalls nicht.
In England regnet es immer? Auch wenn ich nach der Wolkendichte heute damit gerechnet hatte, dass jederzeit ein Guss den Tag und die Frisur versauen würde, geregnet hat es wieder mal keinen Tropfen.