DO, 23.5. Der Wind pfeiftHier sitze ich beim Frühstück. Um mich herum schallt es auf Deutsch. Eine kleine geführte Wandergruppe vom Alpenverein mit herzhafter Reiseleiterin ist hier auch einquartiert und erfährt gerade, wie der Wetterbericht für heute ist und wohin es heute geht. Nun ja, verlaufen kann man sich nicht unbedingt auf dem Coastpath, aber vielleicht hilft eine Reiseleitung die schönsten Stellen zu finden, man muss nicht selbst auf der falschen Seite fahren und vor allem, man kann one way wandern, schafft sozusagen die doppelte Strecke ohne einen Weg zwei Mal gehen zu müssen und wird am Ziel wieder abgeholt vom Bus. Wenn man ein Gruppentyp ist, vielleicht keine schlechte Lösung.
Ach ja, das Autofahren - nur einmal habe ich bisher vor der falschen Tür gestanden, der Blick in den Rückspiegel führte ab dem zweiten Tag nicht mehr zu Panik, wo der wohl geblieben ist, wenn ich nach rechts oben schaute und auf dem linken Fahrbahnrand bin ich schon lange nicht mehr gelandet. Selbst die Kreisverkehre können mir nichts mehr anhaben, selbst wenn es mal, was gar nicht so selten ist, zwei ineinander übergehende Kreisverkehre sind.
Nur den
"magic Roundabout" in Swindon werde ich meiden wie der Teufel das Weihwasser. Um Himmels Willen, ich hasse doch Achterbahnen - und hier müsste man auch noch selbst steuern in der Achterbahn!
Nur vor ein paar Tagen schon war ich irgendwann müde und war dann beim Durchfahren durch einen etwas größeren Ort der Meinung, dass nun doch mal Schluss sein müsste mit dem Unfug, ab sofort könnten wir doch alle bitte wieder auf der richtigen Seite fahren.
Und nun geht es los, auf uns wartet ein weiterer lovely Day. Aber bisschen fix, wir haben viel vor, vor allem eine etwas lange und nervige Fahrstrecke vor uns.
Zuerst geht es nach Tintagel, der Burg des Artus. Man hat den Eindruck, dass alles, das rund um die Alpen lebt, sich ausgedacht hat, heute herzukommen. Also verlege ich mich zur Abwechslung auf "darf ich mal vorbei?" statt auf "sorry". Der Wind weht mich fast weg und das Wetter scheint mein Anliegen, dass es an der See bitte windig und rau zu sein hat, sehr ernst zu nehmen und setzte es mit Bravour um.
Mutprobe: Stell dich direkt an die Klippe, lehne dich gegen den Wind und versuche den richtigen Moment zu erwischen, in dem du nicht umkippen darfst, wenn der Wind für eine Sekunde nachlässt. Sensationell: Ich ließ mich durchpusten und verließ Tintagel frisch gelüftet, jedoch nicht ohne noch das alte Post Office, ein verwunschen wirkendes Haus, und noch einiges weitere in Tintagel zu fotografieren.
Sollte ich mir Clovelly antun? Das nächste Bilderbuchfischerdorf? Na klar, schließlich würde es ja wohl das Letzte sein auf dieser Reise und außerdem kam ich ohnehin direkt vorbei. Hier zahlt man einen recht happigen Eintritt für das Betreten des Dorfes. Nun gut, das gibt es in den USA auch, und immerhin musste man hier nicht auch noch eine Fotografierlizenz wie in Taos Pueblo erwerben.
In diesem Ort durfte ich jede Menge Katzen kennenlernen, das Dorf ist autofrei, das Fahren wäre hier auch gar nicht möglich. So bewegen die Einwohner alles mit einer Art Schlitten durch den Ort. Das hier allerdings ist wohl eher ein Oldtimer.
Hier hatte ich in einem eher spießig wirkenden Café auch meinen ersten Cream Tea - also, ehrlich gesagt, profan gesprochen ist es nur Tee und ein Brötchen mit Erdbeermarmelade, allerdings ein besonders süßes Brötchen, eher wie Kuchen und die dazu gehörige Cream ist ein Zwischending aus Butter und Sahne.
Was nun? Nach Porlock im Exmoor, bereits in Somerset, wo ich eine Zwischenübernachtung gebucht hatte, waren es noch 1,5 Stunden Fahrt. Ich beschloss, die Straßen zu nehmen, die auf der Karte als landschaftlich reizvoll ausgezeichnet waren. Es ging quer durch das Exmoor, fast wähnte man sich irgendwo in Wyoming, wenn nur die wieder mal deutlich zu engen und teilweise sehr steilen Straßen (bis zu 25% Steigung, das hätte ich eigentlich lieber beim Gehalt) nicht wären!
Und übrigens, auch die Baustellenbetreuung ähnlich wie in den USA, allerdings mit "Stop an Go" statt "Stop and Slow".
Kurz vor Porlock noch ein Stopp am "Valley of Rocks". USA-Fans schlägt das Herz höher, sie denken an Wüste und bizarre rote Gesteinsformationen in atemberaubend weiter Wüste. Bizarre Gesteinsformationen gab es, aber diese an atemberaubender grüner Steilküste. In meinem Kopf spielten sich Phantasien ab, die aus einem Gruselfilm entsprungen sein könnten mit einem smarten Menschen, der die junge Unschuld vom Lande hierher lockt und dann sein wahres Gesicht zeigt und diese von den wirklich senkrecht abfallenden Klippen stößt, AAAAAAAARRRGGHHHH!
Und hier, sozusagen zwischen Himmel und Erde und dem weiten Blick, konnte ich sehen, wie sich eine Regenwolke näherte: Der graue Schleier über dem Meer kündigte den Niederschlag an, innerhalb eines etwa 60 bis 90 Sekunden dauernden Regen- und Hagelschauers wurde ich nass, nach wenigen Minuten sah ich in der Ferne ansatzweise einen Regenbogen und wenige Minuten später sah ich den Weg wieder in strahlendem Sonnenschein vor mir liegen.
Meine hier gewählte Unterkunft in Porlock mitten im Exmoor und nur ein paar Meter von der Küste entfernt, erwies sich als Volltreffer. "The Gables" ist ein allerliebstes reitgedecktes Haus, das, was man sich unter englischer Moorkate so vorstellen mag, mit Blümchen und Holz und Landhausstil. Der hier zur Begrüßung angebotene Kaffee kam in einer geblümten Tasse mit einigen sehr sorgfältig ausgewählten leckeren Keksen dazu.
Das hier empfohlene Public House "Top Ship" bot mir gerade sehr lecker gebratenes Lamm, junge Kartoffeln, einen leckeren Salat und dazu Zaziki und ohne Ende leckeres Exmoor Ale. Und ich bestellte auch noch Nachtisch und bekam frisch schmeckenden Apple and Berry Crumble mit Vanillesauce.
Noch ist es draußen hell, also gibt es noch einen Spaziergang durch den Ort ans Wasser und zurück. Durch Marschenland wate ich halbwegs bis zum Kiesstrand und genieße ein paar Minuten die Abendstimmung, wieder mal pustet es mich halbwegs weg.
In England regnet es immer? Heute hielt das Wetter bei 8 bis 10 Grad alles für mich parat, auch Regen: Dieser dauerte insgesamt etwa 5 Minuten und war verteilt auf vier Schauer, von denen ich einen im Auto und einen im Hotel erlebte.