7. April, Teil 2: Kyoto (Gion)Nach der kurzen Mittagspause starte ich Richtung Gion. Heute nachmittag will ich die Miyako Odori besuchen. Das Ticket habe ich schon im November gebucht, und schon damals war die Vorstellung, die ich eigentlich besuchen wollte, ausverkauft. Zumindest was die Ticketkategorie betrifft, die ich mir heute gönnen will, nämlich das Special Class Ticket. Zuerst darf ich damit eine Teezeremonie besuchen, bei der eine Geisha, oder eine Geiko, wie sie hier in Kyoto heißen, unter Mithilfe einer Maiko Tee zubereitet. Dann besuche ich die traditionellen Frühlingstänze der Geikos und Maikos, die inzwischen seit über 140 Jahren im April im Kobu-Kaburenjo-Theater stattfinden.
Ich fahre ein Stück mit dem Bus, dann schlendere ich durch Gion, die Hanami-koji-Straße entlang und schaue in die kleinen Seitenstraßen, durch die sich im Gegensatz zur Hauptroute keine Autos schieben. Ab und zu sehe ich Plakate, die für die Frühlingstänze werben.
Am Theater angekommen, zeige ich meine Reservierung vor und kaufe mein Ticket. Zur Teezeremonie wird man ab zwanzig vor vier eingelassen, und natürlich warten hier eine Viertelstunde vorher schon ein paar Leute.
Ich beziehe auch Stellung, denn Naomis Mutter hatte mir vor ein paar Tagen erzählt, bei der Teezeremonie müsse man man schnell sein, um vorne sitzen zu können. Dank ihres Ratschlags schaffe ich es dann auch, in einem Raum von der Größe einer kleinen Turnhalle bei der Teezeremonie einen Platz in der ersten Reihe direkt vor der assistierenden Maiko und dicht bei der Geiko zu ergattern. So ein Glück! Schon der erste Auftritt der beiden kunstvoll zurechtgemachten Damen mit höflicher Verbeugung lässt ein Raunen durch die Wartenden gehen und ich könnte vor Aufregung auf meinem Hocker herumhüpfen.
Dann setzt sich die Geiko an den Tisch und bereitet den Tee zu. Alles folgt einer ausgeklügelten Choreographie, vom Aufnehmen und Falten des Tuchs bis zum Verrühren des Teepulvers und Aufgießen mit dem dampfenden Wasser. Ein einzelner Besucher bekommt seinen Tee, der von der Geiko zubereitet wurde, von der Maiko serviert, die anderen – wie auch ich – bekommen den Tee von den anderen Mitarbeitern. Dazu gibt eine Süßigkeit, und den kleinen Teller kann man als Souvenir behalten. Obwohl weit mehr Leute im Raum sind, als ich es mir vorher vorgestellt hatte, kommt es mir durch den Platz direkt am Teetisch viel intimer vor. Und dass man während der Zeremonie Fotos machen darf, ist das Sahnehäubchen. Ein schönes Erlebnis, und die eigentlichen Tänze kommen ja erst.
Nach einer halbstündigen Wartezeit wird man dann ins Theater gelassen, und um zehn vor fünf beginnt die einstündige Vorstellung. Fotografieren ist hier nicht erlaubt, aber zumindest beim Schlussakt kann ich nicht widerstehen und schieße ein heimliches Foto. Die Vorstellung ist traumhaft schön, auch wenn die Musik gewöhnungsbedürftig ist. Ich sitze in der Reihe 13, und etwa bis zur Reihe 12 sitzen die Maikos und Geikos rechts und links aufgereiht, spielen Instrumente und singen, während die übrigen Darstellerinnen vorne auf der Bühne und manchmal auch seitlich in unmittelbarer Nähe meines Platzes ihre Tanzdarbietungen bringen. Fast habe ich dadurch das Gefühl, Teil einer großen Bühne zu sein. Verschiedenen Szenen, vom Gruppenfächertanz bis zur Einzeldarbietung vor wechselnden Kulissen, ergeben ein wunderbares Gesamtprogramm. Normalerweise bekommt man die Geikos und Maikos nur mit viel Glück zu Gesicht, und hier singen und spielen mindestens zwanzig von ihnen. Ich bin eine von nur wenigen westlichen Besuchern, aber ich bin genauso gefangengenommen wie die Japaner.
Nach dem Besuch im Theater spaziere ich zunächst zum Yasaka-Schrein und zum Maruyama-Park. Hier herrscht ein fröhliches Treiben zwischen Essens- und Souvenirständen, Schreingebäuden und Kirschbäumen. Natürlich ist auch der zentrale Kirschbaum im Maruyama-Park beleuchtet.
Ich gehe zurück durch das Tor des Yasaka-Schreins zurück zur Shijo-Straße.
Von hier aus schlendere ich noch einmal durch Gion.
An einem Haus steht ein Taxi, viele Menschen warten mit gezückten Kameras. Wer da wohl kommen mag? Irgendein Schauspieler? Oder gar die Teenage Mutant Ninja Turtles? Ich stelle mich mal dazu und warte, und der Auflauf hier wird immer größer. Die anderen Autos kommen nicht mehr durch, da erscheint eine Frau in der Tür und ruft auf japanisch und englisch sinngemäß, die Maiko-San sei nicht da, man solle gehen. Aha, das ist wohl eine Okiya, und hier wohnt eine Maiko.
Natürlich war die Behauptung, die Maiko-San sei nicht da, eine Finte, denn als ich auf dem Rückweg wieder hier vorbeikomme, trippelt die Maiko gerade vorne ans Tor, holt etwas und huscht wieder zurück. Das reicht, um eine erneute Menschentraube zu bilden, und als das Taxi erneut vorfährt, legen sich die Leute buchstäblich auf das Auto. Ich erinnere mich daran, dass auf der Japan-Guide-Seite stand, es hätte in letzter Zeit Beschwerde über Touristen gegeben, die wie Paparazzi den Maikos und Geikos auflauerten, und jetzt weiß ich, was gemeint ist.
Schnell weg von hier, zum Shirakawa-Kanal. Eine schmale Straße führt hier an einem Bach entlang, überall sind die Bäume beleuchtet, und über den Kanal hinweg kann man die Leute in kleinen Restaurants sitzen sehen.
Eigentlich wollte ich danach noch zur Pontocho-Straße, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es dort noch schöner sein soll. Also gehe ich an Geschäften vorbei zurück zum Hotel.
Heute war der letzte Abend in Kyoto, morgen nachmittag will ich nach Osaka fahren. Es war heute ein wunderschöner Tag mit vielem, was ich mir vor dem Urlaub als typisch japanisch vorgestellt hatte: schöne Tempel und Paläste, zauberhafte Kirschblüten, anmutige Maikos und Geishas. Kyoto hat mir sehr gut gefallen, und bei dem Gedanken, dass ich morgen abend schon woanders sein werde, verdrücke ich eine kleine Träne im Knopfloch. Aber den Tag werde ich ja noch in der Stadt verbringen.
Ausgaben des Tages:Bus- und U-Bahnfahrten: Y 1180
Snacks und Getränke Y 1200
Kinkakuji Y 400
Ryoanji Y 500
Ninnaji Palast Y 500 und Garten Y 500
Miyako Odori Special Class Ticket Y 4500
1 ÜN im Hotel Toyoko-Inn Shijo-Karasuma Y 8230
Bei einer Geiko-Teezeremonie in der ersten Reihe zu sitzen: unbezahlbar