20.05.2016 Reno und der Fluch der Donner PartyIch wache auf, als mein Mann gerade zur Tür herein kommt. „Es schneit.“ Für die Verarbeitung von Informationen ist es noch zu früh, aber Gerüche gehen. Mmh, der Schatz hat schon Kaffee gekocht. Mit Kaffee und Kippe steuere ich unseren Picknick-Tisch von gestern Abend an. Ganz schön eisig-kalt. Huch, es schneit!
Gestern saßen wir hier bei angenehmen Temperaturen und Mückenspray bis in die Dunkelheit und jetzt schneit’s!
Mal lieber ab in eine heiße Badewanne. Dank super funktionierendem WLAN checke ich mal die Wetterbedingungen in den süßen Goldgräberstädtchen am Hwy 49, die wir heute besuchen wollen. Ein Dorffest ist auch geplant. Überall Mist. Kalt, Schnee oder Regen. Bah. Mein Mann steckt den Kopf ins Badezimmer. Wie wichtige mir dieser Hwy 49-Trip ist… Aha. Zwei Doofe, ein Gedanke. Was ich davon halte, nach Reno zu fahren. Ist anderthalb Stunden von hier. Check.
Wir fahren über den Donner Pass nach Truckee am nödlichen Lake Tahoe. Von dort wird es über die Interstate nach Reno gehen. Unterwegs lese ich meinem Mann die Geschichte der Donner Party vor. Der Geschichte wird im Lonely Planet Reiseführer eine ganze Seite gewidmet und sie hat hat mich schon daheim berührt. Da haben sich Siedler aus dem Osten mit ihren Tieren und Planwagen auf der Suche nach Glück und Wohlstand im Wilden Westen aufgemacht. Unterwegs haben sie gehört, dass sie ein paar Wochen Reisezeit sparen können, wenn sie diese Route hier nehmen. Als sie in Truckee ankamen, waren sie schon ganz schön groggy und beschlossen, eine Weile Rast zu machen. Dabei wurden sie von einem Wintereinbruch überrascht und eingeschneit. Als nach einigen Wochen die Vorräte zur Neige gingen, haben sie ein paar mutige Männer als Vorhut über den Donner Pass geschickt, um Hilfe zu holen. Von den Männern kam nach Wochen nur einer in Sacramento an. Ein Hilfstrupp hat es erst im beginnenden Frühling über den Donner Pass geschafft. Alle Menschen und Tiere waren tot (oder halt weg) und die wenigen Überlebenden sind zu Kannibalen geworden.
So war das.
Und während ich vorlese, fahren wir immer höher in den Wald rein, der Schnee behindert die Sicht, die Straße ist kurvig und wir kommen an zwei Unfällen und Räumfahrzeugen vorbei. Sehr schaurig.
Ich kleiner Schisser verkünde, dass wir in Reno mittels Casino-WLAN die Road Conditions checken müssen, weil ich – sofern das Wetter so bleibt – hier auf gar keinen Fall im Dunkeln entlangfahren möchte.
Bis Reno haben wir über zwei Stunden gebraucht. Hier schneit es nur noch ein ganz kleines bißchen, ist aber windig und kalt. Ab ins Circus Circus. Hier gibt es erstmal einen frühen Lunch, dann wird gezockt. Dann wird im Silver Legacy gezockt. Dafür muss man nicht mal vor die Tür.
Machen wir dann aber trotzdem (vor die Tür, meine ich), schließlich wollen wir was von Reno sehen. Die komplette Hauptstraße ist gesperrt, weil hier heute Oldtimer ausgestellt sind. Schöne Autos. Uns ist es aber ehrlich gesagt zu kalt und zu nass und nach einer kurzen Runde verkrümeln wir uns Richtung Parkhaus. Die armen Aussteller, haben sich sicher auch besseres Wetter gewünscht. Wir wollen zum Atlantis Casino, ein paar Kilometer von der Innenstadt entfernt. Das soll ein schönes Resort sein. Ist es auch, hier gefällt es uns sehr gut. Reno an sich ist jetzt nicht so hübsch. Kein Vergleich mit Las Vegas. Alles kleiner und älter, ein bißchen altmodischen Charme hat die Stadt aber.
Als nächstes würden wir uns gerne das Harrah’s anschauen, aber ich beharre darauf, die Straßenverhältnisse zu googlen. Wegen dem Wetter und der Dunkelheit am Donner Pass. Nach kurzer Suche die Ernüchterung. Die I80 ist von Nevada City kommend komplett gesperrt und für unsere Fahrbahn freigegeben für Allwetterreifen und AWD. Haben wir beides, aber ich (jaaa, kleiner Schisser) suche auch eine Alternativ-Route. Die kommt aber nicht in Frage. Da würden wir den kompletten Lake Tahoe umrunden müssen. 300km, über 4 Std. Fahrtzeit.
Neeee! Schnell los.
Auf der I80 kommen uns dick zugeschneite Trucks entgegen und ehrlich gesagt fahren auch wir in ein ziemliches Schneegestöber. Nach knapp einer Stunde die nächste Ernüchterung (oder ein bißchen sogar auch Erleichterung?
): Straßensperre. Unsere Fahrtrichtung ist jetzt auch dicht. Der freundliche Cop (Scheiß-Job, der Arme), erklärt uns leider, dass die von mir rausgesuchte Route über South Lake Tahoe und Placerville unsere einzige Möglichkeit ist, auf die andere Seite dieses verfluchten Donner-Pass zu kommen. Wir ergeben uns unserem Schicksal und machen uns dann mal abends um kurz vor 6 auf den 4stündigen Ritt.
Gegen 19 Uhr halten wir in Stateline. Ich hatte ja jetzt eine Stunde Zeit, nach was positivem zu suchen und hab’s gefunden. Ich habe ja noch meinen 10$-Gutschein bei den Total Rewards Casinos. Den konnte ich in Las Vegas nicht einlösen, weil ich meinen Pass nicht dabei hatte und wir sind hier schließlich in Nevada. In Nevada gibt’s Casinos und eins von den Total Rewards in Stateline. Das Buffet hat geschlossen, aber im Café werden meine Punkte auch akzeptiert und schmeckt auch richtig lecker. Auf zocken haben wir nun wirklich keinen Bock und düsen weiter. Mittlerweile ist es natürlich dunkel und wir sehen von der Landschaft nichts mehr. Auf dem Hwy 49 (das wäre unsere eigentliche Tagesaktivität gewesen) wird’s teilweise ungemütlich. Es schneit und die Straße ist hügelig und kurvig und nicht beleuchtet.
Gegen Mitternacht sind wir in unserem Zimmerchen. Der Tag war an dem Tag für den Popo. Im Nachgang finde ich, wir haben was erlebt. Und - um mal den Bogen zur Donner Party zu schlagen – ich finde es bemerkenswert, wie schnell das Wetter umschlagen kann und bin froh, dass wir sowas wie beheizte Autos besitzen.