Tag 19: Mittwoch, 26.10.05Das erste Highlight am Morgen ist die Tatsache, dass wir ohne aus dem Bett aufzustehen die Gardine aufmachen und das Meer sehen können. Wundervoll! Aber bei diesem Anblick hält es einen natürlich nicht lange im Bett, da will man raus. Wir stehen also auf, essen ein paar Muffins zum Frühstück und machen uns dann auf zu einem Strandspaziergang. Wir sind nicht die Einzigen am Strand, viele Hundebesitzer und auch ein paar Surfer sind unterwegs. Ich halte nach Sand Dollars und Muscheln Ausschau und werde auch fündig.
Plötzlich sehen wir eine Surferin, die mit ihrem Hund ins Wasser gehen. Wir bleiben stehen, um den Hund zu beobachten, er scheint überhaupt keine Angst vor den Wellen zu haben und tobt ausgelassen. Die beiden gehen ins tiefere Wasser und die Surferin hebt ihren Hund auf das Board. Wir trauen unseren Augen nicht. Für den Hund scheint das nichts Neues zu sein, er hält sich professionell auf dem Board und sieht auch aus, als würde es ihm Spaß machen. Als eine geeignete Welle kommt, lässt die Surferin das Board los und der Hund surft auf der Welle bis vor auf den Strand. Unglaublich, ein surfender Hund! Das gibt es echt nur in Kalifornien.
Wir sind total begeistert und es bleiben auch eine Menge anderer Leute stehen, um sich das Schauspiel anzusehen. Nur die anderen Hunde lassen sich nicht so recht beeindrucken, vielleicht sind sie ja auch neidisch, weil sie so was nicht können. Und wenn es schon mal so was Tolles zu sehen gibt, haben wir natürlich keine Kamera dabei, da lässt man sie einmal im gesamten Urlaub im Motel zurück und dann das!
Wir gehen zurück zum Motel und Stephan beschließt, dass er noch mal mit Kamera an den Strand zurück geht, vielleicht ist der Hund dann noch da! Es dauert eine halbe Ewigkeit bis Stephan wiederkommt, ich habe inzwischen das Auto fertig gepackt. Das Kunststück gab es natürlich nicht noch mal zu sehen, weil Frauchen jetzt surfte, wie sollte es anders sein. Dafür hat er aber mit dem Hund Freundschaft geschlossen, wie schön! Der Anblick der ATVs gestern hat uns auf die Idee gebracht, dass es eine ausgezeichnete Gelegenheit wäre, das auch mal selbst zu probieren, auch wenn die Preise mehr als happig sind. Aber so ein Stündchen über die Dünen heizen ist schon mal drin. Wir fahren also ins Zentrum von Pismo Beach, wo mehrere ATV-Verleiher ansässig sind. Jetzt lernen wir den Nachteil des Reisens „off season“ kennen. Der erste Verleiher verleiht nur für mindestens zwei Stunden, für uns beide wären das dann insgesamt mindestens $160. Das ist uns der Spaß einfach nicht wert, außerdem wollten wir es nur mal ausprobieren und nicht gleich zwei Stunden auf den Dingern verbringen.
Der nächste Verleiher vermietet außerhalb der Saison gar keine ATVs. Sieht nicht gut für uns aus. Stephan ist ziemlich enttäuscht, weil er sich schon darauf gefreut hatte, ich kann damit leben.
Wir fahren weiter und halten im kleinen Städtchen San Luis Obispo, wo wir uns die Mission San Luis Obispo de Tolosa anschauen und ein wenig durch die hübsche Innenstadt bummeln. Der Ort hat eine sehr skurrile und auch etwas geschmacklose Sehenswürdigkeit zu bieten: Gum Alley. Dabei handelt es sich um eine versteckte, sehr schmale Gasse, in der die Häuserwände über und über mit Kaugummi bedeckt sind. Es ist ein richtiggehendes Relief aus Kaugummis, die die Touristen an die Wand kleben. Stephan nutzt die Gelegenheit, auch seinen Kaugummi stilvoll loszuwerden. Allerdings treiben wir es nicht so weit wie andere Besucher, die sogar ihren Namen mit Kaugummi verewigt haben.
Nächste Station auf unserem Weg ist der kleine Fischereihafen Morro Bay. Weithin sichtbares Wahrzeichen des Ortes ist der 170 m hohe Morro Rock, der auf einer Halbinsel über dem Meer aufragt.
Morro Bay bietet eine sehr hübsche Uferpromenade, die von Shops und Fischrestaurants gesäumt ist. Das Wetter ist schön und wir genießen unseren Spaziergang, der uns schließlich ziemlich am Ende der Promenade zu einem Take-Out führt, wo man Clam Chowder, Fisch und Austern verkauft. Hier ist der Fisch garantiert ganz frisch, denn Morro Bay ist Heimat einer der größten Fischfangflotten Kaliforniens, und so bestellen wir einmal Clam Chowder und für mich Fish’n’Chips und für Stephan Fish’n’Oysters.
Eine kleine Grünanlage mit Picknicktischen lädt zum Verweilen ein und bietet ganz nebenher auch noch eine hervorragende Sicht auf den Morro Rock. So lässt es sich leben. Ich habe mit meiner Portion wirklich zu kämpfen, aber mit Stephans Hilfe erledigen wir sie doch noch. Das war lecker!
Wir fahren auf die Halbinsel und sehen uns den Morro Rock noch mal aus der Nähe an. Der Vulkanfelsen ist mehr als 21 Millionen Jahre alt und diente dem portugiesischen Entdecker Juan Cabrillo 1542 als das „Gibraltar des Pazifik“ zur Orientierung. Er ist außerdem Rückzugsort für die seltenen peregrine falcons, über die Informationstafeln am Fuß des Felsens Auskunft geben. Unsere Fahrt führt uns weiter nach San Simeon, wo wir am Hearst Castle einen Stopp einlegen. Die Ausmaße der Parkplätze lassen erahnen, welchen Touristenansturm diese Sehenswürdigkeit der Westküste zu bewältigen hat. Beeindruckend. Wir laufen zum Visitor Center, das in seiner Größe ebenfalls beeindruckt und müssen feststellen, dass es sehr gut besucht ist. Viele Amerikaner und Asiaten wandeln durch die Eingangshalle, in der bereits erste Exponate aus der Sammlung Hearst gezeigt werden. Am Ticketschalter müssen wir erfahren, dass für den heutigen Tag alle Führungen ausgebucht sind. Die nächste wäre morgen früh und wir müssten sie reservieren. Wir sind etwas ratlos, denn nach den Beschreibungen des Reiseführers sind wir nicht einmal sicher, ob wir das Schloss überhaupt besichtigen wollen. Es klingt alles etwas abschreckend und der Preis von $24 p.P. tut sein Übriges. Um uns die Entscheidung zu erleichtern, besuchen wir die kostenfreie Ausstellung im Visitor Center, die auf großen Fotos bereits einen Eindruck vom Inneren des Schlosses vermittelt und ausgewählte Möbel zeigt. Außerdem erhält man detaillierte Einblicke in die Lebensgeschichte von William Randolph Hearst, dem Zeitungskönig, der sich mit dem Schloss das wohl grandioseste Denkmal setzte, das je ein Privatmann für sich errichten ließ. Als er 1951 starb, war das Schloss nach dreißigjähriger Bauzeit immer noch nicht ganz fertig, so dass der Platz nicht reichte, um alle Kunstwerke unterzubringen, die Hearst im Laufe seines Lebens gesammelt hatte. Die Inneneinrichtung erscheint uns auf den Bildern denn auch reichlich überladen und wild zusammengestellt, ein historistischer Stil, der verschiedene Epochen mutig zusammenwürfelt und auch nicht davor zurückschreckt, mittelalterliche Betten so umzubauen, dass sie für heutige Bedürfnisse lang genug sind. Wir beschließen auf einen Besuch zu verzichten, denn als Europäer können einen die gezeigten historischen Stücke sicher nicht in dem Maße entzücken wie die Amerikaner, die einen Overseas Trip machen müssten, um Vergleichbares zu sehen. Es stellt sich die Frage, was wir mit dem Nachmittag nun noch anstellen. Den Highway No. 1 weiter nördlich zu fahren, lohnt sich nicht, denn der folgende Abschnitt bietet keine Übernachtungsmöglichkeiten und ist an einem Nachmittag auch nicht zu schaffen. Diesen Abschnitt wollen wir morgen an einem Tag abfahren, schön in Ruhe, damit wir diese traumhafte Küstenstraße ohne Hektik genießen können. Wir haben die Idee, ins Landesinnere nach Paso Robles zu fahren. Hier erstrecken sich weite Weinanabaugebiete, deren Besuch uns lohnenswert erscheint, wenn wir schon keinen Abstecher ins berühmte Napa Valley machen. Wir fahren über die an der Küste liegenden Berge und finden uns inmitten von Weinbergen auf sanft geschwungenen Hügeln wieder. Die Weingüter tragen klangvolle Namen und weisen auch Übernachtungsmöglichkeiten in hübschen Inns und B&Bs aus. Wir fahren in das Stadtzentrum, wo Stephan nach einigem Suchen die Tourist Information ausfindig machen kann. Diese hat leider schon geschlossen, so dass wir keine Hinweise auf günstige Übernachtungsmöglichkeiten erhalten können. Dann müssen wir es eben auf gut Glück versuchen. Wir fahren zu einem Weingut und Stephan geht hinein, um sich nach einem Zimmer zu erkundigen. Es ist ein schönes, traditionelles weißes Holzhaus und ich ahne schon, dass es nicht ganz preiswert sein wird. Stephan kommt mit betretener Miene wieder, sie hätten ein Zimmer für uns frei, das würde aber $240 kosten. Schluck! Es ist wirklich hübsch und wir sind hin und her gerissen, aber diesmal beweist Stephan Vernunft und wir fahren weiter. Ich hätte mich wahrscheinlich hinreißen lassen, es sah einfach so schön aus.
Wir entdecken ein weiteres Hinweisschild auf ein Estate und fahren dorthin, wieder liegt es wunderschön in einem Weinberg und eigentlich lässt schon die Auffahrt erahnen, dass das nicht unsere Preislage sein wird. Stephan verschwindet wieder in der Lobby zu den Zimmerverhandlungen. Ich bleibe immer im Auto sitzen, damit Stephan mit der Begründung „I need to check with my wife“ die Flucht ergreifen kann, sollte es uns zu teuer sein. Wir wollen unsere Preisdiskussionen nicht gern vor einem wartenden Hotelangestellten führen.
Nach langer, langer Zeit kommt er wieder raus. Es ist natürlich viel zu teuer für uns, European Style Luxury im Weingut ist in den USA einfach unerschwinglich. Aber er hat an der Rezeption eine Deutsche getroffen, die ursprünglich aus Köln kommt und nun in Paso Robles arbeitet. Sie hat ihm den Hinweis gegeben, es beim Schwesterhotel des Estates zu versuchen, das preiswerter sein soll.
Ich bin skeptisch, aber probieren geht über studieren, weshalb wir uns auf den Weg dorthin machen. Die Enttäuschung ist groß als wir dort ankommen. Das Hotel an sich ist zwar chic, aber es liegt nicht im Weinberg sondern gleich neben dem Highway und ist von der Lage her nur ein besseres Motel. Dann können wir ja gleich in ein wesentlich preiswerteres Motel gehen… Langsam habe ich die Nase voll vom Suchen.
Kurzerhand begraben wir die Idee, direkt auf einem Weingut zu übernachten. Wir fahren ins Stadtzentrum von Paso Robles und mieten uns im Paso Robles Inn ein, das auch nicht gerade ein Schnäppchen aber preislich noch vertretbar ist. Das Inn entstand bei heißen Quellen, die im 19. Jahrhundert gern von Reisenden aufgesucht wurden. Es ist ein traditionsreiches Haus mit einem eleganten Restaurant, in dem wir vornehm zu Abend essen und es auch nicht versäumen, den lokalen Wein zu probieren. Probieren ist vielleicht ein bisschen untertrieben, eigentlich teilen wir uns zu zweit eine Flasche, so dass ich am Ende des Essens ziemlich angeheitert bin. Der Wein schmeckt aber auch vorzüglich. Direkt vor dem Restaurant liegt der hübsche, grüne Town Square und wir überlegen uns, dass sich ein kleiner Spaziergang anbieten würde. Am anderen Ende des Squares liegt ein Kino, in dem gleich die Spätvorstellungen beginnen. Das wäre doch auch mal was! Also kaufen wir spontan zwei Tickets und sehen uns im fast leeren Kino den Film „In her shoes“ an, den wir zwar amerikanisch kitschig aber auch ganz rührend finden. Im unserem weinseligen Zustand sind wir auch nicht mehr die kritischsten Zuschauer. So klingt der Abend noch sehr schön aus und wir fallen schwer von den Erlebnissen des Tages und den Auswirkungen des Rebensaftes in unser Bett.
Übernachtung: Paso Robles Inn, 87 Euro