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Autor Thema: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005  (Gelesen 17634 mal)

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GreyWolf

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #45 am: 14.12.2005, 13:43 Uhr »
Zum Grand Canyon: Es stimmt, dass angesichts der Touristenmassen sich eher schwer die Ergriffenheit einstellt.
Man muss dazu möglichst früh am Morgen im Park sein. Vor 10 Uhr sind die meisten Aussichtspunkte noch praktisch menschenleer. Wo sich ab späten Vormittag die Touristenmassen drängeln, ist man morgens fast allein.
Wer schon immer mal wissen wollte, wie man früher gereist ist: Alte Reiseberichte

Ole Miss

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #46 am: 15.12.2005, 13:08 Uhr »
Tag 7: Freitag, 14.10.05

Der Tag beginnt heute mit einem Frühstück, das im Zimmerpreis inklusive ist. Es ist für amerikanische Verhältnisse auch ganz ok, nur das Upgrade auf ein amerikanisches Frühstück für $6 finden wir sehr teuer in Anbetracht des labberigen Rühreis und Schinkens am Buffet. Nein danke! Der Kaffee-Service am Tisch ist auch nicht gerade der schnellste und eifrigste, einen Refill bekommt man erst nach mehrmaligem Nachfragen, obwohl im Hintergrund 5 Kellner rumstehen und offensichtlich nichts zu tun haben. Umso mehr erstaunt es zu sehen, wie die Amerikaner trotzdem ohne mit der Wimper zu zucken ihre Dollarscheine als tip auf dem Tisch zurücklassen. Irgendwie haben wir den Eindruck, dass die „tipping culture“ in den USA sich ein bisschen verselbständigt hat. Tips sind so selbstverständlich, dass sie noch nicht einmal mehr im Zusammenhang mit der erbrachten Leistung zu stehen scheinen. Das machen wir nicht mit, es mag ja sein, dass die tips das magere Gehalt der Kellner aufbessern, aber tun müssten sie dafür schon etwas.
Nach dem Auschecken fahren wir zurück in den Grand Canyon NP. Heute gefällt es mir schon viel besser als gestern, denn das Morgenlicht ist sehr schön, es sind nur wenige Leute unterwegs und auch die Luft ist viel klarer als am Vortag. Einige Viewpoints haben wir ganz für uns allein und hier kann man auch mal ein bisschen in sich hineinlauschen, während man dieses phänomenale Naturschauspiel betrachtet. Am Desert Viewpoint halten wir noch einmal und steigen auch noch auf den Aussichtsturm. Den Blick finde ich nicht spektakulärer als von unten und es sind sehr viele Leute hier, so dass wir bald in Richtung Monument Valley weiterfahren.
Zuerst geht es über die von der Herfahrt schon bekannte Strecke, dann biegen wir nordwestlich auf die #160 ab. In Kayenta fallen uns Schulkinder in Kostümen und dekorierte Wagen mit der Aufschrift „Once a Mustang, always a Mustang“ auf. Offensichtlich laufen die Vorbereitungen für eine Parade, denn viele Zuschauer, hauptsächlich indianische Familien, haben ihre Autos entlang der Durchfahrtsstraße geparkt und sitzen nun erwartungsvoll auf ihren Campingstühlen. Wir fahren zum Burger King, da es sowieso gerade Zeit für eine Lunch Break ist und können dort herausfinden, dass es sich um eine Homecoming Parade für das lokale Footballteam handelt.
Im Burger King ist eine kleine aber interessante Ausstellung zum Einsatz der Navajo-Indianer im 2. Weltkrieg. Die Indianersprache wurde benutzt, um Botschaften, die vom Feind nicht abgehört werden durften, zu übermitteln. Der Navajo Code wurde nie geknackt.
Die Parade beginnt erst in einer Stunde und wird eine Weile dauern, so dass wir, wenn wir sie uns ansehen, den ganzen Nachmittag damit verbringen müssten. So viel Zeit können und wollen wir nicht aufbringen und fahren deshalb über eine holprige Umleitungsstraße aus Kayenta heraus.
Als das Monument Valley in Sicht kommt, parken wir unser Auto neben der Straße und essen unsere Burger with a view. Das Monument Valley ist kein Tal, denn die Landschaft entstand nicht durch die Arbeit eines Flusses sondern durch Wind- und Regenerosion. In den vergangenen 25 Mio. Jahren wurde ein Hochplateau abgetragen und Blöcke aus Sandstein, die langsamer verwitterten, blieben stehen. Stephan ist zwar der Meinung, dass der kostenlose Blick von der Straße ausreicht, ich bestehe aber darauf, dass wir die Fahrt durch das Monument Valley machen.
Da es sich um Navajo-Gebiet handelt, sind $5 p.P. zu entrichten. Die Straße durch das Valley ist eine Dirt Road, die gerade auf dem ersten Teil hinunter ziemlich rau ist. Mit einem SUV ist es kein Problem, aber einen normalen Pkw hätte ich hier nicht haben wollen. Irgendwie würde man ja erwarten, dass eine gebührenpflichtige Straße instand gehalten wird. Vielleicht ist es aber auch Strategie, denn alle, die sich nicht selbständig mit ihrem Auto über die Straße wagen, müssen die teurere Jeep Tour buchen.



Der Blick auf die berühmten Buttes ist wirklich toll und auf weiten Teilen der Strecke ist man ganz allein mit der Landschaft. Das ist auch besser so, denn jedes Auto wirbelt Unmengen roten Staubs auf. Insofern sind die Touristen in den Guided Tours mit offenen Jeeps nicht zu beneiden, selbst wenn sie noch zu Buttes geführt werden, die der Selbstfahrer nicht sieht. Unsere Fahrt führt uns weiter nach Mexican Hat, der kleinen Stadt, die von einer Sombrero-Hut ähnlichen Felsformation überragt wird. Wir biegen nach links ab und fahren zum Goosenecks State Park, in dem der San Juan River sich in vielen Schleifen durch das Gestein windet.



Die Mäander des Flusses haben sich tief in den Felsen geschnitten, ein Phänomen, das man nur selten auf der Welt findet. Im 17. Jahrhundert markierte der Fluss die nördliche Grenze der spanischen Kolonisation, heute beginnt am südlichen Flussufer die riesige Navajo-Reservation, die auch das Monument Valley umfasst. Der San Juan River ist im Gegensatz zum grünen Colorado von hellgrauer, schlammiger Färbung und auch das Gestein ist eher grau als rötlich. Insofern übertreffen die Goosenecks zwar die Horseshoe Bend durch die Anzahl der Schleifen, sind aber optisch nicht so attraktiv.
Für uns geht es weiter zum Moki Dugway. Vorher unternehmen wir noch einen Abstecher auf die Dirt Road in das Valley of Gods, drehen aber nach ein paar Meilen wieder um, da die Formationen nach dem Besuch des Monument Valleys nicht mehr beeindrucken können. Interessant ist das B&B, das hier am Wegesrand liegt. Hier muss es nachts schön ruhig sein, so abgeschieden wie es liegt. Wir fahren auf die gewaltige Felswand zu und können uns kaum vorstellen, dass wir hier hinauf sollen. Dann sehen wir aber schon die Straße, die sich den Fels hinauf windet. So geht es für uns auf unbefestigter aber guter Straße bergauf, an der Seite geht es ohne Leitplanken steil bergab. Diese Straße ist nichts für Höhenängstliche, aber wir sind nicht empfindlich und genießen den Blick hinab in die Ebene. Mit einem Pick-Up mit großem Hänger würde ich hier allerdings nicht fahren wollen und so staune ich nicht schlecht, als uns ein ebensolcher entgegen kommt, voll beladen mit Autoreifen. Oben angekommen fahren wir zum Muley Overlook, von wo aus sich fantastische Blicke auftun und wo wir eine einsame Ruhepause auf den Felsen genießen. Herrlich!



Auf dem Plateau fahren wir auf ebener Straße immer weiter und da wir noch Zeit haben, entschließen wir uns spontan zu einem Abstecher in das Natural Bridges National Monument. Es gilt als die weltweit größte Ansammlung natürlicher steinerner Brücken. Am Visitor Center erhalten wir gegen Vorlage des NP-Passes die Karte für den Scenic Drive, auf dem man die drei großen bridges sehen kann. Wir fahren ihn entlang und staunen über die riesigen Brücken, die das Wasser aus dem Gestein gewaschen hat. Von Ferne sehen wir die 64 m hohe Kachina-Bridge und die 67 m hohe Sipapu-Bridge. Wir laufen den kurzen Trail zur Owachomo Bridge, die mit nur 32 m Höhe verhältnismäßig klein ist, deren Größe aber dennoch erstaunlich ist, wenn man direkt unter ihr steht.



Die Sonne geht langsam unter und wir machen uns wieder auf den Weg, da die heutige Übernachtung in Monticello gebucht ist. Die Fahrt zieht sich noch mal ziemlich in die Länge, Stephan fürchtet, dass er in der Dämmerung ein Tier anfahren könnte und fährt langsam. Tatsächlich stehen neben der Straße immer mal wieder Gruppen von Rehen. Außer ein paar Mäusen kreuzt aber dann nichts unseren Weg.
In Monticello finden wir problemlos das Canyonland Motor Inn. Es ist ein klassisches altes Motel mit grünem Neonlicht an der Rezeption, plüschig eingerichteten Zimmern und muffigem Motel-Geruch, leidlich überdeckt von Raumsprayduft. Für eine Nacht ist es aber in Ordnung.
Wir machen uns auf den Weg, um uns ein Restaurant für unser Abendessen zu suchen. Gar nicht so einfach. Obwohl es Freitag ist, scheint hier nicht wirklich was los zu sein. Schließlich landen wir im MD Ranch Cookhouse, das noch am belebtesten erscheint. Das Restaurant liegt in einem Souvenirladen, der haufenweise kitschige Wildwest-Andenken im Sortiment hat. Das Essen ist lecker und preislich auch ok. Stephan bekommt seine lemonade in einem gläsernen Cowboystiefel serviert, das Wasser kommt in Einweckgläsern. Als wir als Letzte das Restaurant verlassen, wird hinter uns das „Closed“-Zeichen rausgehangen. Es ist erst 21.00 Uhr an einem Freitagabend – das ist wirklich ein totes Nest!
Mit dieser Erkenntnis fahren wir zurück ins Hotel und können guten Gewissens ins Bett gehen, hier verpassen wir nichts.

Übernachtung: Canyonland Motor Inn, 35 Euro

Crimson Tide

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #47 am: 15.12.2005, 14:13 Uhr »
Hallo, Ole Miss!
Das Erlebnis mit der Schlange, hehe, klasse!  :lol: Das konnte ich gut mitfühlen!
Eine kleine Schlangengeschichte habe ich auch noch, die hänge ich eben  mal an meinen Reisebericht!  :lol:
Ansonsten, toll, ich beneide Euch um Eure Permit und die Erlebnisse bei/in der "wave"!

L.G. Monika

Ole Miss

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #48 am: 16.12.2005, 10:23 Uhr »
Tag 8: Samstag, 15.10.05

Wir müssen einsehen, dass wir heute nur entweder in den Canyonlands oder den Arches NP fahren können und entscheiden uns für die Felsbögen. Bei dem Motelübernachtungspreis kann man kein Frühstück erwarten, so dass wir uns erstmal ohne auf den Weg machen. Von Monticello aus kann man auf reizvoller Strecke relativ leicht bis zum Newspaper Rock gelangen und so machen wir einen Abstecher dorthin.
Wir fahren auf der Harts Draw Road, die uns zunächst durch das waldige Gebiet der Abajo Mountains führt. Die Laubfärbung ist teilweise noch zu erkennen, viele Bäume sind aber schon kahl. Auf dem Höhepunkt der Färbung muss das wirklich unglaublich ausgesehen haben, strahlend gelbes Laub an weiß-grauen Stämmen. Der Newspaper Rock liegt in einem hübschen Tal, das von hohen roten Felswänden umgeben ist. Rund um den Felsen sind einige Zelte aufgebaut, ganz harte Camper liegen sogar mit ihren Schlafsäcken im Freien. Es sieht verdammt kalt aus, aber die Gegend scheint der Anlaufpunkt für die richtigen Outdoorfreaks zu sein. Bei aller Liebe zur Natur können wir uns nicht dazu zählen, dafür schätze ich den Komfort einer warmen Dusche und einer weichen Matratze einfach zu sehr.
Die Gravuren im Felsen erinnern uns sofort an die, die wir in Namibia besichtigt haben, nur dass hier in Nordamerika natürlich andere Tiere abgebildet sind als im südlichen Afrika. Aber die Formensprache und die Abbildung von Füßen und Wasserlöchern sind wirklich identisch. Es ist faszinierend, dass zwei so weit voneinander entfernte Kulturen sich so in ihren Ausdrucksformen ähneln.



Beim Newspaper Rock stehen die Wissenschaftler vor dem Problem, dass eine genaue Datierung der Gravierungen unmöglich ist und dass auch der Sinn der Abbildungen nicht endgültig entschlüsselt werden kann. Das tut der Freude an der Betrachtung aber keinen Abbruch und gibt reichlich Raum für Interpretationen und Spekulationen.
Es packt uns der Frühstückshunger und wir suchen uns im Tal eine nette, sonnige Stelle, an der wir uns selbstgeschmierte Bagels kombiniert mit herrlichem Blick schmecken lassen. Dazu sitzen wir auf einem einzelnen Felsen etwas abseits der Straße, dem wir kurzerhand den Namen „Breakfast Rock“ geben. Wir fahren weiter auf die # 191 und können feststellen, dass die Gegend offensichtlich ein Outdoor Paradies ist. Überall sieht man Biker und Hiker am Start eines Trails und sogar ganze Schulklassen machen sich an diesem Samstag unter Rangerführung auf in die Natur.
Durch Moab fahren wir ohne Stopp durch. Die Infrastruktur, die es hier für Outdooraktivitäten gibt, lässt erahnen, dass es sich um ein Mekka für alle Sport- und Naturbegeisterten handelt. Im Arches NP ist schon einiges los, da auch die Amerikaner das Wochenende für Ausflüge in die Natur nutzen. Auf wunderschöner Strecke fahren wir hinauf und durch den Park bis zum Parkplatz vom Devils Garden. Wir müssen schon ein ganzes Stück vor dem eigentlichen Parkplatz an der Straßenseite halten, weil es so voll ist. Die Wanderung, die zu verschiedenen Arches führt, macht uns viel Spaß und ist auch nicht sehr schwierig.



Allerdings sehen nicht alle Wanderer auf dem Trail aus, als seien sie adäquat ausgerüstet oder körperlich fit genug für die Tour. Sogar eine Frau mit einer Knieschiene sehen wir, es ist mir ein Rätsel, wie sie damit den Aufstieg schaffte. Besonders gut gefällt uns der Partition Arch, der ein wunderbares Fenster zur dahinter liegenden Landschaft bildet. Der Blick in die Ferne ist wunderschön. Eindrucksvoll und das eigentliche Ziel der Wanderung ist dann der Double-O-Arch.



Man erreicht ihn über einen Felsgrat, den wir aber breit genug und sehr bequem zu laufen finden. Mit Wanderschuhen und ohne ausgeprägte Höhenangst sollte auch dieser Abschnitt keinerlei Probleme bereiten. Am Double-O-Arch steigen wir durch das untere O hindurch, so dass wir beide O’s in Ruhe von ihrer Rückseite betrachten können. Dieser Blick ist wesentlich attraktiver als von der anderen Seite und es ist mir bis heute unklar, warum die anderen Touristen nach ihrer Wanderung nur vor dem Arch stehenblieben. Nach einer kurzen Pause machen wir uns auf den Rückweg, bei dem wir uns gegen den primitive trail entscheiden, weil der konventionelle Weg schneller zurück zum Ausgangspunkt führt. Nach insgesamt ca. 3 Stunden sind wir wieder zurück am Auto, wo wir uns mit Beef Jerky und anderen Snacks stärken.
Wir haben noch Zeit bis zum Sonnenuntergang, die wir für einen Besuch der Windows Section nutzen. Obwohl die Windows Section stark besucht ist, sind wir auf dem dazugehörigen Trail allein. Es ist wirklich erstaunlich, wie viele Leute den kompletten Park nur mit dem Auto abfahren und noch nicht einmal diesen wirklich kurzen und lohnenden Trail laufen. Denn den richtigen Blick auf die zwei nebeneinanderliegenden Windows hat man nur auf der Rückseite der Felswand. Hier bekommt man den Eindruck, dass ein Ungeheuer mit zwei großen Augen einen anstarrt.
Für den Sonnenuntergang haben wir den Klassiker des Parks auf dem Programm, der Delicate Arch soll diesen erlebnisreichen Tag krönen. Vor dieser Krönung steht aber zunächst ein steiler Aufstieg, vor dem ich doch etwas Respekt habe, vor allem, nachdem ich von unten sehen kann, wie steil es hinauf geht. Ich lasse mir Zeit, weil ich nicht hochrot und völlig kurzatmig oben ankommen will. Der Weg ist anstrengend aber nicht schwierig zu gehen. Nach einer Weile beginne ich mich aber doch zu fragen, wann der Arch denn nun kommt. Nach 45 Minuten winkt Stephan, der ein Stückchen vor mir läuft, mir aufmunternd zu und als ich um die Ecke biege, sehe ich ihn endlich, den erhabenen, völlig frei stehenden Delicate Arch. Ich bin sehr froh, ihn zu sehen, zum einen, weil er wunderschön ist, zum anderen, weil ich mich jetzt ausruhen kann.



Wir suchen uns ein nettes Fotoplätzchen oberhalb des Arch und Stephan baut die Fotoausrüstung auf. Es ist nicht der perfekte Tag für den Sonnenuntergang, denn es ist etwas wolkig und dennoch sind Unmengen von Menschen und eine ganze Handvoll professioneller Fotografen hier. Diese fachsimpeln über schon besuchte Orte und Motive, Ausrüstung, Aufnahmetechnik und vieles mehr. Es ist schon sonderbar, was manche Menschen alles für ein schönes Foto auf sich nehmen. Mit jeder Minute kommen neue Leute an und es wird langsam richtig voll. Und alle Ankommenden wollen natürlich ein Erinnerungsfoto von sich am Fuß des Arch. Es geht dort unten zu wie im Taubenschlag, fliegender Wechsel der Fotowütigen. Das hat allerdings den Nachteil, dass es so gut wie unmöglich ist, ein Foto vom Arch ohne verliebtes Pärchen oder stolzen Familienvater im Vordergrund zu machen.
Die Sonne geht langsam unter und das Licht ist jetzt entschieden fotogener und noch immer ist der Ansturm auf den Arch ungebrochen. Die professionellen Fotografen werden jetzt langsam etwas unwillig und auch Stephan ist gar nicht glücklich. Aber es lässt sich nicht ändern und die Leute lassen sich auch von den Aufforderungen der Fotografen, den Arch zu verlassen, nicht beeindrucken. Es hat also offensichtlich einen Grund, dass im Park Schilder stehen, auf denen die Leute aufgefordert werden, sich nicht unter den Arches niederzulassen, damit auch andere noch etwas vom Fotomotiv haben. Schließlich verschwindet die Sonne in den Wolken, womit der Sunset mehr oder weniger vorbei ist.
Hier oben ist es ziemlich windig und kalt, so dass mir der Aufbruch nicht ganz unrecht kommt. Der Abstieg ist nun überhaupt kein Problem mehr und wird uns noch durch den Anblick eines richtigen „Caspar David Friedrich-Mondes“ verschönt. Ich bin in Hochstimmung, immer noch ganz verzaubert vom Anblick der Arches und randvoll mit Eindrücken der tollen Landschaft im Park. In einem wahrhaften Autokorso fahren wir aus dem Park heraus und dann als Einzige in nördliche Richtung weiter bis nach Green River.
Wir wohnen wieder einmal im Motel 6, das sich als gut und preiswert erwiesen hat. Für das Abendessen gehen wir in das benachbarte Kelly's Tamarisk Restaurant, von wo wir auf den namensgebenden Green River schauen können. Stephan hat natürlich nichts Besseres zu tun, als der Kellnerin mitzuteilen, dass er vor der Getränkebestellung das beer checken wird. Haha! Es gibt gar kein Bier auf der Karte und ein kurzer Rundblick zeigt alle Gäste vor Cola oder Iced Tea sitzend. Das hätten wir uns denken können, schließlich sind wir hier in der Provinz in Utah! Es geht aber auch ohne, das Essen ist lecker und unser Schlaf heute wirklich wohlverdient.

Übernachtung: Motel 6 Green River, 34 Euro

americanhero

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #49 am: 16.12.2005, 10:31 Uhr »
Hallo Ole Miss,

ein wirklich toller Bericht mit klasse Pics. :hand:  Ich lese schon seit einiger Zeit voller Begeisterung mit und da es mich ja im nächsten Jahr auch in die Gegend verschlägt, bin ich natürlich umso interessierter.
Habe mich jetzt einfach noch mal dazugequetscht, aber da ich sehr schmal bin, dürfte das noch irgendwie gehen. Voller Spannung erwarte ich dann die Weiterfahrt.


Greetz,

Yvonne

Matze

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #50 am: 16.12.2005, 12:28 Uhr »
Lese den Bericht mit großen Interesse und Begeisterung! Wir waren ja vor einigen Wochen (leider ist es schon wieder so lange her!!) auch genau dort! Und die Bilder von der Wave wecken schöne Erinnerungen!

Zitat von: GreyWolf
Wenn ich so die Berichte von den Verlosungen lese, befürchte ich fast, dass ich nie wieder zur Wave komme. Scheint immer mehr zu werden....



Versuch es doch im Sommer! :wink:  Ist aber wegen der Hitze und mit Kind sicherlich nicht zu empfehlen! Allerdings sind dann eben weniger Leute! Als wir am 22. 7. dort waren, besuchten gerade mal noch 4 einzelne Personen und eine Gruppe Amerikaner die Wave! Eine Verlosung wird gar nicht statt gefunden haben!

Zitat
Schließlich geht es doch noch weiter, wir staunen, wie viele Menschen hier damit beschäftigt sind, Schilder zu halten, umzudrehen, im Jeep hin und her zu fahren. In Deutschland stehen da einfach nur zwei Ampeln.
Dafür haben wir in Deutschland auch mehr Arbeitslose!! (Ich wäre mir auch nicht zu schade, die Schilder zu drehen!)

Zitat
Ohne viel Hoffnung halten wir in Tusayan, wo wir wider Erwarten noch ein Zimmer im Quality Inn and Suites auftun, allerdings zum stolzen Preis von $140. Autsch! Das ist wirklich eine teure Nacht, zusammen mit dem Preis für das nicht in Anspruch genommene Zimmer kommen wir auf $ 210.


Da war dass am Grand Canyon aber eine teure Übernachtung! (Ist hier wieder dass WoMo überlegen??  :wink:  :wink:  Selbst bei Fahrt aus den NP höchstens 30 $ für Übernachtung!)

Nun aber schnell weiter fahren, will mehr lesen!!
Gruß Matze




San Francisco!!

Micky McBenz

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #51 am: 18.12.2005, 16:57 Uhr »
Zitat von: Ole Miss
Nach einer Weile beginne ich mich aber doch zu fragen, wann der Arch denn nun kommt. Nach 45 Minuten winkt Stephan, der ein Stückchen vor mir läuft, mir aufmunternd zu und als ich um die Ecke biege, sehe ich ihn endlich, den erhabenen, völlig frei stehenden Delicate Arch.


Hallo Ole Miss!

Lese nach wie vor begeistert mit! An den langen Aufstieg zum Delicate Arch kann ich mich gut erinnern. Auch wir konnten es kaum erwarten, oben anzukommen. Im Gegensatz zu Euch sind wir allerdings früh morgens hinauf gegangen und haben den Arch mit aufgehender Sonne gesehen. Da wird er schön goldgelb von vorn beleuchtet. Daher ist Eure Aufnahme für mich sehr interessant und sehe jetzt den Arch auch mal nachmittags.

Viele Grüße!

Ole Miss

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #52 am: 19.12.2005, 09:59 Uhr »
@ all: Freue mich, dass sich so viele Mitfahrer finden, die in Erinnerungen und/oder Vorfreude schwelgen!

@ Matze:

Zitat von: Matze


Dafür haben wir in Deutschland auch mehr Arbeitslose!! (Ich wäre mir auch nicht zu schade, die Schilder zu drehen!)


Aber bei dem Lohnniveau in den USA brauchst du bestimmt noch einen zweiten Job, um davon leben zu können.


Zitat von: Matze

Da war dass am Grand Canyon aber eine teure Übernachtung! (Ist hier wieder dass WoMo überlegen??  :wink:  :wink:  Selbst bei Fahrt aus den NP höchstens 30 $ für Übernachtung!)


Ja, das war wirklich sehr ärgerlich, wäre preislich aber ok gewesen, wenn wir uns nicht bei der Buchung vertan hätten. WoMo hatten wir vorher auch überlegt, aber im Oktober ist es so früh dunkel und nachts so kalt, dass die Vorteile (abends gemütlich draussen sitzen etc.) nicht so richtig zum Tragen kommen.

LG,
Ole Miss  :wink:

Ole Miss

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #53 am: 19.12.2005, 10:11 Uhr »
Tag 9: Sonntag, 16.10.05


Etappenziel für heute ist Salt Lake City, die Hauptstadt des Mormonenstaates Utah. Die Fahrt dorthin führt uns aus dem Land der roten Felsen hinaus. Ein bisschen wehmütig bin ich schon, die Landschaft ist so wunderschön, dass ich noch viel mehr Zeit hier hätte verbringen können.
Aber nun geht es auf zu neuen Zielen und wir sind gespannt. Die Fahrt selbst verläuft unspektakulär, auf weitgehend gerader Straße geht es am Gray Canyon vorbei. Woher dieser seinen Namen bezieht, ist unschwer zu erkennen. Die Landschaft wird langsam bergiger und führt nördlich der Ortschaft Price durch einen Canyon. Hier passieren wir Bergwerkstädte, die ihre Existenz dem Kohlebergbau verdanken. Neben der Straße verläuft die Eisenbahnstrecke, auf der scheinbar endlose Güterzüge verkehren. Vor uns tauchen die ersten schneebedeckten Berge auf und bilden ein attraktives Panorama.
Auf der Höhe von Provo gibt es dann auch endlich mal wieder richtige Stadt-Infrastruktur mit verschiedenen Shopping- und Restaurantketten. Wir halten an einem IHOP, weil wir ja auch noch gar nicht gefrühstückt haben, aber an einem Sonntag Vormittag sind wir nicht die Einzigen, die diese Idee haben. Die Schlange der Wartenden für einen Tisch geht bis zur Eingangstür und wir haben keine Lust uns das anzutun. Wir fahren also weiter und finden bald einen Starbuck’s, bei dem nur am Drive-thru Schalter richtig Betrieb herrscht. Innen ist es nicht so voll und wir lassen uns gemütlich mit Chai Latte, Cafe Latte, Cookie und Muffin auf einem der Sofas nieder.
Stephan macht seinem Spitznamen doch noch Ehre und studiert eifrig die Coupon-Seiten der ausliegenden Tageszeitung. Ich genieße meinen Tee, lecker! Aber selbst in der tall-Version ist das Getränk schon fast eine Mahlzeit, so viel Milch, wie da drin ist! Auf der Weiterfahrt nach Salt Lake City geht es an vielen Malls vorbei und Stephan ist schon ganz heiß aufs Shopping. Ja, auch das gibt es: shopping-wütige Männer! Wir finden uns ohne Probleme in das Zentrum von Salt Lake City, das uns sein hübsches, sauberes und fast menschenleeres Sonntagsgesicht zeigt. Die Orientierung fällt uns dann aus unerfindlichen Gründen (ich gebe zu, ich hatte die Karte in der Hand) doch etwas schwer und wir drehen ein paar Runden um den Block bis wir den Temple Square und das genau gegenüberliegende Hotel „The Inn at Temple Square“ gefunden haben, wo wir die heutige Nacht verbringen werden.
Unser Zimmer ist erwartungsgemäß noch nicht fertig, es ist ja auch erst 12.00 Uhr. Das stört uns aber nicht, dann stellen wir unser Auto schon mal auf den hoteleigenen Parkplatz und erkunden ein bisschen die Stadt. Das ist leichter gesagt als getan. Zur Zufahrt zum Parkplatz geht es noch einmal um den Block und dann steht ein Hotelangestellter bereit, uns das Auto abzunehmen. Valet Parking only! Das ist total albern, denn die Parkgarage ist nicht sehr groß und er fährt unser Auto schätzungsweise ganze 7 m weiter. Ein bisschen peinlich ist es außerdem, denn unser Wagen sieht aus wie Sau, von außen voll von rotem Staub und Schlamm, innen liegen haufenweise Zeug und Müll rum. Tja, da muss der „valet“ (Diener) jetzt durch, dafür kriegt er ja auch seinen Dollar.
Unser erster Anlaufpunkt ist die Touristinformation der Stadt. Wir decken uns mit City Maps von Salt Lake City ein. In Anbetracht der Tatsache, dass es hier eigentlich gar nicht so viel zu sehen gibt, ist die Auswahl gigantisch. Wir holen uns auch Informationen über das Organ Recital, das sonntags im Temple Square stattfinden soll. Am Eingang des Temple Square werden wir gleich von einem netten, älteren Herren in schwarzem Anzug abgefangen. Er kann offensichtlich nicht zulassen, dass wir völlig uninformiert das Gelände betreten. So bekommen wir nun die zweite Map des Temple Square und viele Informationen darüber, wie wichtig doch die Botschaft der Mormonen ist und dass wir uns auf keinen Fall eine Führung und die Filme entgehen lassen sollten. Wir hatten uns ja auf ein paar Bekehrungsversuche eingestellt, aber das hier geht echt gut los. Dann fragt er uns, ob wir „active in any church“ wären. Stephan fällt natürlich nichts Besseres ein, als die Frage wahrheitsgemäß mit nein zu beantworten. Der Mormone schüttelt traurig den Kopf, dass das nicht gut wäre und ich kann an seinem Blick sehen, dass wir Heiden definitiv in der Hölle schmoren werden. Er schaut uns schon fast mitleidig an und betont noch einmal, dass die Botschaft der Mormonen sehr wichtig für uns sei. Nichts wie weg hier!
Stephan erhält die strikte Anweisung, auf die Frage nach der Kirchenzugehörigkeit in Zukunft nicht mehr wahrheitsgemäß zu antworten, ich möchte nicht noch einmal so angesehen werden. Wir spazieren über das Gelände und bestaunen die heroischen Statuen der mormonischen Siedler und den eindrucksvollen Tempel, der auf dem höchsten Turm von der goldenen Statue des Engels Moroni gekrönt wird.



Wir sind für mehr Bekehrung gewappnet und schließen uns einer Führung an, die von zwei jungen Damen durchgeführt wird, die in ihren Kostümen mormonisch adrett daherkommen. Die eine stammt aus Frankreich und die andere aus Guatemala und bei beiden lässt die englische Aussprache so zu wünschen übrig, dass wir nur einen Bruchteil der Führung verstehen, was kein wirklicher Verlust ist. Statt Sachinformationen gibt es jede Menge verklärter Geschichten über das Mormonentum und rührender Berichte, wie der Glauben ihr Leben verändert hat. Die Frage, was denn nun eigentlich Mormonen von anderen Religionen unterscheidet, bleibt ungeklärt, obwohl sich beide ausführlich darüber auslassen. Dabei fuchteln sie ziemlich viel mit den Armen und ich gewinne den Eindruck, dass sie es selbst auch nicht so richtig wissen oder zumindest nicht vermitteln können.  Wir werden ins North Visitors’ Center zu einer mehr als kitschigen Jesus-Statue geführt und eine männliche Stimme spricht über Lautsprecher das Glaubensbekenntnis der Mormonen. Es ist fast als ob Gott zu uns spricht, naja, für uns vielleicht nicht, aber für die anwesenden Mormonen-Touristen, die das Bekenntnis mit geschlossenen Augen mitsprechen, wohl schon.
Weiter geht es in das große Conference Center, das mit 21.000 Sitzplätzen schon ziemlich imposant ist. Als die Führung vorüber ist, werden Kontaktzettel ausgeteilt, auf denen man seinen Namen hinterlassen kann. Stephan füllt brav einen aus, weil er hofft, ein Book of Mormon zu erhalten. Was er damit will, ist mir schleierhaft, aber das ist bei ihm schon fast so eine Art Reflex, wenn es irgend etwas umsonst geben könnte. Das Buch erhält er nicht, aber sicher bald mal Besuch von netten Jungen in schwarzen Anzügen.
Wir bleiben in der Versammlungshalle, denn hier soll gleich das Orgelkonzert beginnen. Der Organist gibt noch eine kurze Einführung zu den Stücken, die er spielen wird und dann geht es los. Die Orgel ist überdimensioniert wie alles hier, aber ihr Klang will mir nicht recht gefallen. Sie quäkt irgendwie und die wechselnden bunten Lichter im Hintergrund erhöhen den Musikgenuss auch nicht. Aber es kostet nichts und wir hören uns wohlwollend das ganze Konzert an. Das Bach-Stück klingt noch ganz schön, aber die mormonischen Eigenkompositionen werden wohl nicht Musikgeschichte schreiben. Gesamteindruck Temple Square: sehr interessant, sehr sauber, sehr kitschig, alles ist hochmodern und es handelt sich definitiv nicht um eine arme Glaubensgemeinschaft.
Die nächste Sehenswürdigkeit ist das Beehive Haus, das mit einem Bienenkorb geschmückt ist, der für den mormonischen Fleiß steht und auch ein Staats-Symbol Utahs ist. Hier erwartet uns eine Überraschung, denn wir erhalten eine Führung auf Deutsch. Sister Knabe aus Deutschland heißt uns willkommen und zeigt uns sowie einer Schweizer Mormonenfamilie den Wohnsitz des Religionsführers Brigham Young, der zugleich auch erster Gouverneur Utahs war. Der Rundgang durch das Haus mit seinen Originalmöbeln ist sehr interessant, aber die Führung entbehrt natürlich jedweder objektiven Distanz. In den schillerndsten Farben werden uns der „Übermensch“ Brigham Young und seine bewunderungswürdigen Taten beschrieben. Der aufmerksame Zuhörer kann aber zwischen den Zeilen deutlich heraushören, welche religiöse Strenge in diesem Haus geherrscht haben muss.
Eine fast religiöse Strenge herrscht auch im Stadtbild, alles ist sauber wie geleckt, die Straßen sind breit und alle Gebäude strahlen neu oder frisch renoviert, aber es fehlt der Stadt an Charakter und Charme. Hinzu kommt für uns noch, dass es Sonntag und die Stadt wie ausgestorben ist. Wir gehen zum Hotel zurück, checken in unser liebevoll dekoriertes Zimmer ein und Stephan gratuliert sich zu seiner Wahl.



Was aber tun mit dem angebrochenen Nachmittag? Wir beschließen, zur Trolley Square Mall zu fahren, damit Stephan endlich dem Shopping frönen kann. Wieder mal stellt die Orientierung ein Problem dar, bis wir die Funktionen tauschen, so dass ich jetzt fahre und Stephan navigiert. Dumm nur, dass die Mall 10 Minuten nach unserem Eintreffen um 17.00 Uhr schließt. OK, Krisensitzung, wie weiter? Das angeschlossene Kino ist offen, aber die Filme können uns auch nicht überzeugen. Wo könnte man denn an einem Sonntag um diese Uhrzeit selbst in Salt Lake City noch was einkaufen? Na klar, Walmart!
Da fahren wir hin und stellen fest, dass auch in Salt Lake City nicht alle Menschen reiche Mormonen in Anzügen und Kostümen mit verklärten Gesichtern sind. Das Walmart Supercenter ist fest in Latino-Hand. Wir decken uns mit ein paar Lebensmitteln und anderen Kleinigkeiten ein, drucken noch ein paar Digitalbilder aus und fahren wieder ins Hotel. Unsere Frage nach Möglichkeiten, den Abend in Salt Lake City zu verbringen, beschert uns ratlose Gesichter an der Rezeption. Hmm, da wäre noch ein Kino… Ok, schon gut, vergessen wir es, we got it: this ist Utah. Dann wollen wir aber wenigstens schön essen gehen. Wir haben irgendwann heute ein Olive Garden Restaurant gesehen, da wollen wir jetzt hin. Natürlich hapert es wieder mit der Orientierung, was zu Fuß noch weniger Spaß macht als im Auto. Ohne größere Wartezeit bekommen wir einen Tisch und müssen amüsiert feststellen, dass alle Stühle Rollen drunter haben. Hmm, so stelle ich mir den Speisesaal eines Seniorenheimes vor, ist ja wirklich sehr authentisch italienisch. Das Essen ist aber gut und ich trinke einen leckeren Rotwein dazu, wieder einmal ohne dass meine ID gecheckt wird. Das ist sehr ungewohnt, bei meinem letzten USA-Aufenthalt war die ID noch ein Dauerthema, bin offensichtlich optisch um einiges gealtert. Nach dem Essen bringe ich den Kellner sehr in Verlegenheit als ich nach einem Digestif frage.
Eigentlich ist mir klar, dass man hier nicht mit einem Ramazotti oder Averna wie beim heimischen Italiener rechnen kann, aber ich will zumindest gefragt haben. Stattdessen nehme ich einen Espresso, der leider nicht sehr gut schmeckt und ein Tiramisu, das innen noch gefroren ist, aber nach meiner Reklamation wenigstens nicht berechnet wird. Der Kellner ist bestimmt froh, als wir endlich gehen. Die Nacht im Hotel wird sehr warm, am nächsten Morgen stelle ich auch fest, warum, wir liegen auf einer Plastic Cover Matress, schwitz!

Übernachtung: The Inn at Temple Square, 87 Euro

IkeaRegal

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #54 am: 19.12.2005, 11:38 Uhr »
Sehr bissig und witzig geschrieben, gerade der Teil mit den Mormonen. Man hat schon einen komischen Eindruck, wenn jemand absolut krampfhaft versucht einen zu überzeugen.

Ole Miss

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #55 am: 20.12.2005, 09:45 Uhr »
@IkeaRegal:

Ich war hin- und hergerissen, ob ich es amüsant oder gruselig finden soll. Die Mormonen legen eine Freundlichkeit an den Tag, der man sich kaum entziehen kann, aber man merkt halt leider immer schnell, dass der Endzweck die Gewinnung von neuen Anhängern ist.

Ole Miss  :wink:

Ole Miss

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #56 am: 20.12.2005, 09:51 Uhr »
Tag 10: Montag, 17.10.05


Im Inn wird ein sehr gutes Frühstücksbuffet geboten, das wir ausgiebig genießen, es gibt sogar frische Pancakes und Obst und auch der Service ist sehr nett. Stephan will unbedingt shoppen gehen und trotz meiner demonstrativen Unlust müssen wir zur CMZI Mall laufen, die wie so vieles in dieser Stadt den Mormonen gehört. Wie zu erwarten war, hat diese um 9.00 Uhr morgens noch nicht geöffnet und so ziehen wir unverrichteter Dinge wieder ab.
Dennoch ist Stephan nicht zu bremsen, er hat ein Outlet Center nordöstlich von Salt Lake City ausfindig gemacht und da müssen wir jetzt hin. Na gut, es liegt immerhin auch so grob auf dem Weg und so fahren wir nach Park City ins Tanger Outlet Center und Stephans Augen glänzen, als er die Store Signs sieht. Der erste Weg führt ihn aber zum Center Management, denn ohne Couponheft läuft für ihn nichts. Wir begeben uns auf eine wahre „shopping spree“, die mehrere Stunden andauert bis wir alle relevanten Läden durchhaben und ich meine Erschöpfung nicht länger verhehlen kann. Stephan beherrscht die Fähigkeit, die Ausgabe eines fast vierstelligen Dollarbetrages als Sparen zu empfinden. Mich packt doch schneller das schlechte Gewissen.
Schließlich fahren wir weiter und halten bei Subway für ein mittägliches Sandwich. Die mexikanischen Angestellten kann ich bei ihrem Brotsorten-Käsesorten-Belagsorten-Beilagen-Kreuzverhör kaum verstehen, was mir sehr unangenehm ist. Allerdings stelle ich fest, dass es den Amerikanern hinter mir nicht anders geht, das beruhigt mich wieder, dann liegt es vielleicht nicht nur an mir. Unser heutiges Ziel ist Jackson Hole südlich des Grand Teton NP. Wir fahren auf der # 26 durch einsame Ödnis, die sich nur dadurch auszeichnet, dass sich hier der erste Atomreaktor der Welt, der Experimental Breeder Reactor #1 befindet. Wir haben keine Zweifel darüber, warum ein solches Experiment gerade hier gemacht wurde. Zitat Stephan: Hier sieht es so oder so aus wie nach einem Atomschlag, das merkt dann wenigsten keiner, wenn was schief geht. Im Reiseführer steht, dass das Gebiet viele Jahre wegen erhöhter Radioaktivität gesperrt war und nur ohne Stopp durchfahren werden durfte. Da sich unser technisches Interesse in Grenzen hält, fahren auch wir lieber ohne Stopp weiter. Man weiß endgültig, dass man in einer trostlosen Gegend ist, wenn der lokale Fastfood Place damit wirbt, „Home of the Atomic Burger“ zu sein.
Speedlimit ist 65 mph aber da weit und breit weder ein Auto noch eine Ortschaft zu sehen sind, lässt sich Stephan von mir dazu anstiften, schneller zu fahren. Was ich nicht weiß, er fährt sowieso schon 75 mph als er noch mal 5 mph auf den Tempomat drauf gibt. Es kommt, wie es kommen muss. Wie eine Fata Morgana erscheint vor uns ein police car als wir über eine Kuppe kommen. Wir können beobachten, wie es direkt hinter uns wendet und dann mit blinkenden Lichtern hinter uns her fährt. Man kennt das ja aus Filmen. Shit! Wir halten langsam an und bleiben erwartungsvoll sitzen als Mr. Police Officer zu unserem Wagen läuft. Jetzt helfen auch kein Zerknirschtsein und keine Reue mehr, bei 15 mph drüber gibt es kein Pardon. Er lässt sich die Papiere geben und akzeptiert auch Stephans deutschen Chipkarten-Führerschein anstandslos. Ich bin erleichtert, denn ich hatte befürchtet, dass es damit Probleme geben könnte. Immerhin ist der tolle neue Euro-Führerschein so international, dass nur noch auf Deutsch drauf steht, dass er zur Führung eines Fahrzeugs berechtigt. Woher soll der amerikanische Officer dann wissen, dass dieses hübsche Stück Plastik nicht Stephans Bibliotheksausweis ist? Es dauert dann auch ganz schön lange, bis das Ticket geschrieben ist und wir können im Rückspiegel beobachten, wie beide Officer ziemlich ratlos auf den Führerschein gucken. Die Fine ist ordentlich und so müssen wir für das Speeding Ticket $75 berappen. Der Officer will noch ein bisschen Konversation treiben, von wegen wo wir hin wollen etc. Uns ist nun überhaupt nicht mehr nach Smalltalk, wir lassen ihn ziemlich wortkarg abblitzen und schleichen mit den vorschriftsmäßigen 65 mph weiter. Die Fahrt zieht sich unbarmherzig in die Länge, was sicherlich auch ein psychologisches Problem ist, weil wir ja nun alle vorgegebenen Geschwindigkeiten brav einhalten und überhaupt nicht das Gefühl haben voranzukommen.
Schließlich erreichen wir Jackson Hole, wo auch endlich die Landschaft wieder ein bisschen interessanter wird und wir was zum Gucken haben. Wir checken im Super 8 Motel ein, bekommen allerdings für unsere $60 ein ziemlich abgewirtschaftetes Zimmer auf dem 1st floor direkt neben der Tür. Wir breiten die Errungenschaften des Tages auf den Betten aus und entfernen alle Schilder und anderen Hinweise, dass es sich um neu gekaufte Sachen handelt. Nun können wir auch alle Shopping Receipts zusammenrechnen und endgültig der Tatsache ins Auge sehen, dass wir heute viel Geld ausgegeben haben.
Zum Abendessen fahren wir in die Stadt, wo ein rustikales Steakhouse in Blockhouse-Optik unser Interesse weckt. Beim Blick auf das Menu nehmen wir aber Abstand davon, der Tag war zu teuer als dass wir uns hier jetzt noch Game Grill Platter für $30 gönnen wollen. Der Chinese nebenan tut es auch und gibt uns das gute Gefühl, heute doch noch ein klitzekleines Bisschen gespart zu haben.

Übernachtung: Super 8 Jackson, 57 Euro

Doreen & Andreas

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #57 am: 20.12.2005, 11:57 Uhr »
Zitat von: Ole Miss
ins Tanger Outlet Center und Stephans Augen glänzen, als er die Store Signs sieht. Der erste Weg führt ihn aber zum Center Management, denn ohne Couponheft läuft für ihn nichts. Wir begeben uns auf eine wahre „shopping spree“, die mehrere Stunden andauert bis wir alle relevanten Läden durchhaben und ich meine Erschöpfung nicht länger verhehlen kann. Stephan beherrscht die Fähigkeit, die Ausgabe eines fast vierstelligen Dollarbetrages als Sparen zu empfinden. Mich packt doch schneller das schlechte Gewissen.

Irgendwie spielt Ihr verkehrte Welt...  :D
Aber der Bericht ist klasse, liest sich einfach super  :daumen:
Viele Grüße,
Andreas
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Ganimede

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #58 am: 20.12.2005, 12:55 Uhr »
Zitat von: Ole Miss
Tag 9: Sonntag, 16.10.05
Wir werden ins North Visitors’ Center zu einer mehr als kitschigen Jesus-Statue geführt und eine männliche Stimme spricht über Lautsprecher das Glaubensbekenntnis der Mormonen.


Das haben wir auch erlebt, weil meine Frau dachte es wäre eine ganz "normale" Touri-Info. Bei uns sprach Jesus sogar auf Deutsch  :schlafend:   ----  nach 2 Minuten war ich wieder auf der Straße

 :nixwieweg:

Super schöner Reisebericht, sehr ausführlich geschrieben. Übrigends haben wir gelesen, dass die Straßen in Salt Lake City so breit sind, damit eine Kutsche mit Pferden ohne zurückzusetzen wenden kann.

In Jackson Hole gibt es einen nette Micro Brewery mit Musik.

Anonymous

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Re: 5000 Meilen durch den Westen der USA - Oktober 2005
« Antwort #59 am: 20.12.2005, 13:06 Uhr »
Zitat von: Ganimede

Übrigends haben wir gelesen, dass die Straßen in Salt Lake City so breit sind, damit eine Kutsche mit Pferden ohne zurückzusetzen wenden kann.


Ja, das haben sie uns auch erzählt und das war natürlich auch eine Idee von Brigham Young, wie sollte es anders sein...

LG,
Ole Miss  :wink: