18. Tag / Montag, 06.06.2005„Donnerndes Wasser“ – Wir kommen!
Zu hören ist noch nichts, aber es wird langsam belebter. Wir schlängeln uns auf der Regional Road 15 und 63 unserem Ziel entgegen.
So, jetzt noch mal rechts abgebogen – ja, was ist denn das??
Wir lesen nur noch: „Motel, Motel, Motel – Gentlemens – Club – Massage, Motel…“ usw usw. Schlimmer als auf der Reeperbahn, nur mit mehr Motels und Hotels dazwischen.
Das kann nur bedeuten, wir müssen fast da sein.
Zu hören ist aber immer noch nichts.
Dann wird es richtig belebt. Auch der Verkehr nimmt merklich zu.
Meine Frau will wissen, ob ich denn auch weis, wo es lang geht.
Hä?? Eine Frage, wie sie nur von Frauen gestellt werden kann. War ich vielleicht schon mal hier?
Da muss man eben nach Gefühl und Sicht fahren.
Wie es mit dem Parken sein würde hatte ich mir allerdings auch schon überlegt. Was soll es. Es wird sich schon was finden.
Wenn man bereits mit dem Wohnmobil in Monaco war
(hier hatte ich übrigens das erste Parkhaus nur für Wohnmobile gesehen
), dann würde man doch auch hier zurechtkommen.
Noch zweimal abgebogen und wir standen am Skylon-Tower.
Eine gute Möglichkeit, sich einen Überblick zu verschaffen. Im wahrsten Sinn des Wortes.
Und wie war das mit dem Parken? Wir haben hier zwei Plätze zur Auswahl. Der am Tower ist wohl zeitlich begrenzt (nicht so günstig) und der andere soll wohl für den ganzen Tag 5 CAN$ kosten. Ist ja auch nicht die Welt. Außerdem sitz noch keiner im Häuschen und die Schranken sind offen. Also, rein und parken. Freie Auswahl. So einfach ist das an einem Weltwunder.
Zu hören ist… - moment – doch, ein entferntes Rauschen.
Das können wir jetzt doch nach dem Aussteigen hören. Aber zu sehen ist nichts.
Nur der riesige Tower.
Mal sehen, was es kostet. Für zwei Erwachsene 23 CAN$ (= gut 15 EURO), da kann man wirklich nicht meckern.
Unser Fahrstuhl Nr. 3, besetzt nur mit 4 Personen, uns inclusiv, schießt hoch
und V
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dann V
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[/b]sieht man das.Die Horseshoe Falls
und etwas seitwärts
Die America Falls.
Da haben wir unseren Überblick.
Zuerst ist man einfach nur still.
Der Körper führt einen verdeckten Kampf, Gänsehaut auf Grund der Aussicht gegen kühlen Wind (fast Sturm), denn die Aussichtsplattform ist nicht verglast, sondern nur mit Maschendraht eingezäunt.
Wir befinden uns hier auf einer Höhe von 236 Metern. Das „Lüftchen“ treibt einen schon die Tränen in die Augen, wobei man sich eingestehen muss, dass die auch da wären, wenn es völlig windstill wäre.
Die ersten fünf Minuten bewegen wir uns auf der Plattform wie im Traum.
Das Gehirn will es einfach nicht realisieren, dass dieser Anblick, den man ja im Film und Fernsehen schon sehr oft gesehen hat, jetzt Wirklichkeit ist.
Nach und nach umrunden wir die ganze Plattform, bekommen so einen Eindruck vom Ort „Niagara Falls“. Man könnte auch sagen, vom Wahnsinn, den die Menschen hier um dieses Naturschauspiel herum geschaffen haben.
Aber das ist jetzt absolut nachrangig.
Dieser einzigartige Anblick des Flusses und der Fälle wird von uns in allen Einzelheiten aufgesogen.
Bis wir der Meinung waren, jetzt ist wirklich auch das letzte Detail abgespeichert. Wie lange wir auf der Plattform waren, weis hinterher keiner von uns beiden mehr.
Als wir wieder unten ankamen hatten wir auf jeden Fall leicht weiche Knie. Nicht wegen der Höhe, die waren wir aus den Bergen ja gut gewohnt. Es waren wohl die Emotionen, die Adrenalin pur freigesetzt hatten.
Nun wollten wir alles aber mal richtig aus der Nähe sehen.
Keine 5 Minuten und wir waren auf der Straße am Wasser. Der Fluss selbst war natürlich viele Meter unter uns, wir befanden uns ja auf der Höhe der Abbruchkante.
Was uns sofort auffiel, war die absolute Sauberkeit. Und überhaupt kein Rummel. Ich hätte jetzt alle zwei Meter einen Eisstand, einen Coffee-Shop und einen Imbiss erwartet. Fehlanzeige – zum Glück.
Ich hätte zwar zur Feier des Tages gegen einen leckeren Kaffee nichts einzuwenden gehabt, aber so war es doch angenehmer.
Es wehte auch hier unten eine frische Brise. Je näher wir zu den Fällen kamen, umso mehr war sie mit ganz feinen Wassertröpfchen versetzt. Bei der aufkommenden Wärme war das sehr angenehm.
Wir wollten zum Table Rock. Das ist das Haus, wo auch die Tour hinter die Fälle stattfindet.
Auf dem Weg trafen wir alle Völker dieser Erde. Viele Asiaten, Südamerikaner, orthodoxe Juden, einfach alle Schattierungen. Zum Glück waren nicht sehr viele Leute unterwegs. Für Niagara Falls wahrscheinlich ein besuchsarmer Tag.
Table Rock selbst, ein älteres Gebäude aus Sandstein, war auch sehr dezent gehalten. Keine riesigen Leuchtreklamen oder ähnliches. Erst wenn man direkt am Gebäude war, erkannte man die Restaurationen und Geschäfte innen. Wir sahen uns um, hatten uns aber gegen die Tour mit dem Fahrstuhl hinter die Fälle entschieden. In einem großen Laden für Kitsch und Andenken hatten wir die Leute gesehen, die von der Tour kamen. Nasse Haare und alle ein gelbes Plastikleibchen. Aber clever, die Tour praktisch in dem Geschäft enden zu lassen. So konnten sie den Kaufverlockungen kaum entgehen.
Wir wollten etwas anderes machen. Mit der „Maid of the Mist“ direkt in die Gischt der Horseshoe Falls.
Wir hatten die Boote mit ihren blauen Männchen (von den blauen Regenumhängen) bereist beobachtet. Und natürlich fotografiert.
Zum Anleger mussten wir wieder zurück, am Skylon Tower vorbei Richtung Rainbow Bridge. Die Brücke, die das canadische mit dem amerikanischen Niagara Falls verbindet. Den Abstecher auf die amerikanische Seite hatten wir gestrichen, als wir gelesen hatten, dass man pro Person 6 US-Dollar zahlen sollte (canadische Dollar werden nicht akzeptiert.).
Das saubere, gepflegte Bild setzte sich auf der Uferpromenade fort. Schicke alte Laternen mit Blumenkübeln daran, keine Buden oder fliegende Händler – alles sehr angenehm. Das hätten wir nicht gedacht.
Der Anleger zu den Booten war von der Straße fast nicht zu erkennen. Nur ein dezentes Schild und eine fast schon repräsentative Treppe.
Die Anlage selbst, war praktisch komplett in den Fels eingelassen. Wenn man sein Ticket hatte (auch den Preis für diese Weltsensation fanden wir sehr moderat
) wurde man mit einem Fahrstuhl auf ein tieferes Niveau gebracht und kam dann durch einen langen durch den Fels gehauenen Gang wieder ins Freie.
Die amerikanischen Fälle lagen jetzt fast genau gegenüber. Man hatte einen tollen Blick auf die andere Seite, vor allem, weil man jetzt alles aus einer anderen Perspektive (der Höhe des Flusses) sah.
Wir bekommen unsere blauen Plastikmäntelchen, sogar mit Kapuze, und versuchen alles andere (z.B. Fotoapparat) wasserdicht zu verstauen.
Es ist der blanke Wahnsinn.
Zuerst dicht ran an die amerikanischen Fälle, sozusagen als Vorgeschmack. Und dann, in den Hexenkessel der Horseshoe Falls. Man taucht völlig in die Gischt ein. Links, rechts, oben – alles nur weiß. Es ist nichts mehr zu sehen (warum fotografieren hier einige immer noch und warum funktionieren deren Digitalkameras auch noch in diesem Wassernebel?) und in dem Donnern des Wassers auch nichts mehr zu hören.
Ein einmaliges Erlebnis, das man sich nicht entgehen lassen sollte.
Die Plastikmäntelchen hatten uns gute Dienste erwiesen, aber etwas nass wird man schon. Kein Problem bei dem Wetter.
Auch hier endet die Tour in einem Andenken- und Kitsch-Laden. Wirklich alles sehr clever bedacht.
Das anschließende SB-Restaurant ist auch völlig in den Fels eingelassen, mit einem tollen Blick auf beide Fälle. Gerade richtig für eine kleine Pause. Und man hält es nicht für möglich, aber ausgerechnet hier essen wir den besten Burger der ganzen Reise.
Niagara ist wohl immer für eine Überraschung gut.
Nach dieser Stärkung wollen wir noch die „Vergnügungsmeile“ von Niagara erkunden. Es ist nicht weit und liegt sogar in Richtung unseres geparkten Wagens.
Las Vegas in Miniformat?? Oder zumindest so ähnlich!? (Wir waren noch nicht in Las Vegas)
Ein Restaurant, eine Bar und ein Spielpalast neben dem nächsten. Jeder greller, bunter, mit größerer Werbung als der Nachbar.
Diverse „Museen“. Die größten und schrecklichsten Verbrecher, die dicksten Schauspieler usw.
Von den Giftshops und Klamottenläden gar nicht zu sprechen. Jeder möchte uns in seinen Laden zerren.
Doch wir haben unsere eigene Vorstellung und unsern eigenen Kopf.
Wir gehen in einen „Spielpalast“ (nur Automaten- / Freizeitspiele, keine Gewinnspiele). Der Laden ist nicht nur riiiesig, sondern hier kann man Automaten sehen, die man aus Deutschland überhaupt nicht kennt. Wir entscheiden uns stilecht für Eishockey. Nach Anzeige des Automaten: USA gegen Canada. Ich bin Canada und verliere 2 : 3.
Die Frau freut sich hämisch. Das Leben ist nicht fair!!
Aus der Entfernung sahen wir noch ein „German Restaurant“. Schön kitschig. Wir wollten es uns eigentlich noch näher ansehen, hatten dann aber einen falschen Weg eingeschlagen.
Inzwischen hatten wir einen ganz schön langen Weg in den Beinen. Ein Geldautomat und eine Drogerie musste auch noch gefunden werden. Mal sehen, wie wir den Wagen vom Parkplatz bekamen, bzw. was es kosten würde. Alles war unverändert und wir verließen den Parkplatz, wie wir gekommen waren. Sehr unkompliziert, sehr preiswert (umsonst)
und somit sehr zu empfehlen.
Wir fuhren den Niagara Parkway nach Norden.
Der war in unseren Unterlagen als „sehr schön“ beschrieben worden. Das war eher noch untertrieben!
Vorbei ging es an prächtigen Villen und durch viel Grün. Es erinnerte an eine englische Parklandschaft.
Sehr angenehm war auch, dass hier maximal 60 km/h erlaubt waren. Man konnte so ganz gemütlich bummeln ohne als Schleicher angesehen zu werden, denn man hielt sich ja an die Verkehrsregeln. Noch nie hatte ich einer Geschwindigkeitsbegrenzung – und auch noch so einer niedrigen – so positiv gegenübergestanden.
Den nächsten Halt machten wir am Spanish Aerocar. Das ist eine art offene Drahtseilbahn.
Sie überquert an einem gut 500 m langen Stahlseil die Schlucht des Niagara River. Das Besondere ist, dass genau an dieser Stelle die Strömung einen Kessel ausgehöhlt hat, in dem mächtige Strudel das Wasser in einen todbringenden Schlund zu saugen scheinen. Netter ausgedrückt: „Der Whirlpool“.
Nichts für schwache Nerven, aber wir sind fest entschlossen, diesen Nervenkitzel auch noch mitzumachen. Geschlossen. Heute ist zu viel Wind.
Wir lassen uns weiter auf dem Parkway treiben.
Links von uns tauchen die ersten Weinfelder auf. Diesem Thema wollen wir uns erst morgen widmen.
Was wir eigentlich mit diesem angebrochenen Tag noch machen wollten, wussten wir gar nicht so richtig. Wir zogen durchaus auch in betracht umzukehren, um uns noch die Fälle bei Nacht mit der geilen Illumination anzusehen. Es waren ja jetzt alles keine großen Entfernungen.
Das Ortseingangsschild „Niagara-on-the-Lake“ tauchte auf.
Gibt es Liebe auf den ersten Blick? – Ja, sicher!
Aber kann man sich in einen Ort, in eine Stadt, auf den ersten Blick verlieben? Wirklich innerhalb der ersten Minuten?
Man kann!!!
In Niagara-on-the-Lake haben wir es erlebt. Hier muss man einfach anhalten, was zum Glück auch kein Problem war.
Am Anfang der Hauptstraße wurde man gleich vom „Prince of Wales Hotel“ begrüßt.
Ein Gebäude, wie eine Filmkulisse. In dem Stil, nicht mehr ganz so groß und so prächtig setzte es sich im Ort fort. Alle sehr british. Und sehr reich! Sehr, sehr reich!!
In einer halben Stunde hatten wir hier im Ort die Modellpaletten der Luxuslimousinen aller führender europäischer(!) Hersteller gesehen. Einschließlich der Modelle, die in Europa gerade einige Wochen auf dem Markt waren.
Aber, diese vermögenden Einwohner bemerkte man nicht, man sah sie nicht. Wir jedenfalls nicht.
Das Städtchen war einfach nur gemütlich. Von der Hauptstraße wurde man magnetisch angezogen.
Ganz entspannt in der Abendsonne hinunterbummeln. Nach 300, 400 m die Seite wechseln und zurück. Geschäfte gucken. Wenn man Glück hatte, sah man sich am Schaufenster satt, wenn man Pech hatte ging man hinein. Oder umgekehrt.
Gleich bei J.W.NORTH in der 11. Queen Street konnten wir nicht widerstehen. Ich bin fasziniert. Armbanduhren mit einem Gehäuse aus Holz, zum Teil sogar mit einem hölzernen Gliederarmband. Und alle in einem super Design. (
www.tensewatch.com – für Interessierte)
Genau das richtige Mitbringsel. So werde ich (fast) jeden Tag, wenn ich auf die Uhr sehe an Canada, an Niagara-on-the-Lake erinnert.
Wenn nur das Aussuchen nicht so schwer wäre. Ich hätte fast alle mitnehmen können, habe mich dann aber doch für eine entschieden.
Wir wollen uns noch etwas für den nächsten Tag aufheben, was wir ansehen können. Das wir über Nacht hier bleiben ist schon keine Frage mehr.
Wir parken unser WoMo um. Ganz in der Nähe ist ein kleiner Park, mit schönem Parkplatz, Toilettenhäuschen und den unvermeidlichen Tisch-Bank-Kombinationen. Und natürlich, alles direkt am Wasser.
Einige Einheimische sitzen hier noch beim abendlichen Picknick.
Mit dem Stadtplan aus dem Laden können wir uns auch orientieren. Wir sitzen genau an der Mündung des Niagara River in den Ontarion See.
Rechts ist der Fluss und links der See.
Das Gebäude gegenüber ist das Fort Niagara, also bereits Staatsgebiet der USA.
Ein würdiger Platz um den Tag zu beschließen.
Fortsetzung folgt