Dienstag, 25. April 2006Auch heute funktionierte das Wachwerden wieder vorm Weckerklingeln. Um 5.45 Uhr stand ich auf, Besuch im Badezimmer, Krempel zusammenräumen und um 6.20 Uhr war ich im Trail End Coffee Shop. Auch hier war die Qualität “na ja”: Hätte man mein Spiegelei wieder in ein Ei verpackt und einer Henne untergejubelt, dann hätte es definitiv noch eine gute Chance gehabt, doch noch ein Küken zu werden...
Nach dem Frühstück unternahm ich die ersten Wanderungen dieses Tages: Nämlich vom Zimmer zum Auto, um mein Gepäck dorthin zu schaffen. Es ist unglaublich, was für Wege man in den Hotels zurücklegen muss
Auschecken, tanken, Kühlbox frisch auffüllen - obwohl ich schon so zeitig wach war, bin ich erst um 8.45 Uhr mit allem fertig gewesen. Das muss besser werden
Über den I-15 fuhr ich dann bis zur Ausfahrt 272 - Cima Road.
Die Cima Road ist eine sehr schöne Strecke, die durch regelrechte Joshua Tree Wälder führt.
Ziemlich genau in der Hälfte der Straße ist der Parkplatz zum Teutonia Peak Trail und dort stellte ich Blazy ab. So ganz wohl war mir ja nicht, ihn direkt an der Straße stehen zu lassen, aber es gab ja keine andere Möglichkeit.
Die ersten zwei Drittel des Trails führt die Strecke fast unmerklich ansteigend durch einen Joshua Tree Wald - sehr schön.
Dann wird der Weg kurvig und windet sich durch eine kleine Felslandschaft mit Joshua Trees und Kakteen zum Teutonia Peak hoch. Die Aussicht oben ist zwar nicht überwältigend aber schon irgendwie schön. Aber vor allem gilt auch hier mal wieder: der Weg ist das Ziel.
Oben, am Trail-Ende (wenigstens konnte ich nicht entdecken, wo der sonst noch weitergegangen wäre) sah ich dann plötzlich in einem Strauch drei faustgroße Kokons
Einer davon besaß ein Innenleben, welches sich bewegte
Sofort fielen mir diverse Horrorfilme mit Riesenspinnen ein, bei denen in so einem Moment der Zuschauer dann hinter der betroffenen Person ein übergroßes, behaartes Spinnenbein sieht...
Ich wollte jedenfalls überhaupt nicht wissen, was da drin heranwächst und trat schleunigst den Rückweg an, denn die Gegend war mir jetzt nicht mehr geheuer. So schnell, wie ich wieder vom Teutonia Peak runter war, so schnell konnte man gar nicht schauen!
Dann spürte ich ein äußerst unangenehmes Stechen oberhalb der rechten Ferse: Der Schmerz kam mir sofort vertraut vor - alles war total aufgescheuert...
Mist! Wieso das? Meine Wanderschuhe waren doch schließlich gut eingelaufen! Ich verarztete mich notdürftig und marschierte weiter. Nach ein paar Hundert Metern meldete sich dann die andere Ferse...
Dass ich trotzdem das Auto erreicht habe und nicht der Teutonia-Peak-Riesentarantel zum Opfer fiel, merkt man am Reisebericht.
Ich fuhr also weiter. Nach dem Parkplatz hat die Cima Road mehrere große Schlaglöcher, in die man besser nicht mit voller Geschwindigkeit reinrauschen sollte! Sofort wurden Kindheitserinnerungen wach und ich überlegte, ob nach der Wende nicht nur die Berliner Mauer stückchenweise verkauft wurde, sondern auch die ehemaligen Straßen aus der DDR
Das Landschaftsbild entlang der Cima Road änderte sich und es waren keine Joshua Trees mehr zu sehen. Dafür sah man in der Ferne die Kelso Dünen inmitten der eher grauen Landschaft.
In Cima, der „Ort“ bestand eigentlich nur aus dem Post Office, bog ich auf die Kelso Cima Road ab, die parallel zu den Gleisen der Union Pacific Railroad verläuft.
Ich erreichte die Ghost Town Kelso, wo man nur noch das ehemalige Post Office und das restaurierte Bahn-Depot findet. In diesem schlenderte ich durch die Ausstellung und machte ein paar Bilder.
Hinter Kelso bog ich nach links auf die Kelbaker Road ab und erreicht nach 8 Meilen den Abzweig zum Parkplatz bei den Dünen. Von dort aus führt eine drei Meilen lange Gravelroad zum Parkplatz an den Dünen.
Von dort wäre es noch mal schätzungsweise eine halbe Meile bis zu den Dünen selbst gewesen. Auch innerhalb der Dünen kann man rumlaufen, man sah aus der Ferne ein paar kleine pistenähnliche Wege.
Da aufgrund der aufgescheuerten Fersen nicht an das Tragen von geschlossenen Schuhen zu denken war und Sandalen im Sand auch nicht so das Wahre sind, beließ ich es damit, den Weg Richtung Dünen ein paar Hundert Meter zu laufen und dann wieder umzudrehen. Zudem war es 1 Uhr mittags und die Sonne knallte erbarmungslos vom Himmel, was die Angelegenheit nicht vereinfacht hätte.
Daher entschloss ich mich, nun noch einen anderen Teil der Mojave National Preserve unter die Lupe zu nehmen und fuhr Richtung Cima zurück.
Unterwegs sah ich dann einen Zug auf den Gleisen entlang der Strasse und musste natürlich ein Bild davon machen. Markus scheint mich damit angesteckt zu haben
Ein paar Meilen vor Cima fuhr ich nach rechts auf die Cedar Canyon Road und diese wurde dann nach ein paar hundert Metern unpaved. Sie war breit wie ne Autobahn, hatte aber ziemlich hartes Washbord. Das Gehoppse vom Auto und bissl Sand war aber auch schon alles - zum Fahren keine Schwierigkeit.
Nach 5 Meilen bog ich dann auf die Black Canyon Road ab - ebenfalls unpaved und vom Zustand her wie die Cedar Canyon Road.
Beim “Hole in the Wall” hielt ich zwar kurz an, aber dort war alles verlassen. Also fuhr wieder los, nur um gleich wieder scharf zu bremsen, denn ein lebensmüder Roadrunner wollte sich mir vor`s Auto werfen. Ich rettete ihm das Leben.
Die Black Canyon Road zweigte auf die Essex Road ab und verlief durch eine faszinierend karge Gegend Richtung Süden.
Gegen 16 Uhr war ich am I-40 und ich entschloss mich, über die Wüstennester Essex und Amboy weiter zu fahren. Die Bezeichnung Nest ist noch übertrieben. In Essex sieht man nur das Post Office, in Amboy strahlt einem zwar das Roy´s Cafe entgegen, das ist dann aber auch schon wieder alles.
Auf dieser Strecke wurde Blazy dann erneut von einem lebensmüden Vogel auserkoren: Plötzlich kam er niedrig aus einem Gebäusch geflattert. Diesmal war leider nix mehr mit Bremsen und er flog mir genau an die Windschutzscheibe, ein paar kleine Federn flatterten durch das offene Fenster ins Auto... Das dämpfte dann erst mal meine Freude über diesen bisher so schönen Tag
War die Landschaft vorher schon sehr karg, so lernte ich nun, dass es noch eine Steigerung gibt. Außer trockenem Boden mit ein paar Sträuchern und Felsen gibt es keinerlei Vegetation.
Man muss Wüstenregionen schon sehr lieben, um mit dieser Landschaft klar zu kommen.
Mir fiel eine Episode von 1997 ein: Annett und ich machten in Peach Springs auf der Route 66 in einem Café eine Pause und kamen mit einem deutschen Ehepaar ins Gespräch. Beide waren total erschlagen von der Kargheit der Landschaft und fühlten sich total unbehaglich. Im Gespräch stellte sich heraus, dass sie erst im Joshua Tree National Park waren (wo es ihnen sehr gut gefallen hatte) und dann genau über diese Wüstennester in Richtung Route 66 zwischen Kingman und Seligman gefahren sind. Sie jammerten, dass es keine Bäume gibt, kaum Ortschaften, nur Hitze, Staub und Felsen...
Einstimmig sagten sie, dass wenn ihnen dies jemand erzählt hätte, wären sie nie in die USA gefahren. Daher werde ich mich auch hüten, diese Strecke jemandem zu empfehlen. Das ist nicht jedermanns Sache! Ich aber war begeistert. Ich liebe es, durch solche kargen Gegenden zu fahren, wenn die Hitze über dem Asphalt flimmert, ein heißer Wind durch´s Fenster weht und die Musik laut aufgedreht ist.
Ich durchfuhr das Wonder Valley zwischen Amboy und Twentynine Palms. Das “Wonder” interpretierte ich so, dass es ein Wunder ist, dass dort tatsächlich Leute leben und vor allem fragte ich mich, von was sie leben
Um 18 Uhr erreichte ich Twentynine Palms. Weil ich keine große Lust zum Motel- und Preisvergleich hatte, fuhr ich gleich zum Motel 6. Pro Nacht 39,95 $ war akzeptabel und ich schaffte mein Zeug ins Zimmer. Dann fuhr ich aber gleich noch mal los, denn so langsam meldete sich der Hunger.
Ich landete zwei Blöcke weiter im Carousel Café. Ich entschied mich für ein 12 oz Sirloin Steak mit Folienkartoffel, dazu gehörte noch eine Suppe, Salat, Gemüse und ein Bisquit-Brötchen. Ach je, warum müssen die Portionen immer so groß sein? Ist doch schade, wenn dann die Hälfte weggeschmissen wird.
Zurück im Motel stellte ich nach dem Duschen fest, dass ich mir wieder einen ausgewachsenen Sonnenbrand geholt hatte, ich war wohl mit der Sonnecreme zu sparsam umgegangen ...
Na ja, ist ja schließlich mein erster Urlaub im Südwesten, da macht man noch solche Anfängerfehler...
Dann wollte ich endlich damit anfangen, meinen Reisebericht zu schreiben. Vorher spielte ich die Bilder auf´s Notebook und stellte fest, dass der Akku so gut wie leer ist. Also habe ich das Kabelgedöns und den Zwischenstecker rausgekramt und zusammengestöpselt - Krise!
Der Stecker rutschte immer aus dem Zwischenstecker raus, sobald man ihn nur ansah. Ich war fast so weit, dass ich eines meiner kostbaren Pflaster geopfert hätte. Mit äußerster Vorsicht, damit ich ja nicht am Kabel wackelte, fing ich an zu schreiben und war sehr, sehr neugierig, ob der Akku bald endgültig leer ist oder ob er tatsächlich lädt.
Um 23.30 Uhr war ich dann mit dem Reisebericht auf dem Laufenden. Und siehe da, der Akku war auch wieder voll
Ich habe noch schnell ein paar Seiten gelesen und dann ganz fix das Licht ausgeschaltet.
Gefahrene Meilen: 228