Da wir gerade über Hochhäuser sprechen.......
Was hat denn nun den durchschnittlichen Deutschen am meisten fasziniert in New York City?
Interessanterweise ähneln sich die Reiseberichte der damaligen Zeit sehr. Im Wesentlichen werden drei Dinge immer wieder genannt:
- die Hochhäuser,
- der Verkehr
- und die Schnelligkeit und zugleich Einfachheit des Lebens.
Gehen wir mal diese Besonderheiten durch:
1. Die Hochhäuser
Die Entwicklung von höheren Gebäuden beschränkte sich jahrhundertelang auf solche mit besonderer Symbolkraft, insbesondere Kirchen (wobei viele Kirchen ihre imposanten Kirchtürme erst im 19. Jahrhundert erhielten).
Normale Gebäude erreichten hingegen nur wenige Stockwerke.
Ein Hauptproblem war dabei, dass bei der traditionellen Bauweise aus Stein die Masse der oberen Stockwerke auf den Wänden der unteren lag. Je höher das Haus wurde, desto massiver – also dicker – mussten die unteren Wände werden. Dies stieß nicht nur schnell auf technische Grenzen, sondern schränkte natürlich wegen der dicken Außenwände und der Notwendigkeit von weiteren tragenden Wänden die Benutzung der unteren Stockwerke ein.
Ein zweites Problem war der Transport der Menschen in höheren Gebäuden. Mal ehrlich, wer wollte denn – gerade als begüteter Erbauer eines Hauses - mehr als 1 oder 2 Stockwerke über Treppen hochlaufen? Entsprechend findet man in älteren Häusern heute noch die Aufteilung, wonach die besseren Wohnungen in den unteren Etagen waren (weil da die Eigentümer wohnten).
Doch gerade in Ballungszentren wuchs mit der steigenden Zahl von Bevölkerung und (Büro)Arbeitskräften einerseits und dem teureren Baugrund andererseits der Wunsch nach höheren Häusern. Drei technische Entwicklungen sorgten im 19. Jahrhundert dann für die Möglichkeit, wirklich hohe Häuser zu bauen.
Erstens die Erfindung der Stahlbauweise, wonach also Häuser aus einem Skelett von Stahl bestehen, das dann nur noch verkleidet werden muss. Ein Chicagoer Architekt setzte diese Methode 1885 erstmals ein und schuf so das zehnstöckige Gebäude der Home Insurance Company.
Zweitens der Einsatz von modernem Massenstahl, der dem bisher eingesetzten Gusseisen von seiner Festigkeit deutlich überlegen war.
Und drittens: die Erfindung von absturzsicheren und schnellen Aufzügen.
Jetzt stand dem Bau wirklich hoher Häuser nichts mehr im Wege. Schon aufgrund des knappen und damit besonders teuren Baugrunds und des für Bautätigkeit gut geeigneten felsigen Untergrundes war Manhatten wie geschaffen für diese Aufgabe. In kurzen Abständen entstanden immer höhere Häuser. Um nur ein paar Wegmarken zu nennen:
1888 Tower Building, 13 Stockwerke, 49 Meter
1899 Park Row Buildung, 29 Stockwerke, 119 Meter
1909 Metropolitan Life Building, 52 Etagen, 213 Meter
1913 Woolworth Building, 55 Stockwerke, 240 Meter.
1929 – damals standen schon fast 2500 Gebäude mit mehr als 10 Stockwerken in New York City – bahnte sich ein weiterer Wettkampf an. Zunächst zwischen dem Chrysler Buildung und dem Gebäude der Manhattan Co. Durch einen Trick – im Inneren des Gebäudes wurde heimlich eine Stahlkappe zusammengebaut, die dann auf das fertige Gebäude gestellt wurde – gewann das Chrysler Buildung zunächst mit 319,4 Metern den Kampf.
Zu diesem Zeitpunkt war das Empire State Building schon in der Planung. Trotz der einsetzenden Wirtschaftskrise wurde der Turm noch höher geplant – 320 Meter. Und damit man sich wirklich sicher sein konnte, nicht durch einen erneuten Trick von Chrysler den Titel des höchsten Gebäudes zu verlieren, setzt man in einer weiteren Planung einen 61 Meter hohen Mast zum Andocken von Luftschiffen oben drauf.
In nur 13 Monaten wurde das Hochhaus errichtet und im Mai 1931 mit 381 Metern Gesamthöhe (449,5 Meter mit Antenne) feierlich eröffnet.
So beeindruckend das Empire State Buildung auch war – wirtschaftlich gesehen war es ein Flop. Trotz aller Versuche gelingt es nicht, in der nunmehr voll entfachten Wirtschaftskrise genügend Mieter für die Büros zu finden. Von 80 Stockwerken waren anfangs kaum die Hälfte vermietet. Es dauerte 13 Jahre bis das Gebäude erstmals Profit abwarf. Übrigens: an dem Ankermast für Luftschiffe legte nur ein einziges Mal ein Luftschiff an.
Zum Vergleich: das höchste Hochhaus im Deutschen Reich (und zugleich in Europa) – es gab davon ohnehin nur wenige – war zu diesem Zeitpunkt gerade mal 65 Meter hoch. Kein Wunder also, dass die deutschen Reisenden dieser Zeit (und auch heute noch) sich von diesen unglaublich großen Gebäuden geradezu erschlagen fühlten.
2. Der (Auto)Verkehr
Ein deutlicher Unterschied selbst zu deutschen Großstädten war der massive Autoverkehr. Die Motorisierung der Bevölkerung lag in den USA zu dieser Zeit um ein Vielfaches über der Deutschlands oder anderer europäischer Staaten. Grund hierfür war die günstige Massenfertigung von einfachen wie besseren Personenkraftwagen, die sich auch ein normaler Arbeiter und Angestellter leisten konnte. In Deutschland war hingegen ein privat genutztes Auto in den 30er Jahren noch für viele ein Luxus.
C.F. Werner schreibt: „Das unvorstellbarste ist aber der riesenhafte Autoverkehr! Es laufen in New York zirka eine Million Autos, eines hinter dem anderen, meist in zwei Reihen und trotzdem kann man ruhig eine Straße überqueren. Die Straßen sind für unsere Verhältnisse sehr breit, so dass meist in 4 Reihen gefahren wird.“ (S. 13)
3. Die Schnelligkeit und Einfachheit des täglichen Lebens
Was die Reisenden aber ganz besonders faszinierte, waren viele kleine Dinge, die das alltägliche Leben erleichterten. Z.B. dass man Zeitungen einfach gegen Münzeneinwurf aus einem Kasten ziehen konnte (und nicht wie zu Hause im Laden erwerben musste). Oder dass man in der Mittagspause nicht in ein Wirtshaus ging und dort umständlich ein Essen bestellte, sondern sich einfach in einem Selbstbedienungsrestaurant fertig zubereitete kalte und warme Speisen auf ein Tablett stellte und an einer zentralen Kasse bezahlte. Dass in den privaten Haushalten viele aufwändige Arbeiten durch elektrische Maschinen erledigt wurden (Waschmaschine, Spülmaschine) und dass man vorgekochte Mahlzeiten kaufen konnte, die man dann nur einfach aufwärmen musste. Überhaupt: dass man Lebensmittelbestellungen telefonisch durchgab und binnen weniger Stunden die Ware nach Hause geliefert bekam.
Und C.F. Werner schreibt: „Auf dem Heimweg wird ein großes Lebensmittelgeschäft besichtigt. Am Eingang nimmt man einen Korb, holt, was man will, und an der Kasse am Ausgang wird bezahlt. Bedienung ist nur am Fleischstand, im übrigen bedient man sich selbst. Angefangen von der Zwiebel, allem Grünkram, Teigwaren, eingemachten Früchten, Schleckereien, Obst usw. ist hier alles zu haben.“ (Werner, S. 26)
Aha – ein Supermarkt also. Das war natürlich ein bisschen anders als die Tante-Emma-Läden, in denen man in Deutschland einkaufte.
Auch das einfache System der Untergrundbahn sorgt für Bewunderung. Kein umständliches Lösen von unterschiedlichen Fahrkarten für unterschiedliche Strecken, sondern ein Einheitssystem mit Münzen.