09.10.2004 Yosemite – RidgecrestNoch immer beeindruckt von den Impressionen des Vortags wachten wir im zwar einfachen, aber durchaus bequem eingerichteten Zimmer des Motels in Oakhurst auf. Wie üblich begaben wir uns in die Lobby, um das gewohnt karge Frühstück einzunehmen – aber weit gefehlt! Die Lobby quoll förmlich über von Motelgästen, die dort ihr Frühstück einnahmen – einige mussten sogar stehen. Grund hierfür war, dass es sich diesmal nicht um das 08/15 – Standard-Frühstück amerikanischer Motels handelte, sondern durchaus eine gute Auswahl an Heißgetränken, Saft, verschiedene Sorten Kuchen, Toast mit diversen Aufstrichen und Frischobst vorhanden war. Kurzum: Ein richtiges Frühstück. Wir fanden dann sogar noch einen Sitzplatz neben einem älteren Paar aus England und kamen auch gleich ins Gespräch. Das Paar hatte kurz zuvor den Yellowstone NP besucht und nun diskutierte man über Vorzüge und Nachteile im Vergleich mit dem Yosemite.
Nachdem wir uns im anliegenden Supermarkt noch mit Sandwiches eingedeckt hatten und auch der Tank des Pontiac erstmalig sein Recht eingefordert hatte, ging es wieder in den Yosemite NP hinein. Erstes Ziel des heutigen Tages war etwas, was ich schon seit etwa 20 Jahren unbedingt sehen wollte: Die Giant Sequoias des amerikanischen Westens. Viel hatte ich schon über diese Giganten gelesen und im TV gesehen, aber es geht doch nichts über ein Live-Erlebnis. So fuhren wir also nach Fish Camp wieder in den Park und schnurstracks Richtung Mariposa Grove. Gleich am Eingang musste dann natürlich das erste Erinnerungsfoto her, schon mit der ersten Sequoia...
Die Tatsache, dass der Park angesichts der Herbstzeit nur mäßig besucht war, und die doch noch recht frühe Tageszeit sorgte dafür, dass wir locker noch einen Platz am Parkplatz fanden. Horrorgeschichten von Besuchern, die in einem Endlos-Stau durch den Park schleichen, bewahrheiteten sich für uns somit gottlob nicht. Die Wanderung konnte also losgehen. Und wieder half uns der Zufall: Ohne dies irgendwie zu beabsichtigen oder zumindest gewollt zu haben, waren wir die einzigen Besucher, die den Rundwanderweg durch Mariposa Grove im Uhrzeigersinn wanderten. So wanderten wir dann völlig alleine etwa eine halbe Stunde und konnten in aller Seelenruhe die gigantischen Bäume bewundern, bevor wir wieder auf andere Touristen trafen.
Allen „Mitfahrern“, die diese wahrscheinlich größten Lebewesen der Welt noch nie gesehen haben, kann ich versichern, dass es für jemanden, der einigermaßen naturverbunden ist, wohl kaum ein beeindruckenderes Erlebnis geben kann als auf diese Goliaths des Pflanzenwuchses zu treffen. Man muss wirklich erst neben einem solchen Stamm stehen, um die schiere Größe begreifen zu können. Auch wenn es so wirken mag: Ich bin mit 1,80 m und knapp 90 kg auch kein Pygmäe...
Einige hundert Meter weiter trafen wir dann auf einen Bereich, in dem kurz zuvor offensichtlich ein Waldbrand „gewütet“ hat. Wie weiter oben schon erwähnt, werden diese oft von den Park Rangers absichtlich gelegt. Diese auf den ersten Blick paradoxe Maßnahme macht aber durchaus Sinn: Man hat nämlich festgestellt, dass ausgerechnet die Verhinderung von Waldbränden in den letzten 100 Jahren den Sequoias schadet. Die Zapfen der Sequoias brauchen nämlich die Hitze eines Waldbrandes, damit sich ihre Schuppen so weit öffnen können, um die Samen freizugeben. Folgerichtig kann sich eine Sequoia auch nur nach einem Waldbrand vermehren. Den ausgewachsenen Mammutbäumen kann ein Feuer übrigens nichts anhaben – die Rinde ist feuerhemmend und kokelt nur leicht an.
Wo wir schon beim Thema Zapfen sind: Solche gigantischen Bäume haben natürlich auch entsprechend große Zapfen. Das ist übrigens kein Kinderschuh, sondern mein eigener Fuß – immerhin Größe 43...
Nach dieser Exkursion in das Reich der Naturkunde will ich Euch natürlich nicht die echten „Stars“ des Hains vorenthalten. Kurz darauf trafen wir dann nämlich auf die größten Bäume im Mariposa Grove. Der „California Tree“ ist ein Baum, in dem Ende der 60er Jahre zu Werbezwecken ein Tunnel gebohrt wurde – trotz dieser doch massiven „Verletzung“ lebt der Baum aber weiter und wächst sogar noch. Claudia und ich fanden in der Aushöhlung natürlich locker Platz.
Der größte Baum im Hain ist allerdings der „Grizzly Giant“ – diese über 2800 Jahre alte Sequoia ist mit 68 m Höhe und 9 Metern Stammdurchmesser ein wahres Monstrum. Nach Informationen der Parkverwaltung (keine Ahnung, wie das errechnet wird) besteht dieser eine Baum aus sage und schreibe 858 Festmetern Holz – da könnte meine Oma ihren Kachelofen noch ein paar Jahre heizen...
Ein weiteres Highlight ist die Baumgruppe „The Bachelor and the three Graces“. Während das Wort „Bachelor“ in Deutschland vor allem wegen einer gewissen mega-peinlichen Verkuppel-Show eher negativ angehaucht ist, bietet sich hier dem Betrachter ein echter optischer Leckerbissen. Gleich fünf Sequoias stehen nahe beieinander; davon die Größte etwas abseits, was wohl irgendeinen Betrachter früherer Zeit mit ausgeprägter Phantasie darauf brachte, es könnte sich hier um einen Junggesellen mit vier buhlenden Schönheiten handeln (vielleicht war auch hier mehr der private Wunsch Vater des Gedankens; ich will das aber gar nicht weiter ausführen...).
Weiter ging es zurück in Richtung Parkplatz. Kurz vor dessen Erreichen trafen wir auf eine gefallene Sequoia, den „Fallen Monarch“. Claudia machte ein Foto von mir vor dem Wurzelstock – auch im gefallenen Zustand sind diese Bäume wirklich noch Giganten.
Da ich auf dem Land und auch in der Nähe von viel Wald aufgewachsen bin, schätzte ich zuerst die Liegezeit des Baums auf 30 – 40 Jahre. Die Infotafeln belehrten mich aber eines Besseren: Satte 300 Jahre liegt der Baum hier schon; und es gab auch Bilder aus dem 19. Jahrhundert mit Cowboys auf ihren Pferden, die auf dem Baum reiten. Das sollte auch gleichzeitig das Ende der Besichtigungstour im Mariposa Grove darstellen.
Wir fuhren weiter und gelangten kurz darauf zum Pioneer Yosemite History Center – eine Mischung aus Freilichtmuseum und den gut erhaltenen Überresten der ersten Siedler im Park.
Ausgestellt waren in einem großen Überdach die ersten Kutschen und Arbeitsgeräte der Pioniere – durchaus interessant, mit wie einfachen Mitteln diese hier die ersten Jahre meisterten.
Zudem war ein im Original erhaltenes (oder nachgebautes?) Dorf der Pioniere zu besichtigen – zugleich auch eine Station der Postkutsche früherer Zeit.
Dabei informierte mich ein Schild über das erste Gefängnis in dem Siedlerort – in diesem winzigen Kabuff waren zwei (!) Pferdediebe für über ein halbes Jahr eingesperrt... Ich überzeugte mich natürlich gleich selbst vom Liegekomfort dieser prähistorischen JVA...
Wir ließen es uns nicht nehmen, mit der vor Ort verkehrenden Kutsche eine Runde zu drehen – der Kutscher war wirklich ein rechter Spaßvogel und erzählte uns einiges Wissenswerte über die Siedlerzeit. Wir kamen auch am Wawona Hotel vorbei, das angeblich das zweite Hotel in Californien überhaupt darstellt. Es ist heute immer noch in Betrieb; Übernachtungen sollen aber ein halbes Vermögen kosten.
Anschließend setzten wir unsere Fahrt fort in Richtung Tioga Pass, also exakt die Strecke, über die wir tags zuvor in den Park gefahren waren.
Zwischendurch hielten wir noch kurz am Tunnel View - die Sicht war allerdings nicht annähernd mehr so spektakulär wie am Vortag - es war heute ziemlich diesig und ich war froh, die wichtigen Fotos schon am Vortag geschossen zu haben. Dafür kamen wir in den Genuß eines anderen Spektakels: Das sog. Yosemite Shuttle. Also, bevor ich in so ein hässliches sch#%§ding einsteige, fahr ich lieber gar nicht im Park herum. Das sah ungefähr so aus wie eine mobile Legebatterie für eingewanderte Marsmännchen mit vorgebauter Kabine für den Weckdienst... na ja, wer's mag...
Diesmal hielten wir aber noch bei den Tuolumne Meadows und machten eine kleine Wanderung – diese auf der Hochebene gelegenen Sumpfwiesen mit ihrem ganz eigenen Bewuchs stellen eine für Europäer gänzlich unbekannte Landschaft dar. Zudem boten sich tolle Fotomotive.
Dies stellte auch gleichzeitig das Ende unseres Besuchs im Yosemite dar. Ich kann es vorweg nehmen: Der Park zählte mit zum Schönsten, was wir auf unserer Reise an Naturparks zu sehen bekamen. Man könnte ganze Wochen hier mit Wanderungen verbringen, ohne dass es einem langweilig wird. Im Rahmen einer Rundreise erhält man aber natürlich nur einen groben Abriß der Schönheit des Parks.
Eigentlicher Plan für den heutigen Tag war, nach erneuter Überquerung des Tioga Pass so weit nach Süden zu fahren wie möglich, damit man tags darauf direkt in das Death Valley einfahren konnte. Gesagt, getan – zwischendurch aßen wir noch bei „Denny’s“ in Bishop zu abend, und fuhren dann weiter, in der Hoffnung, irgendwo auf der Strecke ein günstiges Motel zu finden. Es sollte aber alles ganz anders kommen...
Obwohl wir ab ca. 18.00 Uhr bei wirklich jedem Hotel oder Motel (und das sind in dieser gottverlassenen Gegend nicht wirklich sehr viele) anhielten, war absolut nichts mehr zu kriegen. Man merkte deutlich, dass es sich um einen Samstag handelte; zudem war in einem der kleineren Orte (fragt mich jetzt aber nicht, wie der hieß) ein Country-Fest, was wohl zusätzlich für ausgebuchte Unterkunften sorgte. So gern ich auch dem offensichtlich authentischen Fest beigewohnt hätte – das einzig verfügbare Angebot ($120 plus tax für die allerletzte Absteige) wollte ich nicht annehmen.
Es blieb uns also nichts anderes übrig, als immer weiterzufahren – Rettung versprach ich mir mit Erreichen des etwas größeren Ortes Ridgecrest. Das war zwar eh schon ein Umweg, weil die Abzweigung zum Death Valley schon früher kam, aber zur Nachtzeit und völlig allein wollte ich wirklich nicht durch das Tal des Todes durch. So fuhren wir also nach Ridgecrest hinein, und jetzt begann der Ärger erst richtig...
Angesichts der schlechten Straßenbeleuchtung und der mir gänzlich unbekannten Stadt übersah ich kurz nach dem Ortseingang, dass die offizielle Straße mit abknickender Vorfahrt nach rechts weitergeht und fuhr natürlich geradeaus weiter. Ein fataler Fehler, wie sich gleich herausstellte: Das war nämlich die Zufahrt zu einem Navy-Stützpunkt hin. Obwohl ich den Fehler gleich bemerkte und wenden wollte, wurde ich von den Wachen auf den Seitenstreifen beordert. Kurioserweise hielt vor mir auf dem Seitenstreifen exakt der selbe Wagen, wie ich ihn selbst fuhr – ein goldfarbener GrandAm; offensichtlich auch ein Mietwagen (Barcode am Seitenfenster...). Das machte den Wachposten erst recht stutzig, obwohl in dem Wagen vor mir, wie sich herausstellte, zwei italienische Touristen saßen. Der Wachposten kassierte erst einmal unsere Pässe und gab diese weiter zur Überprüfung in Washington – wir könnten ja schließlich Terroristen sein. Die Tatsache, dass sowohl die Italiener als auch wir die Sache eher von der lustigen Seite nahmen und noch lauthals lachten, verwirrte den Posten natürlich noch mehr. Und auch der dritte Wagen mit „Falschfahrern“ ließ nicht lange auf sich warten, diesmal mit Touristen aus Sachsen. Nach einer Viertelstunde vergeblichen Versuchs des Wachpostens, sich mit diesen irgendwie zu verständigen (Wachposten konnte kein Deutsch, das Englisch der Sachsen, na ja, der Mathematiker würde sagen x -> 0) fragte er mich doch tatsächlich, ob ich deutsch sprechen könnte (weil ich ja einen deutschen Pass hätte) und ihm beim Übersetzen helfen würde, weil „these guys in the other car are also Germans but don’t speak any English...“). Ich stieg also hilfsbereit aus und ging zu dem Wagen nach hinten. Leute, ihr hättet die Gesichter der beiden Sachsen sehen sollen, als ich mich grinsend zum Fenster reinbeugte und auf deutsch fragte: „Na? Auch verfahren?“. Ich konnte aber die Fragen des Officers schnell klären und die Lage entspannte sich.
Schon nach etwa einer dreiviertel Stunde stellte sich überraschenderweise heraus, dass ich als bayerischer Gendarm nicht zum erweiterten Kreis der Al-Kaida zähle und wir erhielten unsere Pässe wieder. Wir fuhren dann in das „Städtchen“ rein und fanden auch relativ schnell ein Motel, das noch ein Zimmer frei hatte. Nach zwei Bierchens in einer nahegelegenen Sports-Bar schliefen wir dann hundemüde im Motel ein – mit einer weiteren Erfahrung zum Thema „Kampf gegen den Terror“ reicher...