DO, 28.10.2010: Tucson - BisbeeKomisch, das frühe Aufstehen gelang immer noch ohne Schwierigkeiten. Wenn es nun schon an dem war, wollte ich auch los. So stand ich pünktlich um 9 Uhr (nach der Erfahrung von gestern nun wieder mit reduzierten Erwartungen) am Visitor Center des Saguaro Nationalpark Ost. Ich fuhr den Loop und befand, dass der Ostteil nicht uninteressanter war als der Westteil gestern, er gefiel mir sogar deutlich besser - keine Ahnung warum. Es waren viele Radfahrer unterwegs, die schmale Straße schlängelte sich durch die Landschaft, einige Male stieg ich aus, einmal um mal eine halbe Stunde loszugehen und meinem Sonnenbrand noch eins drauf zu geben. Aus der halben Stunde wurde eine ganze Stunde, so interessant fand ich das Laufen zwischen den Kakteen. War wohl zum großen Teil eine Einstellungssache oder auch eine Frage der Erwartungshaltung. Jedenfalls war ich mit dem Besuch hier sehr zufrieden.
Bis Tombstone vertrieb mir "Die Bücherdiebin" vom Ipod die Zeit, während ich lieber über die Nebenstrecke als über die Interstate fuhr, erst durch Berge, dann quer durch flaches Grasland, inzwischen ohne Kakteen (über die 82 und ab Sonoita über die 83). Käse, ein bisschen Obst und ein paar Kekse (furchtbare Brownies, zäh wie Marshmallows) lagen auf dem Beifahrersitz bereit und so hatte ich ohne knurrenden Magen in Tombstone eine ganze Stunde Zeit, bevor der Gunfight begann.
Tja, was halte ich von Tombstone? Weiß nicht so recht. Es ist ja nun mal nicht nur eine Kulisse, sondern wirklich ein Städtchen mit einer bewegten Geschichte. Die dortigen Mitarbeiter geben sich alle Mühe eine Western-Illusion herzustellen, wobei alle Register gezogen werden: Statisten laufen im Ort herum in historischer Kleidung, wobei ich fast darauf wetten würde, dass der eine oder andere auch kein Statist war, sondern wirklich so aussah. Es gab Saloons und natürlich ein Souvenirgeschäft neben dem anderen. Für die Stunde war´s ganz nett und bei einer Fahrt durch die nicht touristischen Teile des Ortes konnte ich mich davon überzeugen, dass es hier wohl auch sonst ganz angenehm war. Und mal ehrlich, kann man es der Stadt verübeln, dass sie ihr Potenzial und Kapital nutzt, nachdem sie ihre Glanzzeiten weit hinter sich gelassen hatte?
Der Gun Fight war jedenfalls eine ganz witzige Show.
Anschließend hatte ich nur noch eine kurze Fahrt vor mir nach Bisbee. Was mich dort erwarten würde, war mir so gar nicht klar, umso mehr freute ich mich über eine freundlich wirkende Stadt in der Nachmittagssonne, die an einem Hang lag.
Das Copperqueen-Hotel aus dem Jahr 1902 war schnell gefunden. Das Haus, der Empfang, mein Zimmer: Super freundlich, ein wirklich schönes Hotelchen mit kitschiger Blümchentapete im ziemlich kleinen Zimmer und mit sehr einfachem Bad. Die Lobby war anheimelnd und wie ein altes Landhaus eingerichtet, W-LAN lief stabil, alles war sauber und gut in Schuss und als Dreingabe: Hier spukte es, garantiert, und so kurz vor Halloween sowieso. Na ja, die Geister habe ich verschlafen, vorher hatte ich aber noch einen herrlichen Sonnenuntergangsspaziergang.
Im Gegensatz zu Tombstone hatte ich hier das Gefühl, dass nicht alles ausschließlich für die Touris nett wieder hergerichtet war, sondern einfach das war, was die Bewohner hier lebten. Eine Menge schrulliger Typen liefen hier herum: Einige wollten sicherlich mal Künstler sein und hatten es nicht geschafft. Dass andere sich etwas aufgebaut hatten, konnte man an noblen Galerien oder den oft einsehbaren Werkstätten sehen. Unsägliche und garantiert untouristische Kramsläden und Antiquariate befanden sich neben einfachen Sportsbars und edel wirkenden Restaurants, keine Restaurant-, Hotel- oder Ladenketten, zumindest hier im Zentrum, dafür viele nett sanierte alte Häuser. Ein leerstehendes Haus war "scary" hergerichtet mit skurrilen Geistern hinter dem Fenster und Lichtshow und mittelalterlich klingender Musik.
Ein armer Schlucker sprach mich an, erzählte mir von seiner Tochter in Connecticut und seinem Sohn in Kentucky und seinen deutschen Vorfahren aus Mecklenburg und zog dann weiter mit einer leeren Kaffeetüte, in die er offenbar verlorene Münzen einsammelte, war nicht aufdringlich, bettelte mich nicht an, bedankte sich für das Gespräch.
Den Abend ließ ich ausklingen auf der Terrasse des Hotels mit einer großen Portion mäßig guten Essens und super Margarita für unschlagbar günstige 5 USD, recht früh lag ich im Bett. Hinter mir lag ein sehr, sehr schöner Tag, vor mir ein langer Fahrtag, sodass ich diesmal den Wecker auf 6 Uhr stellte.
Übernachtung: Copper Queen Hotel, gebucht über deren Website für 99 USD inkl. Tax.
Gefahren: 135 Meilen