Freitag, 11.5.2007"Go West"Eine nahezu schlaflose Nacht beendete ich um etwa 6 Uhr. Die meiste Zeit hatte ich damit zugebracht, diverse Alternativen zu durchdenken und zu bewerten. Ich wusste, dass eine Entscheidung getroffen werden musste. Diese ungewisse Warterei zermürbte uns zunehmend. Selbst Tina, die normalerweise in solchen Situationen immer mein Ruhe ausstrahlender Gegenpol ist, war mittlerweile völlig durch den Wind. Am frühen Morgen teilte ich ihr meine Entscheidung mit, dass wir heute unsere Tour wie geplant starten werden. Den bereits verlorenen Tag würden wir durch Streichen des Colorado National Monuments und des Grand Mesa Scenic Byways wieder hereinholen. Dazu würden wir am heutigen Tag direkt nach Moab fahren und lägen somit wieder voll im Plan, wodurch auch keine weiteren Motel-Stornos nötig wären. Tina war erwartungsgemäß sofort einer Meinung mit mir und so beschlossen wir, umgehend noch einmal zum Flughafen zu fahren. Wir wollten direkt vor Ort unsere nächsten Motels sowie unsere Mobilfunknummer hinterlassen. Schnell schaute ich nochmals auf der United-Seite nach unserem Gepäckstatus, aber dort hieß es unverändert "no information".
So saßen wir bereits um 6:30 Uhr im OKY und preschten zum Flughafen. Auf direktem Weg, mittlerweile kannten wir uns ja bestens aus, gingen wir zum United-Schalter und trafen die gleiche Mitarbeiterin an, wie am Vortag. Sie erkannte uns sofort, was vielleicht daran lag, dass wir wieder die gleichen muffigen Klamotten wie am Tag zuvor trugen.
Auch sie sah nochmals im United-System nach und bestätigte uns, dass sie nach wie vor keine Informationen über den Verbleib unseres Gepäcks hätte. Dazu könnte nur Lufthansa was sagen. Und schon zitierte sie eine weitere Mitarbeiterin herbei, die beauftragt wurde, mit uns zusammen zu Lufthansa zu gehen, um die Angelegenheit zu klären. Mit einem ehrlichen mitleidigen Blick entschuldigte sie sich mehrfach. Das, obwohl United für den Bockmist der Lufthansa ja überhaupt nichts konnte.
Wir drei also in Richtung Lufthansa. Und was erwartete uns da? Klar, alles verschlossen und verriegelt.
Natürlich, die fangen ja auch erst um 14 Uhr an. Als ich dies der United-Mitarbeiterin, nein es war keine UAB, mitteilte, fand sie das nur "unbelievable!". Auch ihr täte das wirklich so Leid und sie möchte uns gerne was Gutes tun. Also wieder zurück zum United-Schalter, wo sie uns wohl so eine Art "Survival-Pack" von United geben wollte. Ich glaube, sie wollte wirklich im Erdboden versinken, als ein Kollege ihr mitteilte, dass diese derzeit vergriffen seien.
Nun ja, passt ja alles irgendwie... - wobei dies nun nicht wirklich überlebensnotwendig für uns war. Allein die Geste zählt. Sie nahm dann noch die Anschrift und die Telefonnummer unseres Super 8 Motels in Moab sowie unsere Mobilfunknummer auf und wünschte uns "dennoch" eine tolle Rundreise.
Um 8 Uhr waren wir zurück in Aurora und gingen erneut zum Wal-Mart. Zuerst wollten wir uns wieder mit dem obligatorischen Egg-McMuffin-Menü stärken und ich natürlich den akzeptablen Kaffee genießen. Wir hatten bereits bestellt und warteten auf die Ausgabe, als wir von einem älteren Pärchen auf Deutsch angesprochen wurden. So erfuhren wir, dass die beiden früher mal in den USA gelebt hatten, aber dann wieder zurück nach Deutschland gezogen sind. Tina war auch recht redselig und so erfuhren wir noch viel, viel mehr über die Beiden. So viel, dass ich mir schon ernsthaft Sorgen machte, dass mein Kaffee kalt werden könnte.
Wer die McD-Kaffees kennt, weiß was das bedeutet. Irgendwann kam ich dann doch noch dazu, meinen handwarmen Egg-McMuffin zu vertilgen.
Frisch gestärkt ging es dann in den Wal-Mart auf Shopping-Tour. Wir haben uns jeweils mit drei Shorts, vier T-Shirts bzw. Hemden, mehreren Socken und Unterwäsche eingedeckt. Natürlich alles aus der Rubrik "Alles egal - Hauptsache günstig", denn wir hatten keine Ahnung ob und wenn ja wie viel wir von Lufthansa erstattet bekommen würden. Eine stabile Kühlbox, die ich am Vortag schon entdeckt hatte, wurde auch gleich noch mitgenommen. Danach ging es zurück zum Best Western. Am Vortag hatte ich ja zwei weitere Nächte gebucht und so fragte ich, ob ich die eine Übernachtung wieder canceln könnte, was überhaupt kein Problem war. Anschließend hoch auf's Zimmer und unsere Sachen gepackt. Ja, wir hatten ja nun wieder Gepäck!
Nachdem wir dieses "mühsam" im OKY verstaut hatten, machten wir uns um kurz nach 10 Uhr auf nach Castle Rock zu einem Outdoor Center. Dort wollten wir uns noch Wanderschuhe besorgen. Auf dem Weg dorthin entdeckten wir ein anderes Outdoor-Center und statteten diesem gleich einen Besuch ab. Denn wir hatten ja keine Zeit! Die Auswahl an Hiking-Shoes war enorm und folglich wurden wir auch beide fündig. So, nun waren wir eigentlich ausgestattet und es konnte auf direktem Weg nach Moab gehen.
Auf der I-70 ging es durch die Rocky Mountains, eine traumhaft schöne Strecke.
Als wir an der Ausfahrt zum Hanging Lake vorbei kamen, wurde mir natürlich etwas schwer ums Herz und meine bis dahin recht gute Laune sackte kurzfristig ein wenig ab. Diese wurde jedoch kurze Zeit später wieder deutlich besser. Und zwar, als wir nach insgesamt rund 4 Stunden Fahrzeit unser für den Vortag geplantes Ziel erreicht hatten und vor dem ursprünglich gebuchten Super 8 in Parachute standen. Dieses Motel lag exakt neben einer großen Shell-Tankstelle. Sonst gab's da nicht wirklich viel, außer... Trucks! Unzählige Trucks kamen an, tankten und fuhren weiter. Vermutlich hätten wir in der letzten Nacht auch mit Gepäck in diesem Motel nicht mehr geschlafen, als im tollen und ruhigen Best Western in Aurora ohne Gepäck. Sollte ich tatsächlich den LHB's dankbar sein? Ein Gedankenblitz, der aber ganz, ganz schnell wieder verworfen war.
Während wir vor dem Motel standen und noch etwas Flüssigkeit zu uns nahmen, kam eine SMS von unserem LH-Eskalations-Hotline-Tester, sprich unserem Nachbarn. Es teilte uns mit, dass wir unbedingt auf die United-Seite gehen sollten, an unserem Gepäckstatus hätten sich Änderungen ergeben. Ich glaube, unsere Freudenschreie wurden in der Tankstelle trotz des Trucker-Lärms vernommen. Endlich... Tina hatte regelrecht Tränen des Glücks in Augen. Ääähm, früher hatte sie die wegen mir...
Ich konzentrierte mich wieder auf das Wesentliche, schaltete das W-Lan des Laptops an und hatte erwartungsgemäß eine Verbindung über das Super 8. Mit vor Freude und Aufregung zitternden Fingern ging ich auf die United-Seite und las, dass... wir uns über einen Link eine mehrseitige Verlustanzeige für unser Gepäck ausdrucken müssen, welches wir ausgefüllt an United senden sollen. Also zu früh gefreut und der Grund für Tinas Tränen war nun ein anderer.
Wir fuhren weiter auf der I-70 in Richtung Westen, bis die SR128 abzweigte. Diese einmalig schöne Straße, welche später dem Ufer des Colorado Rivers folgt, ließ uns das ganze Theater um unser Gepäck zum ersten Mal komplett vergessen.
Wir ließen uns richtig viel Zeit, legten zahlreiche Fotostopps ein und zum ersten Mal war für mich komplettes Urlaubsfeeling angesagt. Mein Wander-Herz schlug dann so richtig hoch, als die Fisher Towers in Sicht kamen, wo wir für die nächsten Tagen eine Wanderung geplant hatten.
Mittlerweile war es schon deutlich nach 17 Uhr und somit hatten wir ideales Licht, um diese beeindruckende Landschaft zu fotografieren.
Um 18:30 Uhr waren wir dann in Moab und checkten im vorreservierten Super 8 ein. Unser "Gepäck" ausgeladen und gleich weiter zum Supermarkt, um uns mit Getränken einzudecken. Wasser, Powerade und ein Sixpack Miller. Anschließend noch schnell bei Wendy's vorbei, was uns aber überhaupt nicht zusagte. So nach dem Motto: "Der Hunger trieb's rein". Auf dem Weg zurück ins Motel fiel mir ein, dass ich ja bereits von zu Hause aus ein Kletterseil bestellt hatte, welches ich an die Moteladresse liefern ließ. Also am Front Desk vorbei und es war tatsächlich da. Wäre es anders gewesen, ich hätte mich nicht wirklich gewundert...
Zurück im Zimmer habe ich dann das Laptop angeworfen um mich mal wieder um unser Gepäck zu kümmern. Dabei fiel erstmals auf, dass wir keine Adapter für die amerikanischen Steckdosen hatten. Diese waren in einem der Koffer. Klasse!
Gott sei Dank war der Akku des Laptops durch die lange Fahrt, während der es als Navigationsgerät diente, komplett aufgeladen. Die Frage war nur, wo ich so einen Adapter herbekomme, denn in Kürze würde ich diesen zum Laden der diversen Akkus benötigen. In mir grummelte es schon wieder leicht.
Dieses Grummeln verstärkte sich noch, als ich mir die PDF-Dokumente sah, welche wir uns ausdrucken und an United senden sollten. Neben einer detaillierten Beschreibung des jeweiligen Koffers mit Angabe von Farbe, Größe, Gewicht und all den Dingen, sollten wir auch noch jedes einzelne enthaltene Stück beschreiben und den Einkaufspreis nennen. Meine LHB-Phantasien waren schlagartig wieder präsent. Nun galt es aber erst einmal, dieses Dokument in vierfacher Ausfertigung auszudrucken. Das Laptop hatten wir ja, nur leider hatten wir den Drucker zu Hause vergessen!
So sind wir wieder zu OKY und nach Moab gefahren um ein Internet-Cafe zu suchen. Dies fanden wir zu meiner Überraschung auch relativ schnell, allerdings war dort eine geschlossene Gesellschaft.
Leicht genervt fuhren wir wieder ins Motel, wo wir unseren Nachbarn baten, uns dieses Dokument an die Moteladresse zu faxen. Dies war auch unsere letzte Handlung für heute. Der lange Tag zollte seinen Tribut und erstmals fielen wir wie tot in die Betten und schliefen sofort und tief ein.