Dienstag, 05.06.2007"Ain't No Mountain High Enough"Der Wecker klingelte um 4:40, einer wahrlich unmöglichen Zeit im Urlaub. So früh waren wir bisher noch nicht aufgestanden. Aber heute war schließlich das Highlight Nr. 4 an der Reihe und so fiel das Aufstehen relativ leicht. Da wir am Vorabend bereits alles so weit gepackt hatten, mussten wir uns lediglich anziehen und um 5 Uhr saßen wir bereits in OKY und verließen Mariposa in Richtung Yosemite Nationalpark.
So viel wir um diese frühe Zeit erkennen konnten war es bewölkt, was nicht unbedingt von Nachteil sein musste. Die Fahrt über die SR140 in der Dunkelheit war schon beeindruckend, fast gespenstisch. Mit der Dämmerung erreichten wir den Park Entrance und standen kurze Zeit später, um 5:45 Uhr auf dem Parkplatz beim Curry Village. Gleichzeitig mit uns traf ein weiteres Pärchen auf dem Parkplatz ein. Als wir uns fertig gemacht hatten kamen wir an den beiden vorbei und grüßten noch freundlich, fragten aber nicht, wohin es gehen würde. Ich war noch damit beschäftigt das GPS startklar zu machen und die richtige Karte einzustellen. Allerdings war das Navi für diese Tour absolut nicht notwendig, sondern diente vielmehr der alleinigen Aufzeichnung der Wanderung.
Um kurz nach 6 Uhr waren wir an dem Schild, welches uns den Trail zum Half Dome mit 11,3 Kilometern anzeigte. Na denn, auf geht's.
Der Weg verläuft hier, wie man es bei uns aus den Alpen kennt. Durch Wald, über Wurzeln und Steine erkämpfen wir uns die ersten Höhenmeter. Besonders beeindruckend ist der Weg hier sicherlich nicht. Nach etwa einer halben Stunde kommen wir an eine Weggabelung und müssen uns entscheiden, ob wir den Mist Trail oder John Muir Trail nehmen. Da wir es regelrecht hassen, über Treppen unsere Höhenmeter zu erarbeiten, entscheiden wir uns für den John Muir Trail. Diese Route ist zwar rund 2 Kilometer länger, aber dafür wesentlich schonender für Gelenke und Muskeln.
Rund zwei Stunden später werden wir mit einem ersten Blick auf den Nevada Fall belohnt.
Imposant, welche Wassermengen sich hier rund 180 Meter in die Tiefe stürzen. Mit diesem neuen Begleiter zu unserer Linken, wanderte es sich doch gleich viel leichter und abwechslungsreicher. Kurze Zeit später erreichten wir eine Stelle, wo der Wald den Blick auf den Liberty Cap und den Nevada Fall freigab.
Wow, welch ein Anblick. Schade nur, dass das Wetter noch nicht so richtig mitspielte. Wir setzten unsere Wanderung fort und erreichten um 8:15 Uhr das Plateau am Nevada Fall.
Hier hatten wir etwa 6 Kilometer und rund 600 Höhenmeter zurückgelegt. An dieser Stelle steht man quasi an der Abbruchkante, von wo sich der Nevada Fall in die Tiefe stürzt. Hier legten wir erstmals eine kleine Verschnaufpause ein und regulierten unseren Wasserhaushalt. Anschließend ging es erst einmal relativ eben weiter, bis wir nach rund 500 Metern an ein Toilettenhäuschen kamen. Hier treffen sich John Muir und Mist Trail wieder. Und hier sahen wir auch das Pärchen vom Parkplatz wieder, die folglich den Mist Trail gegangen waren. Da wir unsere Rast hinter uns hatten, marschierten wir zügig weiter. Der Trail verlief nun noch ein ganzes Stück eben weiter, bis wir den Campground erreichten. Nur kurz nach dem Campground begann der Trail nun erneut anzusteigen. Erneut durch ein bewaldetes Gelände erklommen wir nun die nächsten 500 Höhenmeter, bevor wir das nächste Zwischenplateau erreichten. Während dieses langen und zähen Aufstiegs gab es die ersten freien Blicke auf das ersehnte Endziel - den Half Dome.
Auf diesem Zwischenplateau in rund 2.400 Metern Höhe machten wir eine kurze Rast, schließlich waren wir nun schon rund 4.5 Stunden unterwegs. Hier kam auch ein Vater mit seinen beiden Kindern an uns vorbei, die wir schon mehrfach beim Aufstieg überholt hatten. Ich hatte großen Respekt vor der etwa 10-jährigen Tochter, die problemlos bis hierher mit gewandert war. Dem etwa 14-jährigen Sohn sah man an, dass er mit Spaß dabei war.
Auf diesem Zwischenplateau hatten wir die Waldgrenze erreicht. Nun ging es auf einem Felsrücken steil nach oben. Anfangs waren noch Stufen in den Fels gehauen, später ging es ohne erkennbaren Weg weiter.
Ich weiß nicht was es war. Lag es an der Kondition oder schlug die Höhenangst wieder einmal unerwartet zu. Vielleicht war es auch von beidem etwas, auf jeden Fall ging es hier für Tina leider nicht mehr weiter.
Ich kenne sie und sah ihr an, dass es keinen Sinn mehr machte, zu versuchen sie zu motivieren. Schade, ich hatte gehofft, dass sie es bis zu den Cables schaffen würde. Es fehlten nur etwa 100 Höhenmeter. Wir beratschlagten uns kurz und dann stand fest, dass sie umdrehen und auf dem Plateau auf mich warten würde. So setzte ich meinen Aufstieg also allein fort.
Und dann sah ich sie vor mir - die Cables! Ich gebe zu, beim ersten Anblick stockte mir der Atem.
Die Horrorbilder, wo Menschenschlangen vor den Cables stehen, trafen Gott sei Dank nicht zu. Es war lediglich eine überschaubare Anzahl Wagemutiger, die sich auf die Cables einließen. Und einer sollte nun folgen. Ich holte meine mitgebrachten Handschuhe aus dem Rucksack, nahm nochmals einen kräftigen Schluck Powerade und dann ergriff ich die Cables. Anfangs ist es noch etwas flacher, aber schon wenige Meter später wird es richtig steil. Es ist zwar nicht so schlimm, wie es beim Anblick von Weitem den Anschein macht, aber auch nicht zu unterschätzen. Denn wenn man fällt, dann fällt man tief und weit. Nachdem ich so ein Viertel des Aufstiegs geschafft hatte, traf ich auf den Vater mit seinen beiden Kindern. Seine 10-jährige Tochter hatte eine absolute Panikattacke und zitterte am ganzen Körper. Sie klammerte sich völlig verkrampft an das Drahtseil und mir war nicht klar, wie ihr Vater sie hier je wieder nach unten bekommen sollte.
Ich hangelte mich weiter nach oben und so ab der Hälfte der Strecke, machten sich die Oberarme bemerkbar. Die Pausen an den Querholmen wurden häufiger und deutlich länger. Interessant ist bei diesen Pausen der Blick nach unten. Unglaublich, welche Höhe man hier innerhalb kürzester Zeit zurücklegt. Für Hiker mit Höhenangst ist dies definitiv nicht zu empfehlen.
Kurz nach 11:30 Uhr hatte ich es geschafft. Erschöpft und mit brennenden Oberarmen stand ich auf der Spitze des Half Domes. Grandios!
Noch schöner wäre es natürlich gewesen, wenn wir zu zweit hier gestanden hätten. So genoss ich leider alleine diese einmalige Sicht aus 2.693 Metern über das Gebiet des Yosemite Nationalparks. Außer mir waren rund 15 weitere Hiker auf dem Half Dome. Mit einer Gruppe aus Boston kam ich ins Gespräch und dabei stellte sich heraus, dass sie schon zum dritten Mal diese Tour gemacht hatten. Es wurden gegenseitig noch Fotos gemacht und dann genoss ich nochmals in aller Ruhe mein erreichtes Ziel.
Den Vater mit seinen beiden Kindern sah ich hier oben nicht mehr. Dafür aber das Pärchen, welches wir am Morgen auf dem Parkplatz gesehen hatten. Leider wurde das Wetter immer schlechter und erste Wolken zogen um den Gipfel. Ein Zeichen für mich aufzubrechen. Kurz vor 12 Uhr stand ich wieder an den Cables und überlegte, welche Technik ich beim Abstieg anwenden würde. Ich entschied mich dem Abgrund dabei ins Auge zu sehen.
Mit dieser Technik ging es eigentlich recht zügig nach unten. Dabei hatte ich die ganze Zeit diesen atemberaubenden Blick in die Tiefe. Ein Bild, welches ich wohl nie mehr vergessen werde. Wenige Minuten später war ich bereits unten und warf nochmals einen Blick zurück.
Irgendwie kam mir hier die Gruppe aus Boston wieder in den Sinn. Ich denke, auch mich wird der Half Dome zumindest noch einmal wiedersehen. Und dann hoffe ich auf besseres Wetter. Dann kam der kurze, aber steile Abstieg, wo Tina zuvor kapituliert hatte. Ging aber einfacher als ich erwartet hatte. Bei Tina auf dem Zwischenplateau angekommen, machte ich noch eine kleine Vesperpause, bevor wir uns um etwa 12:30 Uhr auf den Rückweg machten. Dieser wurde jedoch zunehmend widriger, denn es begann zu regnen.
Als wir an dem Toilettenhäuschen ankamen, regnete es richtig. Wir überlegten nicht lange und entschlossen uns, nun den kürzeren Weg über den Mist Trail zu nehmen. Im Nachhinein würde ich diese Entscheidung gerade anders treffen. Denn der Abstieg über die unzähligen Felsstufen erwies sich beim Regen als durchaus gefährlich. Und so trotteten wir mit hängenden Köpfen abwärts, wieder vorbei am Nevada Fall.
Später legten wir noch kurze Stopps beim Emerald Pool und dem Vernall Fall ein. Jedoch fehlte uns auf Grund des schlechten Wetters die Muse, es entsprechend zu genießen. Um etwa 17 Uhr waren völlig erschöpft und gut durchnässt zurück am Parkplatz. Das erste was meine Augen sahen war, dass OKY wieder richtig schön sauber war und nahezu glänzte. Das zweite war, dass das Pärchen vom Morgen ebenfalls gerade angekommen war. So ging eine tolle, aber auch immens Kräfte zehrende Wanderung zu Ende. Insgesamt waren wir nun 11 Stunden unterwegs gewesen und hatten dabei rund 1.500 Höhenmeter bewältigt. Wir konnten zu Recht stolz auf uns sein.
Nun stand mir noch die 45-minütige Fahrt nach Mariposa bevor und ich war froh, nachdem ich diese hinter mir hatte. Wir fuhren direkt ins Motel, wo wir völlig fertig auf das Bett fielen. Als ich merkte, wie mir die Augen zufielen, raffte ich mich schnell noch einmal auf und fuhr zum Burger King, um uns unsere wohlverdiente Mahlzeit zu holen. Diese wurde dann direkt auf dem Bett eingenommen.
Anschließend nur noch umkippen und schlafen...