17.10.2015, Grand Canyon mal andersEin erster Blick aus dem Fenster lässt uns hoffen. Wenngleich die Wege noch nass sind, so hat es doch aufgehört zu regnen und der Himmel ist nur noch locker bewölkt. Vielleicht wird es ja doch noch etwas mit unserem Hubschrauberflug über den Grand Canyon?
Da wir noch genügend Zeit bis zum Start haben, können wir das Frühstück in aller Ruhe genießen. Das Buffet im Best Western ist das bisher beste auf dieser Reise! Vom Frontcooking bis hin zu schokolierten Erdbeeren zum Dessert gibt es alles, was das Herz begehrt. Die Augen würden gern die Kalorien für die nächsten beiden Tage aufnehmen. Dem setzt der Magen Grenzen.
Nach dem Auschecken machen wir noch ein Beweisfoto mit dem Adler am Eingang des Hotels. Inzwischen scheint sogar schon die Sonne. Das Blatt scheint sich zu unseren Gunsten zu wenden.
Der Flughafen ist ganz in der Nähe. Als wir auf die Zufahrtstraße einbiegen, sehen wir sie schon stehen, die Hubschrauber.
„Die warten auf uns“, denken wir noch …
Aber ist das wirklich ein gutes Zeichen?
Mitnichten! Es ist nicht mehr früh am Morgen. Der Flugbetrieb hätte schon längst begonnen haben müssen. Am Schalter erfahren wir es dann:
Wegen des Wetters sind alle Flüge des Vormittags, ausgerechnet bis zu unserem, gestrichen.
Wir könnten stornieren oder auf einen noch freien Termin am Nachmittag verschieben. Der Flug am Nachmittag würde zwar unsere weiteren Pläne über den Haufen werfen, aber wenn man schon einmal hier ist …
Wir müssen nicht lange überlegen und lassen umbuchen.
Damit haben wir jetzt einen knappen halben Tag „frei“ und entschließen uns, zunächst noch einmal zum Lipan-Point zu fahren, um den GC von dort aus auch einmal im Sonnenlicht zu sehen.
Für die, die noch nicht da waren:
Von den allermeisten Aussichtspunkten aus sieht man den GC immer nur von der „Breitseite“. Der Lipan-Point ist eine der wenigen Stellen, wo man ihn „längs“ betrachten kann. Das ist nicht zwangsläufig besser, sondern einfach nur eine andere Perspektive.
Die Fahrt dorthin dauert wieder eine Dreiviertelstunde und so habe ich etwas Zeit, euch kurz von unserem ersten Hubschrauberflug vor vier Jahren zu berichten. Damals fuhren wir von Las Vegas aus zum West Rim des GC und flogen mit einem Heli direkt in den GC hinein. Unten gab es dann eine Fahrt mit einem schnellen Boot auf dem Colorado und irgendwann brachte man uns auch wieder hinauf.
Geil war’s.
Zwei Sachen sollte man dazu noch wissen. Am West Rim hat ein Indianerstamm gewisse Hoheitsrechte. Im Gegensatz zur Nationalpark-Verwaltung (North and South Rim) hat deren Chief das Einfliegen freigeben, so dass es im gesamten GC nur hier möglich ist. Der GC ist im Bereich des West Rim nicht ganz so tief wie am South Rim, „nur“ ca. 1200 m.
Übrigens: der legendäre Skywalk (den wir nicht besucht haben) befindet sich ganz in der Nähe des Flugplatzes. Wer trotz der negativen Hinweise aus dem Forum mit einem Besuch liebäugelt, sollte einen Heli-Flug als Alternative prüfen. So ein Flug ist zwar nochmal deutlich teurer, aber dafür ein richtiges Erlebnis.
Inzwischen sind wir am Lipan-Point angekommen. Uns bietet sich folgendes Bild:
Wie Sie sehen, sehen Sie nichts. Gut, unter diesen Bedingungen würde man wohl auch von einem Hubschrauber aus nicht mehr beobachten können. Neben uns warten auch einzelne andere, um eine paar Wolkenlücken zu erhaschen. Alle sprechen nur leise, es ist unnatürlich still, eine besondere Stimmung liegt in der Luft.
… bis ein Reisebus kommt.
Ihm entspringen viele „schmaläugige Lemminge“, die sofort beginnen, lautstark Fotos von sich und dem Nichts dahinter zu machen.
Ungefähr so sah es zu diesem Zeitpunkt aus.
Nach ca. 20 min ist der Spuk wieder vorbei.
Langsam werden die Wolkenlücken größer. Irgendwann kommt auch ein Ranger vorbei, bei dem ich mich über das Wetter „beschwere“.
„Well, usually halten solche Wetterlagen 24-36 Stunden. Hopefully you have time. “
„Ja, mach uns nur Mut! Gerade Zeit ist es, die wir nicht haben”, denke ich mir beim Verabschieden.
Irgendwann reißt es dann ganz auf.
Geht doch.
Auf dem Rückweg zum Flugplatz machen wir noch Halt an anderen View Points. Das Wetter kann sich noch nicht so richtig entscheiden.
Das letzte Foto stammt vom View Point am zentralen Visitor Center. Hier würden wir wahrscheinlich gleich darüber schweben. Wir mustern die Wolken am Himmel und legen für uns fest, dass es eigentlich klappen müsste, wenn der Heli nicht so hoch fliegt. Allein, wir sehen keine Hubschrauber am Himmel.
Sicherheitshalber fahren wir etwas früher als nötig zum Flugplatz. Noch immer sind alle Hubschrauber am Boden. Am Schalter kann man uns noch nichts Definitives sagen. Wir warten eine ganze Zeit.
Dann steigt der erste Heli auf. Juhu!
Offenbar sind aber keine Passagiere an Bord. Wir denken uns, dass man einen vorausgeschickt hat, um die Lage zu peilen. Nach einer knappen halben Stunde kehrt er zurück. Weitere endlose Minuten verstreichen.
In dieser Zeit ziehen langsam dunkle Wolken auf und lassen uns Böses ahnen.
Kurze Zeit später kommt dann die Durchsage: „All flights are canceled for rest of the day. “
Ja, liebe Mitreisende, es ist schwer, aber auch wir müssen einsehen:
Das Leben ist kein Ponyhof und wir sind hier nicht bei „Wünsch dir was“.
Betrübt machen wir uns auf den Weg nach Williams.
Als wir im Auto sitzen, zeigen die Wolken, was sie in sich haben. Es regnet wie aus Eimern. Wettertechnisch wird gerade der Weltuntergang geprobt.
Einziger Trost: Wir sparen uns die Autowäsche.
Nachdem wir in Williams eine Kleinigkeit gegessen haben, machen wir uns auf den langen Weg nach Laughlin, unserem Tagesziel. Die Route 66 Devotionalienläden von Seligman kennen wir. In Kingman hätten wir das Route 66 Museum besuchen wollen, aber dafür ist es jetzt zu spät.
Wir fahren und fahren nur, immer der untergehenden Sonne entgegen ...
Von Deutschland aus betrachtet befinden wir uns hier in der Nähe von Hollywood. Dort enden die meisten Geschichten mit einem Happy End. Dieser Tradition fühlen wir uns verpflichtet und haben daher ein kleines Ersatz - Happy End für euch vorbereitet. Aus den Aufnahmen von 2011 habe ich einen Film zusammengeschnitten, der den damaligen Flug hinab in den Grand Canyon zeigt. Als Kamera hatten wir damals nur eine kleine Canon-Ixus dabei.
Aber auch für uns hält das Schicksal noch ein kleines Happy End bereit.
Wir erreichen Laughlin im Dunkeln. Es ist ein Klein - Las Vegas. Unser Hotel ist das Laughlin River Lodge direkt am Colorado. Es ist soweit ganz in Ordnung, vielleicht etwas in Jahre gekommen. Aber was soll es. Erstaunlicherweise ist es die preiswerteste Unterkunft des ganzen Urlaubs.
Eigentlich wollen wir uns noch etwas am Colorado umsehen, aber nach diesem Tag und der langen Fahrt „haben wir fertig“. So kehren wir im hauseigenen Restaurant „The Logde“ ein. Es ist ganz ansprechend im Stil einer Jagdhütte gestaltet, das Essen schmeckt.
Im Restaurant gibt es auch eine Bar, wo wir uns für einen Absacker niederlassen.
Wer steht denn da am Tresen?
Es ist der „Bruder“ von Horst Lichter. Natürlich nicht wirklich, aber der Erscheinung und dem Wesen nach:
Gezwirbelter Schnäuzer, runde Nickelbrille und Sonne im Herzen. Er ist sowas von gut drauf.
Wie ein Bibliothekar mit fahrbarer Leiter verwaltet er seine Schätze („best equipped bar in town“).
Da wir zu einer Generation gehören, die zumindest zeitweise noch ohne Handy existieren kann, haben wir leider nichts dabei, um zu fotografieren. Um euch wenigstens einen Eindruck von der Bar zu vermitteln, habe ich mir im Internet ein Foto besorgt.
(Quelle: Tripadvisor)
Im Hintergrund singt und spielt der Mann am Klavier Oldies und aktuelle Lieder. Wir unterhalten uns nett mit dem Barkeeper und haben einfach eine schöne Zeit.
Aus unerklärlichen Gründen bleibt es nicht bei dem einen Absacker.
Wieder versöhnt mit der Welt schlafen wir selig ein …
PS. Wenn ihr Laughlin als Etappenziel habt, besucht diese Bar im „The Lodge“ und bringt ein Foto von „Hotte seinem Bruder“ mit.
Morgen wird sich der Kreis schließen. Wir kehren zurück nach Las Vegas. Ein Umweg wird einem von uns eine Tasche aus dem
Märkischen
Kreis
bescheren.
Fazit:
- Das Leben ist kein Wunschkonzert
- Best Western in Tusayan: empfehlenswert
Frühstücksbuffet sehr gut
- Restaurant „The Lodge“ in Laughlin empfehlenswert
- Bar im „The Lodge“ sehr empfehlenswert