„Rodeo-Queen“Im Restaurant unseres Hotels waren gestern zum Abendessen schon viele Tische für das Frühstücksbuffet aufgebaut worden. Entsprechend groß sind unsere Erwartungen an das heutige Frühstück.
Schade, leider gibt es nur den Continentalen Einheitsbrei. Das Best Western in Sheridan ist aber trotzdem empfehlenswert. Ansonsten haben wir nur ein Super8 außerhalb der Stadt gesehen. Die übrigen Motels entlang der Hauptstraße machten eher einen recht düsteren Eindruck.
Außerdem könnten wir hier unseren Tesla aufladen, wenn wir denn beim nächsten Mal einen hätten.
Nach dem Frühstück verlassen wir Sheridan in Richtung Westen. Serpentine für Serpentine erklimmen wir die Berge des Bighorn National Forest. Wir sehen Schnee und erreichen in der Spitze 9430 Fuß (2874 m).
Das Medicine Wheel der Indianer lassen wir rechts liegen, weil es uns nicht so sehr interessiert. Auf der anderen Seite des Berges geht es mächtig steil nach unten. Man hätte wahrscheinlich auch eine tolle Fernsicht, wenn da nicht der Dunst am Horizont wäre.
Unser nächstes Ziel ist der Bighorn Canyon. Zunächst besuchen wir das Visitor Center. Danach geht es parallel zum Canyon bis zum Devil Canyon Overlook. Dort bieten sich uns beeindruckende Ausblicke.
Entsprechend hohe Erwartungen haben wir auch an den Horseshoe Bend. Doch wir werden bitter enttäuscht. Es gibt zwar auf der Karte eine Flussbiegung, die den Namen rechtfertigt, aber ringsum nur mehr oder weniger flache Berge, so dass man vor Ort „das Hufeisen“ noch nicht einmal ahnen kann, geschweige denn Felsformationen sehen wie in Page.
Hier sind zwar eine Marina, Bade- und Campingmöglichkeiten, die für den einen oder anderen interessant sein mögen, aber als Touristenattraktion taugt der hiesige Horseshoe Bend gar nicht.
Weiter geht es auf dem Weg nach Cody. Heute Abend wollen wir uns dort ein Rodeo ansehen, zwar nur ein Touristen-Rodeo, was jeden Abend gegeben wird, aber immerhin. Wir haben noch nie ein Rodeo live erlebt und sind entsprechend voller Erwartungen. Während der Fahrt kommt Uta auf die Idee, es müsste dort einen Stier geben, der so friedlich, betäubt oder fixiert ist, dass man sich einmal draufsetzen kann. Unsere Fantasie reicht von Sekundenkleber bis Valium. Später werde ich noch einmal darauf zurückkommen.
Als wir uns Cody nähern, machen wir uns Gedanken über unsere Unterkunft. Heute soll es kein Hotel/Motel werden, sondern ein Cottage, also ein kleines Häuschen. Es liegt recht zentrumsnah und ist zudem noch relativ preiswert, was in Cody „nicht ganz so unverschämt teuer“ bedeutet. Wir sind gespannt. Unser Ziel liegt an einer Parallelstraße zur Hauptstraße. Das Problem ist nur: Es gibt dort offenbar gar keine kleinen Häuschen! Die angegebene Hausnummer hängt an einem Einfamilienhaus. Nirgends sehen wir einen Hinweis, dass hier ein Cottage zu vermieten wäre.
Wir gehen einfach zu dem Einfamilienhaus und klopfen einmal – offenbar ist niemand zu Hause. Als ich beginne, um das Haus herumzulaufen, erscheint doch noch ein Mann an der Tür und wir tragen unser Anliegen vor. Ja, da wären wir hier richtig, wir mögen hereinkommen. Drinnen schaut er sich den Vertrag an, telefoniert etwas und lässt sich unsere Kreditkarte geben, um sie mit dem Handy zu belasten. Am Ende führt er uns hinten aus dem Haus heraus.
Keine Angst, alles ist gut. Hier steht unser Cottage, ein Gartenhäuschen. Von außen sieht es ein wenig gewöhnungsbedürftig aus, aber es ist innen recht groß und ganz anständig eingerichtet.
Uta ist insbesondere von den Kosmetik-Produkten angetan, die auch gleich in der Staatsreserve verschwinden.
Nachdem wir uns etwas frisch gemacht haben, gehen wir in die Stadt und essen erst einmal Pizza. Danach schlendern wir die Hauptstraße entlang und schauen in den einen oder anderen Laden herein. Wer die bisherigen Folgen dieses Reiseberichts gelesen hat, ahnt vielleicht schon, dass mich das wenig begeistert …
Den Blick auf „unendlich“ gestellt, schaue ich mich in einem solchen Laden um. Da ruft plötzlich eine Damen-Handtasche ganz laut nach mir, ein ungewohntes Gefühl. Ich kann mir vorstellen, dass sie meiner Frau gefällt und nehme sie an mich. Als Uta ihren Rundgang beendet hat, hole ich die Tasche hinter meinem Rücken hervor und präsentiere sie. Es folgt ein kurzer Schrei, der wohl so viel wie „gefällt mir“ bedeuten soll.
Was ist nun das Besondere daran? Die Tasche hat die Form eines kurzen Damenstiefels mit hohem Absatz und ist mit Jeansstoff bezogen. Als wir die Tasche bezahlen, gratuliert uns die Verkäuferin zu unserem „conversation bag“, einer Handtasche, auf die man angesprochen wird. Auf einem der folgenden Fotos wird sie zu entdecken sein …
Mit einem Kuss werde ich zum „Held des Tages“ erklärt.
Kurz vor 18.00 Uhr finden wir uns am „Irma“ ein, dem Hotel/Restaurant des legendären Buffalo Bill Cody. Es sind Stühle aufgestellt, die sich das Publikum für ein paar Dollar mieten kann, um dem gleich folgenden Wild-West-Schauspiel beizuwohnen.
Es tritt zunächst „Buffalo Bill“ himself auf und preist die Vorzüge von Wyoming im Allgemeinen und Besonderen.
Dann beginnt das Schauspiel.
Und wer weiß womit?
Natürlich mit dem Einmarsch der Fahnen (USA und Wyoming) und dem Singen der Nationalhymne. Neben mir sitzt eine Frau im Rollstuhl. Die Art ihrer Krankheit/Behinderung ist für mich nicht erkennbar, aber zur Nationalhymne steht auch sie. Respekt.
Der Handlung des Stückes ist nicht sonderlich bedeutungsschwer und läuft natürlich, wie von allen erwartet, auf einen Shoot-Out hinaus.
Mit dem Sheriff trage ich mein ganz eigenes Duell aus. Ich will sehen, ob ich mit dem Fotoapparat schneller schießen kann, als er mit dem Revolver, d.h. ich möchte sein Mündungsfeuer fotografieren. Es braucht zwar ein paar Versuche, aber am Ende hat es geklappt.
OK, ich gebe zu, es war unfair. Mein Fotoapparat war auf „Dauerfeuer“ gestellt (9 Bilder/Sekunde).
Irgendwann gehen wir dann zurück in unser Häuschen und machen uns fertig für den Höhepunkt des Tages, das Rodeo. Als wir dort ankommen, trauen wir unseren Augen nicht. Da gibt es doch glatt den „Stier zum Besteigen“, den wir uns auf der Fahrt nach Cody ersponnen haben. Er steht in einer Metallkonstruktion und hat den Kopf fest angebunden, so dass er sich kaum bewegen kann. Äußerlich macht er einen sehr entspannten, ja fast betäubten Eindruck. Am Ende ist hier doch Valium im Spiel? Trotz allem ist es ein Stier, wie man an dem „Beutel voll Testosteron“ gut erkennen kann. Gegen einen nennenswerten Obolus, kann man ihn auch besteigen, wenn man sich traut …
… und Uta traut sich und wird so zu meiner Rodeo-Queen.
Hat eigentlich irgendjemand auf dem Bild die Handtasche bemerkt?
Nach einem kleinen Imbiss („Nachos“, für uns das worst meal ever) suchen wir uns Plätze und harren der Dinge, die da kommen mögen. Bevor es richtig losgeht, noch etwas Landeskunde: Mit welchen drei rituellen Handlungen wird so ein Rodeo eröffnet?
Die Nationalhymne. Gut, das war einfach, die kommt hier aber erst an Nummer 2.
Zuerst heißt es: „Aufstehen und Hut ab zum Gebet“. Es wir gedankt für die Gaben, die wir erhalten haben, Fürbitte geleistet für die Gesundheit der Reiter und der Tiere und Schutz erbeten für unsere „armed forces“, die überall auf der Welt (!) unsere Freiheit verteidigen. Ja so ist das …
Danach kommt die Nationalhymne, bei der natürlich wieder alle mitsingen. Passend dazu prescht eine Reiterin mit dem Sternenbanner in der Hand durchs Oval und kommt mit den letzten Klängen in der Mitte der Arena zum Stehen. Ja, in Sachen Theatralik macht den Amerikanern keiner so schnell etwas vor.
Und was ist das Dritte? Die Werbung natürlich, what else! Angefangen von Pepsi bis hin zum letzten örtlichen Souvenirladen präsentieren Reiter Fahnen mit den Logos der „Sponsoren“.
Jetzt geht es aber endlich los. Das Rodeo startet mit der klassischen Disziplin „Mann auf Pferd ohne Sattel“. Das sieht schon recht spektakulär aus.
Leider kann ich nicht mit so brillanten Fotos aufwarten wie Flicka seinerzeit. Mal abgesehen von der Fotoausrüstung fand ihr Rodeo (wahrscheinlich) tagsüber statt. Unser Rodeo begann 20.00 Uhr und lief bei Flutlicht, d.h. wir hatten fototechnisch magere Lichtverhältnisse. Bei einer gegebenen Lichtstärke des Objektivs und einer notwendigen Belichtungszeit von 1/1000 s bleibt am Ende nur, die Empfindlichkeit hochzudrehen. Schon bald bin ich bei ISO 25600 angelangt, was Bildrauschen aufkommen lässt. Schluss mit Jammern, weiter geht es.
Dass auch Stiere zum Einsatz kommen, hatten wir erwartet, aber nicht, dass „Kinder“ darauf reiten. Sechs Halbwüchsige im Alter um 13 Jahre treten gegeneinander an. Es mag sein, dass ihre Stiere auch noch etwas kleiner/jünger sind, aber das ist fast egal. Keiner bleibt länger als ein paar Sekunden oben und so mancher hält sich danach ein Bein oder ein anderes Körperteil. Wenn das zum Mann-Werden in Cody dazugehört, wäre ich wohl Kind geblieben.
Die nächste Disziplin ist das Kälber-Einfangen. Bei den Könnern sieht es recht leicht aus. Daran, dass es eine ganze Reihe von Reitern auch nicht schafft, erkennt man, dass es eben doch nicht so einfach ist.
Es folgt die Disziplin „Mann auf Pferd mit Sattel“. Dabei geht es ganz ordentlich zur Sache.
Durchs Programm führen ein Clown und ein Jugendlicher mit zum Teil halbseidenen Witzen wie diesem:
„What’s the difference between snow man and snow woman?“
Antwort: „Snow balls!“.
Dann kommt ein Lehrstück wie aus dem wahren Leben:
Alle Kinder bis 12 Jahre werden in die Arena gebeten. Sie mögen sich in einer Linie aufstellen und zum Clown blicken. Der erklärt ihnen, dass gleich zwei Kälber hereingelassen werden, die jeweils ein farbiges Band zwischen den Hörnern tragen. Wer dem Clown ein solches Band bringt, bekommt einen Preis.
Auf die Plätze, fertig, los!
Die Kinder rennen mit aller Kraft los. Ein großer Teil läuft auf den Clown zu, weil es „alle“ tun und man schneller sein möchte als sein Nebenmann. Gemeinerweise hat man die Tiere aber hinter dem Rücken der Kinder in die Arena geführt, was nur ein Teil von ihnen bemerkt hat.
Es ist offensichtlich: Die, die zuerst denken und dann handeln, sind im Vorteil. Das könnte man sich merken.
Weiter geht es mit den Ladies. Junge Frauen reiten einen Dreiecks-Parcours ab, bei dem es auf Geschwindigkeit und Geschicklichkeit ankommt. Da geht die Post ab. Wie ein geölter Blitz umrunden sie die Tonnen. Toll anzusehen!
Publikumsliebling ist ein Mädchen von 4 Jahren, das auf einem ausgewachsenen Pferd ebenfalls die Strecke um die Tonnen reitet, im Schritt zwar, aber immerhin beherrscht sie das Pferd und kann es auf den richtigen Weg führen.
Höhepunkt des Abends sind die Männer auf den Stieren. Respekt, was beide leisten. Den Männern natürlich, weil sie es verhältnismäßig lange schaffen, oben zu bleiben. Und den Stieren, weil sie Sprünge hinlegen, die man den schwerfällig erscheinenden Tieren gar nicht zutraut.
Uns hat es Spaß gemacht. Ob den Tieren auch, kann bezweifelt werden. Jedes von ihnen bekommt vor seinem Auftritt „untenrum“ einen Gurt umgeschnallt, der wohl irgendwie auf ihr Gemächt wirkt und sie ausschlagen lässt. Der Gurt wird zwar, nachdem es den Reiter „geerdet“ hat, sofort von anderen Reitern gelöst, aber ich glaube nicht, dass die Tiere vor sexueller Erregung ausschlagen, sondern eher, weil es ihnen unangenehm ist, um das einmal vorsichtig auszudrücken.
Lassen wir diese Gedanken.
Schön war’s. Zufrieden und voller Eindrücke reiten wir nach Hause.
Morgen geht es endlich in den Yellowstone!
Exkurs für Planer
Die Strecke:
Das Best Western in Sheridan ist empfehlenswert. Vorsicht, Sparversuche mit Billighotels könnten in eine „Absteige“ führen!
Der Devil Canyon Overlook im Bighorn Canyon ist sehenswert, der dortige Horseshoe Bend nicht.
Das über Casa Lodging Cottages früh gebuchte Gartenhäuschen war für uns eine „preiswerte“ und zentrumsnahe Alternative zu einem gewöhnlichen Motel/Hotel in Cody.
Die allabendliche Schießerei am Irma in Cody ist sehenswert.
Das (Touristen-)Rodeo in Cody ist sehenswert. Wenn man die Möglichkeit hat, sollte man ein reguläres Meisterschafts-Rodeo vorziehen. Sofern man (schöne) Fotos machen möchte, sollte man ein Rodeo bei Tageslicht besuchen.