04.09. St. Paul / Minneapolis erkunden(81 Meilen / 130 km)Hier ist wieder Buffalo Bill und es ist Zeit zum Aufstehen. Um die Statistik auszugleichen, lässt Markus heute Micky den Vortritt im Badezimmer, danach geht es in die Stadt. Ja, aber welche der Twin Cities zuerst? Das Motel liegt in der Nähe der Mall of America, nicht ganz ohne Hintergedanken, dass man von hier leicht mit der Straßenbahn ins Stadtzentrum von Minneapolis fahren kann. St. Paul dagegen ist wohl nur mit dem Auto sinnvoll zu erkunden.
Lange vor Abflug in die USA wurden zahlreiche Informationen zu allen möglichen Zielen entlang der Route gesammelt, wie z.B. Anfahrt, Eintrittskosten oder Öffnungszeiten. Die Informationen wurden in einem Word-Dokument zusammengefasst und liegen nun ausgedruckt im Wagen als Reiseführer. Und genau dieses schlaue Blättchen verrät, dass der Ratskeller im State Capitol nur vormittags geöffnet hat, weswegen die Entscheidung auf St. Paul als erstes Tagesziel fällt.
Zentrum von St. Paul, MN |
Noch bevor der Laptop mit der Navigationssoftware hochgefahren ist, gibt es allerdings schon einige Entscheidungen zu treffen. Um Zeit zu gewinnen, fährt Markus kurzerhand eine kleine Runde über das Gelände des Flughafens St. Paul/Minneapolis. Auch hier befindet sich ein wunderschönes Parkhaus. Na, so etwas muss man doch mal gesehen haben, oder?
Kirche in St. Paul, MN |
Ok, Street Atlas ist gestartet, dann kann ja mit der Navigation zu den echten Highlights begonnen werden. In St. Paul wird das State Capitol gesucht – und irgendwie nicht wirklich gefunden. Laut dem Stadtplan müsste es links auftauchen – ne rechts – oder doch eigentlich links? Was ist das da für ein Gebäude? Das hat eine Kuppel wie ein Capitol, liegt aber an völlig falscher Stelle. Ist das das Capitol?
Der Wagen wird geparkt, Kleingeld besorgt, eine Parkuhr gut gefüttert und zu Fuß die Innenstadt erkundet.
Entweder hat die Stadt irgendetwas Besonderes mit den Peanuts zu tun oder aber es sind gerade Charlie Brown Wochen – jedenfalls kann man an vielen Ecken Snoopy, Lucy und wie sie alle heißen als Statue bewundern. Doch das ist eigentlich nicht das Ziel.
Cathedral of St. Paul in St. Paul, MN |
Quer durch die Häuserschluchten wird sich zu dem Gebäude durchgeschlagen, welches einem Capitol am nächsten kommt. Ein anderes Gebäude mit so einer gewölbten Kuppel ist jedenfalls nicht zu sehen.
Per Luftlinie kann es nicht mehr weit sein, aber warum steht das so hoch oben auf einem Berg? Markus will schon gleich losstürmen, doch Micky bremst ihn: Zu anstrengend. Er will lieber zurück zum Auto und dort hinauf fahren. Markus lässt sich breit schlagen, gelangt später dann auch zur Einsicht, dass es so besser ist, denn obwohl das Gebäude sehr nah aussieht, so ist es doch viel weiter entfernt als angenommen.
So wird direkt wieder vom teuer bezahlten Parkplatz ausgeparkt und dem nächsten Glücklichen eine halbe Stunde Parken geschenkt. Wieder fährt man unterhalb des vermeintlichen Capitols entlang, da klingelt Mickys Handy. Immer diese wichtigen Leute. Am anderen Ende der Leitung ist Monika, die einen kleinen Smalltalk halten möchte. Wie geht es? Was habt ihr vor? Wo kommt ihr her? Ach ne, letzteres wohl eher nicht.
Mickey's Diner in St. Paul, MN |
Markus kämpft derweil mit dem Verkehr. Halb auf den Laptop starrend, halb in Gedanken bei Monika in Alabama befielt Micky: „Hier links abbiegen.“ Die Ampel wird grün, der Abbiegevorgang ausgeführt und schon landet man schnurstracks auf dem Freeway. Bye bye Capitol, vielleicht sieht man sich mal wieder. Das Gespräch mit Monika wird auf spätere Zeiten verschoben und per Routensoftware versucht, den Schaden zu begrenzen. „Wir sind Stars, holt uns hier raus“.
Die nächste Abfahrt in unendlich weit erscheinender Entfernung wird genommen und die Sache von hinten aufgerollt. Wow, vor dem „Capitol“ gibt’s ja sogar kostenlose Parkplätze, ein guter Blick auf die Stadt und auf noch ein weißes Capitol in weiter Entfernung. Und wo ist eigentlich die Cathedral of St. Paul?
Ok, so langsam kapieren die beiden die Lage: Sie haben die ganze Zeit von unten die Kathedrale angestarrt. Das Capitol ist eigentlich ganz woanders.
Nachdem dies Missverständnis geklärt ist und der Kathedrale ein ihr zustehender Besuch abgestattet wurde, geht es per Auto rüber zum „echten“ Capitol. Dort sind die Parkplätze leider nicht kostenlos, aber glücklicherweise noch nicht alle Parkuhren abgelaufen. Auf einer ist noch knapp über eine halbe Stunde übrig, das muss reichen.
Capitol von Minnesota in St. Paul |
Über die schöne breite Treppe geht’s nach oben. Im Innern ratloses Staunen: Schönes Gebäude, aber wo ist der Ratskeller?
Keller? Klingt nach unten. Aber wo sind die Treppen? Ein Lageplan muss her. Gut, dass alles, was man in Amerika besichtigen kann, mit genügend Info-Material überschwemmt wird, so findet sich auch hier eine passende Broschüre mit Lageplan.
Der Ratskeller ist zwar diesen Vormittag nicht abgeschlossen, aber ausgeschenkt wird ebenso wenig. Macht aber nichts, denn was hier interessant ist, sind die zahlreichen deutschen Trinksprüche an den Wänden. Im zweiten Weltkrieg übermalt, wurden sie nach und nach wieder restauriert. Deutsche Gemütlichkeit ist inzwischen wieder beliebt bei den Amerikanern. Bleibt nur die Frage übrig, was sie mit all den Sprüchen hier anfangen? Lesen werden es wohl nur die wenigsten können…
Ratskeller im Capitol von Minnesota |
Draußen ist es wieder sommerlich heiß geworden, als man den Parkplatz verlässt und dem nächsten die Möglichkeit gibt, noch 13 Minuten und 46 Sekunden kostenfrei zu parken. So gesehen klappt ja alles wie am Schnürchen. Noch einmal vorbei an der Kathedrale, fahren die beiden die Summit Avenue entlang, eine vornehme Wohngegend der Stadt. Teilweise monumentale Bauten zeigen, dass hier das Geld wohnt. Die Fahrt quer durch die Stadt dient allerdings nicht nur der Ergötzung am Reichtum anderer Leute, sondern auch dem nächsten Tagesziel: Choo Choo Bob’s Eisenbahnladen.
prächtige Wohngegend: Die Summit Avenue in St. Paul |
Markus ist etwas skeptisch und in der tat, der Laden ist nicht bedeutend groß. Nicht mal gescheite „Quängelware“ wird angeboten. Kein Schulbus oder sonst irgendein Auto lädt zum Kauf ein, nur zahlreiche Gebäudebausätze und ebenso viele abgepackte Waggons und Loks. Ohne Kenntnis von konkreten Bestellnummern ein mühseliges unterfangen, hier etwas finden zu können.
Das kurioseste an dem Laden: Im hinteren Bereich ist ein leerer Raum angeschlossen, den man als Party-Raum mieten kann. „Feiern sie ihren nächsten Geburtstag doch einfach beim Einzelhandelsgeschäft um die Ecke, damit der sich nicht so langweilt!“.
prächtige Wohngegend: Die Summit Avenue in St. Paul |
Und das Beste habe ich mir für den Schluss aufgehoben: Der Besuch dieses Geschäfts war Mickys Idee. Ich schwöre bei allen mir bekannten Grasbüscheln!
Nun wird es Zeit, St. Paul zu verlassen und nach Minneapolis zu wechseln. Über eine Stadtautobahn ist dies schnell geschehen. Micky lotst Markus. „Noch zwei Meilen weiterfahren… dahinten links halten… und hier rechts war mal eine Brücke.“ Eine trockene makabere Bemerkung. Die beiden passieren ein größeres Straßenkreuz, wo alle Spuren nach Norden gesperrt sind. Sieht auf den ersten Blick aus wie eine Großbaustelle, aber es steckt mehr dahinter: Vor etwas mehr als einen Monat ist an dieser Stelle eine Brücke über den Mississippi eingestürzt und hat für zahlreiche Tote gesorgt.
Noch intakt ist dagegen eine Fußgängerbrücke über den Mississippi, die Stone Arch Bridge. Der nächste Parkplatz fordert einen Obolus, doch auch hier kann wieder kostenfrei geparkt werden. Es stehen zwar keine Parkuhren herum, wo eventuell noch Restzeit vom Vorgänger nicht abgelaufen ist, jedoch ist der einzige Parkscheinautomat des Platzes defekt.
Spiegelbilder in Minneapolis |
Von der Stone Arch Bridge und der Aussicht auf den Mississippi hat man sich irgendwie mehr versprochen. Eine moderne ausgebaute Brücke über einen feuchten Fluss. Könnte irgendeine Brücke sonst wo sein, jedoch denkt man bei der Hitze garantiert nicht an den Norden der USA.
Schnell wieder rein in den Wagen und ab ins Zentrum von Minneapolis. Hier ist das Finden eines Parkplatzes nicht mehr ganz so einfach. Hier eine Ladezone, dort nur für Anwohner, dahinten ein Behindertenparkplatz, Busspur, nur Kurzparker, Taxi-Zone und Einfahrten. Himmel ... und Zwirn. Es nützt nichts, nach mehrmaligem Umrunden verschiedener Häuserblocks wird einer von den großen kostenpflichtigen Parkplätzen angefahren. Nicht ganz wohl ist den beiden, als der Parkwächter fordert, mind. einen Autoschlüssel zu behalten als Pfand. Doch was sind die Alternativen?
Downtown Minneapolis |
Markus ist an Stadtverkehr ja durchaus gewohnt, denn er wohnt selber in einer, aber diese Parkplatzsuche in der Innenstadt – ne, das ist echt nicht sein Fall. Da wird er schnell etwas ungeduldig.
Und was wollen wir nun eigentlich hier? Richtig, den Foshay Tower finden. Vom Parkplatz auch nicht weiter schwierig, man schaue einfach geradewegs nach oben. Von da oben soll man eine schöne Aussicht haben. Als marsch auf die andere Straßenseite, doch eine Baustelle versperrt genau das Gebäude, was wohl den direkten Zugang darstellt. Also probiert man es hintenrum. Über das Innere der Hochhäuser, über die Zugänge zum Skywalk-System folgt man den Schildern zum Foshay Tower und muss auch hier vor einer Baustelle kapitulieren. Dann halt nicht.
Kurz mal über die Einkaufsstraße Nicollet Avenue gelaufen, hat man bei der Hitze einfach keine Lust, sich noch weiter hier aufzuhalten.
Stattdessen kauft man dem Parkwächter den Autoschlüssel wieder ab und fährt zum Skulpture Garden südlich der Stadt. Eine grüne Oase, ein Ort zum Verweilen. Bekanntestes Motiv ist ein überdimensional großer Löffel, auf den eine Kirsche balanciert. Dahinter liegt die Skyline der Stadt. Eine Bank im Schatten lädt zum Rasten ein, doch Micky wirkt unruhig. Warum denn schon wieder so schnell weiterhechten? Man hat doch Urlaub und sollte sich auch mal Zeit nehmen, einfach nur dazusitzen, Leute zu beobachten und sich in der Hitze nicht zu überanstrengen. Komisch, am Flughafen macht er doch genau das so gerne. Da ist ihm angeblich gar nicht langweilig.
Spoonbridge im Minneapolis Sculpture Garden |
Zurück am Auto nutzen unsere Ausgeschwitzten ein nettes Feature amerikanischer Autos. Per Fernbedienung kann schon von weitem der Motor angelassen werden. Damit nimmt auch schon mal die Klimaanlage ihren Betrieb auf. Aber ob die 15 Sekunden längerer Betrieb wirklich so viel nützen? Markus wagt es zu bezweifeln.
Eine kleine Seenrundfahrt entlang der Uferstraßen vom Lake of the Isles, Lake Calhoun und Lake Harriet kühlen die beiden wieder auf Normaltemperatur herab, was sich auch in der Mall of America fortsetzt. Amerikaner und ihre geliebten Klimaanlagen. Oft verhasst wegen der trockenen Luft, doch an Tagen wie diesen überaus angenehm.
Am Nachmittag trennt man sich. Markus fährt mit der Straßenbahn zurück in die Innenstadt von Minneapolis, während Micky den Einsamen Schützen mimt. Er nimmt die Gelegenheit wahr, auf einem Schießstand einige Kugeln abzufeuern.
Straßenbahn in der Innenstadt von Minneapolis |
Zurück in der Innenstadt, erforscht Markus das System der Skywalks. Wunderbare Sache das. Im Winter kann man trockenen Fußes und ohne hinaus in die Kälte zu müssen von Gebäude zu Gebäude laufen, ja, sogar quer durch die Stadt, und im Sommer dasselbe Spielchen kühlen Kopfes durch die zahlreichen Klimaanlagen – wenn sie denn funktionieren. In einem längeren Übergang ist genau das Gegenteil der Fall und hinter dem Glas heizt sich die Luft wunderbar auf.
Aber ich als zivilisiertes Bison würde in dieser Stadt auch nicht leben wollen. Kein einziger der Gänge hat einen Grasteppich.
Und noch etwas kann Markus nun ungestört tun: Sooft und so lange er will Straßenbahnen fotografieren. So gesehen war die Tageseinteilung optimal gewählt. Man war mit dem Auto, wo man nur mit dem Wagen hinkommt, hat alles Pflichtprogramm gemeinsam erledigt und die Dinge, die für den anderen langweilig sind, macht man halt getrennt. Hoffentlich laufen noch mehr tage so unbeschwert ab.
Downtown Minneapolis |
Es wird spät, als Markus sich losreißen kann. Aber wie kommt man aus dem Netzwerk von Skywalks wieder heraus? Das ist irgendwie gar nicht so einfach. Brücken über Straßen gibt es viele, aber an deren Ende nur selten Treppen nach unten. Die gibt es nur in der Mitte eines Gebäudekomplexes und da ist es nicht selten, dass man unvermittelt in der Lobby eines Büroturms landet. Rennt man dann auf einen vermeintlichen Ausgang zu, der in guter amerikanischer Manier mit "Exit" überschrieben wird, kann es sein, dass man Alarm auslöst, weil es eigentlich nur ein Notausgang war.
Aus den Augenwinkeln kann Markus noch den Sicherheitsbeamten erkennen, der dem naiven Touristen resigniert nachschaut.
Da ist es doch einfacher, mit der Straßenbahn zurück zur Mall of America zu fahren. Darin ist Markus geübt.
An der Mall ist es bereits dunkel geworden und eine Frage beschäftigt ihn die ganze Fahrt über: Wie kommt er jetzt zum Hotel? Laufen? Ist ja eigentlich nicht so weit, aber er ist eben in Minneapolis schon einiges gelaufen. Micky anrufen? Ist der denn schon zurück? Und funktionieren die Handys mal wieder, nachdem es am Chicagoer Flughafen ja leider nicht geklappt hat? Oder fährt gar ein Bus dahin?
An der Endstelle der Straßenbahn liegen einige Faltblätter mit Busfahrplänen aus. Markus scharfe Kombinierungsgabe und sein Orientierungssinn verraten ihm ziemlich schnell, dass wohl Buslinie 5 eine hervorragende Wahl wäre. Wann fährt denn der nächste? In 2 Minuten. Na, passt das nicht wie die Faust auf’s Auge?
Schon bald treffen sich beide wieder im Motel wieder. Ich kann euch sagen, dass – hey, wo ist der Ranger hin? Macht denn heute gar niemand das Licht aus? Ich kann doch bei Licht nicht einschlafen. Menno, das kann ja eine Nacht werden. Ok, werde ich morgen weiter darüber berichten, wie öde und langweilig eine Fahrt quer durch Minnesota sein kann. Ich habe jetzt andere Probleme.
Herzlichst, euer Buffalo Bill.
Übernachtung: Super 8 Hotel - Bloomington, MNBewertung: guter Durchschnitt