Guten Abend, heute geht's weiter - und ihr werdet es lieben, denn ein paar rote Steine sind auch dabei
Mic, Respekt, zum Wandern wäre das mir überhaupt nix gewesen, ich bin ja schon nach ein paar Schritten müde geworden. Aber als Wanderer akklimatisiert man sich vielleicht auch über einen längeren Zeitraum beim Aufstieg, was das ganze dann wieder etwas erträglicher macht...?
Bosley, ich hab mir deinen Bericht mal angeschaut. Ihr hattet ja traumhaftes Wetter und konntet richtig weit gucken! Und der Mount Evans sieht auch gut aus. Habt ihr diese Bergziege da direkt neben der Straße gesehen? Neid!!
Danke für das Lob, Andie. Wir haben in der Tat eine Gopro dabei gehabt, außerdem noch eine Canon-Videokamera (Legria irgendwas - ist Heikos), ich habe Videos mit meiner DSLR gemacht. Was die Fotos angeht: Heiko hat eine Canon 60D (glaube ich, aber definitv was aus der Serie mit einer Null
), ich habe eine 600D. Ich weiß nicht was Heiko für genaue Objektive hat, aber er hat mit einem Weitwinkel, einem "normalen" (also mittlere Brennweite) und einem Tele-Objektiv fotografiert, ich glaube es sind alles drei Originalobjektive von Canon. Ich habe nur eins mit mittlerer Brennweite von Sigma (bin damit aber auch sehr zufrieden).
Und trau dich ruhig von den Küsten weg, es lohnt sich sehr! Wir haben ja nun viel von Amerika gesehen im letzten Jahr und sind eigentlich von jeder Region mit ihrem ganz eigenen Charme, das fängt beim Menschenschlag an und hört beim Essen auf, begeistert.
Los geht's:
Tag 28, 15.6. Der Wecker klingelte um 4.35 Uhr.
Im Halbschlaf standen wir auf, zogen uns an und packten unsere Sachen ein.
Dann fuhren wir Richtung Garden of the Gods – unterwegs war nichts los, praktisch kein Verkehr zu dieser nachtschlafenden Zeit. Und warum das alles? Damit wir die dortigen roten Felsformationen (sie sehen ein bisschen aus, wie Raumschiffe die in die Erde gesteckt wurden), im Hintergrund der Pikes Peak, im Sonnenaufgangslicht sehen konnten. Alles war offen, wir positionierten uns an zwei verschiedenen Stellen und warteten mit gezückten Kameras auf den Sonnenaufgang.
Da wo ich stand, hatte man einen schönen Blick auf alle Felsformationen und den Pikes Peak und während ich auf das schöne Licht wartete, fror ich mir alles ab (trotz dicker Socken in Flipflops
- das ist sicher noch hässlicher als Trekkingsandalen
). Irgendwann begann der Pikes Peak, rosa zu leuchten, etwas später gesellten sich dann die roten Felsen dazu. Ein großartiger Anblick, ein wunderschönes Panorama, das mindestens eine Viertelstunde lang mehr oder minder intensiv anhielt!
Die leuchtend roten Felsen sahen im Kontrast zum dunkelblauen, klaren Himmel und dem grünen Präriegras einfach beeindruckend aus. Heiko fuhr derzeit mit dem Auto eine Runde im Park herum und fotografierte von mehreren Stellen – und das ganz allein: Kein anderer Tourist, geschweige denn Einheimischer, war bis lange nach Sonnenaufgang zu sehen.
Dann holte Heiko mich wieder ab, wir fuhren gemeinsam noch einmal den Park ab. Das Licht war immer noch schön, wurde aber immer greller und damit fotountauglicher.
Wir beobachteten die herumfliegenden Schwalben, die wohl in hunderten kleiner Löcher im Fels wohnen. Als wir gerade weiterfahren wollten, fiel uns ein Tier im nahen Gebüsch auf – ein Mule Deer (Maultierhirsch)! Es fraß gemütlich die Blüten eines Kaktus, lief über die Straße, und ließ sich von uns nicht im Geringsten stören.
Wir machten ausgiebig Bilder und genossen diese Begegnung. Mittlerweile war es 7 Uhr morgens und wir entschlossen uns, aufzubrechen und irgendwo zu frühstücken. Bei McDonalds hörten wir im Fernsehen noch etwas über die Waldbrände, die aktuell in Colorado wüteten: es seien wohl die schlimmsten Waldbrände in der Geschichte des Staates, mit 350 Häusern die in Colorado Springs bedroht seien und der Royal Gorge Bridge, die wegen schwerer Waldbrände gesperrt werden musste.
Wir stellten als nächstes das Navi auf Jackson, Wyoming ein und stellten fest, dass das 520 Meilen sein würden. Juhu!
Aber auf den langen Fahrtag waren wir ja eingestellt und es war immer noch vor 8 Uhr morgens, perfekt.
Die Fahrt auf der Interstate war erst einmal ereignislos, bis auf den schönen Anblick der schneebedeckten Gipfel links und der weiten Ebenen rechts. Ich schlief jedoch sehr schnell ein
und wachte erst wieder in der Nähe von Denver (1609 m) auf, dessen Skyline wir von der Autobahn sehen konnten.
Danach folgte ein ausgesprochen langweiliger Abschnitt. Die Landschaft wurde zunehmend flacher, hügelig-grasige endlose Ebenen, und auch der Ausblick auf die Berge links war uns nicht mehr vergönnt, da wir von den Rockies erst einmal etwas wegfuhren.
An der Grenze zu Wyoming hielten wir im nagelneuen, schicken Visitor Center an. Wir lernten auch, dass Wyoming eine unglaublich keine Bevölkerungsdichte hat: 550 000 Menschen (so viel wie in Essen oder Bremen) leben auf der Fläche von z.B. England. Wahnsinn! Viele Touristen kommen dennoch hierher: denn die beiden berühmten Nationalparks Grand Teton und Yellowstone befinden sich beide im Staat. Wyoming soll „cowboy country“ sein, viele Familien haben Ranches und sind Farmer. Wir ließen uns außerdem noch eine Route nach Yellowstone empfehlen und fuhren dann weiter.
Als erstes fuhren wir durch Cheyenne (1848m), die Hauptstadt, wo alles noch wie gehabt war: an jeder Ausfahrt McDonalds, Supermärkte, Tankstellen, die üblichen Kettenmotels. Wir hielten beim Walmart (nach jetziger Einschätzung vielleicht der einzige Walmart in Wyoming!?
) an und deckten uns mit nicht verderblichem Essen für die nächste Woche und unsere Campingzeit im Yellowstone NP ein. Die Kassiererin erzählte uns erstmal ihre Familien- und Lebensgeschichte, aber war sehr freundlich und hieß uns in Wyoming Willkommen.
Ein paar Meilen später, ich las irgendwas, Heiko fuhr, sagte er plötzlich: „Scheiße!“ – „Was denn?“ – „Na, wir sind gerade an der Ausfahrt vorbei und müssten irgendwann tanken, haben nur noch einen Strich auf der Anzeige. Soll ich umdrehen oder kommt da bald noch mal eine Tankstelle?“ – „Ach, klar kommt da bald eine. Auf der Karte sind viele Ausfahrten eingezeichnet.“
Danach sagten wir lange nichts mehr, und eine halbe bis dreiviertel Stunde später realisierte ich irgendwie, dass bisher gar keine Stadt mehr gekommen war. Nix. Nur Windparks, große grüne Grashügel, ein paar Berge in der Ferne, und riesige Zäune zum Abhalten von Schneewehen im Winter.
Und Ausfahrten, die ins Nichts führten – oder zu einem Highway, der dann weiter ins Nichts führte.
Das Glück war uns jedoch hold und so kam bald eine Tankstelle – aber auch nicht mehr als das. Die Ausfahrt führte wieder zu einem Highway ins Nichts und zu einer conoco-Tankstelle, die nur von zwei dicken seltsamen Typen in Angel-/Armykleidung geführt wurde.
Na ja, immerhin hatten wir Benzin. Mittlerweile hatten wir mindestens 70 Meilen keine Stadt oder Besiedlung gesehen… Wyoming ist noch leerer als wir dachten.
Am nächsten „vernünftigen“ Ort (mit Tankstellen, Restaurants, etc. – vermutlich aber eine Minenstadt) verließen wir dann die Interstate und fuhren auf den Highway 287. Er führte quer durch den Staat in die nordwestliche Ecke, wo auch die Nationalparks liegen. Wir tauschten Fahrer und jetzt war Heiko dran mit Schlafen. Der Highway war noch einsamer, 60 Meilen lang passierte gar nichts, keine Stadt, kein gar nichts, nur grüne Grashügel, die Straße hatte gefühlt eine Kurve. Wyoming ist langweilig.
Dann kamen ein paar mehr vereinzelte Häuser, aber insgesamt gab es 120 Meilen lang keine größere Siedlung, die man als Städtchen oder Ortschaft hätte bezeichnen können.
Irgendwann fanden wir dann aber überraschenderweise einen guten Radiosender, so dass das Fahren mehr Spaß machte, und dazu änderte sich die Landschaft.
Plötzlich kam uns Wyoming überhaupt nicht mehr langweilig vor: die Straße wurde kurviger, es ging hoch und runter, links und rechts waren Canyons, Tafelberge, bunte Felsformationen, Zacken, Spitzen, Hügel, kristallklare blaue Flüsse. Wahnsinn! Wie ein geologischer Spielplatz.
Ein Wahnsinns-Fahrgefühl: wir waren alleine auf der Straße, der Himmel war blau und endlos, die Landschaft war weit und groß. Amerika!
Nach drei Stunden tauchten in der Ferne dann schneebedeckte Gipfel auf – die Tetons?
Unser Nationalpark war in Sicht! Unterwegs kamen wir noch durch Dubois, eine Westernstadt mit einer Main Street ganz aus Holz. Der Hwy 287 war mittlerweile offiziell „scenic“, obwohl er inoffiziell schon lange toll war. Es wartete noch eine Passstraße auf uns, die auf ungefähr 2700 m hinaufführte. Die Landschaft war mittlerweile ganz anders: Felszinnen auf hohen Bergen, Schnee lag auf den Berggipfeln und teils auch auf der Passhöhe und die Grashügel waren einem Nadelwald gewichen.
Auf der Passhöhe hatten wir bei Gegenlicht dann den ersten Blick auf den Grand Teton NP: eine Bergkette aus spitzen, schneebedeckten Bergen, davor ein großer See.
Wir fuhren in den Park hinein, kamen zum Staudamm vom Jackson Lake und parkten dort erst einmal. Wir liefen zum Snake River, der das Wasser vom Lake in den Pazifik abführt, und beobachteten die zahlreichen Fliegenfischer dort.
Wir spazierten auf dem Staudamm umher und genossen den Ausblick auf den See und die Berge.
Als nächstes hielten wir beim Chapel of the Sacred Heart an, einer kleinen Kapelle im Nationalpark, die allerdings geschlossen war. Wir erfreuten uns stattdessen an der „arrowleaf balsamroot“, einer sonnenblumenverwandten heimischen Wildblume die im Juni überall herrlich gelb blüht. Wir fuhren die Parkstraße weiter Richtung Süden nach Jackson, und konnten gar nicht glauben, wie unglaublich schön die Szenerie war.
An einem Aussichtspunkt warteten wir dann den Sonnenuntergang ab, der für tolle Lichteffekte an den Bergen sorgte, als die Sonne hinter ihnen verschwand. Im letzten Licht fuhren wir dann noch zum Jenny Lake, einem 60m tiefen See der direkt am Fuß der Berge liegt. Das glasklare, glatte Wasser spiegelte die Berge – ein Postkartenanblick.
Wir konnten auch den Grand Teton Gletscher sehen, der oben am Berg wie ein großer Eisblock sitzt – ich hatte noch nie vorher einen Gletscher gesehen.
In der Dämmerung wollten wir noch ein paar Tiere sehen und fuhren dazu die Antelope Flats Rd. Schon nach ein paar Metern sahen wir nicht nur andere Touris in ihren Autos (einer der Touris hatte sich zu seinem Auto hin Pizza bestellt aus Jackson… okay?!
), sondern auch: Bisons! (Amerikanischer Bison, auch Büffel genannt) Eine große Herde graste, junge Bisons kämpften, Vögel landeten auf dem Rücken der großen Viecher und so weiter. Genial!
Langsam wurde es dann zu dunkel um Tiere zu sehen und fotografieren, also kehrten wir um und fuhren nach Jackson zurück. Doch dann wurde uns der Weg von einer Herde Bisons abgeschnitten, die gemütlich über die Straße trotteten. Diese massiven Viecher nur 2-3 Meter weit weg von sich zu sehen, war sehr beeindruckend, und im Scheinwerferlicht des Gegenverkehrs konnten wir den Atem eines Bullen in der kalten Luft sehen – und wie Sabber aus seinem Maul tropfte.
In Jackson (1901m) angekommen checkten wir dann bei unserem Motel ein und nahmen ein Paket entgegen – denn diese Firma hatte uns tatsächlich das Ersatz-Internetgerät zu unserem nächsten fest gebuchten Motel geschickt, nämlich hierher. Schön, aber ob uns Internet in den nächsten Tagen in der Wildnis wohl so viel helfen wird? Eher nicht.
Außerdem hatten wir uns mittlerweile gut an internetloses Leben gewöhnt.
Abends aßen wir ein paar unserer älteren Vorräte, nämlich Instantnudelsuppe in einer Tupperdose mit heißem Wasser aus der ständig überlaufenden Kaffeemaschine. Aber satt wurden wir trotzdem.
Gefahrene Meilen: 586