Tag 2, 20.5.Bei feucht-heißem Wetter, so wie es sich für den Süden gehört, standen wir auf und waren bereits um 9 Uhr abfahrbereit und fuhren dann in die Innenstadt von Cincinnati. Dort versuchten wir irgendwo, einen Bezugspunkt zum Entdecken der Stadt zu finden, zum Beispiel einen Parkplatz oder so, waren nach drei Runden um den gleichen Block jedoch ziemlich entnervt (hatten aber doch einiges von der Innenstadt gesehen).
Bis auf eine Parkuhr, bei der man für 1x drücken 10 Minuten gratis parken konnte (wer baut eine Parkuhr bei der man gratis parken kann!?
), fanden wir jedoch nichts. Schließlich fuhren wir etwas aus der Stadt heraus und parkten auf der heute menschenleeren Zufahrt zum Baseballstadion und konnten so zumindest die berühmte blaue, singende Brücke nach Kentucky und die schöne Skyline sehen.
Über die singende Brücke fuhren wir dann auch nach Kentucky (und das Metallgitter „sang“ tatsächlich beim Fahren) und schauten dort noch einmal die Skyline von Cincinnati über den Ohio River hinweg an.
Dann fuhren wir als nächstes nach Petersburg in Kentucky, wo wir das Creation Museum anschauen konnten. Only in America: irgendwelche reichen Christen haben hier ein nagelneues, hypermodernes Museum errichtet, was sich mit der Schöpfungsgeschichte aus der Bibel beschäftigt – und dafür wirbt, dass sie richtiger ist als die Evolution. Da in amerikanischen Schulen jeder Staat per Gesetz selbst festlegen kann, was von beidem (oder beides) gelehrt wird, gibt es nicht wenige Amerikaner, die überzeugt sind, dass Evolutionstheorie Quatsch ist. Nachdem wir von einem sehr ernst aussehenden Mann in eine Parklücke eingewiesen worden waren, liefen wir vorbei an Autokennzeichen aus aller Herren Staaten zum Eingang. Das Museum wirbt auf seiner Homepage auch damit, von 2/3 der amerikanischen Bevölkerung innerhalb einer Tagesfahrt erreichbar zu sein – entsprechend gibt es auch irre viele verschiedene Staatenkennzeichen.
Drinnen angekommen kauften wir Eintrittskarten und setzten uns dann zunächst in einen Einführungsfilm, „besonders geeignet für Kinder“. Der Film kann zusammenfassend eigentlich als ein Film „über die Lügen der modernen Wissenschaft“ bezeichnet werden, und wir schauten fassungslos zu. Der Inhalt in der Kurzfassung: ein junges Mädchen, Wendy, sitzt am Feuer und wundert sich über den Sinn des Lebens. „In der Schule bringt man uns bei, dass die Evolution die Wahrheit ist, doch man sagt doch auch, es gäbe einen Gott, - gibt es ihn denn nun?“ Da senken sich auf sie zwei Engel in weißen Malerlatzhosen herab, die „men in white“, sagen ihr sie hätten Antworten auf ihre Fragen und erzählen ihr zunächst die Schöpfungsgeschichte. Im Paradies lebten Adam und Eva voller Glück, „und es gab keine genetischen Mutationen“, alle waren glücklich, es gab keine Krankheiten und so weiter. Doch dann: Die Revolution! Die Erbsünde! Eva entschied sich, sich dem Wort Gottes zu widersetzen, von der verbotenen Frucht zu kosten. Der Bildschirm wurde rot, eine gruselige Schlange erschien, lautes Donnergrollen war zu hören, und Bilder von Tod, Verderben, Drogenmissbrauch, Naturkatastrophen, Krankheiten, Hunger, Geburtsschmerzen und einem Fleisch reißendem Wolf erschienen. Klar, ein Film für Kinder!
Weiter ging es im Film dann darum, dass man heutzutage ja überall (besonders in der Schule) Lügen erzählt bekommt, und dass einem überall die eigentliche, wahre Entstehung des Lebens, nämlich die Schöpfung durch Gott, zugunsten der Evolutionstheorie ausgeredet wird. Es wurde auch gesagt, dass die Erde eigentlich nur tausende von Jahren, nicht Milliarden von Jahren, alt ist, und dass wissenschaftliche Methoden, die eine uralte Erde belegen, allesamt falsch sind. So zum Beispiel die Altersbestimmung von Steinen mithilfe des radioaktiven Zerfalls. Es ging im Film auch gegen die Medien, die ja auch nur Lobby der Evolutionstheoristen sind und Quatsch erzählen. Im Großen und Ganzen ein sehr gehirnwäschiger und gruseliger Film, ob das so das richtige für Kinder ist, war sehr fraglich. Uns stand der Mund jedenfalls weit offen und wir begaben uns wie betäubt in die weitere Ausstellung des Museums. Dort wurde zunächst mal Gottes Wort gegen das der Evolutionstheoretiker gegenübergestellt, z.B. war bei den biblischen Stammbäumen immer eine Sintflutlinie eingezeichnet; Kohle entstand angeblich dadurch, dass sich nach der großen Sintflut die entwurzelten Bäume ablagerten; und auch die heutige Lage der Kontinente arrangierte sich während der Flut unter Wasser.
Das Museum war allerdings sehr schön und sorgfältig eingerichtet, es gab Räume in denen Adam und Eva zusammen badeten, es gab einen weißen Raum, der wohl das Leben mit Gott symbolisierten sollte, und lauter Urwälder, in denen Menschen mit Dinosauriern spielten (übrigens: die Dinos haben mit ihnen zusammen gelebt und wurden nur deshalb ausgerottet, weil man vergaß, sie auf die Arche zu bringen… uuups!
) und so weiter.
Mein Lieblingsraum war der, in dem gezeigt wurde, was unsere Gottabgewandtheit heutzutage mit uns angerichtet hat: Jugendliche, die Killerspiele am PC spielten, Drogen nahmen, Sex vor der Ehe hatten und schwanger wurden, und Erwachsene bei Ehekrisen und im Streit. Schließlich waren wir dann fertig und gingen noch bei brütender Mittagshitze im wunderschön angelegten Garten des Museums spazieren.
Wir waren sehr zufrieden, das Museum besucht zu haben, und sinnierten noch lange darüber, dass eigentlich nur in Amerika eine so große Kirchenlobby existiert, die den Bau eines so teuer ausgestatteten Museums finanzieren könnte (und auch in Amerika eine so große Meinungsfreiheit herrscht, dass ein solches Museum möglich ist und in Schulen auch beide Theorien unterrichtet werden). Wir waren entsetzt über den Fanatismus – so fühlte es sich für uns, einen Atheisten und einen eher moderat gläubigen Christen, an – des Museums, aber dennoch half es uns, einen Einblick in eine ganz andere, konservativ-christliche Welt zu bekommen, und zu verstehen, warum diese Menschen sich so von der Evolutionstheorie bedroht fühlen. Das Creation Museum ist sehr zu empfehlen, für Christen wie für Nichtgläubige!
Als nächstes sollte es zum fast exakten Gegenstück, dem anderen Gesicht des konservativen Kentucky, gehen: Der Jim Beam-Destillerie.
Unterwegs hielten wir noch bei einem Post Office an, bei dem ich südliche Gemütlichkeit erfahren durfte, denn ich hatte vergessen den Schlüssel für mein Zimmer in Middlebury abzugeben – und musste ihn jetzt mit der Post zurück schicken. Was ewig dauerte bei der Postangestellten.
Bei Jim Beam besorgten wir uns dann Tickets für eine Tour und schon ging es los:
In einem ersten Raum wurde erklärt, warum 97% der Bourbon Whiskey-Herstellung der USA im Bereich von Kentucky und Tennessee (Jack Daniels) passiert: weil hier ein besonderes Grundwasser zu finden ist, was viel Kalzium und wenig Eisen enthält. Auch für die Lagerung der mit fertigem Whiskey gefüllten Holzfässer ist das Klima in diesem Teil der USA entscheidend (denn die Fässer werden ohne Klimaanlage gelagert): durch das warme Klima, was allerdings doch Schwankungen im Jahresverlauf aufweist, ziehen sich die Fässer immer zusammen und dehnen sich wieder aus, wobei sie den Whiskey aufsaugen und wieder abgeben und damit auch Aroma übertragen. Unglaubliche 50% des gesamten Bourbon-Whiskeys der Welt werden von Jim Beam hergestellt (der Rest dann bestimmt von Jack Daniels oder so). Weiter wurde uns dann gezeigt, dass der Bourbon aus Mais, Malz und Roggen besteht, der gemahlen und vergoren wird.
Das passiert übrigens mit der originalen Jim Beam-Hefekultur, die seit Gründung der Destillerie 1795 von allen „Beams“ (den Besitzern des Familienunternehmens) einem Safe aufbewahrt und immer weitervermehrt wird und sogar über die Prohibition hinweg gerettet wurde. Sie haben angeblich sogar immer einen Würfel mit nach Hause genommen, falls die Destillerie abbrennt (da Hochprozentiges so gut brennt, hat die Fabrik auch ihre ganz eigene Feuerwache vor Ort). Als nächstes wird das ganze dann destilliert und dabei kommen „high wine“ und „low wine“ heraus, die beide sehr hochprozentig sind, 60-80 Prozent, wir durften daran riechen (Tränen in den Augen!). Außerdem sind die Flüssigkeiten noch weiß/transparent. Als nächstes wurden uns die Eichenfässer gezeigt, die innen angebrannt werden, was den Holzzucker karamellisiert, der dann in den Bourbon übergeht und ihn auch braun macht. Je länger es lagert, desto besser schmeckt es dann auch. Als nächstes wurden wir in den „echten“ Vergärungsraum geführt, in dem nicht nur kleine Schaubehälter, sondern die Riesenbehälter für die Produktion der Firma waren. Es herrschte eine ungeheure Hitze und man konnte seinen Kopf in die Öffnung eines der Behälter halten, aus dem ein Schwall warmer, gäriger und stinkender Luft kam.
Danach waren wir dann live dabei, wie ein Fass geöffnet wurde, und der braune Bourbon mit kleinen Kohlestückchen kam heraus.
In der Produktion wird anschließend gefiltert und dann, je nach Endprodukt, mit Wasser oder Geschmacksstoffen verfeinert und verdünnt. Im nächsten Raum wurden dann die Flaschen mit Bourbon ausgespült, abgefüllt und versiegelt.
Schließlich kamen wir dann in einen riesigen, urigen Holzschuppen, der aussah wie kurz vor dem Zusammenbrechen. Moderne, technische, klimatisierte Lagermöglichkeiten? Pustekuchen! Irgendein Typ klettert da ins Gebälk und holt ein Fass aus der hintersten Ecke, wenn es gebraucht wird! Wir standen in einem Lagerschuppen mit 20 000 Fässern, 1 Mio Gallonen, und es soll wohl auch Schuppen mit über 50 000 Fässern geben. Ein seltsames Gefühl, unterhalb von so vielen Litern Whiskey zu stehen, und ihn teilweise sogar auf sich herabtropfen zu lassen (leckende Fässer). Die Fässer machen teils ziemlich viel Verlust durch Verdunstung und Lecks, und nach 12 Jahren sollen in einem der Fässer statt 56 nur noch 9 Gallonen drin gewesen sein. Übrigens liegt direkt zwischen den Lagerhäusern eine Kirche einer Glaubensgemeinschaft, die Nichttrinker sind… angeblich würden sie sich am ständigen Whiskeygeruch aber nicht stören.
Schließlich kam der spaßigste Teil der Tour, die Verkostung.
Jeder konnte sich mit einer Karte drei Sorten zum Testen aussuchen und einen kleinen Schluck in ein Glas füllen lassen. Jim Beam Honey – perfekt für mich, jung, mild, niedrigprozentig und SÜSS! (für Whiskeyliebhaber sicher nur Gepansche
). Dann probierten wir einen 8jährigen, der 60 Prozent hatte und ungefiltert und unverdünnt aus dem Fass kam – da wurde bestimmt nur die Kohle rausgefischt. Beim Riechen fiel uns hier schon die Nase ab, und als Heiko kostete, bekam er wässrige Augen – na so was, er ist doch sonst nicht so?!
Als ich selbst einen Schluck nahm, dachte ich, die Schleimhäute meines Verdauungssystems werden weggefressen.
Schließlich probierten wir noch einen Mittelalten mit einem modrigen Geschmack. Na ja. Dann schleppten wir uns durch die Hitze zum Auto zurück und Heiko fuhr weiter, in der Hoffnung dass uns kein Sheriff abfing – betrunken war er zwar nicht, aber roch sicher doll nach Alkohol. Übrigens machten das alle anderen Besucher ganz genauso, ich frage mich, warum noch kein findiger Sheriff die Straße von der Destillerie zur Interstate als lukrative Bußgeldeinnahmequelle entdeckt hat.
Wir fuhren in einen Vorort von Louisville und aßen dort bei einer kleinen Imbisskette aus Cincinnati, Skyline Chili, ein Gericht, was auch in Cincinnati erfunden wurde: 5-Way-Chili. Ganz unten sind Spaghetti, dann kommt Fleischsoße, dann Bohnen, dann frische Zwiebeln und oben drauf ohne Ende Käseraspel. Ziemlich ekelig, und gleichzeitig ziemlich lecker.
Wir fuhren danach am Ufer des Ohio River nach Westen, dann nach Süden. Und während wir noch darüber diskutierten, wo das streng geheime Fort Knox, die Goldreserve der USA, hier nun eigentlich versteckt liegt, tauchte es links neben uns auf, ganz geheim, an der Autobahn.
Von drei Zäunen geschützt und in einem fensterlosen Betongebäude lagen sie also, die Goldreserven der USA - im Wert von 6 Milliarden Dollar und damit die größte Goldreserve der Welt.
Wir bogen links ab und versuchten, noch ein Stück näher zu kommen, kehrten dann vor dem Eingang zum Sperrgebiet jedoch wieder um. So verlockend es auch war, am Zaun auszusteigen, ließen wir es bleiben, denn wir wollten nicht erschossen oder festgenommen werden.
Als nächstes hielten wir dann in Elizabethtown an, zumindest am Ortsschild, und machten ein Foto.
Der gleichnamige Film (einer meiner Lieblingsfilme), der hier handelt, wegen dem wir den Abstecher gemacht hatten, wurde jedoch gar nicht hier gedreht (sondern in einer Kleinstadt in der Nähe), und so steuerten wir in der Gegend keine weiteren Ziele an und machten uns auf die längere Fahrt nach Süden.
Einige Zeit später erreichten wir die Staatengrenze von Tennessee auf der Interstate, und bereits kurz nach der Grenze wurden wir in den „richtigen Südstaaten“ willkommen geheißen: „Prepare to meet thy God. Ye must be born again. I believe in the Lord Jesus Christ.” Die Sonne ging während der Fahrt blutrot unter, und im Dunkeln erreichten wir Downtown Nashville und parkten in einem Parkhaus. Da wir noch Energie hatten, wo wir die auch immer hernahmen, tauschten wir Trekkingsandalen zu hübschen Schuhen und los ging’s!
Sobald wir die Ausgehmeile erreicht hatten, war alles voller Leute, überall waren offene Fenster, aus denen Livemusik drang, die Kneipen hießen „House of Country“ und „Honkey-Tonk“, es war warm und auf der Straße wurde von jungen Leuten Musik gemacht.
Wir entschieden uns dann, in die super-volle (und es war Montag Abend!) „Tootsie’s“ Bar zu gehen, bestellten Bier und Cola und lauschten dem Sänger, der dem Klischee entsprechend einen Cowboyhut auf und eine Gitarre um hatte.
Die Musik war toll, die Kneipe war urig eingerichtet mit Prominenten-Unterschriften und angeklebten Dollarscheinen, und das Publikum war bunt gemischt wie man es nur selten sieht. Halb 1 hatten wir dann genug und fuhren in unser Motel – nur, um unterwegs festzustellen, dass es eine Extrastunde Schlaf für uns geben würde – denn wir hatten, ohne es zu wissen, eine Zeitzone überquert! Juhu!