09.05. Kanab - Zion NP - Valley of Fire SP - Las Vegas (256 Meilen / 412 km)
Gestern war wirklich ein anstrengender Tag gewesen und wir sind zeitig in die Heia. Zuvor hatten wir noch versucht, Petra telefonisch zu erreichen, um sich mit ihr abzustimmen, wo, wann und wie wir sie denn heute treffen sollen. Sie nahm auch ab, nur konnte sie mich scheinbar nicht hören, denn ich redete und redete, ohne dass sie darauf einging.
Mit dieser Ungewissheit planen wir mal lieber etwas mehr Zeit ein und stellen den Wecker für 6 Uhr. 20 Sekunden bimmelt das Teilchen etwa, bis ich fröhlich aus dem Bett springe und mich unter die Dusche stelle. Ich weiß auch nicht, habe heute irgendwie gute Laune.
Als ich aus dem Bad komme, wandelt Horst noch immer im Reich der Träume. Ich wecke ihn mit einem überschwänglichen „Guten Morgen“ und frage, ob er denn den Wecker nicht gehört hätte. „Wecker? Welcher Wecker?“
Das Steuer übernehme ich wohl besser diesen Morgen. Mal sehen, ob wir Horst mit etwas Kaffee fit bekommen. Im Zion halten wir für einen kleinen Frühstückssnack an der Checkerboard-Mesa, danach wieder am östlichen Tunneleingang. Beschwingt machen wir uns auf den Weg zum Canyon Overlook, um dort die über dem Tal aufgehende Sonne zu erleben.
Der Kaffee scheint nur nicht 100%ig zu wirken, Horst ist noch immer etwas verschlafen. Mir geht es dagegen prächtig, ich könnte Bäume ausreißen. „Ist ja schrecklich, wenn du morgens so gut gelaunt bist“, ernte ich da nur spöttisch von meinem Mitfahrer. Komisch, aber heute haben wir beide absolut die Rollen getauscht.
Am Aussichtspunkt stehen schon eine Hand voll Leute und alles wartet gespannt, bis die Sonne ins Tal scheint. Wir hoffen, sie tut es, denn der Himmel ist von einigen grauen Wolken verhangen. Laut Wetterbericht soll es im Tagesverlauf aber besser werden.
Nun endlich leuchten die ersten Sonnenstrahlen über die Bergspitze und teilen das Tal in eine sonnige und eine schattige Seite. Das Gesamtbild ist damit leider zerstört, weil hell und dunkel – das macht sich nicht so gut, aber dort, wo die Sonne scheint, sieht es freundlich aus. Jo, fahren wir da doch einfach mal hin, ist nämlich zufällig die Westausfahrt des Tunnels.
Gesagt getan. Auf der anderen Seite halten wir in einer Kehre noch einmal an, um uns auf einer Schautafel über den Bau des Tunnels zu informieren und um unseren morgigen Fotostandort auch noch von der anderen Seite zu sehen. Nur die Sonne macht sich wieder etwas rar. Ich hoffe, es wird nicht noch schlimmer, z.B. Regen, denn auf die heutige Wanderung hoch zum Angels Landing habe ich mich doch schon so gefreut.
Wir stellen unseren Wagen am Visitor Center ab und besteigen den Shuttle Bus zum Temple of Sinawava. 90 Minuten dauert eine Fahrt bis ganz durchs Tal und wieder zurück. Zeiten, die schon ankündigen, was für eine Schleicherei das wird.
Ich bin ja wirklich ein Freund des Shuttle-Bus Systems an sich, aber diese langsamen Kisten sollte man wirklich mal gegen neuere Modelle austauschen. Der Bus ist voll besetzt, so voll, dass sogar einige stehen müssen und dann heult er im ersten Gang bergauf. Vorsicht, eine Schnecke auf der Überholspur.
Wir dürfen wenigstens schon bei The Grotto aussteigen, ansonsten wären wir wohl beide wieder eingeschlafen. Wir überqueren den Virgin River und biegen auf der anderen Seite rechts ab. Vor uns ragt ein mächtiger Felsen in die Höhe. Ist da oben Angels Landing?
Zuerst geht es leicht bergan, das schaffe ich noch recht gut, dann wird der Weg steiler und windet sich in Serpentinen die erste Wand hinauf. Ich falle wieder etwas zurück hinter Horst, aber die Vorstellung, dass es im Vergleich zum Yellow Rock ein Spaziergang ist, hilft ungemein.
Nun geht es weg vom Tal, die nächsten Meter sogar richtig flach. Eine absolute Wohltat, bevor es die nächsten Bögen wieder rauf geht. Irgendwann zählt man die Schleifen nicht mehr, sondern denkt nur noch: Hat das denn überhaupt kein Ende?
Wir erreichen ein Hochplateau, wo schon einige ratlose Personen stehen. Sollen wir weiter gehen? Der Anblick der kleinen Ameisen in der Wand, die sich an einem Stahlseil entlang hangeln, weckt die Furcht in manchem Gesicht. Endlich kommt die Stelle, auf die ich mich dagegen schon so gefreut habe, denn Höhenangst ist bei mir ein Fremdwort.
Da die Stahlseile gerade belegt sind, versuche ich es freihändig auf alternativen Wegen, was absolut kein Problem darstellt. Der Felsen ist fest und gibt auch nicht nach wie gestern und hat praktischerweise auch noch die Form von großen Stufen.
Geschafft! Wir erreichen das nächste Plateau und ich denke noch: Das war alles? Dafür machen die so einen Aufstand? Aber nein, dahinten sehe ich noch einige Leute klettern. Das Beste kommt erst noch.
Diesmal habe ich den Vortritt und Horst lässt sich etwas zurückfallen. Er lässt es vorsichtig angehen, was ja absolut kein Problem ist. Jeder so schnell, wie er es für richtig hält.
Oben angekommen, ist mal wieder Ausruhen angesagt. Ausruhen und staunen, wie weit man sehen kann oder anders ausgedrückt, wie kurz das Tal eigentlich ist im Vergleich zu der Strecke, die uns die langsame Shuttlebusfahrt suggeriert.
Auch Horst ist inzwischen angekommen, sichtlich etwas erschöpft. Ausnahmsweise hat er auch mal nicht sein Stativ mitgenommen. Wirklich ein Zeichen, dass er etwas kaputt ist. Ich frage ihn, wie er die letzte Passage einschätzt, denn meine Ansicht über Höhen kann man nicht auf die Allgemeinheit übertragen. Überraschenderweise findet auch er es gar nicht so schlimm, wie immer getan wird. Auf unserer Reise hätten wir schon viel schlimmere Abgründe vor uns gehabt, Vielleicht lässt ihn aber auch die Jagd nach guten Motiven immer häufiger seine Angst vergessen. Aber warten wir mal bis zum Abstieg, da sehen wir dem Abgrund ja direkt ins Auge.
Ich darf wieder vorgehen und bin auch im Nu über die ersten Stufen. Die Stahlseile sind meiner Meinung nach nur gut, um höhere Stufen zu überwinden und Halt zu finden. In den tiefen Abgrund schaut man eigentlich nie, es gibt immer genügend Felsen rechts und links.
Eine Amerikanerin, die noch mit sich selbst kämpft, nutzt die Gelegenheit zum Verschnaufen, mir zu zusehen und ruft ganz erstaunt: „He seems to enjoy it“. Sie trifft den Nagel auf den Kopf.
Weiter geht es über die zahlreichen Schleifen bis runter ins Tal. Mit weichen Knien kommen wir unten an. Weich deshalb, weil wir jetzt minutenlang unser Gewicht abbremsen mussten. Horst erzählt wieder etwas von Körner und so, aber ich fühle mich noch immer topfit. Ich könnte ohne Probleme noch mal rauf und wieder runter. Hat insgesamt auch nur 2,5 Stunden gedauert, wir liegen also weit vor unserem Zeitplan. Und dabei haben wir noch nicht einmal gehetzt.
Zurück zum Bus gehen wir allerdings noch nicht, sondern folgen dem Tal auf einer Wanderung. Am Lower Emerald Pool bittet Horst um eine Pause und ich mache mich alleine auf den Abstecher zum Middle und Upper Pool, wo eine wirklich beeindruckende Steilwand in die Höhe aufragt. Die Pools selbst sind nicht so interessant, dafür aber die Landschaft drum herum umso mehr.
Zurück am Lower Pool sammle ich erst einmal Horst wieder ein, der fast ein Nickerchen gehalten hat, danach einige dicke Wassertropfen, als wir unter dem Wasserfall durchgehen, wo sich der Middle in den Lower Emerald Pool ergießt. Ich bleibe stehen und genieße den Anblick: Man selbst steht im Trocknen, rund herum blauer Himmel und Sonnenschein und doch regnet es sich da vor einem einen Vorhang zusammen.
Zurück am Visitor Center klemmen wir uns ans nächste Telefon versuchen wir noch einmal, Petra zu erreichen. Wir kommen auch zweimal durch, hören aber leider nur Freizeichen. Tja, das war’s dann wohl mit dem Treffen und wir haben wieder eine Unmenge an Zeit gewonnen. Was machen wir?
Schnell nach Las Vegas? Aber jetzt schon in die Stadt? Oder ins Valley of Fire? Könnte aber etwas wärmer dort werden. Unsere respektive meine Wahl fällt auf Letzteres und so kutschiere ich meinen inzwischen schlafenden Fahrgast durch so einmalige Orte wie Overton. Einmalig langweilig.
Als wir den Ort endlich hinter uns gebracht haben, breitet sich vor uns ein Seitenarm des Lake Mead aus, kurz einmal rechts abgebogen und wir befinden uns im Valley of Fire State Park. Gehorsam entrichten wir die Parkgebühr in den dafür vorgesehenen Umschlägen und werfen diese – frei nach Loriot – in den für den Umschlageinwurf vorgesehenen Umschlageinwurf ein – und machen nichts wie zurück ins Auto. Draußen wird man ja gar gekocht.
Große Wanderungen stehen nicht auf dem Programm. Zum einen sind 50% von uns müde und die anderen 50% wollen nicht mehr als 3m von der Klimaanlage getrennt sein. Nein, stattdessen halten wir kurz am Elephant Rock an und fahren anschließend auf Entdeckertour Richtung White Dooms. Wie gesagt, wandern wollen wir heute nicht mehr, aber die Straße an sich gibt schon verdammt gute Motive her. Abschließend halten wir noch am Arch Rock, bevor wir uns auf das Abenteuer Las Vegas einlassen. Das letzte Stück dieser Nebenstraße ist sogar nicht asphaltiert, so dass wir tatsächlich behaupten können, jeden Programmtag abseits befestigter Straßen gefahren zu sein. Ein wunderschönes Fazit.
Die Fahrt auf der Interstate spulen wir routiniert ab, doch vor Las Vegas kommen so viele Spuren hinzu, das ist einfach nicht mehr schön. Wir sehnen uns zurück auf unsere Backroads. Zurück in die Einsamkeit, wo uns die Landschaft praktisch alleine gehörte.
Wie durch ein Wunder erwischen wir auf Anhieb die richtige Ausfahrt, denn den Las Vegas Stadtplan haben wir natürlich tief im Koffer vergraben. Bis wir mit Silke verabredet sind, ist noch einige Zeit, so dass ich einen letzten Wunsch äußere und einen Umweg zum Hard Rock Café vorschlage. Andererseits – ich fahre, also hat Horst überhaupt keine andere Wahl.
Während ich einkaufe, versucht Horst schon einmal, Silke zu erreichen, um ihr zu sagen, wir wären etwas früher in der Stadt, doch sämtliche Apparate mögen seine Telefonkarte nicht. Also fahren wir zu ihrem Hotel und fragen an der Rezeption, ob man uns mit ihr verbinden kann. „Nachname?“ Mensch, wie schreibt sie sich doch gleich? Mit h oder ohne. Nachdem wir alle Möglichkeiten durch haben, verbindet man mich mit ihrem Zimmer. Freizeichen. „Nimm ab! Ja genau, den kleinen schwarzen Kasten, wo das lästige Klingeln herkommt!“ Vergebens!
Also gehen wir rüber zu den Bellagio Fountains, dem verabredeten Treffpunkt. Um 8 wollten wir uns treffen. Jetzt ist es 20 nach 7. Um halb sehen wir uns die Wasserspiele an. Großartig. Es wird 20 vor acht. „Silke, du wirst erwartet.“ Es wird Viertel vor. „Silke, du bist schön genug, komm bitte runter“. Es wird 8 Uhr. „Silke, willst du etwa die nächsten Wasserspiele verpassen?“ Es wird 10 nach 8. Wartet sie vielleicht woanders? Zur Vorsicht laufe ich mal los, eine Runde um den Brunnen, nur um ganz sicher zu gehen…
To be continued…