25.04.2006 St. George - House Rock Valley Road - White Pocket - Sidestep Canyon - Wahweap Creek (215 Meilen / 346 km)
Um 5 Uhr heißt es aufstehen. Draußen ist es noch dunkel, aber am Anfang vom Urlaub schaffe ich es noch ohne größere Probleme, so früh aufzustehen. Der Jetlag und vor allem der Tatendrang helfen dabei. Unser erster Besuch gilt dem Wal Mart, wo sich direkt zeigt, wer das bessere Verständnis von Richtungen hat, was für den weiteren Tagesverlauf von ungeheurer Bedeutung sein wird. Wir beide vermuten den Wal Mart nämlich auf unterschiedlichen Seiten der Interstate, aber nein, ich verschweige an dieser Stelle, wer sich letztendlich geirrt hat. Wir sind hier nicht bei der Bild-Zeitung. Immer diese Sensationslust.
Zuerst plündern wir mal den Supermarkt und nehmen alles mit, was man so unterwegs in der Wildnis brauchen könnte. Wasser, Brot, Wurst, Äpfel, noch grüne Bananen, damit sie länger halten und natürlich Salzstangen, das allerwichtigste. Die Kassiererin versorgt uns Amerikatypisch mit 1000 Plastiktüten und draußen beginnt so langsam der Tag, was uns auch gleich zu einem Stopp hinter Hurrican inspiriert. Einfach mal etwas Morgenluft schnuppern.
In Fredonia tanken wir lieber noch einmal den Wagen, denn wer weiß, wann und wo wir die nächste besetzte Zapfsäule zu Gesicht bekommen. Ihr merkt schon, wir rüsten uns für alle Fälle. Ein kleines Sandwich dient als Mittagssnack, denn wir wollen nicht allzu viel Zeit verlieren, endlich zu unserer ersten Staubstraße zu kommen.
Die 89A windet sich auf ein kleines Hochplateau in eine überraschend waldreiche Gegend. Wir befinden uns im Kaibab National Forest und passieren nach einem Aussichtspunkt mit Talblick den Abzweig zum Grand Canyon North Rim, der zu dieser Jahreszeit aber noch gesperrt ist.
Nach einem weiteren Aussichtspunkt, an dem traditionell der nächste fliegende Händler seine Ware an die nur wenigen Touristen verscherbelt, zweigt Richtung Norden die House Rock Valley Road ab. Bye bye Asphalt und auch good bye schönes sauberes Auto. Zum Dank an die Dienste der Alamo Waschstraße machen wir noch ein Foto unseres jungfräulichen Vehikels. Dann gebe ich Gas und wir ziehen eine mächtige Staubwolke hinter uns her.
Mein begeisterter Mitreisender bzw. Mitgeschüttelter ruft nur noch aus „Es staubt, endlich geht es los“. Erste Amtshandlung: Fenster runter und nach hinten rausgefilmt. Als ob wir noch nie eine Staubwolke gesehen hätten.
Die Straße gehört mir praktisch alleine. Ich fahre dort, wo es nach meiner Ansicht am wenigsten schaukelt. Gegenverkehr ist kein Problem, denn den erkennt man rechtzeitig an einer sich auf uns zu bewegenden Staubwolke.
Plötzlich endet die schöne Schotterstraße und geht in einen Sandacker über. Sind wir hier richtig? Zur Vorsicht bremse ich lieber mal, damit wir die Gegend in Augenschein nehmen können, doch vorerst sehen wir von ihr überhaupt nichts. Für eine halbe Minute nebelt uns unsere eigene Staubwolke ein. Ein zuvor als Abzweig wahrgenommener Feldweg kann nicht die House Rock Valley Road sein, also nehmen wir unsere Fahrt im Sand wieder auf. Ein ganzer Christbaum an Warnlampen leuchtet auf. Durchdrehende Räder, unruhiges Fahrverhalten – meine Güte, was unser Auto so alles weiß. Also lege ich den Four Wheel Drive ein, um unseren Chevy und meine Nerven zu beruhigen.
Wir sind auf der Suche nach der White Pocket, einer wunderschönen Landschaft auf dem Paria Plateau im Vermillion Cliffs National Monument. Der Hinweg ist dank guter Vorbereitung leicht zu finden. Horst hat einige Beschreibungen aus dem Internet ausgedruckt, sich mehrere Topo-Maps mühevoll zusammengeklebt und zudem noch die GPS Daten diverser Abzweige notiert. Es sollte eigentlich nichts schief gehen.
Während er seine Satteliten einfängt, kämpfe ich mit der Straße. Anfangs handelt es sich noch um eine gut fahrbare Schotterpiste, doch nach jedem Abzweig wird die Fahrt zunehmend abenteuerlicher. Zuerst leuchten unsere Augen noch wie bei Kleinkindern, denen man gerade das ultimative Geschenk gemacht hat, aber dann bringt uns jede Erschütterung doch wieder zurück in die Realität. Die Straße (Pardon: Der Pfad) wechselt nun immer häufiger zwischen Sandpassagen, wo ich mich jedes Mal noch frage, ob wir eigentlich noch mit allen vier Rädern auf dem Boden fahren oder schon Kanuartig im Sand dahin schwimmen und felsigen Passagen, wo ich den Wendekreis unseres Trailblazers auskosten kann, um uns wenigstens um die gröbsten Kanten zu manövrieren.
Das GPS meldet nur noch wenige Meter bis zum Ziel, da bleibe ich an einem kleinen Sandberg hängen. Horst steigt aus und geht die paar Schritte auf den Hügel hinauf um zu entscheiden, ob es sich überhaupt lohnt, noch weiter zu fahren und vor allem, ob wir den Hügel auch wieder zurückschaffen. Er ist sprachlos und überwältigt von der Schönheit der Landschaft, die jenseits des Hügels auf uns wartet. Das will ich auch sehen! Also setze ich zurück, nehme Anlauf und schaffe den Wagen über den Hügel. Als ich meine Konzentration endlich von der Straße heben kann, bin ich nun an der Reihe zu staunen. Horst hat indessen unsere Ankunft an der White Pocket auf Band festgehalten, damit diesen Moment wirklich jeder miterleben darf. Ich bin so beeindruckt, sprachlos, fassungslos, dass ich fast vergesse, dass hier die Straße zu Ende ist und es Zeit wird, den Wagen zu parken, bevor er von einem Felsen hüpft. Die nächste Werkstatt mit Abschleppdienst dürfte etwas weit sein.
Wir stehen in einem farblichen Wunderland. Bilder sagen mehr als Worte. Staunend und auch praktisch die Zeit vergessend ziehen wir durch die Weite, immer im Wettkampf mit den Kameras, wer wohl zuerst aufgibt: Mensch oder Maschine. Ich lasse mindestens 100 Mal meinen Auslöser seine Arbeit verrichten. Um jede Ecke finden wir neue Motive. Es sind nicht nur immer neue Ansichten derselben Felsen, es sind wirklich immer wieder neue Eindrücke, denn die Formationen sehen von unterschiedlichen Richtungen betrachtet jedes Mal wie ausgewechselt aus.
Wir finden kleine Wellenformationen, wie eine Kleinausgabe der berühmten Wave und noch zig andere Naturmalereien. Besonders schön finde ich den Checkered Rock oder das Valley of the flowing Colors, in dem gerade drei kleine Lizzards ihr Sonnenbad halten.
Als wir uns dann endlich losreißen können, um auch noch andere schöne Landschaften an diesem Tage zu besuchen, lasse ich Horst mal ans Steuer. Auf dem Rückweg darf er sich mal mit der Straße auseinandersetzen, denn die Fahrerei ist schon eine wunderbare Konzentrationsarbeit, besonders, wenn man eilig durch sandige Kurvenpassagen flitzt, nur, um nicht auf Sand anhalten zu müssen.
Rückwege und Hinwege – manchmal wie zwei unterschiedliche Strecken, denn von der anderen Seite sieht plötzlich alles ganz anders aus. Wo ich eben noch leicht bergab geschlittert bin, geht es jetzt ein kleinwenig bergauf und stellt uns direkt vor einem Problem. Der Wagen wird immer langsamer, bis er dann ganz stecken bleibt. Der Unterboden schiebt einen beachtlichen Sandberg vor sich her. Wir kommen weder vor noch zurück.
Als erste Maßnahme darf ich aussteigen, um das Gewicht zu reduzieren und den Röstungsprozess meiner Haut zu starten. Bringt nur leider nichts. Egal, in welche Richtung ich auch schiebe, der Wagen bewegt sich keinen Zentimeter vom Fleck. Eine längere Pause ist also angesagt und lässt unser geplantes Abendprogramm in wortwörtlich weite Ferne rücken.
Wir laden unser gesamtes Gepäck aus, um das Gewicht noch weiter zu reduzieren und schaufeln den Wagen frei mit einem Klappspaten, den Horst über e**y mehr zum Spaß für irgendwelche Filmaufnahmen angeschafft hatte. Aus Spaß wird halt doch oft bitterer Ernst. Ich bekomme die Anweisung, ich solle mal eben die Fahrstrecke mit Zweigen auslegen. Das sind sicher 50m bis zum Gipfel und die Büsche wehren sich ungemein, mit bloßen Händen von ihren Zweigen getrennt zu werden. Mit der Zeit werde ich aber echter Bush-Experte, nicht im politischen Sinne, sondern im praktischen Sinne, denn man merkt recht schnell, wie man seine gebeutelten Hände schonen kann und welche Büsche nicht den größten Widerstand leisten.
Nun kommt der Augenblick der Wahrheit. Horst setzt sich ans Steuer und ich schiebe ihn zurück, damit er Anlauf nehmen kann. Wisst ihr, wie heiß eine Motorhaube in der Wüste werden kann? Ich schon.
Dann gibt er Vollgas und als er mich überholt hat, renne ich hinter ihm her, um ihn über die schwierigsten Stellen anzuschieben. Mehr aus Selbstansporn rufe ich immer wieder lautstark „jetzt nicht anhalten, fahr weiter bis zum Gipfel“. Oben angekommen bin ich platt. Rennt ihr mal in glühender Hitze einem Auto bergauf hinterher.
Man kann schon fast erleichtert sein, jetzt, wo wir es geschafft haben, aber: Wo ist unser Gepäck? Richtig, es steht etwa 100m weiter bergab. Ihr müsst euch nun mal das Bild vorstellen, wie die Autoschieberbande nun ihre Koffer mitten durch die Wüste trägt. Auf ein Taxi will ich dann doch lieber nicht warten. Könnte etwas länger dauern.
Auf dem weiteren Weg, den ich nur noch recht teilnahmslos verfolge und meinen frischen Sonnenbrand genieße, entwickelt Horst eine neue Schaukeltechnik, die uns vor weiteren Zwischenstopps schützt. Wer einmal richtig Seekrank werden möchte, darf sich uns gerne bei der nächsten Tour anschließen.
Mir fällt nur auf, dass irgendwie alle Felskanten fehlen, die ich eben so schön hab umfahren. Mein Verdacht erhärtet sich, als wir vor einem geschlossenen Gatter ankommen. Die nachfolgende Diskussion, wann wir denn den richtigen Weg verlassen haben und ob unser Sandbad hätte vermieden werden können, führt zwar zu keinem Ergebnis, aber verkürzt etwas die Fahrtzeit.
Endlich wieder zurück auf der House Rock Valley Road sehen wir nach Stunden wieder andere Menschen. Nicht viele, aber genug, dass uns bei einer weiteren Panne immerhin geholfen werden könnte.
Horst hat den ehrgeizigen Gedanken gefasst, die verlorene Zeit wieder aufzuholen, was mich in diversen Senken zu spontanen Freudensprüngen veranlasst. Im Kofferraum tanzt das Gepäck vor Freude mit. Wir rasen um die Kurven als ob wir am Ende einen Preis für die meisten erwischten Bodenwellen in Empfang nehmen könnten.
Jenseits der 89, einer echte Erholungsphase, geht die Suche nach den tiefsten Gräben auf der Sand Wash Road weiter. Ich frage noch, ob ich nicht besser fahren soll, damit Horst seine Anleitungen lesen und das GPS bedienen kann, womit ich eigentlich nur das Schaukeln abstellen will, doch Horst befürchtet eine weitere Schleichtour wie heute Mittag, wo ich mich noch bei jeder Delle in der Straße entschuldigt habe. Hätte nur noch gefehlt, ich wäre ausgestiegen und hätte jede Erhebung für den Rückweg markiert.
Na jedenfalls wird mir nun die zweifelhafte Ehre zuteil, sämtliche Weidentore zur Durchfahrt zu öffnen. So langsam zweifle ich daran, ob die Entscheidung klug war, an der White Pocket den Fahrer zu wechseln, denn im Endeffekt habe ich im Anschluss mehr gearbeitet als vorher.
Umso müder ist der Krieger, als wir in den wunderschönen Sidestep Canyon absteigen. Unser Wasserfallfan Horst outet sich nun als Hoodoo-Fan und meine Kraft reicht gerade noch, in den jeweils nächsten Schatten zu flüchten. Mit knurrenden Magen schleiche ich meinem Anführer hinterher, was ich aber selbst schuld bin, war meine Neugierde auf den Canyon doch größer als auf meinen Magen zu hören.
Als die Sonne sich verabschiedet, begrüße ich erstmal eine ordentliche Scheibe Brot. In doppelter Hinsicht war der Abstieg in den Canyon eine lohnenswerte Angelegenheit. Zum einen haben wir ein weiteres menschenleeres und zudem noch kostenloses Naturjuwel erforscht, zum anderen sehen wir nun ein, dass man über diesen Weg nur schwer an die Wahweap Hoodoos herankommt, wo wir morgen zu Sonnenaufgang sein wollen.
Wir parken daher unseren Wagen etwas weiter hinten direkt im Wahweap Creek in der Nähe eines Zauns, der uns an der Weiterfahrt hindert und richten uns im Kofferraum ein gemütliches Nachtlager her. In der Nacht werde ich mir nur wünschen, Horst hätte nicht auf einem Berg geparkt.
Übernachtung: Auto - Wahweap Creek, UTBewertung: gut