23.9.2012 - Tag 19 - Tootsies: Kult am Broadway und ein herzlicher Empfang in Maggie ValleyEin bisschen Ausschlafen muss heute sein, aber bloss nicht zu lange, denn Nashville ruft immer noch nach uns, der gestrige Abend war zwar fantastisch, aber noch lange nicht genug, und wir müssen heute ja schon wieder weiter, in die Smokies.
Bevor wir die Music City aber wieder verlassen, möchten wir noch an den Broadway fahren und ins Tootsies reingucken.
Die Tootsies Orchid Lounge ist eine Bar um die Ecke vom Ryman Auditorium, wo der eine oder andere Countrystar nach seinem Auftritt noch schnell ein Glas kippen ging. Die Location ist so legendär, dass da wohl jeder aus der bekannten Countryszene mindestens einmal im Leben hingeht.
Die Wände sind gepflastert mit unzähligen Fotos von allen möglichen Berühmtheiten (die "Wall Of Fame"), die hier drin was getrunken und auch musiziert haben auf der kleinen Bühne in der Ecke.
Es heisst, Willie Nelson habe hier nach einem Auftritt seinen ersten Songwriter-Vertrag bekommen.
Wer hier im Tootsies spielt, hofft wohl entdeckt zu werden von irgendwem, der gerade zur richtigen Zeit hinhört.
Wir finden den Weg ohne Probleme und sogar einen gratis Parkplatz in geringer Gehdistanz, ein Wunder, denn hier wimmelt es heute von Sportfans in ihren Trickots, die Stadt ist in Aufruhr, es scheint irgendein wichtiges Spiel zu laufen heute, überall Leute, die die Autos auf Spezialparkplätze einweisen. Wir haben aber Glück und kriegen vor einer Schule einen Parkplatz, der am Sonntag unbegrenzt und kostenlos genutzt werden kann.
Weil ich aber nicht so GANZ sicher bin bei der Interpretation des Schildes, das da beim Parkplatz darauf hinweist, dass montags bis freitags das und das gilt, aber nur wenn dieses und jenes, am Wochenende gelten keine Regeln, ausser in diesen und jenen Fällen, bei Nichtbeachtung wird abgeschleppt...hmmmm...
...frage ich doch einen Herrn, der hier auch grad parkt und mit einer Dame aus dem Auto steigt, ob wir hier an einem Sonntag wirklich so lange parken dürfen wie wir wollen. Gehe hin und spreche ihn an..."Good morning sir, can I ask you a question...?"
Und er grinst und antwortet: "Well...young lady...I'm not a sir...I'm just a southern gentleman."
Find ich süss.
Jedenfalls checkt selbst er als Amerikaner das Schild nicht so ganz, denkt aber auch, dass es ok ist und wünscht uns allen viel Glück.
Nun spazieren wir bei traumhaftem Wetter - schön runterknallende Sonne, aber nicht zu heiss - an den Broadway runter, wo ordentlich was los ist.
Viele Sportfans, viele Touristen, gute Stimmung, es summt und surrt in der Luft von all der Aktivität. Hier steht Bar an Bar, in jeder spielt eine Band für Tips und hofft auf Zuhörer.
Das kleine Tootsies ist rappelvoll.
Auf der Bühne steht eine sehr junge Frau mit powervoller Stimme, musikalisch unterstützt von vier Musikern älterer Gattung, und singt einen Mix aus Country und bluesigen Einlagen bekannter und weniger bekannter Songs. Hammer Röhre, das kleine schmale Ding da oben auf dem Eckchen Bühne!
In den Pausen geht sie von Tisch zu Tisch und sammelt Trinkgeld und fragt die Leute, ob sie einen Musikwunsch haben. Japp, ich hätte da einen, und zwar "Crazy" von Willie Nelson, in der Version von Patsy Cline.
Und wow...sie singt es schlicht und ergreifend wundervoll, mit so viel Gefühl und doch so kraftvoll, ausser der von Patsy war das die schönste Interpretation dieses Songs, die ich jemals gehört habe!
Als der Boss der Begleitband (ich glaube, die gehören zum Tootsies, die Jungs der Band) augenzwinkernd erzählt, dass sie zu Sara Avalos, wie die Sängerin heisst, gesagt haben, als sie im Tootsies singen wollte, dass sie aussieht wie "a little school girl", und diese geantwortet habe "well, I AM a little school girl", wird mir klar, dass sie wohl noch sehr jung sein muss. Und ich frage nach und erfahre, dass sie tatsächlich erst 16 ist...und bereits so hammer performt mit so einer starken Stimme...Hut ab!
Wir haben nicht allzu viel Zeit...wir müssen heute noch in Maggie Valley ankommen und das wenn möglich nicht zu spät, wir haben uns zwischen 18 und 20 Uhr angekündigt.
Ich bekomme als Andenken von Uschi ein Tootsies-Shirt geschenkt und freue mich. Dann lösen wir uns von hier und schlendern noch ein bisschen den Broadway auf und ab. Wir gucken hier und da in eine der Bars rein und hören den Bands ein paar Songs lang zu.
Ich glaube, ich verliebe mich gerade in Nashville!
Leider ist die Zeit, die uns hier zur Verfügung steht, viel zu kurz! Wir müssen nun echt weiter, sonst wird das zu spät heute Abend, es zieht sich ja doch noch ein wenig bis in die Smokies!
Also noch kurz das Ryman Auditorium fotografieren/filmen, leider nur von aussen, aber die Magie der Livemusik war nun mal stärker und wir mussten Prioritäten setzen.
Ab zum Auto und weiter nach Maggie Valley.
Es wird später und später und wir erkennen, dass wir zu viel Zeit verbracht haben in Nashville. Aber was will man machen? So schnell lässt einen die Stadt nun mal nicht los.
Wir versuchen die Inhaberin des Motels zu erreichen, damit sie weiss, dass wir Verspätung haben, aber der Netzempfang ist schlecht, wir kommen nicht durch.
Als wir nach Gatlinburg TN endlich den Great Smoky Mountains National Park erreichen und somit auch North Carolina (und nun Einheimische sind mit unserer North Carolina Autonummer
), ist es schon stockdunkel und wirklich ziemlich spät. Und so müssen wir die kurvige und natürlich unbeleuchtete Strasse mitten durch den tiefen Wald, erst nach Cherokee und dann nach Maggie Valley, ziemlich konzentriert hinter uns bringen. Ist doch eine ordentliche Strecke einmal schräg von oben nach unten durch den gesamten Park, ich sitze am Steuer, bin müde und vom vielen Bremsen wegen der abfallenden Strasse und den vielen Kurven kriege ich fast einen Krampf im Bein. Den Rest muss Uschi noch fahren, welche Wohltat für mein Bein, aber dafür wird mir schlecht auf dem Beifahrersitz
, ich ertrage kurvige Strassen nur schlecht, wenn ich nicht selber fahre.
Plötzlich springt etwas ins Scheinwerferlicht - wir halten an - und starrt verdutzt und geblendet durch unsere Windschutzscheibe: Ein Koyote. So cool!
So schnell wie er erschienen ist, verschwindet er sogleich wieder im dichten Wald.
Endlich, endlich erreichen wir Maggie Valley und unsere Unterkunft für die nächsten fünf Nächte.
Wir wussten, dass das Ehepaar, das den Ort betreibt, Dawn und Mike, sehr nett sein muss, denn in den Bewertungen werden sie oft als "Mama und Papa" bezeichnet, weil sie sich so rührend um alle Gäste kümmern. Und auch am Telefon klang Dawn total herzlich.
Aber was wir jetzt erleben, zeigt wieder mal, was wir zu Hause unserer Gegend in Europa allermeistens vergessen können, da würden wir eher genervte Blicke und eine Belehrung bekommen. Denn eigentlich ist hier auf dem Platz nachts niemand im Büro, die beiden gehen schlafen, daher sollte man nicht zu spät ankommen, aber das wussten wir nicht, wir dachten, da ist rund um die Uhr jemand, wie meistens in den Motels.
Als wir um nach zehn Uhr abends, also wirklich reichlich spät, vor dem Motel vorfahren, stürmt uns mit offenen Armen Dawn entgegen und umarmt und ganz fest, sie hat sich fürchterliche Sorgen gemacht, weil wir nicht aufgetaucht sind. Auch sie kam telefonisch nicht zu uns durch und dachte, es sei vielleicht was passiert. Nun ist sie unendlich froh, sind wir heil angekommen. Als sie beim "Ankomm-Smalltalk" erfährt, dass wir noch nichts gegessen haben, wir aber beteuern, dass das absolut ok ist, es ist schon spät und wir können morgen ausgiebig frühstücken gehen, meint sie nein, auf gar keinen Fall lässt sie uns ohne Essen ins Bett gehen nach so einer langen Fahrt. Sie werde das schon regeln. Alle Einwände unsererseits führen zu genau gar nichts.
Und so ruft sie in einer Pizzeria an, in der sie die Leute kennt. Die haben geschlossen seit halb neun, sagen aber sofort ja, als Dawn fragt, ob sie den Ofen nochmals anschmeissen für zwei Schweizer Gäste und für uns eine Pizza backen würden.
Wir sind gerührt und fragen nach dem Weg, um die Pizza abholen zu gehen, aber Dawn weigert sich, uns fahren zu lassen, schliesslich kennt sie den Weg, schmeisst ihren Truck an und holt für uns die Pizza, wir sollen bitte erst mal ankommen und keinen Stress mehr haben heute Abend.
Um halb elf Uhr abends! Hüpft eine fremde Frau für uns in ihr Auto und holt Pizza! In einer Pizzeria, die seit eineinhalb Stunden geschlossen hat! Nur, damit wir nicht hungrig ins Bett müssen! Und das mit solch einer überwältigenden Herzlichkeit und Überschwänglichkeit...dass ich mich einmal mehr fragen muss: Wo ist hier die Oberflächlichkeit?
Und so kommen wir nach einem herzerwärmenden Empfang satt in ein Bett mit so schnuckliger Bettwäsche, dass man sich wie zu Hause fühlt.
Und sind gespannt, was uns morgen erwartet...um uns herum sind die Smokies...die wir noch nicht zu sehen bekommen haben, weil es schon dunkel war auf der Hinfahrt.
Ach ja, und kalt ist es...heute Abend sind's grad mal noch um die acht Grad...aber das Wetter soll traumhaft bleiben die nächsten Tage und mal kühl und frisch ist auch nicht schlecht, zumindest für mich, die die Hitze ja so gar nicht ausstehen kann.
Guuuute Nacht!