Track 3: Cannery Row Jive (ca. 50 Meilen)
Von Santa Cruz nach Fishin’ MontereyDas Santa Cruz Hostel besteht aus mehreren kleinen Cottages auf einem recht großen Grundstück in Steinwurfweite des Boardwalk. Das Preisleistungsverhältnis ist klasse, ich zahle 20 Dollar (als Mitglied im amerikanischen Jugenherbergsverband) für die Nacht!
Die Cottages sind kleine Häuser mit eigener Küche und jeweils eigenem Bad. Die Holzgebäude sind liebevoll in einem Country Style eingerichtet, wie man ihn nur in den USA findet und der eine frohe Wohlfühlatmosphäre ausstrahlt:
Das Haupthaus auf dem Gelände behbergt das Office, Waschmaschinen und Trockner und die große Gemeinschaftsküche. Als ich dort reinschneie, hat schon jemand die Kaffeemaschine laufen und der Tag beginnt mit einer großen Tasse „Rocket Fuel“, wie der Kaffee in Bikerkreisen in den USA genannt wird. Auch Peter hüpft zur Türe rein, der Typ hat noch immer nicht genug vom Kochen und möchte Baubeer-Pancakes für die Anwesenden zubereiten. Natürlich lehnen wir geschlossen mit dem Hinweis ab, dass sei doch wohl zu viel der Mühe, aber das Fett in der Pfanne hat schon Betriebstemperatur erreicht: Peter erzählt aus seinem Leben, er ist leidenschaftlicher Biker und hat fast alle US-Bundesstaaten schon durchradelt.
Aha, das Touringfahrrad in der hauseigenen Garage war mir schon aufgefallen und es stellt sich heraus, dass Peter es dort für einige Zeit abgestellt hat, weil er in Santa Cruz einen Job sucht. Ratet mal, was er von Beruf ist? – Klar, er sucht eine Anstellung als Koch und hat auch schon erfolgreich in den Restaurants in der Umgebung nach einem Job herumgefragt.
Während er das alles erzählt, werkelt er am Herd, wirft Pancake Mix in die Pfanne, wäscht Blaubeeren und holt die Ahornsirupflasche aus dem Kühlschrank, wirft Teller auf den Tisch, sucht Besteck.
Er zaubert den besten 5-schichtigen Pancake, den ich in meinem Leben je gegessen habe…
So nehme ich nur ungern Abschied, aber die Straße ruft…, fädele mich aus der Stadt, auf recht gut bezeichneten Radwegen und finde schnell den Anschluß an den Pacific Coast Highway.
Monterey ist das Ziel unserer heutigen Tagesetappe, allein der Wettergott scheint nicht mitspielen zu wollen. Es zieht zu, graue Regenwolken hängen über mir, aber es nieselt nur, kein Grund, die Fahrt zu unterbrechen, außerdem habe ich das Hostel in Monterey vorgebucht, murmele Durchhalteparolen. Der Wind ist stellenweise recht auskühlend, insbesondere, wenn der Schweiß antrocknet, ich brauche jede Bekleidungsschicht, die ich dabei habe.
Körperlich geht es mir eigentlich besser als erwartet, keine Knieschmerzen (oder ist es schon kaputt?), weder Po noch Rücken tun weh. Und da diesen Thread ja den Zusatz "even on a cloudy day" trägt, finde ich nicht so recht eine Ausrede, das Rad in den Graben zu werfen und ein Auto zu mieten...
Neben Artischokenhainen durchquere ich riesige Erdbeerfelder, auf denen fleißige mexikanische Erntehelfer die Früchte zupfen und in Kisten verpacken, die dann erntefrisch von Trucks abgeholt werden. Fährt ein solcher Truck an einem vorbei, so duftet es so herrlich, als hätte man gerade ein neues Glas Erdbeermarmelade geöffnet. Viele Bearbeitungsbetriebe befinden sich in diesem Gebiet, u.a. das von Dole, auf dessen Gelände permanent Erntetrucks ein- und ausfahren. Ansonsten bleibt man als Radfahrer auf diesem Abschnitt des Pacific Coast Highway vom Autoverkehr fast unberührt. Vorbildlich, wie man es erreicht hat, eine gesondert ausgewiesene Radstrecke zu zu bauen (teilweise auf ehemaligen Bahnstrecken), das folgende Bild liefert einen Eindruck:
Die heutige Tagesetappe ist wieder erlebnisreich; so helfe ich doch gern mal am Wegesrand der armen Landbevölkerung. Wir Biker sind halt pfiffig:
Als niemand hinschaut, pflücke ich eine Artischoke vom Feld, in der Hoffnung, damit etwas anfangen zu können. Sie verschwindet in meinem Rucksack, mal sehen, was ich in Monterey damit kochen kann.
Es wird nicht richtig warm heute und so freue ich mich, am Nachmittag am Hostel in Monterey aufzuschlagen. Dort dasselbe Bild wie in Santa Cruz, Öffnungszeit erst wieder ab 5 PM. Kein Problem, ich setzte mich auf die Stühle im Hof, um an meinem Proviantvorrat zu nuckeln und auf die Plastikcontainer zu schauen, die auf dem Parkplatz herum stehen. Was verstauen die nur in diesen Plastikcontainern oder sind das besonders preiswerte Unterkünfte für Wanderarbeiter in Zeiten der Globalisierung? -
Als das Hostel aufmacht, erfahre ich, dass diese Container
Fahrradgaragen sind, in die man für 2 Dollar pro Nacht sein Bike abstellen kann! Das lasse ich mir nicht zweimal sagen und parke Stahlroß nebst Rucksack in einer solchen Garage (könnt Ihr das Rad erkennen?):
Im Übrigen sind mir diese Fahrradgaragen dann (wenn man erstmal weiß, was es ist), noch öfter aufgefallen, u.a. auf Zubringerparkplärtzen öffentlicher Verkehrsmittel. Ob man sich als Pendler irgendwo einen Schlüssel für diese Garagen besorgen kann? -
Das Monterey Hostel liegt sehr zentral, unweit der Cannery Row und ca. 15 Gehminuten von Monterey Fisherman’s Wharf, der ich am frühen Abend einen Besuch abstatte. Hier befinden sich eine Menge sehr guter Restaurants und auch ganz nette Souvenirläden.
Am Abend stehe ich in der hosteleigenen Küche und denke an Peter aus Santa Cruz, als ich meine Artischoke betrachte. Er hätte daraus ein schmackhaftes Mahl zubereiten können, aber irgendwie fehlt mir der Ansatz. Improvisieren ist nicht, kennt sich hier jemand mit der Zubereitung von Artischoken aus?? - Okay, okay, Rettung ist absehbar: just an diesem Tag findet im Hostel ein Vortragsabend der Freunde des Hostels (Monterey Hostel Society) statt, wohl soetwas wie ein Verein, der sich für die Erhaltung und Förderung des Hostellebens einsetzt.
Alle Anwesenden sind zum Diaabend mit mitgebrachtem Essen eingeladen (das Wort "potluck" macht die Runde), ein stattliches Buffet kommt zusammen! Es werden verschiedene Vorträge gehalten, eine Dame berichtet z.B. über ihre Reise durch Südkalifornien, empfiehlt einige Hostels und erntet ungläubiges Staunen, als sie erzählt, dass sie die Reise mit dem Zug unternommen hat
Insgesamt ein sehr interessanter und vergnüglicher Abend im Hostel von Monterey, das von außen eher wie eine alte Lagerhalle daherkommt:
Von Innen ist das Hostel aber ein liebevoll belebter Ort mit großem Gemeinschaftsraum, in dem man sehr nette Mensch treffen und Kraft tanken kann. - Ich erinnere eine Zeile aus einem alten Song, vielleicht stimmt Ihr mit ein:
"
You are my sunshine,
My only sunshine.
You make me happy
When skies are grey."
Tagesfazit:Kondition: ++
Landschaft: +++
Erlebnis:++++