Donnerstag, 3.9.15: Nanaimo – UclueletDer erste Blick aus dem Hotelzimmer aufs Wasser stimmt mich optimistisch. Sieht doch gar nicht schlecht aus. Zumindest wenn man die dicken Gewitterwolken ignoriert. Bestimmt bessert sich das Wetter ab heute.
Heute nacht hat man ein Schreiben der Hotelleitung unter der Tür durchgeschoben, in dem man sich für die Unannehmlichkeiten entschuldigt und ab sieben Uhr zu einem Continental Breakfast einlädt. Anscheinend stand die halbe dritte Etage wegen des Wasserrohrbruchs unter Wasser, da hatte ich ja Glück, dass ich im vierten Stock einquartiert war. Ich packe also meinen Kram zusammen, gönne mir um sieben am kleinen Frühstücksbüffet ein süßes Teilchen und einen saftigen Riesenmuffin und mache mich schließlich um halb acht auf den Weg. Und dann kommt die böse Überraschung: Aus dem trockenen Parkhaus fahre ich direkt in einen heftigen Regenschauer. Ja fein!
Das Navi hat merkwürdige Ansichten darüber, welches der beste Weg zum Highway ist, was vielleicht daran liegt, dass dem Navi ohnehin nicht klar ist, dass der Highway ein Highway ist, denn es erzählt mir bei jeder Gelegenheit etwas von HaWeYpsilon. Nachdem ich mich seiner Führung anvertraut habe, muss ich wohl oder übel den weiteren Anweisungen folgen, denn wie sollte ich sonst wieder aus den Wohngebieten herausfinden, durch die es mich gerade lotst. Aber dann ist es geschafft, und das Navi, das Auto und ich sind auf dem Weg zum Englishman River Falls PP.
Dort sind wir die ersten auf dem großen Parkplatz, ich schultere die Fototasche und gehe das kurze Stück bis zu den Upper Falls. Die donnern wuchtig in eine schmale Schlucht, klasse! Auch schön ist der Blick hinunter in die enge Schlucht.
Ich folge dem Weg bis zu den Lower Falls, die jetzt nicht ganz so attraktiv sind.
Attraktiv sind aber jedenfalls die vielen Bäume, die so mit Moos bewachsen sind als hätten sie sich ein Winterfell zugelegt. Schon der Spazierung so ganz alleine durch den Wald ist zauberhaft. Man kann sich richtig vorstellen, dass hinter der nächsten Ecke ein mystischer Donnervogel wartet. Oder ein Bär? Steht da nicht gerade was neben dem Weg? Ach so, nur ein Baumstumpf. Der Adrenalinpegel schaltet wieder eine Stufe runter. Und immerhin gibt’s zum Schluss doch noch etwas ungefährliches Wildlife. Das restliche Wildlife ist heute morgen wohl lieber im Bett geblieben.
Ich fahre weiter, wobei das Navi wieder peinlich genau darauf achtet, mich bloß nicht auf direktem Weg zurück zum HaWeYpsilon zu führen. Egal, ich habe ja Zeit. Den auf der Strecke liegenden Little Qualicum Falls PP will ich mir für die Rückfahrt in ein paar Tagen aufheben und halte erst am MacMillan PP, dem Cathedral Grove. Hier herrscht ein regelrechter Massenauftrieb, wo kommen die Leute bloß alle her? Ich befürchte fast, direkt in einer riesigen Pfütze parken zu müssen, da wird doch noch ein anderer Platz frei und ich kann trockenen Fußes aussteigen.
Zum Glück verlaufen sich die Leute auf dem Weg zwischen den Bäumen doch ein wenig, so dass ich die auch hier märchenhafte Atmosphäre zwischen den Riesen genießen kann. Überall liegen Baumstämme, teils relativ frisch, teils schon halb verrottet.
Ich gehe die Runde südlich des HaWeYpsilons, und gerade als ich überlege, ob ich noch die nördliche Schleife gehe, setzt der nächste Regenschauer ein und nimmt mir die Entscheidung ab. Schnell rein ins Auto und weiter zum nächsten Ziel, dem Stamp River Falls PP. Zwischendurch komme ich durch Port Alberni, fülle den halbvollen Tank auf und kann vor dem Tanken souverän mit der Kreditkarte mit Pin an der Zapfsäule zahlen. Weniger souverän muss ich dann das Auto wenden, weil der Tankdeckel doch auf der anderen Seite ist. Na ja, hier kennt mich ja keiner.
Der Stamp River Falls PP liegt dann nördlich von Port Alberni am gleichnamigen Stamp River, und laut Internet mühen sich hier im Spätsommer und Herbst verschiedene Lachsarten einen Wasserfall oder die danebenliegende Fischtreppe hinauf. Ich parke das Auto und gehe das kurze Stück bis zu den Fällen. Zwischendurch kann ich am Ufer schon ein paar Lachse im seichten Wasser sehen und eine Möwe beim Mittagessen beobachten. Das sieht ja gut aus. An den Fällen bin ich dann aber erst mal enttäuscht. Hier ist ja alles mit hässlichen Betonwänden zugebaut. Dann sehe ich aber doch, dass man zu einem Aussichtspunkt an den Fällen gehen kann. Und hier springen sie tatsächlich, die Lachse.
In mein Herz schleicht sich Mitleid, als ich sehe, wie einige gegen die Felsen knallen. Die Ärmsten. Und unten in den geschützten Pools vor dem Wasserfall, wo sie sich drängen und Kraft sammeln, kann man sehen, dass sie schon einiges durchmachen mussten. Viele sind verletzt.
Ich gehe noch ein Stück an der Schlucht entlang, mache Fotos und halte nach weiterem Wildlife Ausschau. Unten im Fluss klatscht es zwar ab und zu laut, aber zu sehen ist nichts. Aber auch der Blick auf die Fälle ist schön.
Auf dem Rückweg kommen mir plötzlich ganze Heerscharen von Spaziergängern entgegen, anscheinend Gäste vom nahen Campground. Eben war ich noch alleine und konnte 1001 Fotos schießen, jetzt drängen sich die Leute am Aussichtspunkt. Ich schaue noch ein Weile auf die Lachse, die den Weg durch die Fischtreppe gefunden haben und die hier direkt vor den Besuchern in der Strömung schwimmen.
Und dann setzt mal wieder ein Regenschauer ein, so heftig, dass ich mich nicht auf die Regenjacke verlasse, sondern den Schirm herauskrame. Das geplante Picknick findet dann im Auto statt, und dann mache ich mich auf die Weiterfahrt nach Ucluelet. Unterwegs gibt es direkt neben dem HaWeYpsilon noch attraktive Stromschnellen und kleine Wasserfälle in einer felsigen Landschaft zu sehen.
Die Straße windet sich durch die Hügel und dichte Wälder, kein Vergleich mehr zu der schnurgeraden Wegführung von heute morgen. Gegen halb fünf erreiche ich dann die Küste, biege nach Ucluelet ab und erreiche das Ocean Mist Guesthouse, wo ich mich für drei Nächte einquartiert habe. Hier scheint die Sonne, ich kann es kaum glauben! Die Gastgeberin ist herzlich, weist mich in das liebevoll eingerichtete Zimmer ein und erklärt mir den Weg zum nahegelegenen Küstenwanderweg, dem Wild Pacific Trail.
Endlich blauer Himmel, endlich Sonne! Ich schultere den Rucksack, unternehme eine kleine Wanderung auf dem Wild Pacific Trail zum Lighthouse und freue mich am Glitzern der Sonnenstrahlen auf dem Wasser.
Eigentlich wollte ich ja nachher essen gehen, aber zuerst sitze ich noch eine Weile auf meiner kleinen Terrasse und schaue hinüber aufs Meer, und dann bin ich zu müde, um noch ins Auto zu steigen und nach "Downtown" Ucluelet zu fahren. Ich mache mir stattdessen Sandwichs und lösche schon mal ungefähr 200 Bilder mit Wasserfall ohne Lachs von der Speicherkarte.
Die Wettervorhersage für morgen ist klasse: Sonne satt von morgens bis abends.
Gute Nacht!