Mittwoch, 2.9.15: Duncan – NanaimoAls ich heute morgen aufwache und nach draußen schaue, sehe ich den Regen herunterprasseln. Na ja, vielleicht regnet es sich ja jetzt noch aus und ist später schön, denke ich, kann mir aber ein Seufzen nicht verkneifen.
Um kurz vor neun mache ich mich dann aber tatsächlich bei Sonnenschein auf den Weg. Die Straßen sind zwar noch tropfnass und irgendwo hinter mir ziehen wieder eine schwarze Wand heran, aber als ich mein erstes Ziel für heute, Chemainus, erreiche, kommen immer wieder Sonnenstrahlen durch die Wolken.
Chemainus ist bekannt für seine Murals, Bilder an Hauswänden. Der kleine Ort ist durchaus hübsch vor allem im Vergleich zu dem etwas trostlosen Duncan. Vielleicht liegts aber auch daran, dass die Sonne scheint. Die Murals sind schön gemacht, in ganz unterschiedlichen Stilrichtungen gemalt und manchmal sogar ein wenig in die Umgebung einbezogen. Ich spaziere durch den Ort, mache hier und da Fotos und komme zum Abschluss noch über einen kleinen Flohmarkt, wo aber leider Sachen von erstaunlicher Hässlichkeit angeboten werden. Der Besuch hier hat sich trotzdem gelohnt.
Auf der etwa halbstündigen Weiterfahrt nach Nanaimo komme ich noch am Petrogryph PP vorbei. Leider sind hier die meisten Petroglyphen von Blättern und Nadeln bedeckt. Diese beiden zeigen Seewölfe (Meeresfische) und vermutlich einen Schamanen.
In Nanaimo habe ich mich im Coast Bastion Hotel einquartiert, kann jetzt um viertel vor zwölf netterweise schon einchecken und schaffe meine Sachen von der Parkgarage ins Zimmer. Das hat einen kleinen Balkon, zu klein, um draußen zu sitzen, aber man kann rausgehen und auf die Bastion und den Hafen schauen. Na, das sieht doch ganz gut aus. Die dunklen Wolken weiter hinten ignoriere ich geflissentlich, die können ruhig da hinten bleiben.
Ich packe meine Fotoausrüstung und mache mich auf den Weg zum Hafen, bekomme dort in der Touristeninformation wie gewünscht eine Broschüre mit den Wanderwegen auf Newcastle Island und mache mich auf den Weg zur Fußgängerfähre. Kaum bin ich zehn Meter gegangen, fängt es wieder heftig an zu regnen. Also sind die dunklen Wolken doch nicht da hinten geblieben. Ich stelle mich erst unter, ziehe mir dann die Regenjacke über, trotte los, als es nachlässt und stelle mich wieder unter, als der nächste Schauer runterkommt. Um mich herum springen die Leute in die Cafés. Ich marschiere trotzig weiter. Ich will jetzt nicht mit 20 anderen nassen Leuten in einem engen Café sitzen, ich will auf die Insel!
Ein paar Meter weiter muss ich einsehen, dass der Regen gewonnen hat. Immerhin schaffe ich es noch bis zu einem netten Restaurant-Pavillon direkt über dem Wasser und kehre dort zum Mittagessen ein. Der Regen bleibt auf der anderen Seite der Glasscheibe zurück, und ich darf mich direkt unter einen Heizstrahler setzen. Meine Laune bessert sich. Statt irgendwo übersüßte Teilchen zu mümmeln, bekomme ich hier Moules Frites, na gut, hier heißt es Mussels and French Fries Combo. Die Muscheln sind mindestens auf der Top 3 Liste der besten Muscheln, die ich je gegessen habe, und passend zum stimmungsaufhellenden Bier kommt auch prompt wieder die Sonne heraus.
Frisch gestärkt gehe ich doch noch zur kleinen Fähre, schaffe gerade noch die Abfahrt um halb zwei, zahle 9 Dollar für Hin- und Rückfahrt und bin 10 Minuten später schon auf Newcastle Island.
Die Insel ist ein Naturschutzgebiet ohne Autos. Ich will den Weg rund um die Insel gehen, der 7,5 km lang sein soll. Am Anfang spaziere ich noch über die Felsen am Meer.
Dann geht der Weg weiter, oft direkt entlang der Küste.
Außer mir sind nur zwei Radfahrer mit der kleinen Fähre mitgefahren, und ich begegne erst nach über eineinhalb Stunden auf dem Weg anderen Wanderern. Die ätherischen Düfte der Nadelbäume mischen sich mit der salzhaltigen Meerluft, wunderbar. Ab und zu regnet es, aber immer öfter kommt auch wieder die Sonne raus.
Ich spähe eifrig nach Wildlife. Die meisten Tiere sind bei dem Wetter offenbar daheimgeblieben, aber immerhin kann ich in einer Bucht einen Kanadareiher beim Futterfassen beobachten. Und in den Bäumen am Weg entdecke ich noch zwei komische Vögel. Einer fliegt lieber schnell nach Hause, aber der andere bleibt netterweise wenigstens lange genug für ein Fotos sitzen.
Nur die Weglänge verwirrt mich dann doch. Ich komme immer wieder an Wegweisern vorbei, meist inklusive kleiner Karte, auf der die Entfernungen zwischen verschiedenen Punkten angegeben sind. Nach fast zweieinhalbstündiger Wanderung schaue ich mir diese Entfernungen mal genauer an und stelle fest, dass ich noch über 3 km vor mir haben soll, was bedeuten würde, dass ich es bisher gerade mal geschafft habe, knappe 4,5 km zu wandern und noch mindestens eineinhalb Stunden für die restliche Strecke brauchen würde. So wie die Karte aussieht, habe ich tatsächlich noch einen großen Teil des Weges vor mir und beschließe vorsichtshalber, von hier aus den Weg durch das Innere der Insel zurück zum Fährhafen zu nehmen. Nach einer guten halben Stunde erreiche ich den Fährhafen und die Fähre – fast. Sie hat gerade abgelegt, so ein Mist. Aber der Kapitän und der einzige Fahrgast verständigen sich offenbar darauf, mich doch noch mitzunehmen, also kommt die Fähre dann doch wieder zur Anlegestelle zurück und ich hüpfe schnell mit herzlichem Dank an Bord.
Die Wanderung war schön, ich fühle mich behaglich müde und freue mich auf eine heiße Dusche. Pustekuchen. Als ich am Hotel ankomme, läuft an der Außenfassade das Wasser herunter. Hm, was ist denn hier los? Ich bin verwirrt. So viel geregnet hat es jetzt auch wieder nicht. In der Lobby dann ein Bild des Jammers. Links überall Schläuche, Pfützen, nasse Tücher, rechts aufgescheuchte Mitarbeiter. Während ich auf Newcastle Island war, durfte man sich hier im Hotel an einem Wasserrohrbruch erfreuen. Die Aufzüge funktionieren nicht, man muss das Treppenhaus nehmen. Zum Glück bin ich im vierten Stock untergebracht und nicht im zwölften, das schaffe ich also noch. Als ich dann ein paar Minuten später probehalber das Wasser aufdrehe, läuft eine gelbe Brühe aus dem Hahn. Also rufe ich an der Rezeption an, erkundige mich nach dem Stand der Dinge und erfahre, dass das Wasser erst seit kurzem wieder funktioniert. Ich soll es eine Weile laufen lassen. Das tue ich auch, aber richtig klar wird es immer noch nicht, und als ich es kurz abschalte, kommt anschließend wieder dieselbe gelbe Brühe heraus wie am Anfang. Ich bleibe erst mal ungeduscht.
Am Abend habe ich es dann doch geschafft, mich wieder in einen zivilisationstauglichen Zustand zu verwandeln, verlasse an Schläuchen und Handwerkern vorbei das Hotel und spaziere noch ein wenig durch den Hafen.
Nach dem Besuch im Hafen will ich in einem thailändischen Restaurant einkehren. Daraus wird dann aber ein Take away, denn es ist viertel nach acht und hier schließt man um halb neun. Andere Länder, andere Sitten. In Andalusien wurden wir im März blöd angeschaut, wenn wir vor halb neun ins Restaurant gekommen sind. Egal, ich bin sowieso müde, nehme ein rotes Curry mit und esse im Zimmer zu Abend, bevor ich müde um viertel nach neun in die Kissen falle. Morgen will ich nach Ucluelet und unterwegs ein paar Wasserfälle und große Bäume sehen. Und vielleicht gibt’s ab morgen auch endlich sonniges Wetter.
Gute Nacht!