Freitag, 5. AugustHeute morgen bleibe ich mal richtig lang liegen und checke erst gegen halb neun aus. Vorher versuche ich noch, zuhause anzurufen, um zu melden, dass es mir gut geht und ich bisher weder in eine Quelle gefallen, noch von einem Bär angeknabbert wurde. Internet gibt’s nicht, und mein Handy funktioniert auch nicht. Dummerweise hatte ich gestern morgen nicht daran gedacht, einfach mal in Gardiner den Handyempfang zu überprüfen. Ich frage an der Rezeption nach, aha, hier gibt’s nur einen Anbieter namens Horizon, und den kann ich anscheinend nicht anwählen. Ich frage nach dem öffentlichen Telefon, muss haufenweise Quarters tauschen, und komme dann doch nicht durch. Okay, dann werde ich heute abend nach dem Bezahl-Internet in der Snow Lodge schauen.
Erst mal fahre ich aber zur Grand Prismatic Spring. Nach dem Ansturm, den ich dort gestern nachmittag von der Straße aus miterlebt habe, kann es nicht schaden, jetzt schon dort vorbeizuschauen. Auf dem Weg dorthin gerate ich aber schon in einen Stau. Um Himmels Willen, die werden doch nicht schon hier Schlange für den Parkplatz stehen? Nein, es ist ein Bison-Stau. Der Bulle schreitet auf der Mittellinie entlang. Als er schließlich nach links ausweicht, überhole ich ihn vorsichtig, aber kaum sieht das Tier mein Auto neben sich vorbei fahren, fällt es in Galopp und senkt den Kopf zum Angriff. Mein Auto ist aber schneller, und der Bulle gibt nach ein paar Metern auf. Im Rückspiegel sehe ich dann, dass sich dasselbe Spiel mit dem nächsten Auto wiederholt. Armer Kerl, wenn der sich hier den ganzen Tag mit Autos anlegt, wird ihm bald die Puste ausgehen.
An der Grand Prismatic Spring erweist es sich als gute Idee, heute morgen schon hingefahren zu sein: Zwar gibt es schon eine kurze Warteschlange am Parkplatz, aber ich finde nach ein paar Minuten einen Platz und lenke erleichtert das Auto in die Parkbucht.
Hier an der Grand Prismatic Spring fallen mir zum ersten mal asiatische Reisegruppen auf. Vor der Reise hatte ich ja viel darüber gelesen, wie die Asiaten angeblich in den Park einfallen. Bisher hatte ich zwar schon viele Asiaten gesehen, aber erst hier tauchen sie busladungsweise auf. Die meisten sind aber unauffällig, bis auf eine Mutter, die ihre Tochter maßregelt. Ich hatte ja mal versucht, ein paar Worte chinesisch zu lernen, und das hier ist eindeutig „mà“, schimpfen, mit abfallender Tonhöhe. Was schimpfen auf chinesisch heißt, weiß ich übrigens aus dem Beispielsatz „ma ma ma ma“ = Mutter Ma schimpft mit dem Pferd. Okay, and now to something completely different, nämlich zurück zum Yellowstone.
Von der Brücke aus gibt’s erst mal hübsche Abläufe in den Fluss zu sehen.
Dann komme ich zum Excelsior Geysir. Schon als heiße Quelle ist der atemberaubend, im wahrsten Sinne des Wortes. Überall steigt Dampf auf, manchmal treibt der Wind die heißen Dampfschwaden hinüber zum Boardwalk. Kaum vorzustellen, wenn der wirklich irgendwann wieder ausbricht.
Der Star hier ist aber die Grand Prismatic Spring. Den inoffiziellen Aussichtshügel hat die Parkverwaltung dieses Jahr dicht gemacht, anscheinend wird da jetzt eine offizielle Aussichtsplattform gebaut. Aber auch der Blick von hier unten ist unglaublich. Ich kann mich kaum sattsehen, und dank des Polarisations-Filters, der die Spiegelungen auf der Wasseroberfläche beseitigt, sind die Farben intensiv und leuchten wie ein Regenbogen. Dazu noch wunderbare Wolken im Himmel, ich bin begeistert.
Es dauert ewig, bis ich mich losreißen kann. Als ich schließlich auf dem Parkplatz ankomme, warten schon genervte Autofahrer auf Parklücken, und als ich schließlich auf die Hauptstraße abbiegen will, kann ich erst mal gar nicht nach links fahren, weil die Linksabbiegerspur von einem hereindrängelnden Auto blockiert ist. Aus der westlichen Richtung staut sich hier auf der Hauptstraße schon der Verkehr, und einige stellen das Auto einfach am Straßenrand ab. Ich bin froh, dass ich so früh hier war und mache mich jetzt erst mal auf den Weg nach Westen und zum Fountain Flat Drive. Der Himmel ist heute etwas bewölkt, Wetter für eine Wanderung. Nachdem der Trailhead zu den Fairy Falls wegen der Sperrung des „Grand Prismatic Hügels“ derzeit nicht wirklich erreichbar ist, habe ich mich für den Sentinel Meadows Trail entschieden. Als ich am Parkplatz ankomme, ziehen am Auto neben mir gerade Eltern und Sohn ihre Wanderschuhe an, und ich frage, wohin sie wandern wollen. Zum Glück sind die Sentinel Meadows auch ihr Ziel, so werde ich jedenfalls nicht alleine auf dem Trail sein. Ich gehe erst mal den Hauptweg entlang, zur Ojo Caliente Quelle, die natürlich erst mal fotografiert sein will.
Als ich dann am Trailhead stehe, nähert sich noch eine Wandergruppe von drei Leuten, und die nehmen mich gleich unter ihre Fittiche und laden mich ein, sie zu begleiten. Perfekt. Die drei kommen seit Jahren oder sogar Jahrzehnten jedes Jahr in den Yellowstone NP und kennen sich hier richtig gut aus. Ich bekomme eine richtige Führung, lerne Bison-Kacke und Bison-Fell zu erkennen, und am Flat Cone wagen wir uns sogar an die heiße Quelle heran. Das hätte ich mich alleine sicher nicht getraut. Ich lerne auch einiges darüber, wie man vor jeder Wegbiegung und vor unübersichtlichen Stellen Bären „anruft“, um sie zu warnen, wobei meine drei Wanderkollegen von einem „Hey Bear“, über „Comin' thru“ bis zu „Halleluja, brother!“ jeder einen eigenen Ruf durch die Wälder schicken.
Wir wandern bis zur Queens Laundry und versuchen auch, uns einen Weg dorthin zu bahnen, aber die Wiesen sind nass, und wir drehen schließlich um.
Ich bin wirklich froh, dass ich mit den dreien unterwegs sein durfte, merke mir die Hiking-Tipps und mache im Gegenzug Fotos, die ich ihnen per E-mail schicken werde.
Am Trailhead trennen wir uns schließlich, und ich wage mich noch zu zwei heißen Quellen, die hier am Fluss liegen, aber nicht markiert sind.
Das Gebiet ist viel größer, aber ich traue mich nicht weiter, denn ich kann an mehreren Stellen, die ich als sicheren Boden eingestuft hätte, winzige heißen Quellen aus dem Boden sprudeln sehen. In den Geschenkshops in den Hotels gibt’s unter anderem ein Buch zu Todesfällen im Yellowstone, und da möchte ich kein eigenes Kapitel bekommen. Mir reichen schon die schaurigen Berichte über Menschen, die Hunde retten oder nachts über heiße Quellen springen wollten und dabei umgekommen sind.
Also gehe ich schließlich zum Auto zurück und halte noch an der Maidens Grave Spring. Die Quelle heißt so, weil in dem Hotel, das früher in der Nähe stand, eine Frau an Tuberkulose gestorben war, der Name stammt also nicht von einem Badeunfall.
Inzwischen hat es sich noch mehr zugezogen. Ich überlege erst, ob ich noch zu den Fountain Paint Pots fahren soll, aber es schieben sich immer öfter Wolken vor die Sonne, und ohne Sonne sind die heißen Quellen nur halb so schön. Also fahre ich zurück zum Old Faithful, finde mit Glück einen Parkplatz direkt an der Old Faithful Lodge und gehe jetzt um halb drei schon mal zum Check-In. Das Zimmer ist zwar noch nicht fertig, aber es ist ja auch früh. Der nette Mitarbeiter erzählt mir irgendwas von einem Cook-Out, was ich nicht verstehe, also frage ich nach. Ist in meiner Buchung vielleicht irgendein Cook-out inbegriffen?
Nein, er erklärt mir, er sehe, dass ich für den 11. August ein Cook-Out gebucht hätte, und er könnte mir das Ticket ausdrucken. Ich bin verblüfft. Ja, ich hatte ein Cook-Out gebucht, genauer gesagt, einen Ritt zum Cook-Out. Aber nachdem ich auf meine Reservierung nichts gehört hatte, hatte ich nachgefragt und erfahren, dass es zu meinem Termin keine Verfügbarkeit mehr gebe. Das alles erkläre ich dem Mitarbeiter, und dass ich keine Bestätigungs-E-mail bekommen hätte. Das bedauert er, aber er erklärt mir, ich sei für den 11.8. gebucht, und ob ich das denn möglich machen könnte. Ja klar! Also druckt er mir mein Ticket aus und erklärt mit auf meine Bitte genau den Treffpunkt, schließlich hatte ich alle Unterlagen nach der scheinbar erfolglosen Reservierung weggeworfen.
Bester Dinge mache ich mich auf den Weg zum Geyser Hill oberhalb des Old Faithful. Dass ich jetzt nur noch die ersten zwei heißen Quellen in vereinzelten Sonnenstrahlen bewundern kann, bevor sich die Wolkendecke ganz schließt, macht nichts, ich bin ja noch ein paar Tage hier.
Ein bisschen bedenklich finde ich, dass sogar hier, sozusagen am Besucher-Hot-Spot des Yellowstone Parks, ein Bärenwarnschild hängt.
Auf dem Rückweg zur Lodge kann ich zum zweiten Mal den Old Faithful ausbrechen sehen, aber weißer Dampf vor weißen Wolken wirkt leider etwas blass. Außerdem hatte ich den Ausbruch des Old Faithful insgesamt eindrucksvoller in Erinnerung. Schwächelt der Geysir oder ist es mal wieder meine Erinnerung, die sich alles passend zurechtgerückt hat?
Ich weiß es nicht, aber ich genehmige mir noch ein paar Wraps im Cafe, sehr lecker, mit Bacon, die werde ich nochmal nehmen. Dann gehe ich mir den Schlüssel für meine Cabin abholen. Es ist eine Einzelcabin, sie steht ganz für sich und ist nicht an ein zweites Zimmer angebaut, so dass hinter allen vier Wänden die Wildnis lauert. Sehr schön.
Erst mal will ich aber Kontakt zur Zivilisation herstellen, packe mein Laptop in den Rucksack und mache mich auf den Weg zur Snow Lodge, wo ich mir für 4,95 Dollar 1 Stunde Internet gönne und per E-mail nach Hause melde, dass ich noch lebe. Anschließend spaziere ich noch ein wenig durch den General Store und schaue, was es hier so alles gibt.
Ich kaufe aber keinen Schlafanzug mit Bärenmotiv, sondern ein Sandwich und Nüsse für die Wanderung morgen und, ähem, eine Dose Bier. Das Bier trinke ich dann auch gleich, während ich auf den nächsten Ausbruch des Old Faithful warten, denn obwohl hier so einiges verboten ist, finde ich zumindest kein Verbot des Konsums von Alkohol in der Öffentlichkeit. Außerdem ist auf der Budweiser-Dose die Fackel der Freiheitsstatue abgebildet, da soll mal einer was dagegen sagen.
Der Old Faithful legt dann den größten Ausbruch in seiner Geschichte hin, oder wie sollten sonst die ganzen Wolken in den Himmel gekommen sein?
Danach spaziere ich zu meiner Cabin und habe das Gefühl, jetzt erst richtig im Yellowstone angekommen zu sein. Es ist ein wenig wie Camping light, man ist zwar im Zimmer, aber trotzdem irgendwie draußen. Fünf Nächte werde ich hier bleiben, der Old Faithful ist Luftlinie keine 200 Meter entfernt. Der Wetterbericht für morgen meldet ein paar Wolken, aber das passt perfekt zu meiner gebuchten Wanderung im Pelican Valley. Und nach einem Gewitter übermorgen soll es ab Montag wieder vollsonnig werden.
Also gute Aussichten, und ich freue mich auf die nächsten Tage.
Gute Nacht!