Montag, 15. AugustAls ich heute morgen aufwache, ist der Himmel bewölkt. Da hatte ich ja gestern am Fantasy Canyon wirklich noch Glück gehabt.
Heute morgen ist mir der Himmel aber erst mal egal, denn als erstes steht der Besuch im Quarry des Dinosaur NM an.
Weil ich schon gegen halb neun dort ankomme, muss ich das Auto nicht unten am Visitor Center abstellen, sondern kann hoch bis zur Halle fahren. Dort stehen nur drei oder vier Autos, offenbar hält sich der Andrang doch in Grenzen. Ich bin auch mal gespannt, was mich hier erwartet. Eigentlich bin ich darauf eingestellt, ein paar mühsam im Gestein erkennbare kleine Knochenstücke zu sehen.
Das Gegenteil ist dann aber der Fall, schon direkt am Eingang kann nach von unten nach oben eine Wand hinaufschauen, die vor riesigen, gut herauspräparierten Knochen nur so strotzt. Ich kaufe mir für 1 Dollar eine Broschüre, um die Knochen besser einordnen zu können und spaziere selbstvergessen an der Wand entlang, zuerst unten, wo man auch Knochen anfassen darf. Dann gehe ich hinauf in die obere Etage, von der aus man einen besseren Blick auf die Wand hat. Verschiedene Dinosaurierskelette stecken in der Wand, unter anderem auch das Skelett eines Camarasaurus, von dem man auch den Schädel sieht.
Ein paar Fotos zeigen die ersten Funde und die ersten Besucher, ein Schaubild zeigt, wo bereits Knochen gefunden und in welche Museen sie gewandert sind. Dass das Dinosaur NM in der heutigen Form existiert, ist dem Entdecker der Knochen, Earl Douglass, zu verdanken, der bereits nach wenigen Jahren die Idee hatte, der noch nicht „ausgegrabene“ Bereich solle so belassen, eingehäust und Besuchern gezeigt werden. Er selbst hatte die Knochen, die heute in der Wand zu sehen sind, nicht ausgegraben, das erfolgte erst in den folgenden Jahren, und viele Knochen sind heute noch verbogen und werden „virtuell“ ausgegraben.
Im Quarry-Museum verbringe ich über eineinhalb Stunden, das hätte ich vorher nicht gedacht. Danach mache ich mich auf den Weg in den Teil des Dinosaur NM, der in Colorado liegt, zum Aussichtspunkte „Harpers Corner“. Dass es bis dahin eine lange Fahrerei sein würde, war mir vorher schon klar gewesen, aber die Strecke zieht sich doch wie Kaugummi. Kurz nach der Wiedereinfahrt ins Monument sind zwar ein paar attraktive Felsen zu sehen, aber dann baut sich vor mir eine graue Regenwand auf. Das Navi teilt mir mit, dass ich noch 35 Minuten fahren werde, bis ich Harpers Corner erreiche. Angesichts der vielen hundert Meilen die ich in diesem Urlaub schon gefahren bin, ist das zwar nicht viel, aber ich frage mich plötzlich, welchen Zweck es denn hat, insgesamt 70 Minuten hin und zurück zu fahren, um bei Wolken und vielleicht sogar Regen einen Blick hinunter zu werfen und dann wieder ins Auto zu steigen.
Kurzentschlossen wird gewendet, Harpers Corner muss ohne mich klar kommen, ich fahre zurück. Zeit hätte ich eigentlich genug, aber einfach keine Lust.
Stattdessen steuere ich Richtung Süden und mein Zwischenziel, den Canyon Pintado, an. Dort gibt es Felszeichnungen indianischer Völker, manche ein paar hundert, manche über tausend Jahre alt. Bis ich dort ankomme, habe ich schon das Gefühl, dass ich der einzige Tourist bin, der jemals diese Straßen befahren hat.
Den Lookout-Point verpasse ich irgendwie, aber ein paar Meilen südlich findet sich ein Hinweisschild auf die ersten Felszeichnungen und -ritzungen. Infotafeln erklären, dass man für die Runde hier an den Felszeichnungen entlang mindestens ein bis zwei Stunden einplanen muss, ach du liebe Güte. Es st zwar bewölkt, aber trotzdem ziemlich heiß. Ich schaue auf den Plan und gehe dann entgegen der vorgeschlagenen Runde direkt zum „Sundagger“. Die Figur könnte möglicherweise hier angebracht worden sein, um bestimmte Jahreszeiten, z.B. die Tag- und Nachtgleiche im Frühjahr und Herbst anzuzeigen, denn ein überhängender Felsen wirft an bestimmten Daten seinen Schatten quer über die Spiralen, aber genau weiß man es nicht.
Dann absolviere ich doch noch die restliche Runde und stelle fest, dass der Zeitbedarf doch sehr großzügig angegeben war. Mir reicht jedenfalls eine knappe Dreiviertelstunde. Leider stelle ich bald fest, dass man hier eine eigentümliche Informationspolitik verfolgt. Statt einfach die Felszeichnungen zu erklären, werden auf den jeweiligen Infotafeln Fotos von weiteren Felszeichnungen gezeigt, die aber gar nicht hier zu sehen sind. Das merkt man aber leider erst, wenn man auf der Suche danach vergeblich die Felswände abgesucht und sich die nackten Beine im Gestrüpp zerkratzt hat.
Am nächsten Punkt gibt es nur wenige Fels“kratzungen“ zu sehen, dafür gibt es auf den Infotafeln Fotoss von dem Pferd und dem Steinbock (?), die ich eben an der anderen Stelle im Fels gesehen habe. Spätestens jetzt ist klar, dass auf den Infotafeln anderes gezeigt wird als der verwirrte Besucher in den Felsen sehen kann.
Die nächste Stelle lasse ich aus, weil man da erst mal irgendeine Gravelroad absolvieren muss, an der übernächsten fahre ich erst mal versehentlich vorbei, so dass ich an der Kokopelli-Site halte. Die Figur stellt wohl einen Flötenspieler dar und ist bei vielen Indianervölkern im Südwesten der USA bekannt.
Ein Stück zurück an der White Birds – Site sind dann verschiedene weiße Zeichnungen und eine farbige Figur zu sehen.
Als letztes steuere ich die „Waving Hands“ an. Ebenfalls an dieser Stelle zu finden ist der „Guardian“, eine Figur, die wohl aus einer Übergangszeit zwischen dem Barrier-Canyon-Stil und dem Fremont-Stil vor 2000 – 1500 Jahren stammt. Aus welcher Zeit die Hände stammen, weiß ich nicht mehr, aber sie sind jedenfalls jüngeren Datums.
Während ich mir die Zeichnungen angeschaut hatte, war es bewölkt, aber jetzt brauen sich richtig schwarze Wolken zusammen. Das Navi verrät, dass ich noch über eine Stunde Fahrzeit vor mir habe. Dann mal los, hoffentlich gerate ich nicht mitten in ein Gewitter. Die Straße führt dann in engen Kurven immer weiter nach oben, ich sehe ein Reh mit zwei Kitzen, die aber leider flüchten, und Kühe und Kälbchen am Straßenrand.
Als ich den Douglass Pass endlich überwunden habe, wird das Wetter wieder besser, man kann im Süden sogar blauen Himmel erkennen.
Ich merke, dass ich immer müder werde. Heute bin ich irgendwie nicht fit, und es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung, Harpers Corner sauen zu lassen. Kurz bevor ich in Fruita ankomme merke ich schon, wie mir die Augendeckel schwer werden. Kurz nach drei komme ich schließlich in Fruita im Balanced Rock Motel an, lade mein Zeug ins Zimmer und mache mich zu Fuß auf den Weg, um im nahen Burger King etwas zu essen, denn das Schild habe ich schon von der Moteleinfahrt aus gesehen und im Auto habe ich heute ja schon einzige Zeit gesessen. Wie in den USA üblich ist man auf Fußgänger aber nicht so wirklich eingerichtet, und ich muss über zwei Straßen hüpfen, bevor ich eine Kreuzung mit Fußgängerampel erreiche. Weil man hier ja nicht so oft zu Fuß geht, ist an der Fußgängerampel auch erklärt, wie sie funktioniert und bei welchen Zeichen man stehen muss und bei welchen man gehen darf - und nein, die Beschreibung richtet sich definitiv nicht an Kinder.
Ich esse im Burger Kind und kaufe dann im gegenüberliegenden Supermarkt noch ein paar Getränke, darunter eine sündhaft teure Flasche Perrier, etwas zu essen, nämlich ein sündhaft teures Delikatessen-Sandwich und einen sündhaft teuren griechischen Salat, dann schleppe ich meine Beute ins Zimmer und werfe mich erst mal bei voll aufgedrehter Klimaanlage aufs Bett. Hier ist es richtig heiß, drückend heiß, und im Süden über dem Colorado NM ballen sich die Wolken zusammen. Ich wasche noch eine Hose und ein Shirt, sortiere die ersten Sachen aus und bewege mich ansonsten die nächsten eineinhalb Stunden nicht mehr vom Bett.
Kurz nach sechs mache ich mich auf den Weg zum Colorado NM. Im Himmel hängen dicke Wolken, aber drüben auf der anderen Seite von Fruita liegen die Hügel in der Sonne, vielleicht wird es also doch noch was mit Fotos in Sonnenuntergangslicht. Ich halte am Fruita Canyon Overlook, wo ein Hase und ich uns gegenseitig zu Tode erschrecken, und schaue hinunter auf die Straße, die ich gerade hochgefahren bin.
Leider zieht es sich dann aber noch mehr zu. Als ich den kurzen „Otto's Trail“ gehe, verdunkelt sich der Himmel immer mehr. Die Felsen wirken blass, und langsam kommt Wind auf.
Inzwischen sieht es Richtung Norden schon richtig dramatisch aus.
Also breche ich um viertel nach sieben weitere Fotoversuche ab und flüchte mich in Richtung des sicheren Autos. Es wird immer stürmischer, und ein paar Regentropfen bekomme ich auch ab. Ich bin froh, als ich schließlich wieder im Auto sitze.
Mal gespannt, wie es morgen hier aussieht. Vielleicht regnet es sich über Nacht richtig aus und ich bekomme morgen Felsen im Sonnenschein zu sehen. Wenn nicht, starte ich gleich nach Denver durch.
Heute abend verziehen das Laptop, der griechische Delikatessensalat und ich uns aber zu einer Menage à trois ins Bett.
Gute Nacht!