Ein Permit für die Wave!Vor dem Bericht über diesen Tag ist eine klärende Vorbemerkung angebracht: Seit sechs Jahren habe ich ein Traumziel im US-Südwesten. Es heisst: «Wave». Sie mal mit eigenen Augen sehen und fotografieren, ist zu einem fixen Gedanken geworden. Bei Wikipedia wird die «Welle» so beschrieben: «Eine bizarre Formation aus versteinerten Sanddünen im Nordwesten des Vermilion Cliffs Monuments gehört zu den spektakulärsten Fotomotiven für Naturfotografen.» In der Tat: «The Wave» stellt für Naturfreunde und Fotografen ein derart heiss begehrtes Ziel dar, dass das dafür zuständige Bureau of Land Management (BLM) zum Schutz dieser empfindlichen Location den Zugang schon vor vielen Jahren drastisch beschränken musste: Pro Tag werden nur 20 Permits vergeben, 10 davon vier Monate im Voraus über eine Lottery im Internet, 10 Permits am Vortag um 9 AM Mountain Standard Time im BLM-Bureau in Kanab (Stand April 2014).
Die Bewerberzahlen werden öffentlich gemacht. Deshalb ist bekannt, dass sich für die 10 Plätze im Internet pro Tag gerne auch über 1000(!) Interessenten bewerben. Im Klartext: Will ich übers Internet reinkommen, ist die Chance heute verschwindend klein (geworden). Für die 10 Permits, die am Vortag in Kanab ausgelost werden, sind in den besten Monaten auch viele Dutzend Menschen anwesend (der Rekord liegt angeblich bei 226 Teilnehmern). Und noch schlimmer: Ein Gewinner kann bis zu 6 Teilnehmer anmelden, so dass im Extremfall die Lottery nach 2 Gewinnern für diesen Tag bereits wieder geschlossen wird. Also auch hier: sehr kleine Chance, zu einem Permit zu kommen. Zu versuchen, illegal hinein zu gelangen, ist übrigens nicht ratsam: Die Ranger kontrollieren das Gebiet, auch aus dem Helikopter, und die Bussen sind sehr hoch.
In den vergangenen Jahren verschlang ich unzählige Wave-Reiseberichte von glücklichen Gewinnern. Vor meinen Reisen 2007, 2008 und 2010 hatte ich es bei der Online-Lottery und auch an den Vortagen im BLM-Büro versucht, und nie war mir das Glück beschieden gewesen. Ich habe die Coyote Buttes South (CBS) und auch die White Pocket besucht und mich an der tollen Landschaft erfreut. Aber lieber wäre mir halt schon ein Wave-Permit gewesen.
Im Sommer 2013, mitten in den Vorbereitungen für diese Reise, war ich nach all den Fehlschlägen der vergangenen Jahre überzeugt, die Wave nie mehr selbst sehen zu können. Die Chancen sind ja jedes Jahr kleiner gworden und werden es noch immer. Darum hatte ich mich dieses Jahr auch gar nicht mehr beworben. Rund um Kanab gibt es noch so viele tolle landschaftliche Highlights, dass ich den Ort trotzdem in mein Programm aufgenommen habe.
Am Donnerstag, 29. August erwache ich früher als gedacht. Okay, dann kann ich ja auch grad aufstehen und frühstücken. Und wenn ich schon um diese Zeit «ready for take off» bin, kann ich ja kurz zum BLM-Bureau hinausfahren, um die heutige Permits-Verlosung zu verfolgen. Reine Neugier …
Vor Ort frage ich mich: Ist das interessant, eine Lottery nur zu beobachten und nicht selber daran teilzunehmen? Nein, ist es nicht. Also fülle ich das Anmeldeformular aus und zahle die 7 $ Gebühr. Der Raum füllt sich in den nächsten Minuten mit ca. 45 Personen ganz gut.
Die junge Rangerin, welche die Lottery durchführt, informiert pünktlich ab 9 Uhr die Anwesenden über die Wave und ihre Zugangsbestimmungen, 20 Minuten lang.
Dann verteilt sie die Nummern. Die Spannung im Saal steigt. 25 Kugeln kommen in den Käfig, die Nr. 2 steht für mich. Der erste Gewinner wird bekannt gegeben. Der zweite ebenso. Und dann ruft sie: «Nr. 2!» Die Nr. 2! Ich habe gewonnen! Ich glaube, ich träume.
Wie sich am Schluss zeigt, war heute ein guter Tag für die Bewerber: Gezogen werden 6 Teilnehmer; nur Einzelgewinner und wenige Zweier-Gruppen.
Die Lotteryverlierer verlassen enttäuscht den Raum. Es folgen 40 weitere Minuten Instruktion: Lage, Anfahrt, Anforderungen an das Auto, Mindestmenge Flüssigkeit, Abgabe von Kartenmaterial, und vieles mehr. Dann werden wir entlassen. Auf Anfrage meint die Rangerin, dass ich mit dem Equinox den (viel näheren) nördlichen Zugang zum Wirepass, wo der Trailhead liegt, nicht schaffen würde. Durch die Regenfälle der letzten Tage sei ein Wash an der House Rock Valley Road (HRVR) nahezu unpassierbar geworden. Das will ich heute jedoch, weil ich die Zeit dafür habe, gerne selber nachprüfen. Der Zugang von Süden wäre ein Riesenumweg.
Also 40 Meilen auf der 89 Richtung Page, dann auf die HRVR. Tatsächlich: Nach ca. 4 Meilen ein tiefes Wash, unten viel feuchte Erde und Wasser, ein richtiger Sumpf. Aber es muss riskiert werden. Mit viel Vorsicht und Schwung im richtigen Moment gelingt es. Kurz dahinter wende ich. Bei der Rückfahrt schaffe ich das Wash erneut. So sieht das gut aus für morgen. Zufrieden fahre ich nach Kanab zurück. Dort bereite ich den Wave-Tag vor. Am Nachmittag suche ich noch den Barbershop auf. Der Rest des Tages vergeht im Nu. Um fit für morgen zu sein, lege ich mich früh zum Schlafen.