Dann starten wir mal in den Reisebericht meiner 1992er Reise:
Bis zum Jahr 1989 folg mein Opa einmal jährlich für drei Monate über den großen Teich nach Deutschland. Das machte er zum Einen um seine drei Söhne samt Familien zu besuchen und zum Anderen um den Schneemassen und Kältegraden des Mittelwesten zu entfliehen. So hatte ich also immer einige Wochen mit meinem Opa, der dann den Großteil der Zeit bei uns wohnte. Nach 1989 war ihm aus Altersgründen eine solche Reise nicht mehr möglich. Er war bereits Mitte 80 und verkraftet die Aufregung um Flug und Gepäck nicht mehr.
Ende 1991 kam dann eine erneute Einladung bei uns an. Da ich als einziger meiner Geschwister zu dem Zeitpunkt noch nicht verheiratet war wurde ich zusammen mit meinen Eltern vom Opa wieder mal nach Amerika eingeladen. Die Reise wurde für den Sommer 1992 geplant. Mit damals (als die Einladung kam) noch 16 Jahren habe ich mich eigentlich um nichts gekümmert, was sich noch als Fehler herausstellen sollte, der fast die Reise verhindert hätte.
Mein Vater kümmerte sich um einen günstigen Flug, den er auch über ein Reisebüro in Düsseldorf (ich kann nicht mehr sagen welches das war) bekam. Die Flüge wurden gebucht und es wurde geplant, dass wir einen Tag, nachdem ich aus einem Jugendsommerlager in der Schweiz zurückkam in die USA aufbrechen sollten (meine Mutter musste ja auch noch meine Wäsche waschen). Flugtechnisch war ein Flug von DUS nach LHR und von dort nach Chicago geplant. Um auch technisch für die Reise gut gerüstet zu sein begann ich mit dem Austragen einer kostenlosen Zeitung. Mit dem Verdienst erwarb ich meine erste Videokamera.
Während des Jugendlagers konnte ich an fast nichts anderes denken, als die bevorstehende Reise in die USA. Mein Onkel hatte versprochen, dass er mit meinen Eltern und mir eine zweiwöchige Reise von Wausau bis LA und zurück mit dem Auto machen würde. Prima, ich würde also endlich den Westen der USA kennen lernen (so dachte ich zumindest, kennen tu ich ihn jetzt noch nicht, wie mir verschiedene Berichte in diesem Forum immer wieder eindrucksvoll vor Augen führen).
Als mein Vater mich vom Bus, der mich aus dem Jugendlager wieder nach Deutschland brachte, abholte fuhren wir kurz beim Reisebüro vorbei und holten die Tickets ab. Daheim angekommen musste ich natürlich erstmal über das Jugendlager berichten. Als meine Mutter sich dann über meine Wäsche her machte setzte ich mich voller Vorfreude an den Tisch und las mir alles durch, was so bei den Tickets dabei war. Dabei stieß ich dann auf so eine Anmerkung im Kleingedruckten, die mich erschaudern ließ: Einreise in die USA ist nur mit einem noch mindestens drei Monate gültigen Reisepass möglich! Reisepass? Hab ich nicht!
Und meine Eltern? Auch nicht!
Eine Nachfrage bei meinem Vater brachte keine beruhigende Antwort: "Ich hab die Frau im Reisebüro gefragt ob wir mit einem normalen Pass in die USA kommen und sie hat ja gesagt!" Dumm nur, dass da in den Infos was anderes stand. Kurzerhand rief meine Mutter im Reisebüro an und erkundigte sich bezüglich. Die Aussage der Frau war klar und vor allem logisch: Sie hatte unter Pass Reisepass verstanden, während mein Vater damit einen Perso meinte. Und dann die Aussagen, die ca. 16 Stunden vor Abflug meine USA-Träume samt Videoplänen in sich zusammen stürzen lies: „Ohne Reisepass brauchen sie gar nicht zum Flughafen. Die lassen sie nicht mal in den Flieger!“
Ende – Aus! Keine Reise in die USA! Woher soll man auch an einem Mittwoch um fast 18.00 Uhr Reisepässe kriegen? Der Flieger nach London geht ja um 10.00 Uhr am nächsten Morgen!
Meine Mutter ist nicht so die Frau, die lange rumüberlegt. Sie schreitet immer zur Tat und probiert einen Weg nach dem anderen aus, bis sie am Ziel ist. Zunächst also ein Anruf bei der Botschaft der USA. Das Resultat war die Bestätigung der Aussage der netten Dame vom Reisebüro: Wir hatten keine Chance ohne Reisepass in die USA einzureisen. Also folgte ein Anruf beim Einwohnermeldeamt (die stellen in meiner ehemaligen Heimatstadt die Pässe aus, bzw. nahmen die Anträge entgegen). Nix. Keiner mehr da. Klar, die machen ja auch um 16.00 Uhr zu. Wat nu?
(kleiner Einschub: Das, was ich jetzt schreibe hat sich wirklich so zugetragen! Nicht das jemand meint ich würde hier rumlügen um mich interessant zu machen!)
Durch ihre geschäftliche Tätigkeit kannte meine Mutter die Frau vom Oberbürgermeister meiner damaligen Heimatstadt. Also wurde dort angerufen. Den genauen Wortlaut des Telefonats kann ich leider nicht mehr wiedergeben. Aber das Ergebnis dieses Anrufs war die Nummer des Leiters (heißt der so) des Einwohnermeldeamtes. Der dortige Anruf brachte eine neue Nummer hervor. Und dort hatte meine Mutter dann eine wirklich hilfsbereite Dame am Telefon. Sie sagte zu, dass sie sich mit uns in einer Stunde am Rathaus treffen würde. Irgendwoher hatte sie sich den Schlüssel besorgt und stellte uns innerhalb von kürzester Zeit vorläufige, für drei Monate gültige Reisepässe aus. Glücklich standen wir mit diesen gegen 21.00 Uhr vor dem Rathaus und konnten uns wieder auf unsere Reise in die USA freuen.
Am nächsten Morgen brachte uns meine Schwester (wirklich rechtzeitig) nach Düsseldorf an den Flughafen. Beim Check-in erfuhren wir dann, dass unsere Plätze für den Flug nach London bereist anderweitig vergeben waren. Freundlicherweise wurden wir jedoch auf einen etwas späteren Flug umgebucht. Trotz dieser Änderung im Flugplan konnten wir locker unseren Flug von London nach Chicago erreichen (da muss wirklich viel Zeit für den Umstieg eingeplant gewesen sein). Irgendwann am frühen Nachmittag (Ortszeit) landeten wir in Chicago und wurden dort von meinem Onkel und meiner abgeholt und machten uns sogleich noch auf den Weg nach Wisconsin, wo wir am späten Abend müde, aber glücklich, dass doch noch alles Gut gegangen war in die Betten vielen.
In den nächsten Tagen verbrachten wir Zeit mit der Familie meines Onkels (soweit seine Kinder in der Nähe wohnten) und vor allem meinem Opa, bevor wir uns am Sonntagvormittag auf den Weg in den Westen machten. Doch von diesen Tagen will ich hier jetzt nicht berichten, da sie zum Einen wenig ereignisreich und vor allem nicht von allgemeinem Interesse sein dürften.