Dienstag, 12. September 2006Heute wache ich mit einer Triefnase auf. Franks Mahnungen am gestrigen Abend, ich solle mir bei unseren nächtlichen Zeltbauarbeiten einen Fleece überziehen, waren wohl berechtigt. Während des Frühstücks habe ich schon mehrere Taschentücher verbraucht und so kann ich meiner Krankengeschichte eine weitere Episode hinzufügen. Wenn das so weitergeht, haben wir auf dem Rückflug deutlich weniger Gewicht, unsere Medikamentenbestände schrumpfen gewaltig in diesen Tagen. Nach einer Dusche verlassen wir den Dead Horse Ranch State Park und seinen dornigem Campground und fahren bei bewölktem Himmel über die 89A Richtung Sedona. Der geplante kurze Stopp im Safeway dauert mal wieder länger als erwartet, dafür haben wir jetzt eine Flasche Wein, Baguette, geröstete Putenbrust und 2 Windbeutel im Auto, deren Sahnefüllung bei der Hitze schnell ihre Konsistenz ändert. Also werden sie notverzehrt – auch nicht schlecht, morgens um 10.00 Uhr. Dann kann's weiter gehen, einige Quellwolken verheissen Schauer, dafür entschädigt uns die Landschaft für drohendes Ungemach.
Im Red Rock Country um Sedona sind verschiedene Wilderness Areas, State Parks und Recreation Areas ausgewiesen. Die bekannteste und meist fotographierte Location sind die über dem Oak Creek Canyon trohnenden Cathedral Rocks. Das klassische Foto schiesst man in der Red Rock Crossing – Crescent Moon Recreation Area, 7 Meilen südlich von Sedona im Coconino National Forest gelegen. Zuvor kommen wir an der Abfahrt des Red Rock State Park vorbei. Diese ignorieren wir zunächst und biegen erst beim Wegweiser Red Rock Crossing in die Red Rock Loop Road ein.
Bereits von der Zufahrtstrasse erkennt man die markanten Felsen, wir fahren weiter Richtung Crescent Moon Picnic Area und werden an der Einfahrt erstmal um 7 Dollar Entrance Fee erleichtert. Frank brummt bereits, dass für 7 Dollar schon ein Highlight kommen müsse.
Kurz vor uns ist eine Busladung Chinesen eingetroffen, die auf dem Rasen hinter dem Restroom erstmal Stretching-Übungen in der Gruppe machen. Wenn das kein Highlight ist. Nachdem ich noch einer Asiatin ihren Fotowunsch erfüllt habe und wir ein wenig mit ihr plaudern, kommt das Fettnäpfchen des Tages: sie fragt uns woher wir kommen: from Germany - ich frage sie woher sie denn kommt: from California. An die vielen asiatischen Einwanderer hatte ich nicht gedacht.
Wir schnappen uns unsere Rucksäcke, packen Wasser und Sandwiches ein und marschieren los. Wir hoffen, in die richtige Richtung zu laufen, kommen an der historischen Crescent Moon-Ranch vorbei. Der Zugang wird durch einen unschönen Sperrzaun verwehrt und dieser stört auch beim Fotographieren des restaurierten Wasserrades. *grr*
Dafür hören wir kurze Zeit später den Oak Creek rauschen. Die schönen Badestellen sind bereits fest in der Hand amerikanischer Familien und wir wissen nicht, wer mehr Spass am Badevergnügen hat - die begeistert jauchzenden Kinder oder die johlenden Erwachsenen die storchenbeinig durchs Wasser hüpfen.
Wir folgen dem Trail und passieren eine schöne Lichtung mit viel altem Holz. Ich entdecke ein Fotomotiv und Frank ruft mir noch zu, ich solle aufpassen, in alten Baumstämmen säßen oft Klapperschlangen. Das beeindruckt mich nur kurzzeitig, ich quere die stachlige Vegetation und schiesse ein Digital-Foto, Frank folgt mit Spiegelreflex und Videokamera.
Kurz darauf erreichen wir die Crossbedings des Oak Creek und nähern uns der klassischen Cathedral Rocks-Ansicht. Die sanften Stromschnellen des Oak Creek kommen immer mehr ins Blickfeld und da stehen wir – eine Aussicht wie sie uns in jedem USA Südwest-Bildband entgegenlacht.
In Natura ist sie noch viel schöner, trotz der mittlerweile dichten Wolkensuppe.
Wir schiessen einige Fotos, es ist brütend heiss, das Gewitter liegt förmlich in der Luft. Trotzdem machen wir es uns für ein Lunch gemütlich. Mit Blick auf die Cathedral Rocks verspeisen wir unser knackiges French Bread mit Smoked Turkey Breast. Wir sind nicht alleine, aber die meisten Besucher kehren schnell wieder um – sie rechnen auch mit Regen.
Nach ein paar Stativaufnahmen von uns beiden und einigen Camcorder-Schwenken packen auch wir unseren Kram und laufen zurück zum Auto. Wir beratschlagen kurz, wie wir den Tag heute noch sinnvoll gestalten können. Eigentlich wollten wir jetzt am frühen Nachmittag den Bear Mountain Trail laufen, eine der schönsten Wanderungen im Umkreis von Sedona. Da wir bereits mehrmals die entfesselten Gewalten eines Sommergewitters im Südwesten erlebt haben, streichen wir schweren Herzens diese aussichtsreiche Wanderung und verschieben sie auf den nächsten Aufenthalt.
Um schon zum Campground zu fahren ist es noch zu früh, die Snebly Hill Road scheint uns bei den erwarteten Niederschlägen auch zu heikel, Baden im Slide Rock State Park bei Regen macht keinen Spass, Shopping wird zu teuer (die Gallerien stehen in dem Ruf, sehr hochpreisig zu sein) also bleibt noch der Red Rock State Park.
Wir verlassen die Crescent Moon Recreation Area und setzen unsere Fahrt auf der Red Rock Loop Road fort. Mittlerweile fallen die ersten Regentropfen auf die Scheibe. Wir hoffen noch auf einen kurzen Schauer, den wir schnell hinter uns lassen. Doch irgendwie klebt die dunkle Wolke hartnäckig am Heck unseres Autos. Sie verfolgt uns auch noch, als sich die Teerdecke verabschiedet und die Strasse in eine Gravel Road übergeht. Der Trailblazer schlingert mal kurz, Frank stellt den 4WD Schalter von 2WD auf Auto. Der Gravel wird weniger, jetzt folgen wir schon fast einer Dirtroad. Dafür nimmt der Niederschlag zu. Die dicken Regentropfen verwandeln allmählich den staubtrockenen Untergrund in Schlamm. Ich beginne mit einem Vortrag, das es ganz schlecht sei, bei Regen auf einer Dirt Road zu fahren, Frank lacht und meint die paar Tropfen würden der Strasse nichts anhaben können. Ich habe trotzdem Herzklopfen und bin froh, als wir kurz vor Erreichen des Red Rock State Park wieder auf Asphalt fahren können.
An der Einfahrt zum State Park werden wir wieder zur Kasse gebeten, diesmal 5 Dollar und wir stellen fest, dass in Sedona jeder Pups Geld kostet. Die Aussicht auf die Berge enttäuscht dann auch noch, anstelle von ursprünglicher Red Rock Landschaft blicken wir vom Aussichtspunkt des State Parks auf zersiedeltes Land. Die Siedlungen lassen sich nur schwer aus dem Foto raushalten.
Die 5 Dollar waren dafür eindeutig zu viel.
Schönere Aussichten findet man kostenlos und zahlreich im Südwesten. Noch immer bei leichtem Regen fahren wir schliesslich Richtung Campground.
Als Entschädigung für die letzte Nacht haben wir uns einen Campground ausgesucht, der durch traumhafte Lage und guten Sanitärstandard glänzen soll. Das
LoLoMai Springs Outdoor Resort liegt abgeschieden im Verde Valley und wir müssen es erstmal finden. Wir fahren wieder zurück in Richtung Cottonwood und halten Ausschau nach der Page Springs Road. Die entdecken wir im letzten Moment und mit einem abenteuerlichen Spurwechsel schafft Frank gerade noch so die Zufahrt. Hier sind wir richtig, ein LoLoMai Springs-Schild weist uns den Weg. Wir folgen der schmalen County Road #50 und erreichen nach knapp 2 Meilen die Zufahrt des Geländes. Es gefällt uns auf Anhieb: schöner alter Baumbestand, terrasiertes Gelände, grosszügige Stellplätze, kaum Besucher, Gebäude im Blockhausstil – einfach zum Wohlfühlen.
An der Registration erwartet uns eine freundliche Angestellte und ungefähr ein halbes Dutzend gepflegter Hauskatzen. 30 Dollar plus Tax/Nacht sind kein Schnäppchen, aber für die Lage und das Ambiente ein angemessener Preis. Wir dürfen uns unseren Zeltplatz aussuchen, das tun wir. Die Zeltplätze liegen direkt am Oak Creek. Leider können wir nicht direkt mit dem Zeltaufbau beginnen, es hat begonnen stark zu regnen und wir verkrümeln uns ins trockene Auto.
Wir passen eine Regenpause ab und errichten schnell unser Zelt. Starker Wind ist nicht gerade hilfreich, aber seit wir es aufgegeben haben, unsere komische Zeltkonstruktion auf das passende Groundsheet zu stellen und stattdessen einfache Gewebeplanen als Unterlage nehmen, gelingt der Aufbau binnen 5 Minuten. Wir flüchten nochmals in den Wagen, mittlerweile hat der Regen noch Verstärkung bekommen – es blitzt und donnert und es dauert eine ganze Weile bis wir die nächste Regenpause dafür nutzen, unser Zelt einzuräumen. Irgendwann ist aber der Gewitter-Spuk vorbei und wir erkunden das Gelände. Kaum ist der letzte Regentropfen gefallen, wird der Pool wieder geöffnet und wir überlegen kurz, ob wir uns nicht einfach an den Pool legen sollen.
Stattdessen beschliessen wir, nochmal Richtung Sedona zu fahren und auch endlich mal ins Stadtzentrum vorzudringen. Nachdem wir die Holzschaukel ausprobiert haben und uns mit einem Apfel gestärkt haben, fahren wir los. Wir nähern uns wieder Sedona und erreichen schliesslich die ersten Häuser. Wir fahren an Gallerien und Wohngebäuden im Adobe- und Westernstil vorbei, passieren die typische Infrastruktur aus Motels, Tankstellen und Fastfood-Lokalen. Frank fragt mich, was bitte soll an Sedona so besonderes sein? Ich kenne die Antwort nicht, auch mich hat die Stadt Sedona nicht sonderlich beeindruckt.
Vielleicht hilft ja die Aussicht von der Airport Road. Wir passieren das ganze Zentrum biegen rechts in die Zufahrtsstrasse zum Flughafen ein. Unten überall Hinweisschilder, dass zum Parken der Red Rock Pass benötigt wird, wir fahren weiter und kommen schliesslich zum Parkplatz der bereits gut gefüllt ist. Durch das schlechte Wetter ist es bereits dämmrig und es kann nicht mehr lange dauern, bis die Sonne untergeht. Wir gehen über die Strasse zum Aussichtspunkt und sind wieder enttäuscht.
Ein Zaun versperrt die freie Sicht, ich stelle mich auf einen der Felsbrocken und versuche über den Zaun hinweg zu fotographieren. Frank wirft derweil 2 Dollar Donation in den Behälter – war ja klar, in Sedona ist nichts umsonst.
Mit mindestens 30 weiteren Besuchern warten wir auf den Sonnenuntergang. Viele sind mit Stativ angerückt und Frank fragt mich, was die eigentlich fotographieren wollen. Ich denke noch darüber nach, als plötzlich Bewegung in die Menge kommt. Irgendetwas auf dem Boden ist so interessant, dass sich die Besucher kreisförmig darum gruppieren und ganz aufgeregt werden. Blitzlichtgewitter lockt schliesslich auch uns an und wir sehen den Grund des Tumultes.
Eine handtellergrosse Tarantel ist in die Menschenansammlung gekommen und kann sich vor lauter Fotoapparaten die in geringer Höhe über ihr zusammentreffen kaum noch erwehren. Sie versucht immer wieder Richtung Grünstreifen zu entkommen, doch die fotolüsternen Besucher geben ihr keine Gelegenheit. Ich befürchte schon, dass in dem Getümmel jemand versehentlich auf die Tarantel tritt, als ihr eine wie ein Cowboy gekleidete junge Frau zur Hilfe kommt. Sie streckt ihren langläufigen Colt zum Boden und nimmt die Tarantel auf um sie von den Leuten weg zum Grünstreifen zu tragen. Wir atmen auf und hoffen dass die Tarantel jetzt die andere Richtung einschlägt – weg von den Menschen.
Das Spektakel ist vorbei, wir können uns wieder dem Sonnenuntergang zuwenden. Wir schiessen auch ein paar Fotos und fahren schliesslich wieder Richtung Page Springs. Das Cowgirl gehört zu einer geführten Tour und macht sich mit ihrer Gruppe auf den Weg. Am Safeway halten wir, um uns etwas Leckeres für das Abendessen zu kaufen. Wir entscheiden uns für eine Packung Pork Loin Chops und freuen uns auf der Rückfahrt schon auf gebratene Kotelett. Es ist bereits dunkel als wir auf dem Campground ankommen.
Der Platz hat sich nicht mehr viel gefüllt, wir sind noch immer die einzigen Gäste auf den Zeltplätzen. Dafür kommen uns einige tierische Neuankömmlinge entgegen und uns schwant schon etwas. Wildschweine einer kleinen Rasse und einige Stinktiere erhaschen wir im Licht der Scheinwerfer. Das kann ja heiter werden. Zelten mit Stinktieren, wir lassen diesmal wirklich nichts aus.
Da wir mit Wildtieren und Nahrungsdüften schon so unsere Erfahrungen haben, verschieben wir das Fleischbraten auf den nächsten Morgen und essen nur die Hash Browns und den Salat und trinken dazu eine Flasche Moscato California, einen lieblichen Weisswein. Anschliessend machen wir noch den Abwasch und inspizieren unseren Zeltplatz gründlich und entfernen alle Essensreste.
Ein vorwitziges Stinktier verscheuchen wir mehrmals und hoffen, dass es sich nicht erschreckt und versehentlich seine scheussliche Duftmarke loslässt.
Gefahrene Meilen: 63
Übernachtung: LoLoMai Springs Outdoor Resort 32,60 USD