Tag 12 - 10.10.2011: On the Road - vom Joshua Tree NP nach Williams, AZ - oder - Wenn man ein Weitwinkelobjektiv hat, hat man ein Weitwinkelobjektiv, oder?Heute steht ein langer Fahrtag auf dem Programm: Wir lassen Kalifornien (vorerst) hinter uns und fahren zu den Red Rocks. Es liegen einige Stunden auf den unendlichen Straßen der USA vor uns und deshalb teilen wir uns die Fahrt auf. Schnellstmöglich verlassen wir das muffige Harmony Motel und ich übernehme den ersten Teil der Strecke. Quer durch die Mojavewüste kann ich ja nichts falsch machen. Nach gefühlten 3000 km gefühltem stupidem geradeaus fahren wird selbst eine scheinbar aus dem Nichts auftauchende einfache Rechts-Vor-Links-Kreuzung zur Herausforderung - Wie ging das mit dem Bremsen doch gleich? Keine Sorge, unser etwas größer geratener Compactwagen fährt sich sehr gut
Irgendwann halte ich mal an, um das obligatorische "Endlose Straße in der Wüste"-Foto zu machen.
Und dann der Schock: Gestern noch hat unser Weitwinkelobjektiv am Keys-View tadellos funktioniert und jetzt kommt direkt nach dem ersten Auslösen eine Fehlermeldung: Verbindung zu Objektiv fehlgeschlagen.
Och nö, oder? Wir wollen doch den Horseshoe-Bend fotografieren und da ist eine 10mm-Linse schon sehr sinnvoll. Ihr könnt euch vorstellen, dass die Laune ziemlich tief in den Keller sinkt. Dazu muss man sagen, dass wir mit Weitwinkelobjektiven bisher nicht die besten Erfahrungen gemacht haben. Dieses Exemplar hier war schon das Vierte in unserer Sammlung. Das beste Objektiv war immer noch ein Sigma. Das hat allerdings am letzten Tag unseres New York Urlaubs das zeitliche gesegnet, als es mir (ich hab jetzt noch Alpträume davon) aus der Hand gefallen ist. Nummer 2 und 3 kamen gar nicht über 20 Fotos hinaus, weil es absolute Gurken waren. Für den Urlaub haben wir uns extra ein Tokina-WW gekauft und sind bisher eigentlich auch sehr zufrieden und dann das: Objektivfehler mitten in der Wüste. Mit den anderen Objektiven funktioniert die Kamera einwandfrei... Wir versuchen uns damit über Wasser zu halten, dass sicherlich nur eine sorgfältige Reinigung der Kontakte nötig ist. Die wollen wir wegen des feinen Staubes aber lieber im nächsten Hotelzimmer machen.
Also geht's weiter. Wir fahren so dahin, bis ich irgendwann weit entfernt auf der Straße etwas Schwarzel liegen sehe. Wird wohl ein Reifenteil sein, denke ich. Rechts und links der Straße liegen ja genügend Gummireste herum, warum also nicht auch mal auf der Straße. Als das vermeindliche Reifenteil dann aber anfing, sich langsam, aber kontinuierlich zu bewegen, lege ich ne Vollbremsung hin, Chris wird aus seinen "Was ist nur mit dem Objektiv los?"-Grübelleien gerissen und glaubt mir erst kein Wort als ich sage: "Auf der Straße ist ne Schildkröte!". Und tatsächlich: Mitten auf der Straße läuft eine Schildkröte gemählich von Rechts nach Links. Leider sind wir beide noch zu sehr im "Weitwinkel-Verlust"-Schock, dass wir völlig vergessen, ein Foto zu machen. Chris rettet die Schildkröte, die ungefähr so groß wie ein Fußball ist, vor dem sicheren Highway-Tod und setzt sie wieder in die Wüste. Und jetzt sag nochmal jemand, das Amerikas Straßen langweilig sind!
Die nächsten Stunden sind recht eintönig: Wir fahren, fahren und fahren. Aber man kann ja schließlich fahren und fahren! Wenn wir schon fahren, dann wenigstens auf einer der bekanntesten Straßen der Welt: der Route 66. Es gibt auf der Strecke vom Joshua Tree NP zum Grand Canyon NP zwei bekannte Möglichkeiten auf die Motherroad abzubiegen: In Needles und in Kingman. Im Reiseführer wird das Stück ab Kingman als "typischster Streckenabschnitt der Route 66 durch endlose Wüstenweiten" beschrieben. Aber Chris hat keine Lust mehr auf den Freeway und fährt schon vorher ab - Umweg hin oder her. Und was soll ich sagen: Manchmal ist es gut, wenn man Reiseführer Reiseführer sein lässt. Der Streckenabschnitt zwischen Needles und Kingman ist einfach gigantisch. An uns fahren unzählige Einfamilienhäuser auf zwei Rädern (sprich Harleys) vorbei und die Ausblicke sind gigantisch. Kurz vor Oatman gibt es aber einen Stau... Oatman, Oatman... woher kommt mir der Name nur bekannt vor? Ein Blick auf die Uhr sagt alles: High Noon.... es wird doch nicht tatsächlich... Doch natürlich: Mitten auf der Straße von Oatman findet eine Gun-Show statt. Viel kriegen wir nicht mehr mit, weil das gesamte Örtchen voll mit Harleys und Eseln ist, sodass wir einfach nicht mehr durchkommen. bzw irgendwie sind wir immer noch nicht wieder ganz bei der Sache. blödes Objektiv! Die frei herumlaufenden Esel sind aber mindestens genauso nett anzuschauen und so schlendern wir vor der Weiterfahrt noch ein bisschen durch die Gegend. Mein Hase macht sich auf seiner To-Do-Liste für den nächsten Urlaub sofort eine mentale Notiz: Gunshow in Oatman nicht verpassen, davor keine Zeit mitten in der Wüste mit Objektivtest vertrödeln.
Auf der schönen Route 66 fahren wir weiter.
Der im Reiseführer als "typisch Route 66"-bezeichnete Straßenabschnitt ist im Vergleich recht langweilig. Wir kommen an verlassen wirkenden Trailer-Wohnparks vorbei.
Am späten Nachmittag treffen wir dann in Williams ein. Da die Übernachtungspreise im Grand Canyon NP und erst Recht in Sedona sehr hoch sind, ist Williams ein sehr netter alternativer Übernachtungsort, wenn man nicht gleich sofort in den NP will. Wir checken in der "Lodge on Route 66" ein und ich beglückwünsche mich angesichts der sauberen und und gemütlichen Motelanlage dazu, im Harmony Motel nur eine notdürftige Katzenwäsche gemacht zu haben. Die Zimmer gruppieren sich um einen Innenhof, in dessen Mitte ein überdachter Sitzbereich mit Kamininen, Grill usw. zum gemütlichen Sitzen einlädt. Unser Zimmer ist zwar recht klein, dafür ist das Bett umso höher: Ich bin gerade mal 1,58 m groß und das Bett geht mir mindestens bis zur Hüfte... Von ins Bett legen ist da keine Rede mehr, es ist ein wunder, dass ich keinen Klettergurt brauche
Williams ist ein nettes Örtchen und irgendwie kommt Wildwest-Stimmung auf. Abends schlendern wir noch die Mainstreet entlang, kaufen ein paar Route 66-Souvenir, füllen bei Safeway unsere Getränke- und Essensvorräte auf und lassen den Abend objektivsäubernd vor dem Fernsehen (Chris) bzw. mit dem Laptop vor dem Kamin sitzend ausklingen.
Diese abendliche Trennung hat nicht etwa etwas mit der ausgebliebenen Dusche am Morgen und einem liebevollen "Genug Käse(fuß) für heute"-Statement meines Angetrauten zu tun, sondern vielmehr mit einer mitteilungsbedürftigen Texanerin, die sich am Nachbartisch lautstark über den Pizzalieferservice in Williams auslässt. So viel sei gesagt: Er ist defintiv nicht so gut, wie der in der Richmondstreet bei ihr zuhaus... Wegen besagter Katzenwäsche im "Historic"-Harmony Motel nutzen wir natürlich die Gelegenheit zu einem abendlichen Bad. ABer was ist das??? Mehr als lauwarm wird das Wasser nicht!?! Chris geht zur Rezeption und der jungsche Sohn der Besitzer ist mit der Situation restlos überfordert. Er verspricht, dass sofort jemand kommt, um das zu reparieren. Er bot uns eine Umbuchung in ein anderes Motel an, aber wir konnten mit der versicherten Aussischt auf eine warme Dusche am Morgen halbwegs leben, schließlich war das Mount-Everest-Bett zu gemütlich, um es gegen ein Rodeway-Inn-Bett zu tauschen. Stattdessen haben wir uns für einen nachträglichen Discount entschieden, sodass unser Chaostag zwar kein sauberes, aber zumindest ein gutes Ende nahm.
Top: Scenic Route 66 zwischen Needles und Kingman samt Eseln in Oatman; Schildkrötenretter
Flop: Objektiv-Drama in der Wüste, kalte Dusche in Williams
Hotel: Lodge on Route 66 in Williams: Gemütlich, sauber, wenn der Boiler für Warmwasser funktioniert, sehr zu empfehlen! $70 abzüglich Discount für fehlendes Warmwasser ($35).