11. Tag: Dienstag, 09.06.2009
Seattle - AnacortesWaleHeute ist endlich der Tag auf den ich mich schon ewig freue! Es steht eins meiner Highlights an auf dieser Reise: Whale Watching und das auch noch mit im Juni zumindest laut Anbieter 90%iger Wahrscheinlichkeit Orcas zu sehen.
Ich hatte die Tickets für das Whale Watching Boot „Mystic Sea“ schon vier Wochen vorher im Internet gekauft. Man weiß nie, wie voll es wird. Für Mystic Sea Charters hatte ich mich entschieden, weil die auf ihrer Homepage als einzige angegeben haben, dass auch „RV parking available“ ist. Im Vorfeld war ich mir nach der Buchung nicht sicher, ob das die richtige Wahl war, weil ich zunächst keine E-Mail-Bestätigung bekam, das Kontaktformular auf der Seite nicht funktionierte und ich auch über die angegebene E-Mail-Adresse keine Antwort erhielt. Über Google hatte ich dann eine zweite Mail-Adresse gefunden und dort schließlich auch eine Antwort mit Bestätigung und Entschuldigung bekommen. So ganz seriös erschien mir das also erst nicht und so bleibt auch heute ein wenig restliche Spannung, ob an der angegeben Adresse wirklich eine „Mystic Sea“ liegt.
Um 10.30 Uhr ist Boarding und um 11.00 Uhr Abfahrt also machen wir uns ganz früh auf die Socken, weil Wochentag ist und wir den hiesigen Berufsverkehr nicht einschätzen können. Wir wollen das Schiff keinesfalls verpassen, dann gehen nicht nur 79 Dollar + Tax sondern auch ein ganzer Urlaubstag verloren. Wir machen uns um kurz vor 7.00 Uhr auf den Weg, obwohl die Fahrt von Seattle aus laut Homepage des Veranstalters nur 1,5 Stunden dauern soll. Es geht heute also ein letztes Mal Richtung Norden.
Es zeigt sich, dass wir nicht ganz Unrecht hatten mit unserer Vermutung bezüglich des Berufsverkehrs, denn es ist tatsächlich ziemlich viel los um Seattle.
Je weiter wir Seattle hinter uns lassen, desto leerer wird auch der Highway. Wir fahren an der Abzweigung zu Vancouver, BC, vorbei und sind damit also ganz nah an Kanada.
Wir finden Anacortes ziemlich gut und bald sehen wir auch schon das Meer. Wir müssen ans Cap Sante Marina, Dock A, und erstmal über die Hauptstraße, die Commercial Avenue, fahren. Als wir ankommen, gibt es tatsächlich schöne große Parkplätze über die unser WoMo nur ein ganz kleines Stückchen herausragt. Da es gerade erst kurz vor 9.00 Uhr ist, sind auch noch alle Plätze frei. Jetzt muss ich aber erstmal unbedingt schauen, ob das Schiff hier wirklich liegt... und tatsächlich, ganz am Ende des Docks liegt eine „Mystic Sea“.
Da wir noch so viel Zeit haben, nehmen wir erstmal ein zweites Frühstück zu uns und legen uns noch einen Moment ins Bett. Das ist der Vorteil, wenn man sein Haus gleich dabei hat.
Irgendwann gehen wir noch ein Stück am Hafen entlang. Auch wenn kaum etwas los ist, finde ich die Stimmung hier verbunden mit meiner Vorfreude vielleicht gleich wilde Orcas zu sehen wirklich toll. Irgendwie ist es genauso wie in den „Free Willy“ Filmen, die ich in meiner Kinderzeit so gerne gesehen habe. Wie ich vor Ort in einer Broschüre lese, war die Mystic Sea offizielles Filmboot des 2. Teils, von dem einige Szenen hier in der Gegend gedreht wurden.
Wie auch immer – langsam trudeln die ersten anderen Besucher ein. Wir machen uns auf den Weg zur Ticket Booth und wollen einchecken. Ich sehe meinen Namen ganz oben auf der Liste stehen, so früh wie ich hat wohl sonst keiner reserviert
. Der Mann an der Kasse will trotzdem noch die Mail-Bestätigung sehen – gut, dass ich die angefordert hatte. Es geht also an Bord. Dort werden wir freundlich eingewiesen, es gibt Getränke und Ferngläser umsonst und man kann Snacks kaufen. Unter Deck sind einige gemütliche Bänke und im hinteren Teil des Schiffes stehen lange überdachte Tische. Wir positionieren erstmal unsere sicherheitshalber mitgebrachten Jacken unten, obwohl mir von Anfang an klar ist, dass ich die ganze Zeit draußen sein werde um nichts zu verpassen.
Pünktlich um 11.00 Uhr legt das Schiff ab. Es sind zwei Naturalists an Bord, die uns gleich anbieten, dass wir uns bei Fragen an sie wenden können.
Wir fahren zunächst am Hafen und einigen Nobelvillen vorbei, aber je weiter wir rauskommen, desto „wilder“ und einsamer wird die Gegend. Wir stehen natürlich ganz vorne am Bug des Schiffes. Viel Platz haben wir jedenfalls, denn das Schiff ist vielleicht gerade mal zur Hälfe voll. Die Inselwelt ist wunderschön und das Meer spiegelglatt.
Neben vielen Seevögeln begegnen uns als erstes zwei Robben, die niedlich aus dem Wasser schauen. Bald kommen wir auch an einer felsigen Sandbank vorbei, auf der sich eine ganze Horde Seals sonnt und ausruht.
Kurz darauf kommt uns ein Whale Watching Schlauchboot entgegen, es scheint sich aber schon wieder auf dem Heimweg zu befinden. Ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen ist?
Plötzlich macht der Kapitän eine Durchsage. Direkt vor uns sind Bald Eagles, Weißkopfseeadler. Erst sehe ich sie gar nicht, aber dann erblicke auch ich sie majestätisch auf dem Baum sitzen. Es scheint ein Pärchen zu sein. Als wir auf gleicher Höhe sind, fliegt einer der beiden los. Toller Anblick.
Der Kapitän macht eine weitere Durchsage, dass irgendwo ganz weit vor uns zwei Orcas unterwegs sind, die aber Richtung Kanada schwimmen. Er sagt, dass die Chance, sie noch anzutreffen bei 50:50 liegt. Meine Güte ist das spannend, hoffentlich klappt es. Bald informiert uns der Kapitän, dass wir uns bereits in kanadischen Gewässern befinden. Auch wenn ich es toll finde, in Kanada zu sein, so hält sich meine Freude doch in Grenzen, denn ich frage mich, wie weit der Kapitän das Schiff noch raus fahren will oder kann.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt schließlich die erlösende Mitteilung. „They are slowing down“ – die Wale werden langsamer und wir kommen näher. Die Crew beobachtet nun auch mit Ferngläsern die Wasseroberfläche. Irgendwo hier müssen sie sein. Ist das spannend. Man hält plötzlich jeden treibenden Baumstamm oder Schilf für einen Wal.
„THERE!!!“ – Offenbar hat sie jemand gesichtet. Immer mehr Leute scheinen sie auch zu sehen. Ich muss blind sein und werde fast verrückt, weil ich sie nicht entdecke. Da ich nicht weiß, was ich sonst machen soll, fotografiere ich einfach ins Blaue. Sinnlos...
Nach den Aussagen der anderen zu urteilen, tauchen sie gerade wieder auf. DA!!! Jetzt sehe ich sie!! Es sind zwei, eine Mutter mit Baby. Ich knipse so viel ich kann, aber es ist schwierig, sie im richtigen Moment zu treffen. Sie tauchen immer nur wenige Sekunden auf und sind dann minutenlang verschwunden, bevor sie sich wieder blicken lassen. Man weiß leider nie, wo sie hochkommen und bis ich sie im Sucher gefunden, gezoomt und scharf gestellt habe, sind sie oft schon wieder fast weg. Mit der Zeit kriege ich aber immer mehr Übung. Das Gute ist, dass das kleine immer wenige Sekunden nach der Mutter auftaucht und man so einigermaßen weiß, wo es hochkommen wird.
Die zwei Wale schwimmen ganz gemächlich am Festland entlang. Leider scheinen sie nicht in Spiellaune zu sein und springen daher nicht aus dem Wasser. Das war mir aber im Vorfeld schon fast klar. Muss ja auch unheimlich anstrengend sein, so viele hundert Kilo aus dem Wasser zu wuchten, dass sie das nicht oft machen können ist ja klar. Trotzdem, es ist einfach unglaublich den beiden zuzusehen. Was für wunderbare Geschöpfe.
Ich schieße über 130 Bilder von denen viele unscharf sind, man lediglich einen kleinen Teil der Rückenflosse oder sogar nur noch das schäumende Wasser ohne Wal sehen kann. Etwa 30 der Fotos sind aber gut geworden. Die Frau neben mir macht sich schon darüber lustig, weil ich pausenlos knipse.
Mama links und Baby rechts
Von mir aus könnten wir noch Stunden hier lang fahren – aber der Kapitän lässt das Boot nach und nach zurückfallen. Ich habe nichts dagegen, denn die beiden Wale wollen schließlich auch wieder ihre Ruhe haben und ich habe deswegen eh schon ein schlechtes Gewissen. Fast 20 Minuten sind wir neben ihnen her gefahren. Letztes Jahr hatte ich noch mit Sea World San Diego geliebäugelt, mich aber dann doch dazu entschieden, die Wale lieber in freier Wildbahn anzusehen. Ist doch noch mal etwas ganz anderes...
Auf dem Rückweg fahren wir noch einmal durch die traumhafte Inselwelt der San Juan Islands. Wir sehen auch das Spotter Plant, das uns bestimmt geholfen hatte, die Wale zu finden. Ich verziehe mich nach so vielen Stunden draußen herumstehen langsam unter Deck. Wettermäßig hatten wir wirklich riesiges Glück, die Sonne schien den ganzen Tag und draußen auf See war es zwar frisch, aber mit Jacke gut auszuhalten.
Ich gehe meine Ausbeute an Fotos durch und ein paar der anderen Passagiere gesellen sich zu mir. Außer mir hatten alle anderen nur so kleine Kameras im Handyformat mit kaum spürbarem Zoom; bei der Entfernung, in der die Wale waren, wird man da wenig erkennen können.
Eine der Naturalistinnen hat anhand einer Tafel, die die unterschiedlichen Rückenfärbungen von weiß/grau und schwarz aller hier lebender Orcas zeigt, herausgefunden, dass es sich um Wale des sogenannten K-Pods handelt und die Mutter Jahrgang 1986 ist und das kleine 2004 zur Welt kam, das Geschlecht aber noch unbekannt ist.
Plötzlich wieder eine Durchsage. „Porpoises“ in Sicht – Schweinswale. Ich schaue raus und sehe gerade noch die Rückenflossen der beiden abtauchen. Jetzt ärgere ich mich, dass ich rein gegangen bin und stelle mich für den Rest der Fahrt doch wieder nach draußen. Die Schweinswale sind natürlich längst weg, aber wirklich trüben kann das diesen atemberaubenden Tag nicht.
Wir laufen nach insgesamt etwa sechs Stunden wieder im Hafen ein, verabschieden uns und machen uns auf den Weg zum Campingplatz. Wir haben uns im Internet schon einen ausgeguckt, der in der Nähe des Fährterminals ist, dann können wir morgen dorthin laufen und müssen keine Parkgebühren mehr zahlen. Leider hatte der Platz keine Homepage und so irren wir ein klein wenig umher bis wir etwas finden, was ein Campingplatz sein könnte. Jetzt wird mir auch klar, warum der keine Internetseite hat. Der Platz steht zwar voll mit Campern, aber die sehen allesamt so aus, als wären sie mindestens 20 Jahre nicht vom Fleck bewegt worden, sind total vergilbt und verlottert. Ein Büro lässt sich nicht ausmachen und auch keine Informationen zu Self-Registration. Wir müssen also unsere zweite Wahl in Anacortes ansteuern, Fidalgo Bay. Bestimmt auch schön, aber halt nicht so nah an der Fähre.
Nach ein paar Unsicherheiten finden wir den Platz schließlich. Er ist schon geschlossen, aber es liegt alles für eine eigene Registrierung bereit. Wir werfen das Geld ein und suchen uns einen netten Platz. Der Campground wird offenbar von Indianern geführt und liegt sehr schön direkt am Wasser.
Während des ganzen Abends schaue ich mir die Orcas auf der Kamera an. Wahnsinnstag.
Campground: Fidalgo Bay Resort (recht teuer, aber in Ordnung und sehr gepflegt)
Meilen: ca. 77 (123 km)
Wetter: Strahlender Sonnenschein, angenehm warm, auf See allerdings ziemlich frisch